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von der Thronrede sorgfältig übergangen Ivnrden, nicht ausgeschaltet werden können. Die verschiede­nen ,,Fälle", die mit dem ganzen politischen System in Preußen Zusammenhängen, sind zur Sprache ge­bracht nnL) von der Linken scharf kritisiert wor­den. Bemerkenswert mar dabei besonders, daß der preußische Minister des Innern v. Dallwitz sich nach drücklich dafür erklärte, daß die politischen Beam­ten sich voller Unparteilichkeit gegenüber den Par­teien befleißigen sollen, und mitteilte, er habe Wsi sung erlassen, daß die Landräte und andere Be amten sich jedes amtlichen Drucks auf die Parteien zu enthalten haben. Der Minister mißbilligte auch das agitatorische Auftreten von Beamten bei den Wahlen. Das läßt sich hören. Aber ob es viel helfen wird'? Weithin wird Vas bezweifelt. Das Landratssystem, die Einsetzung des amtlichen Ein.' flnsses zugunsten der Konservativen, ist in Pren ßen von altersher viel zu sehr eingewurzelt als daß es so bald ausgerottet werden könnte, selbst wenn der Minister den guten Willen dazu haben sollte.

Zur internationalen Lage.

Die Berstimmung rind das Mißtrauen, die in Frankreich durch die Potsdamer Monarchenbegeg­nung und die deutsch-russischen Verhandlungen her vorgerufen worden sind, haben in der letzten Woche in der französischen Depntiertenkammer ein lebhaf­tes Echo gefunden. Schon lange nicht mehr hat mau sich über die gesamte auswärtige Politik so gründlich ausgesprochen wie diesmal, und es hat dabei an einer scharfen Kritik der französischen Dip loniatie nicht gefehlt. Es läßt sich ja nicht verken nen, daß die Dinge nicht nach ihrem Wunsch ge gangen sind und daß sie Mißerfolge gehabt hat, die sich wohl hätten vermeiden lassen. Man braucht da nur an die Angelegenheit der türkische!; und der ungarischen Anleihe zu erinnern, wo die fran zösische Regierung das Finanzgeschäft mit politi­schen Dingen zu belasten versuchte und dabei Fiasko machte. Die russisch deutsche Verständigung läßt zwar das französisch-russische Bündnis unverändert und berührt auch, dt? sonstigen Ententen und Freund­schaften nicht: allein mau fühlt und darin hat man nicht unrecht, daß der Tina und die po­litische Richtung dieser Bündnisse und Ententen im­merhin einigermaßen verändert werden, wenn Ruß­land und Deutschland über gewisse Fragen eine Ver­ständigung herbeifuhren und in Freundschaft mit einander leben. Das ist für England und Frank reich, wo man seit Jahren die politische Orientie­rung in allen Stücken gegen Deutschland gerichtet hatte, eine unangenehme Enttäuschung, umsomehr, als man nicht umhin kann, sich nun auch 'einer­seits den veränderten Verhältnissen einigermaßen anzupassen. Der französische. Minister des Auswär­tigen, Pichon, hat zwar hoch und teuer versichert und er tonnte das, weil es in der Tat so ist > daß das russische-französische Bündnis so fest wie nur je zuvor sei und daß in den sonstigen Freund­schaftsverhältnissen Frankreichs nicht die geringste Aenderung eingerreteu sei, daß ferner Frankreich keine Ursache habe, mit den russisch-deutschen Ver­handlungen unzüfrieden zu sein. Aber großen Ein­druck hat er damit nicht gemacht, wenn er auch die rviig- Farbe noch io dick auftrug. Man stellte un erbftfticb fest, daß Rußland Frankreich nicht vor­her von seinen Absichten verständigt Kat, und man stellte weiter fest, blaß Rußland, da es sich mit Denstchland über die Bagdadbahn verständigt und seinen Widerstand dagegen aufgibt, sich in dieser Hinsicht von Frantreich und England lossagt, die unentwegt dem Bagdadbahnunternehmen sich in den Weg gestellt haben, nun aber erkennen müs sen,. daß es nicht Hilst, daß eben das Zustandekom­men dieser Bahn ans die Dauer nicht verhindert werden tann. Wie peinlich das empfunden wird, hat das in der letzten Zeit auf der ganzen Linie in großem Maßstabe betriebene Intrigenspiel ge­zeigt. Auch in Konstantinopel hat man Minen gelegt und es auch fertig gebracht, bei den Türken einiges Mißtrauen zu erregen. Die deutsche Re­gierung hat sich infolgedessen veranlaßt gefühlt, durch dcn Botschafter Frhrn. v. Marschall der tür­kischen Regierung Aufklärung darüber zu geben, daß es sich bei den deutsch-russischen Verhandlungen in Einerlei Weise um eine Beeinträchtigung türkischer Jnieressen handelt. Wie verdrießlich 'man in Frank­reich ist und wie unzufrieden mit den; Minister Pichon, geht daraus hervor, daß am Montag in der Kammer der Versuch genuacht wurde, ihn zu Falle zu bringen. Der Ministerpräsident Briand mußte iu eigener Person eingreifen, um Unheil äbznwenden, Uebrigens ist am. Dienstag in der Deputiertenkam-- mca auf Briand ein Revolverattentat verübt worden. Ein ehemaliger Gerichtsschreiber feuerte zwei Schüsse auf ihn ab, die aber ihr Ziel verfehlten und unr­einen Mann leicht an dcn- Wange streiften.

Schwarzwälder Sonn tagsblatt.

Württemliergischer Landtag.

. Stuttgart, 20 . Januar.

Die erste Beratung des Gesetzes über die Dienst­verhältnisse der Oderamtstierärzte wurde heute vom Minister des Innern v. Pischek mit längereu Aus­führungen eingeleitet. Der Minister betonte, daß der Entwurf zunächst nichts Vollkommenes bringe, aber namentlich durch die Schulärzte biel Gutes wirken und eine Brücke bilden werde, um auf Grund der gesammelten Erfahrungen späterhin noch wei ter fortschreiten zu können. Der Abg. Schick Ztr.t erklärte, daß die Mehrheit seiner Partei dem Ent Wurf znstimme, daß der Staat aber einen Teil oer Kostcn den Amtskörperschaften und den Gemeinden nbnehmen sollte. Der Abg. Graf (B.K. 1 wünschte nähere Prüfung des Entwurfs ans ähnlichen Grün­den und auch deshalb, weil- er zu sehr in die Fa- milienrechte eingreife. Dr. Bauer (V. forderte sür dre künftigen Oberamtsärzte eine ! 5jährige prak tische Tätigkeit vor der Anstellung, ihre Stellung unter das Ministerium und gute Bezahlung. An der Kostenfrage sollte der Entwurf nicht scheitern. Häfsner D. P. erklärte, daß sein? Partei dem Entwurf freundlich gegenüberstehe. Knltnsminister v. Fleischhauer begrüßte besonders die Ein­führung der schulärztlichen Tätigkeit im ganzen Lande. Dr. Linde mann iSozw begrüßte freu­dig den Entwurf. Der Aufwand ftir die össent liche Gesundheitspflege werde sich im Laufe der Zeit als nutzbringende Anlage Herausstellen. Mor­gen Fortsetzung der Beratung.

Deutscher Reichstag.

Berlin, 20.. Fon:

Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der Beratung über die RrichLwerlznwachsstcuer. Abg. Graf Car u; er kons. befürwortete einen Antrag auf Steuerfreiheit der Lattdesftirsten und Landes fürstin.nen. Nach längerer Deba.le wird bei der Ab­stimmung, während der die Polen den Saal verlas sen, die Steuerfreiheit der Landesfürsten und Lan desfürstinnen gegen eine sehr große Minderheit ab - gelehnt. Es worden verschiedene Paragraphen an­genommen, worauf die Weiterberatung auf Diens­tag 1 Uhr vertagt wird: außerdem Reichsbesteue- rnngsgesetz und Fernsprechgebührenordnung.

Lanö esnachrirtzren.

31. Januar.

* In Garrwerler. ging die Liegenschaft von Ka rl 2 ch lee h um den Kaufpreis von 40 800 Mark an den Güterhändlcr Moritz Thalheimer aus Cannstatt über.

st Oberndorf, 20. Jan. Nachdem die infolge des bereits mitgeteilten nächtlichen Einbruchs bei Stadtpfarrer Brinzinger hier von der Polizei auge­stellten Nachforschungen nach dem Täter erfolglos waren, wurde ein Polizeihund von Stuttgart requi­riert. Er Iras gestern nachmittag äeinhalb Uhr ein und wurde sofort nach dein Tatort geführt. Er nahm die Spur auf und verfolg.e sie bis an ein Bett im Gasthaus zur Sonne. In diesem Bett hatte ein zirka 10 Jahre alter Arbeiter genächtigt, der bei einem Metzgermeister mit Eisen beschäftigt war. Der jung? Mann wurde verhaftet: er leugnet beharrlich.

Auch im .Pfarrhaus in V i l li n g c n d o r f stieg heute nacht mittels einer Leiter ein Dieb ein und stahl mehrere hundert Mark.

0 Reutlingen, 20. Jan. Durch Abstürzen von der Leiter, die er an einen Laternenstvck ange­lehnt hatte, erlitt der verheiratete 58 Jahre alte Monteur Maier vom städtischen Gaswerk heute vor­mittag halb l l Uhr einen schweren Schädelbruch, dem er kurz nach Einliefernng ins Bürgerspital erlegen ist. Er hinterläßt eine Frau und 4 Kinder.

!! Stuttgart, 20. Jan. Bekanntlich wurde eine große Anzahl Wirte von hier und auswärts, die Geldspielautomaken ausgestellt hatten, zu je ! Tag Gefängnis verurteilt. In sämtlichen Fällen ist die Gefängnisstrafe im Gnadenweg in eine Geldstrafe von !0 Mark umgewandelt worden.

tz Stuttgart, 20. Jan. In dem Prozeß des Polarfahrers Lerner gegen GrafZeppelin und Geh. Rat Professor Herges e l l hat das Oberlandes - gericht die Klage in vollem Umfange abgewi e s e n.

st Niederstetten, OA. Gerabronn, 20. Jan. Der hiesige Pferdemarkt wies einen großen Frem­denzuzug auf. Auch die Pferdezufuhr war quantita­tiv und qualitativ bemerkenswert. Es wurden sehr viele Verkäufe abgeschlossen.

!l Langenau, OA. Ulm, 20. Jan. In dem Dop-' pclwohnhaus des Georg.Alimann und Paulus Wurz in der oberen Stadt brach Feuer aus, das infolge

Umwerfens eines Petrolenmlichtes auf der Bühne und Entzündung des dort befindlichen Heus und Strohs entstanden sein soll. Das Vieh und ein Teil der Hcmshaltungseinrichtung konnte gerettet werden: die. Gebäude braun tun bis auf die Umfas­sungsmauern nieder. Die Wasserleitung und unsere Feuerwehr haben sich auch in diesem Fall recht gur bewährt. '

Aus dem Reiche.

st Berlin, 20. Jan. Dem Staatssekretär des Reiclismarineamts haben heute die Anteilnahme ihrer Regierungen ausgesprochen: Die Marineatta- chees von Rußland und den Bereinigten Staaten von Nordamerika, ferner erschien der Gesandte von Brasilien in Begleitung des Marine- und Mili­tär attachees. Die Leiche des Leutnants zur See Kalbe wird diese Nacht übergeführt und morgen vormittag in der Dreifaltigkeitskirche anfgebahrt. Die Beerdigung findet voraussichtlich am Sonntag nachmittag statt.

st Kiel, 2«!. Jan. In der Marinegarnisons­kirche fand heute nachmittag für die im Unterseeboot U 2» Bern» glückten eine Trauerfeier statt. Frau Prinzessin Heinrich erschien in Begleitung der Prin­zen Waldemar und Sigismund in der Kirche und legte an den drei Särgen, die vor dem Altar auf­bahrt waren, je ein weißes Blumentreuz nieder. Marineoberpfarrer Geh. Konsiftorialrat Goede hielt eine tiefergreifende Gedächtnisrede. Die Särge der beiden Offiziere wurden sodann von einem großen Trane rgefolge znm Bahnhof geleitet: von wo die Ueberführung in die Heim.-ft erfolgte. Der Matrose wird morgen auf dem Garnisonsfriedhof beerdigt werden.

Ausländisches.

tz Paris, 20. Jan, In der heutigen Sitzung der Deputiertenkammer erklärte bei Gelegenheit der Beratung des Budgets des Ministeriums des Innern der Deputierte Vaillant, es sei dringend notwendig, daß Maßnahmen -ergriffen würden, um das Land vor dem Eindringen der Cholera zu schützen. Der Redner forderte die Regierung auf, eine Jurer- naftonale Gesundheitskonferenz einzubernfen, die vorbeugende Maßnahmen ins Leben rufen soll. Mi­nisterpräsident Briand antwortete, die Einberufung einer internationalen Hygienekonferenz sei soeben beschlossen worden. «

* Konstantirropel, 20. Jan. DieTirrquie" er­fährt, daß ein am 15. Januar bei Ebho, Provinz Assyr, begonnener Kampf mit den Ansständischen ge­stern noch andauerte. Die Regierungstrnppen haben 80 Tote und ebensoviel Verwundete. Die Verluste der Ansständischen sind sehr bedeutend. Dem ,,Jt- dam" zufolge beabsichtigt die Regierung, außer 30 Bcftailtonen im notigen Falle noch ändere Truppen nach dem Jemen zu senden.

* Konstantinopel, 20. Jan. Der Finanzminister gab Anweisung, daß die zur Verfügung des Staates bei der Deutschen Reichsbank ruhenden Depots des abgesetzten Sultans im Gesamtbetrag von etwa 13 Millionen Mark, welche in deutschen, französischen und englischen Staatsfonds angelegt sind, an die De-nlsche Bank übertragen werden, um dort für Rechnung des türkischen Staatsschatzes weiter ver­waltet zu werden.

!! Baku, 20. Januar. Ans oem .Kaspischen M e ? r wütet ein ungewöhnlich heftiger S t u r m. Das Wasser unterwühlte den Userdamm und drang in das Gymnasium ein. Aus dem gleichfalls bedroh­ten Gefängnis wurden die Gefangenen in Sicher­heit gebracht. Infolge Eindringens der Meereswel­len in den nahegelegenen Nurinsee ist dieser über die Ufer getreten und überflutete den Stadtgarten und das Boulevard. Die Lesehalle wurde zerstört;. Im Gouvernement Eriwan wütet seit einer Woche ein 'Schneestnrm. Mehrere,Personen find umgekom ­men.

st Washington, 20. Jan. Der Ausstellungsans- schuß des Repräsentantenhauses hat in dem Wett­streit um die Veranstaltung der Panama-Kanal-Aus­stellung im Jahre 1013 zugunsten von New- Or­leans entschieden.

tz Albany tWestaustralien), 20. Jan. Auf dem Dampfer ,,Parisiana" von Newhork nach Melbourne brach am 13. Dezember Feuer ans. Nach vergeb­lichen Anstrengungen, die Flammen zu ersticken, ver­ließ die aus 35 Köpfen bestehende Besatzung das Schiff und erreichte in Rettungsbooten am l 0. Dez, die St. Panlsinsel. Drei ver starben infolge Er- s chöp f n.n g. Die Ueberlebenden fanden an dar Küste ein Nahrnngsmitteldepot, von dem. sie lebten, bis sie von einem englischen Dampfer aufgefunden wur­den, der sie nach Albany brachte.