ss Eßlingen, 19, Ott. Der gestern hier im Alter von 86 Jahren gestorbene Privatier Karl Schalter, einstmals Gerbermeister, hat von l889 bis 1892 als Stadtvorstand an der Spitze von Eßlingen gestanden. Er war Wider seinen. Willen Stadtschultheiß geworden, da er bei dem damaligen Wahlkampf zu dem Stadtpfleger Weith und dem Amtsrichter Balz nur als Nebenmann Werths aus dessen Zettel stand, indessen noch einige Ltim men mehr als Weith erhalten hatte. Sein Nachfolger auf dem Rathaus ist dann der jetzige Oberbürgermeister Dr. Mülberger geworden.
st Marbach, 16. Ott. Aus dem Bchhnhos geriet ein mit Holzmehl beladener Güterwagen in Brand. Das Holzmehl ist vollständig, der Wagen bis auf die eisernen Teile verbrannt. Die Entstehung des Feuers ist noch nicht aufgeklärt.
Kiinzelsau, 16. Okt. lieber die Attentate aus den Postwagen zwischen Eindringen und Ernsbach ist nachzutragen: Als am 11. ds. Mts. der Posthalterssohn Richard Gerock von Eindringen, der mit einem Jagdgewehr ausgerüstet den Postwagen begleitet hatte, abgestiegen war und die Wei- terbegleitung dem Oberlandjäger Walter von Forchtenberg überlassen hatte, wurde aus dem Walde ein scharfer Schuß auf ihn abgegeben, der ihm die Tabakspfeife im Munde zertrümmerte, ohne ihn selbst zu verletzen. Der sofort requirierte Polizeihund Sherlock konnte bekanntlich die Spur des Täters nicht verfolgen.
st Von der rauhen Alb, l6. Okt. (Eingemeindung. Zu Marbach mit dem K. Gestükhvf gehörte bisher auch das Schloß Grafeneck. Nunmehr haben sich die zur Gesamtgemeinde Dapfen gehörigen Teil gemeinden Dapfen und Marbach dahin geeinigt, daß das Schloßgut Grafeneck mit Gebäuden und Parzellen von Marbach losgetrennt und mit Dapfen vereinigt werde. Die Vereinbarung, die schon Ende März stattgefunden hat, erhielt die Genehmigung der Donaukreisregierung mit Rückwirkung auf den 1. April 1610.
s! Rente, OA. Waldsee, ! 6. Okt. Im Anwesen des Matthäus Bauer entstand aus bis jetzt unaufgeklärte Weise Feuer, das das Wesen vollständig e i>n äscherte.
st Friedrichshofen, 19. Okt. (Meteorologisches? Im Aufträge der internationalen Kommission für wissenschaftliche Lustschifsahrt begibt sich der Assi- ftenr der Drachenftation am Bodensee, Dr. Jonas, in nächster Zeit nach Westindien, uni dort Untersuchungen der freien Atmosphäre vorzunehmsn. Die Versuche finden von Bord S. M. Kreuzer „Freya" aus statt, der in den dortigen Gewässern stationiert ist und dauern ungefähr vier Wochen.
st Berlin, Ul. Okt. Das Militärluftschiff M. .6, das nach den Kaisermanövern des Luftschifferbataillons einer gründlicher Revision unterworfen worden ist, ist heute wieder in Dienst gestellt worden. Es ist eine Fernfahrt nach Gotha geplant.
st Hamburg, 19. Okt. Die Wiederaufnahme der Arbeit durch die Werftarbeiter wird nunmehr morgen früh erfolgen.
* Bremerhaven, 19. Okt. Mit dein Lloyddampfer „Prinz Ludwig" ging der Ablösungstransport für das Kriegsschiff „Planet" nach Ostasien ab.
Vorsorge gegen einen deutschen Eisenbahnerstreik.
* Dresden, 19. Okt. Es ist begreiflich, daß der Eisenbahnerstreik in Frankreich auch die Frage nahe- gelegt hat, ob ähnliche Vorgänge in Deutschland ganz außerhalb der Möglichkeit lägen. Auch die deutschen Eisenbahnverwaltungen scheinen zu glauben, daß ein Streik von Eisenbahnangestellten selbst bei uns unter Umständen nicht gänzlich ausgeschlossen sei. Das deutete auch Finanzminister Dr. v. Rüger im letzten Landtag an, als er in des Zweiten Kammer die Entlassung der 13 Chemnitzer Eisenbahnarbeiler verteidigte, die eine vom Deutschen Transportarbeiterverband einberufene Versammlung besucht hatten. Die deutschen Eisenbahnverwaltungen betrachten den genannten Verband und seine Bemühungen, die Eisenbahnangestellten sozialdemokratisch zu organisieren, als das böse Prinzip in ihrem Wirkungskreis. Sie sind davon überzeugt, daß der Verband dahin strebe, wie sich Dr. v. Rüger auch bei jener Gelegenheit ausdrückte, auf dem Wege des Eisenbahuerstreils weitgehende Forderungen der Bediensteten durchzusetzen. Vor dem Unheil eines Eisenbahnerstreiks müsse aber unser Wirtschaftsleben, müsse das ganze Volk unbedingt bewahrt bleiben. Aus dieser Auffassung ist es begreiflich, daß schon seit geraumer 'Zeit in den Bundesstaaten Maßregeln getroffen sind, um Berkehrsschwierigkeiten für den Fall abzn- wendeu, daß einmal aus deutschen Bahnen ein Eisenbahnerstreik ausbricht. Auch bestimmte Abmachungen mit dem Reich sollen für diesen Fall 'bestehen.
Das Bergwerks-Unglück im Kaliwerk „Siegfried".
* Hannover, !9. Okt. Das Grubenunglück im Kaliwerk „Siegfried" hat achtzehn Opfer gefordert. Die abgeschlossenen Bergleute wurden heute nacht als Leichen geborgen. Als Ursache der Katastrophe ist eine Dynamiterplosion sestqe- stellt.
Ausländisches.
* Jspahan, 19. Okt. Vier große, !0o Werft von hier entfernte, Ortschaften wurden durch Banden bewaffneter Nomaden ausgeplündert. Die halbnackten und hungrigen Bewohner flüchteten hierher. Da Jspahan ohne Besatzung ist, droht ihm das gleiche Schicksal.
ss Genf, l 9. Okt. Der Mörder der Kaiserin Elisabeth von Oesterreich, Ln- cheni, wurde heute abend erhängt in seiner Zelle aufgefunden.
* Pisa, 19. Okt. Die Königinwitwe Maria Pia ist an Bord des Kreuzers „Regina Elena" in der Nähe der königlichen Billa von San Rvssore eingetroffen und sofort an Land gegangen.
* Paris, 19. Okt. Nach einer sichtlich vom Quai d'Orsay stammenden Zeitungsmeldung sind die zwischen der französischen Regierung und dem hiesigen türkischen Botschafter geführten Verhandlungen über das Anleiheprojekt nunmehr a b - gefchlo s s e n. Das betreffende Uebereinkommen bedürfe nur noch der Zustimmung der Pforte.
* Brüssel, 19. Okt. Die Jury der Weltausstellung hat gestern die offizielle Verteilung der Preise vorgenommen. Die Preisvertei
lung stellt sich statistisch wie folgt: Von 2751 « Ausstellern sind l9 574 prämiiert. 1065 Ausstel ler stehen außer Wettbewerb, da sie Mitglieder des Preisgerichts waren. 89 andere Firmen hatten sich vorher außerhalb des Wettbewerbs gestellt. ^ Ganzen wurden bewilligt 3329 Große Preise, 24iz Ehrendiplome, 4362 goldene, 3939 silberne' tzzzg bronzene Medaillen. 1683 Firmen wurden mit einer ehrenden Erwähnung bedacht. Deutschland erhielt bei 397, Ausstellern 508 große Preise.
ss Belgrad, t9. Okt. Nach dem heute nachmittag ausgegebenen Krankheitsbericht hat sich das Allgemeinbefinden des Kronprinzen etwas gebessert.
ss Belgrad, k9. Ott. Nach Mitteilungen aus informierten ärztlichen Kreisen besteht Hoffnung, daß der Kronprinz die Krankheit gut überstehen werde, da sein Krüftezustand bisher befriedigend und die Herztätigkeit normal ist.
st London, 19. Ott. König Manuel und Königin Amelie von Portugal sind heute abend an Bord der englischen Kriegsjacht in Plymouth ein getroffen und von dem Vertreter des Königs empfangen worden. Die Herrschaften begaben sich nach ihrer Landung zum Bahnhof, von wo sie nach Woodnortou abreisteu. Die Jacht war bereits vormittags vor Plymouth eingetroffen, lief jedoch, da die zum Empfang bestimmten Personen noch nicht zugegen waren, erst abends in den Hasen ein r
ss London, 19. Ott. Balfour wies in einer heute in Glabyon gehaltenen Rede auf die Aende- rung in der S e e m a ch t ste l lu n g Gr 0 ßb ritan- niens hin, die er als verhängnisvoll bezeichnet?. Im Bau von Kriegsschiffen sei während der beiden unheilvollen Jahre des letzten Parlaments eine beklagenswerte Pause eingetreteu. Er könne die gegenwärtige Lauheit nicht begreife:?. Der englischen Inferiorität ini Bau von Kriegsschiffen müsse unter allen Umständen gründlich und unverzüglich abgeholfen werden. Wenn England nicht im Stande sei, aus den laufenden Finanzmitteln Abhilfe zu schaffen, so müsse es sieb erforderlichenfalls Mittel durch eine Anleihe verschaffen. Die anderen Länder müßten dis Ueberzeugung gewinnen, daß trotz aller Parleikämpfe die Nation fest entschlossen sei, für die Anfrechterhaltung ihrer Macht und die Erfüllung ihrer nationalen Pflichten den letzten Schilling und den letzten Mann zu opfern.
* London, 19. Okt. Nach einer Meldung aus Teheran setzte die englische Regierung die persische Regierung davon in Kenntnis, daß England für den Fall, daß Persien die Bedingungen der Note über den Zustand der Handelswege nicht erfüllt, die. Verantwortung für die Anfrechterhaltung der Ordnung auf der Straße Buschirschiras bis Jspahan in der russischen Zone selbst übernehmen werde.
st Madrid, 1.9. Okt. La Correspondecia des Es- ocnma erfährt aus Ceuta, daß ein spanischer Schoo- uer, der Waren nach Tetuau brachte, von Kab tz- len beschossen wurde.
st Lissabon, 19. Okt. Das ministerielle Blatt El Mundo berichtet, daß der portugiesische Konsul in Pretoria eine besondere Einladung zur Teilnahme an der Eröffnung des südafrikanischen Nnionsparlaments erhalten habe. Der Konsul sei vom Minister des Auswärtigen beauftragt, die Ein-
Wer trocken Brot mit Luft genießt.
Dem wird es gul bekommen,
Wer Sorgen hat und Braten ißt,
Dem wird das Mahl nicht frommen.
B, Reinick.
Der Franzose.
Erzählung aus der neuesten Zeit von M. Reinhold.
(Fortsetzung.) Nachdruck verboten.
Christoph Bertram stand völlig unter dem Banne der energischen Frau, er folgte blindlings ihrem Willen. So war er denn auch damit einverstanden, als er mit seiner Gattin und nunmehrigen Stieftochter in die Heimat zurückkehrte, den Baron Landen dahin einzuladen. Wieder aber zeigte sich die höchste Aufregung bei dem jungen Mädchen, als sie hiervon hörte, und der Arzt mußte von Neuem ein- schreiten, so daß Landen einstweilen die Familie Bertram nicht begleitete. Uebrigens war Chnstovh Bertram von seiner bisherigen Wertschätzung des Barons erheblich zurückgekommen, als dieser in recht ungenierter Art verschiedene Anleihe-Versuche machte. Der Industrielle hatte ihm den erbetenen Betrag ohne Weiteres eingehändigt, aber er hatte sich doch genug dabei gedacht. Und nur seine unzerstörbare Neigung zu seiner Frau hinderte ihn, gegen den Baron noch deutlicher zu werden, als es schon geschehen war. Auch zu Margot hatte sich Christoph Bertrams Stellung, seitdem er ihr Stiefvater geworden war, geändert. Er hegte herzliche Teilnahme für das anmutige Kind, das an seiner unglücklichen ersten Liebe krankte und durch nichts bewegt werden konnte.
seine Abneigung gegen den von der Mutter begünstigten Freier ab,zerlegen.
Klaus Bertram hatte nie das Haus seines älteren Bruders betreten, seitdem die Hausfrau und die Stieftochter in dasselbe eingezogen waren. Die beiden Brüder kamen im Geschäft über diesbezügliche Gespräche nicht hinaus, und Besuche bei Christoph hatte Klaus mit aller Bestimmtheit abgelehnt. „Wir wollen uns dock das Leben nicht von neuem schwer machen/ hatte der Jüngere gesagt und dabei war es geblieben.
So verfloß dis Zeit bis zum nächsten Frühjahr, und Margot erschien völlig wiederhergestellt. Ihre Mutter, die inzwischen von dem Baron mit Briefen bombardiert war, nahm jetzt Anlaß, auf den Heiratsgedanken zurückzukommen. Zwar sprach sie noch nicht direkt mit ihrer Tochter darüber, aber Margot hatte eine Unterhaltung deswegen zwischen der Mutter und dem Stiefvater belauscht. Und eine Woche darauf erlebte die Familie Christoph Bertram, die alte Firma und die ganze Stadt eine große Sensation, Klaus Bertram und Margot von Dellen waren verschwunden, und in der Geschäftskasse fehlte ein bedeutender Betrag. Dafür lag eine Quittung darin, in der Klaus bescheinigte, hunderttausend Mark L Konto seines Guthabens erhoben zu haben.
Ein nicht mehr beachteter Zwischensteg, der früher von den Prinzipalen der Firma benützt worden war, verband die Fabrik mit dem Wohnhause Christoph Bertram's, und mittels desselben hatten die heimlichen Zusammenkünfte zwischen Klaus und Margot stattgefunden. Das junge Mädchen hatte sich lange gesträubt, dem Drängen des Geliebten zu folgen, mit ihm in die Ferne zu ziehen und ihm dort die Hand zum Bunde fürs Leben zu reichen, aber als das Erscheinen des verhaßten Barons Landen von neuem nahe bevorstand, da hatte sie endlich eingewilligt.
Klaus halte den Zukunftsplan genau ausgearbeitet. Sie bedurften beide, um nicht einem ungewissen Lose ausgesetzt zu sein, des Geldes, und der junge Mann meinte ein Recht darauf zu haben, sich eine größere Summe selbständig — eben auf sein Guthaben hin — anzueignen. Das war nicht iveiter schwierig, denn nachdem das äußere normale Verhältnis zwischen den beiden Brüdern wiederhergestellt war, hatte Klaus, ebenso wie Christoph, Zutritt zu allen Räumen des Geschäfts, also auch zur Kasten-Verwaltung. Dis Reise sollte nach London gehen, und dort sollte die Eheschließung stattfinden.
Die Reise erfolgte ohne alle Störung, auch die Vereinigung der beiden Liebenden stieß auf keinen Widerstand. Und so konnten sie denn nach einer Woche Christoph Bertram und Frau Eleonore die Verwirklichung ihrer Wünsche Mitteilen und um ihren Segen bitten. Hätte die Zustimmung zum Bunde der beiden Glücklichen nur von Christoph abgehangen, sie wäre wohl sofort erfolgt, aber Frau Eleonore war außer sich vor Zorn, sie verweigerte es rundweg, die Bitte ihrer Tochter und deren Gatten zu erfüllen.
Das junge Paar wurde in seiner Flilterivochen-Seligkeit auf das herbste gestört, als statt des erbetenen Segens ein Brief der Mutter enttraf, der der Tochter die sofortige Heimkehr befahl, die abgeschlossene Ehe für die heimatlichen Verhältnisse als ungiltig Gezeichnete und, damit es an gar nichts fehle, Klaus mit einem Strafverfahren wegen Entführung einer Minderjährigen und wegen Diebstahls drohte, wenn er es sich etwa einfallen lassen sollte, noch ferner aus seinem „verruchten Trotz", wie Frau Eleonore sich ausdrückte, zu beharren. Margot war der Fluch ihrer Mutter angedroht, falls ste nicht sofort den Mann ihrer Wahl verlasse.
Fortsetzung folgt.