mer-Tettnang, der Baumeister und eines zahlreichen Publikums fand heure vormittag die Einweihung des neuen Schulhauses statt. Um 11 Uhr fuhr das Königspaar mit dem Hofstaat vor u. wurde in den schön geschmückten Festsaal geleitet. Ein gemeinsames Lied der Schüler eröffnete die Feier, worauf Stadtschultheiß. Mayer die Festrede hielt, in der er einen kurzen Rückblick über den Bau gab und allen an ihm Beteiligten herzlich dankte. Dann folgte eine Deklamation eines Schülers, sodann eine Ansprache des Rektors Rettinger-Ravensburg als Vertreter der K. Ministerialabteilung für die höheren Schulen, dann des Regierungsrats Hartmann- Stuttgart als Vertreter des K. Gewerbeschulrats. Durch eine Schülerin der evangelischen Volksschule wurde ein Gedicht in schwäbischer Mundart varge- tragen, sodann sprach Stadtpfarrer Schmidt. Ein von den Schülern vorgetragenes Lied schloß die Feier. Das Königspaar unterhielt sich hierauf zwanglos mit den Anwesenden und besichtigte^ die Schulsäle und die übrigen Räumlichkeiten des Hauses, seiner Freude über dessen Schönheit und Zweckmäßigkeit Ausdruck gebend. Unter dem Jubel der Bevölkerung fuhr das Königspaar später wieder zum Schlosse zurück. Auch Graf Zeppelin wurde bei seiner Abfahrt jubelnd begrüßt. Um 1 Uhr fand ein Festessen im Buchhornerhof statt.
Leibesübungen in den Fortbildungsschulen.
Auf Anregung des schwäbischen Turnkreises und des württembergischen Turnlehrervereins wurde kürzlich in Stuttgart eine Vorbesprechung zur Bildung eines Landesausschusses für die Leibesübungen der schulentlassenen Jugend abgehalten. Anwesend waren u. a. Vertreter der Ministerien des Innern, des Kultus und des Kriegs. Turnlehrer Held (Reutlingen legte eine Reihe von Leitsätzen vor, in denen er betonte, daß zwar dis Einführung gesunder Leibesübungen in den Fortbildungsschulen wünschenswert wäre, ihre allgemeine Einführung aber auf dem Wege der Gesetzgebung zur Zeit unmöglich sei. Dagegen wäre eine teilweise und allmähliche Angliederung solcher Hebungen an die verschiedenen Arten von Fortbildungsschulen ein zum Ziele führender Weg. Zur Verfolgung dieses Wegs solle ein Landesausschuß, dem sich Bezirks- und Ortsausschüsse untergliedern, gebildet werden aus Vertretern der Regierung, des Heeres, der Schule und Medizin, der Industrie- und Handwerkervereinigungen, der Jugendbildungsvereine, der Turnlehrer- und Turnervereinrgungen re. Aufgabe dieses Ausschusses wäre es, als Zentral und Vermittlungsstelle zu wirken, die Grundzüge des Uebungsbetriebes festzulegen, Uebungsleiter her anzubilden, bei Beschaffung von Uebungsstätten und Geräten mitzuwirken und alle sonstigen auf eine gesunde Leibespflege und natürliche, volkstümliche Lebensweise abzielenden Bestrebungen zu fördern. Dies Programm wurde im allgemeinen gutgeheißen. Das Unternehmen soll einen privaten Charakter tragen.
* Pforzheim, 11. Okt. Erst 55 Jahre alt, starb gestern nach langem schweren Leiden Herr Robert Bürkle, der Besitzer und Begründer des bedeutendsten Sägewerks im Pforzheimer Bezirk. Er hat die von seinem Vater erworbene kleine und veraltete Lenzsche Sägmühle im Würmtal zu einem der be
deutendsten und bejstausgestatteten Werke unserer Gegend ausgebaut und ausgestaltek.
* Hamburg, 11. Okt. Entsprechend dem gestrigen Beschluß der Delegiertenversammlung der Werftarbeiter wurde heute durch Mauecanschläge bekannt gegeben, daß wegen Nichteinhaltung der vereinbarten Friedensbedingungen die Arbeiter die Arbeit nicht wieder aufnehmen und die Werften aufs neue verlassen. Tatsächlich sind auch heute morgen auf keiner der Werften und auch nicht in den zahlreichen Fabriken, in denen Sympathiestreiks eintraten, die Arbeiter erschienen. Die Hauptschwierigkeit liegt mvmentan in der Frage der Auszahlung der rückständigen Akkordüberschüsse. Die Stimmung der Arbeiter ist sehr gereizt. Heute abend finden Versammlungen der Werftarbeiter statt, in denen weitere Beschlüsse gefaßt werden sollen.
Straßendemonstration in Remscheid.
ff Remscheid, l 1. Okt. Im Anschluß, an fünf Protestversammlungen gegen den vom Arbeitgeber verband eingerichteten Arbeitsnachweis zogen heute nachmittag etioa 2000 Arbeiter lärmend und mit dem Rufe: „Nieder mit der bürgerlichen Presse!" durch die Alleestraße. Die Aufforderung der Polizeibeamten, sich zu zerstreuen, wurde mit Hohnrufen und Steinwürfen beantwortet. Es gelang zunächst, die Demonstranten ohne Anwendung der Waffe in die Nebenstraßen zu drängen. Als sich jedoch die Menge ün Rücken der Schntzmannschast abermals zusammenrottete und aus ihrer Mitte Steine auf die Beamten geworfen wurden, waren diese gezwungen, blank zu ziehen. Nunmehr wurden die Demonstranten endgiltig in die Seitenstraßen zurückgeworsen und in der Nähe des Bahnhofes zerstreut. Einige Personen erhielten Säbelhiebe, ohne ernstliche Verletzungen drvonzutragen. Die Zahl der Verletzten konnte nicht festgsstellt werden, da sie das» Weite suchten.
Ausländisches.
ji Innsbruck, I I. Okt. Der ehemalige konservative Lindtagsabgeordnete Anton Flecküerger ist in Westerdorf im Brixentäl mit einer Schußwunde im Kopfe ermordet aufgefunden worden. Von den Tätern fehlt jede Spur. Gerüchte behaupten, daß politische Feindschaft die Ursache des Mordes sei.
st Paris, l l. Okt. In Cholet, woselbst 12 000 Weber streiken, kam es zwischen Gendarmen und den Ansständigen zu Zusammenstößen, wobei es auf beiden Seiten zahlreiche Verwundete gab.
st London, 11. Okt. Der Herzog und die Herzogin von Connaught sind heute Zur Eröffnung des Unionsparlaments nach Südafrika abgereist.
Die Einweihung des Württernbergerdenkmals bei Ehampigny.
st Paris, 11. Okt. Heute nachmittag fand die Einweihung des Denkmals zu Ehren der in den Kämpfen bei Ehampigny vom 30. November bis 2. Dezember 1 870 gefallenen Württemberger statt. Das Denkmal, ein Werk des Prof. Frend, besteht aus einem hohen von einem Kreuz überragten Obelisken, der in deutscher und französischer Sprache die Inschrift trägt: „Württemberg seinen tapferen Söhnen" und mit dem württembergischen Wappen
geschmückt ist. Unter Führung des Generals v. Greifs war eine Abordnung der württembergischen Kriegervereine erschienen, die von den in großer Zahl erschienenen Bewohnern von Ehampigny respektvoll begrüßt wurden. Der der deutschen Botschaft als Attachee ungehörige Rittmeister Franck dankte in kurzer eindrucksvoller Ansprache dem Maire von Ehampigny und der französischen Regierung für die dem pietätvollen Werk gewährte Unterstützung, worauf er das Denkmal der Gemeinde übergab, in deren Namen es der Maire Dr. Pouillet in treue Obhut zu nehmen versprach. Sodann legten General v. Greifs und die anderen Mitglieder der Beteranenabordnung die von dem württembergischen Königspaar, der Herzogin Wera, dem Herzog Albrecht von Württemberg und von mehreren Regimentern ! und Kriegervereinen gewidmeten Kränze nieder. Im ! Namen der Ausschüsse überreichte hierauf Major ! von Valois der Gemeindeverwaltung für die Schule von Ehampigny eine größere Geldspende. Zum . Schluß begab sich die Abordnung zu einem in der ! Nähe gelegenen französischen Kriegerdenkmal, in des- ^ sen Nähe auch zahlreiche deutsche Soldaten begraben liegen und legte daselbst zwei Kränze für die gefallenen französischen und deutschen Kameraden nieder. Die Feier nahm einen würdigen in ihrer Schlichtheit erhebenden Verlauf.
Eisendahnerstreik in Frankreich.
st Paris, 11. Okt. Die Eisenbahnbedieüsteten der Nordbahn beschlossen in ihrer gestern abend abgehaltenen Versammlung den Generalstreik.
st Paris, ll. Okt. Heute nachmittag traf aus dem Seebad Berck Plage mit zweieinhalbstündtger Verspätung ein Zug ein, der kranke Kinder nach Paris zurückbrachte. Der Zug war in der Nähe der Station Ereil bei Paris von Streikenden ange- hatten worden: doch ließen sie ihn die Fahrt sort- s'tzen, nachdem der Lokomotivführer an ihre M-nschlichkeit appelierk hatte. ->
st Paris, 11. Okt. Da auch der Verkehr auf der Güterbahn eingestellt ist, so sind die im nördlichen Weichbild der Stadt wohnhaften Arbeiter und Angestellten genötigt, fast ausschließlich die Straßenbahn zu benutzen. Dabei kam es wiederholt zu sehr erregten Auftritten und Streitigkeiten.
st Brüssel, 11. Okt. Der Schnellzug Paris- Köln verkehrte nachmittags noch fahrplanmäßig.
Znr Lage in Portugal.
* Berlin, 10. Okt. Der deutsche Gesandte ln Lissabon, Frhr. v. Bodman, der zur Zeit beurlaubt in Deutschland weilt, hat Befehl erhallen, sich möglichst schnell auf seinen Posten nach Lissabon zu begeben und wie die Vertreter der anderen Mächte mit der provisorischen Regierung die zur Wahrung der deutschen Interessen und zur Fortführung der Geschäfte notwendigen Verbindungen zu unterhalten.
st Lissabon, 11. Okt. Ganz Lissabon hat gestern in begeisterten Demonstrationen die Gründung der Republik gefeiert.
st Lissabon, l 1. Okt. Mehrere Kirchen find wieder geöffnet worden. Heute morgen hißten die kirchlichen Gebäude ausländische Fahnen nnd erhielten Wachen. Der apostolische Nuntius ließ auf feinem! Palast die österreichische Fahne anfziehen. Es wurde
D A«s<s»»»«-L. ^
Ein heitrer Geist, ein froher Sinn —
Sie sind der Menschheit beste Gabe —
Und wird die Weisheit früh die Gutsverwallerin, So reicht der Vorrat bis zum Grabe.
Der Franzose.
Erzählung aus der neuesten Zeit von M. Reinhold.
(Fortsetzung.) Nachdruck verboten.
Diese Auffassung ward ihr noch bestärkt, als sie in dem Stadtviertel, welches der Großhandel vornehmlich bewohnte, ihren Gast nach dem großen Verwaltungsgebäude der umfangreichen Spinnerei von Christoph Bertram und Sohn starren sah. Der Hauptsitz des Geschäfts war hier in der Stadt, die Fabrik befand sich unweit von Friedingen, und Rose's Mann und Schwiegervater waren in derselben tätig. Weiter ab von Friedingen lag Schloß Mariengrund, das. wie wir wissen, gern von dem Fabrikbesitzer Bertram, seiner Frau und seiner Tochter an schönen Tagen bewohnt wurde. Das Geschäftshaus war ein großes Gebäude, aber schlicht und einfach im Stil einer einstigen bescheidenen Zeit erbaut, fo daß es von anderen Häusern, die vielleicht kleineren Geschäften als Heimstätte dienten, übertroffen wurde. Dort gab der äußere Schein den. Ausschlag, hier bei dem Bertramschen Anwesen bedeutete die altüberlieferte Solidität alles.
Natürlich wußte Frau Rose dies alles ganz genau, und darum ärgerte es sie doch, als Klaus mit einem bei
nahe geringschätzigen Lachen, wie es ihr dünkte, sich die Heimstätte der Leitung des Bertramschen Geschäftes betrachtete. Wenn Einer blos so die Straße daher gezogen kam, dann sollte er doch vor Leuten, die Hunderten von Arbeitern Lohn und Brot gaben, Respekt haben.
„Warum lachen Sie denn so über das Beriramsche Geschäft da?" fragte sie barsch. „Sie denken wohl, weil Sie auch Bertram heißen, können Sie über die Schrift da oben am Hause „Christoph Bertram und Sohn" das Gesicht verziehen? Daß Sie sich blos nicht irren. Der Herr Bertram hat mehr Verstand in seinem kleinen Finger, wie Sie in Ihrem ganzen Kopf. Verstanden?"
Klaus Bertram ging auf diesen derben Vorwurf gar nicht weiter ein, er behielt sein unergründliches Lachen ruhig im Gesicht. Dann fragte er plötzlich: „Hier in der Nähe war früher ein großes Vergnügungs-Lokal, in dem an Meßtagen tüchtig getanzt wurde. Ist das noch da?"
Ueber Frau Rose's Gesicht flog ein tiefes Rot leidenschaftlicher Erwartung. Sie hatte früher furchtbar gern getanzt, aber seit ihrer Hochzeit mit Karl Wuddicke aus alle Ballfreuden verzichten müssen. Der schwärmte nicht für das Herum-Gehoppse, wie er es nannte, so oft ihm auch sein Vater Anton sagte, junge Leute, wie er, müßten flott sein. Jetzt sprach der Franzose von diesem Vergnügungs-Etablissement, in dem Frau Rose vor Jahren, als sie noch Köchin in der großen Stadt gewesen war, so selige Stunden — in allen Ehren natürlich — verlebt hatte.
»Sie meinen das Kolosseum?" fragte sie, während das Blut ihr fast fieberhaft schnell durch die Adern jagte. „Ja, sind Sie denn hier bekannt, daß Sie das wissen?"
„Bin hier früher mal ein paar Tage gewesen und habe damals mit einem drallen Mädelchen eine Nacht durch ge
tanzt," sagte er luftig. „Und meiner Treu, das könnten Sie gewesen sein, Frau Rose."
„Dummes Zeug," sagte sie kurz, aber das Herz pochte ihr immer stärker.
„Wollen Sie beschwören, daß es nicht so war?" fragte er weiter. „Sehen Sie, das können Sie nicht. Also nehmen wir's an, wir wären alte Bekannte, da könnten wir heute wieder einmal einen Walzer riskieren. Einverstanden?"
„Aber . . . Herr Bertram ... ich bin doch eine verheiratete Frau," stotterte Frau Rose. „Wenn in Klein- Friedingen die Leute erführen, daß wir beide mit einander getanzt hätten? Was würde mein Mann dazu sagen?"
Der Franzose lachte noch lauter. „Was geht das die Leute an, wenn ich Sie um einen Tanz bitte, und Sie sind damit einverstanden? Und wenn Ihr Mann etwa mich fragt, weshalb und warum, so antworte ich ganz einfach, ich habe die schmucke Frau Rose aus purer Dankbarkeit, weil Sie mich so freundlich ausgenommen hat, um einen Tanz gebeten. Also?"
Frau Rose's Drang, eine vergnügte Stunde zu verleben, ward übermäßig. „Sie haben recht," sagte sie kurz entschlossen s „und wenn mein Mann keine Zeit findet, mir mal eine Freude zu bereiten, so darf er's auch einem guten Bekannten nicht wehren. Kommen Sie. Und am Ende könnten wir uns ja wirklich schon einmal gesehen haben." Er nickte zuflimmend.
Tanzte der Franzose wirklich so gut, oder kam es Frau Rose, die schon Monate lang ein harmloses Tänzchen hatte entbehren müssen, nur so vor, kurzum, noch nie war ihr die Zeit auf einem Tanzboden so pfeilschnell entwichen. Sie versäumten einen Zug, den sie zur Heimkehr hatten benützen wollen und tanzten weiter und weiter, um so mehr, da sie