Aus Süd Westafrika liegen wieder Protest­beschlüsse gegen die Regierung vor. Der Windhu ker Bürgerverein hat in einer Resolution seinem Bedauern Ausdruck gegeben, daß, obgleich die An siedler die Steuerlasten und Pflichten der Gemeinde- Selbstverwaltung bereits vor Jahresfrist freiwil­lig übernommen hätten, die seiner Zeit in Aus­sicht gestellten Ueberweisungen von Grundstücken, Anstalten und Einrichtungen durch den Fiskus sich so sehr verzögern. Trotz Befürwortung dieser Ueber- weisungen im Reichstage stellt das Kolonialamt mit dem Rechte der jederzeitigen Rücknahme der über­wiesenen Werte eine Bedingung, die von vornherein die Lebensfähigkeit der Gemeinde unterbinde und sie in ein Verhältnis absoluter Abhängigkeit von dem guten Willen des Kolonialamtes und Gou­vernements zwinge. Eine zweite Resolution des Vereins Protestiert gegen die Einführung des ge­setzlichen allgemeinen Erbbaurechtes für das Schutz­gebiet. Das Erbbaurecht möge seine Berechtigung haben in der zusammengedrängten Uebervölkerung der europäischen Städte: eine solche sei aber für das Schutzgebiet nach dem ganzen Charakter des Landes ausgeschlossen. Es würde eine große Wert­steigerung des bereits verkauften Landes zur Folge haben, wovon in erster Linie die Landgesellschaf- ten den Vorteil hätten. Der deutsche Ansiedler gehe in die Kolonie, um sich dort eine Existenz zu be­gründen, zu den billigen Bodenpreisen eigenen Grund und Boden zu erwerben und darauf einen ergenen Herd und eine eigene, neue Heimat zu be­gründen. Werde ihm diese neue Heimat nur miet­weise überlassen, so würde das die Besiedelung und Weiterentwicklung des Schutzgebietes in schwerster Weise hindern und schädigen.

Die Pariser Blätter fordern wieder einmal die Einführung der Prügelstrafe für jugendliche

Verbrecher, da die beiden Burschen von l6 Jah­ren, die einen Kassenboten ermordeten und beraub­ten, noch nicht zum Tode verurteilt werden können.

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Die erneuten Kundgebungen der kirchlich ge­

sinnten Katholiken Lp a niens gegen die Politik des Ministerpräsidenten Canalejas Verliesen wir­kungslos und endigten mit lärmenden Strasten- szenen.

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Griechenland besorgt wieder einmal einen kriegerischen Angriff seitens der Türkei. Aus die­sem Grunde wird der bisherige kretische Minister­präsident Venizelos als Mitglied der National-Ver- sammlung doch nicht mit der Neubildung des Mi­nisteriums betraut werden. Venizelos, der allen fremden Gesandtschaften Besuche abstattete und sich in die Audienzliste des Königs eintrug, ist unstreitig der tüchtigste Staatsmann Griechenlands; man kann es wegen seiner kretischen Vergangenheit der Tür­kei jedoch nicht verdenken, wenn sie gerade die­sen Mann nicht als Leiter der griechischen Staats­politik wünscht. Bisher liegt zu kriegerischen Verwickelung aber kein unmittelbarer Anlaß vor, wenn es auch zum ersten Male geschieht, daß zwi­schen der europäischen und asiatischen Bosporus- Flotte der Türkei Scharfschietz-Uebungen stattfan­den. Diese Uebungen fanden lautFranks.

Zkg." in Gegenwart des deutschen Generalobersten Frhr. v. d. Goltz statt, der die türkischen Manöver leitet, und verliefen höchst befriedigend. Die Schietz- resultate an festen und beweglichen Zielen geben die Gewähr, daß keine fremde Kriegsflotte den Eingang in den Bosporus erzwingen kann. Von In­teresse ist es, daß zu diesen Manövern weder der russische Militär-Attache, der extra nur die Erlaub­nis nachgesucht hatte, noch sonst ein militärischer Vertreter des Auslandes zugelassen wurde. Grie­chenland, dessen Regierung mit einer deutschen Ka- pitalisten-Gruvpe einen Vorvertrag über Gründung einer Bodenkredit- und Landwirtschafts-Bank mit pinem Kapital von 20 Millionen Mark abschloß, befestigt seine Grenze gegen die Türkei und errichtet? zwischen Arta und Lorvs zahlreiche Geschützpo­sitionen. Man soll aber keine Angst haben, wäre die Lage wirklich so ernst, dann würde der hervor­ragende türkische Heerführer und bisherige Berliner Militär Attache Enver Bey nicht Heiratspläne ver folgen und seine Verlobung mit einer ägpptischen Prinzessin feiern.

Gegen den vielfach befürchteten drohenden Aus­bruch eines neuen Boxer-Aufstandes in China hat gleich den Vereinigten Staaten auch Frank­reich militärische Maßnahmen ergriffen. Wie vor zehn Jahren, so beruht die freurdenfeindliche Be­wegung auch jetzt wieder auf einer Mißernte in Reis, die Unzufriedenheit und Unruhen erzeugte. Die auswärtigen Mächte sind heute jedoch gegenüber inner-chinesischen Verwickelungen in einer ganz an deren Lage wie damals. Ueberrumpelungen gibt's nicht mehr. Die Bewegung wird in jedem Falle im Keime erstickt werden. Die Bevölkerung bringt dieser Bewegung sehr viel stärkeres Interesse ent­gegen, als der soeben erfolgten Eröffnung des chinesischen Reichs-Ausschusses. Diese wurde in Gegenwart des Regenten und der chine­sischen Würdenträger, aber unter strengstein Aus sch lüste jedes Fremden, auch der ausländischen Dip­lomaten, vollzogen.

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Marokko kostet den Franzosen fortgesetzt Opfer an Glut und Blut. Dieser Tage hatten fran­zösische Truppen wieder ein blutiges Scharmützel mit einer marokkanischen Räuberbande auszufechten, in dem es ans beiden Seiten Tote und Verwundere gab. Die Ueberlegenheit der europäischen Waffen gab den Franzosen schließlich den Erfolg. Die Spa­nier haben in ihren Kämpfen tnit den Kabhlen be­kanntlich oft genug den kürzeren gezogen. ,

Die Entwickelung des Kongo gestaltet sich für Belgien seit der Einführung des humaneren Regimes weit vorteilhafter als vorher. Der Wert der zwischen dem 'Mutterlande und der Kolonie ansgetauschten Waren stellte sich ans 106 gegen 89 Millionen Franks im Vorjahr. Der Eisenbahn- ban in dem von dem verstorbenen Könige Leo­pold II. erworbenen Gebiet macht gute Fortschritte. Unter den 9400 Weißen in der Kongo-Kolonie be­finden sich außer Belgiern 320 Engländer und 60 Deutsche. Die belgische Polizeitruppe zählt 16 400 Mann. Die Zahl der eingeborenen Häuptlinge, die sich im jüngsten Jahre unterwarfen und von der

Zähle nicht die bangen Stunden,

Die des Lebens Nacht entsteigen.

Zähle nur, wenn sie entschwunden,

Wieviel Sterne sie dir zeigen.

K. Steltcr.

Der Franzose.

Erzählung aus der neuesten Zeit von M. Reinhold.

(Fortsetzung.) Nachdruck verboten.

Frau Rose war als die erste auf, sie stand am Küchen­herd, den Morgenkaffee zu bereiten. Sie hatte in der Kammer ihrer jungen Schwägerin noch keinerlei Bewegung vernommen und brummte ihre stillen Bemerkungen über die Langschläferei in sich hinein. Wenn die Liese einen Mann hätte, würde es ihr der schon lehren, bei Zeiten aus den Federn zu kommen. Aber so? Sagte sie etwas, bekam sie am Ende gar noch mit Mann und Schwiegervater zu tun. Daß sie selbst, die Schwiegertochter, sich abrackerte, dagegen hatten die Mannsleute nichts einzuwenden!

Auch der Franzose mar noch nicht auf; aber der war wohl von seiner weiten Wanderung müde. Na, das mochte ihm heute hingehen, nächster Tage hieß es aber verdienen, und wenn er tausend Male gar nicht nach einem gewöhnlichen Arbeiter oder Soldaten aussah. Wer eisen wollte, der mußte auch Brot schaffen.

»Guten Morgen, Frau Rose/ klang da seine Helle Stimme hinter ihr, und der Fremde tral m die Küche. »Da freue ich mich doch, einen Christenmenschen ins Haus be­kommen zu haben, der kein Langschläfer ist/ antwortete sie.

»Na, jetzt denke ick), daß wir mit einander und recht gut auskommen werden. Bleiben Sie nur lange hier."

Er dämpfte seine Stimme etwas: »Das hoffe ich. Bin übrigens schon lange aus dem Bett, war im Wald, und schon jenseits der Grenze, die ich da gefunden habe."

Alle Achtung, Herr Bertram," meinte die Frau. »Das ist eine gute Stunde hin und her. Da können Sie nicht viel Schlaf abbekommen haben."

»Das hole ich später nach," gab er leichthin zurück, »und außerdem hat der Gang gelohnt. Da sehen Sie!" Er griff hinter die Tür, durch die er gekommen war, und holte zwei stramme Hasen hervor. »Ich hörte, wie Sie gestern Abend sagten, Sie wollten heute oder morgen in die große Stadt, da können Sie die beiden Lampe's zum Verkauf mitnehmen. Und haben Sie nichts dagegen, be­gleite ich Sie."

Sie schaute ihn mit blitzenden Augen an, als erwarte sie Bescheid auf eine unausgesprochene Frage. Und er ver­stand. »Keine Menschenseele weiß, woher ich die Hasen habe, und ich verkaufe sie Ihnen." Ein lustiges Blinseln strahlte ihm aus den Blicken Frau Rose's entgegen, der ein paar eigenmächtig geschossene Hasen herzlich wenig Skrupel be­reiteten,^ wenn sie nur das Geld dafür einslecken tonnte. Sie drückte ihm die Hand, daß er es merkte. »Wir verstehen uns. Sie sollen mit in die Stadt. Den Männern werde ich schon Bescheid sagen. Aber jetzt trinken Sie Kaffes und dann schlafen Sie." Dann warf sie die beiden Hasen schnell in einen dunklen Raum neben der Küche. Was ihr Mann und ihr Schwiegervater nicht wußten, machte denen den Kopf nicht warm . . .

Anton Wuddicke hatte geglaubt, der Fremde werde gleich diesen Morgen mit in die Fabrik kommen, um wegen eines Bureaupostens, an Handarbeit dachte er nicht mehr.

belgischen Regierung Gehalt beziehen, beträgt 1.737 (!). Die Gvldminen nahmen einen erfreu­lichen Aufschwung; auch wurden mehrere Lager klei­ner Diamanten entdeckt.

Lan-rsnachrichlrn.

6. Oktober.

* Das K. Ministerium des Innern erläßt fol­gende Danksagung für die Aufnahme der Trup­pen des Königlichen Armeekorps während der dies­jährigen Herbstübungen: Der kommandierende General des 13. (K. Württ.) Armeekorps hat mit­geteilt, daß die Truppen während der Herbstübun­gen überall eine sehr freundliche Aufnahme und großes Entgegenkommen seitens der Bevölkerung! gefunden hätten. Es sei dies um so dankbarer emp­funden worden, als die schlechte Witterung den! Truppen mehrfach außerordentliche Anstrengungen anferlegte und die zu Notquartieren bestimmten Ortschaften, um den Truppen weitere Märsche zu ersparen, häufig sehr stark belegt werden mußten. An diese Mitteilung hat der kommandierende Ge­neral das Ersuchen geknüpft, es möchte den be­teiligten Zivilbehörden und Quartiergebern sein wärmster Dank ausgesprochen werden.

* Baiersbronn, 4. Okk. Heute nacht brach in dem Oekonomiegebäude der Alt mühle Feuer aus. Das Oekonomiegebäude, in dem sich Scheuer, Stallung und eine unbewohnte Wohnung befand, ist vollständig abgebrannt. Das in unmittelbarer Nähe befindliche Mühleanwesen konnte gerettet werden.

* Calw, 4. Okt. Oberreallehrer Dr. Seyfaug ist aris dem württ. Staatsdienst ausgetreten, um eine Stelle au der deutschen Schule in Konstünti- nopel anzunehmen. Er hat sich aus 3 Jahre ver­pflichtet und ist heute von hier abgereist.

!! In Unterreichenbach hat der 22 Jahre alte Goldschmied Gustav Gauche von Weißenstein im Walde die 20 Jahre alte Tochter Luise des Po­lizeidieners Bohnenberger, mit der er ein Lie­besverhältnis unterhielt, und dann sich selbst elrs.ch offen. Man vermutet, daß Gauche, der in letzter Zeit ein verändertes Wesen zeigte, in geistiger Störung gehandelt hat. Die Leichen wurden heute früh von Goldschmieden, die zur Arbeit gingen, im Walde aufgefunden.

!s Stuttgart, 4. Okt. Nachdem die Fünfzig­pfennigstücke außer Kurs gesetzt sind, werden dis neuen Fünfundzwanzig er in den Verkehr gebracht. DieMünzen" geben sie sackweise zu 100 Mark an die öffentlichen Kassen und Banken aus^ Da seit der erstmaligen Ausgabe derneuen Spiel­marke", wie der Volkswitz die schönen Fünfuud- zwanziger taufte, schon ziemlich lange Zeit, ein vol­les Dreivierteljahr, verstrichen ist, und man sie nur vereinzelt als Zahlmittel auftauchen sah, so war in weiten Kreisen die Anschauung vertreten, daß die neue Spielmarke" aus dem Verkehr überhaupt zurückgezogen worden sei. Daß dem nicht so ist, beweist das neueste Vorgehen der Münzämter.

ff Stuttgart, 4. Okt. (Flugversuch auf dem Wa­sen.) In den letzten Tagen, so wird demNeuen Tagblatt" geschrieben, ging es auf dem Wasen wie­der ziemlich lebhaft zu. Boris Lutzky hat am Frei-

anzufragen; als aber seine Schwiegertochter ihn darauf auf­merksam machte, der arme Mensch müsse sich doch einmal ordentlich ausschlafen nach all' den Strapazen, sagte er nichts mehr; ja, er schnauzte sogar seinen Sohn noch an, als der wieder in seiner ewigen Besorgnis meinte: »Vater, wenn wir uns mir dem Menschen blos keine Rute aufge­bunden haben." Auch Frau Rose, begeistert über den zu erwartenden Erlös aus den beiden Hasen, stimmte dem Schwiegervater zu, und der mißtrauische Mann sah sich wieder geschlagen.

Vater und Sohn hatten auf dem Gange zur Arbeits­stätte kaum ihr Anwesen verlassen, als Liese aus ihrer Kammer zur Schwägerin in die Küche herabgeeilt kam. Ihre ge­röteten Augen deuteten auf unruhigen Schlaf hin.

Früher konnt'st Du wohl gar nicht kommen?" begrüßte sie die eifrig umherwirtschaftende Frau Rose. Aber heute klang ihre Stimme freundlicher wie sonst bei diesen Gelegen­heiten und Liese merkte das auch wohl.

Sie umschlang Rose mit beiden Armen und flüsterte der Schwägerin ins Ohr: »Du, Rose, wenn Du's wüßtest, was ich gesehen Hab!" »Na, den leibhaftigen Gott sei bei uns doch wohl nicht," versetzte die praktische Frau un­gerührt.

»Der Fremde, der Franzose, wie der Vater immer zu ihm sagt, ging heute Nacht mit einem Gewehr fort, denk Dir blos," stieß das Mädchen fast atemlos hervor, während über Rose's Gesicht ein behagliches Lachen glitt.

»So was schreit man nicht in alle Welt hinaus," sagte sie halblaut, »weils keinen was angeht. Mein Mann und Dein Vater wissen's auch nicht. Er ist wieder da und hat mir ein paar Hasen mitgebracht. So, jetzt weißt Du's und nun halt fein Deinen Mund. Bloß das noch: Wir fahren nach der Stadt und der Mann kommt mit."