* Stuttgart, 29. August. Wie derStaats« Anz." meldet, wird der Minister des Innern diejenigen Personen, welche ihn in dienstlichen An­gelegenheiten zu sprechen wünschen, fortan wieder jeden Freitag nachmittag 4 Uhr empfangen.

st Stuttgart, 29. Aug. (Strafkammer. Einem Schutzmann kam an einem Sonntag nachmittag im Juli auf der Königstraße ein Mann verdächtig vor. Er stellte ihn zur Rede und dabei sah der Schutz­mann, daß der Mann unter der Joppe ein Beil trug. Auf der Polizeiwache wurden in dem Be­sitze des Verdächtigen außerdem noch eine Stein­haue, ein Revolver und ein Licht gefunden. Der Mann entpuppte sich als der schon des öfteren vor­bestrafte Einbrecher Adalbert Friedl. Dem Schutz­mann hatte er einen fatschen Namen angegeben. Friedl verbüßte zuletzt eine zehnjährige Zuchthaus­strafe. Nach seiner Entlassung hielt er sich hier un­ter falschem Namen aus. Die bei ihm vorgefun denen Gegenstände will er gefunden haben. Friedl hatte sich nun wegen Unterschlagung und Fälschung eines Anmeldescheines und wegen falscher Namens­angabe zu verantworten. Die Strafkammer war der Ansicht, daß der Angeklagte auf unrechtmäßige Weise in den Besitz d er Gegenstände gekommen ist und verurteilte ihn zu einem Monat fünfzehn Ta­gen Gefängnis und zwei Wochen Haft. Letztere Strafe und fünfzehn Tage Gefängnis wurden auf die Strafe angerechnet.

is Stuttgart, 29. August. Heute früh wurde in einem Hause der Hauffftraße eine 43 Jahre alte Frau und ihre 14 Jahre alte Tochter vergiftet auf­gefunden. Es scheint Mord und Selbst,nord vor­zuliegen.

st Stuttgart, 29. August. Gestern abend mußte in einer Wirtschaft des Leonhardplatzes gegen ca. 45 Bauhandwerker, die groben Unfug verübt hat­ten und diesen in der Wirtschaft fortsjetzten, einge­schritten werden. Die Ruhestörer leisteten bei der Namensfeststellung in und vor der Wirtschaft ener­gischen Widerstand, so daß ein größeres Schutz­mannsaufgebot, das zum Teil mit blanker Waffe Vorgehen mußte, zur Wiederherstellung der Ruhe nötig war. Im ganzen wurden 21 Personen nach der Polizeiwache sistiert, von denen 7 in Haft be­halten wurden.

st Eßlingen, 29. August. Gestern übte der Avia­tiker Eippele während des Mittags wieder im Bei­sein einer großen Zuschauermenge auf den Sir- nauer Wiesen. Anscheinend war der Motor nicht in Ordnung, sodaß ein Flug nicht ausgeführt wer­den konnte. Gestern nacht elf Uhr wurde der ledige Weingärtner Aug. Clauß von Rüdern vor der Wirtschaft zur Glocke, nachdem er einen kurzen Wortwechsel mit zwei jungen Burschen gehabt hatte, von einem davon in die Brust gestochen, sodaß er schwer verletzt ins Krankenhaus übergeführt werden mußte. Die beiden Burschen sind ermittelt, sie woh­nen in Stuttgart.

j! Göppingen, 29. Aug. Ein viertägiger Ob st­und Gemüseverwertungskurs findet hier auf Veranlassung der Obstbausektion des Landwirt­schaftlichen Vereins diesen Herbst statt. Leiter des Kurses ist der Obstbausachverständige für den Donau­kreis, Ginkelmann-Ulm. In diesem Kurs werden die Teilnehmerinnen durch Vorträge, namentlich durch praktische Unterweisungen und Uebungen mit den gebräuchlichsten Obstverwendungsmethoden vertraut

gemacht, wie im Einmachen und Dörren von Obst, Gemüsen, in der Herstellung von Mus, Gelee, Mar­melade, Obstsaft und Obstwein und im Einsäuern von Gemüsen. Ebenfalls will der Verein durch oben­genannten Herrn ein praktisches Ernten, sortieren und Verpacken des Obstes vorführen,' es soll zwei­tägig sein und es werden diese Arbeiten praktisch demonstriert und geübt.

H Güglingen, OA. Brackenheim, 29. August. Von einem schweren Schlage wurde der Rößleswirt Spahlinger jun. betroffen. Als er sich im Stall bei seinem Pferd zu schaffen machte, schlug ihn die­ses auf den Unterkiefer und zersplittert? diesen, so­daß der Arzt nähen mußte. Acht Zähne wurden dein Verletzten herausgeschlagen. Wie vorsichtig man überhaupt mit Pferden umgehen soll, beweist auch ein anderer Fall ans den letzten Tagen. Der Gärt­ner Wütherich hatte im Stall zu tun, in dem die Postpferde des Posthalters Gebhard von Kleingartach von einer Postfahrt zur andern untergebracht sind. Plötzlich wurde Wütherich von einem der Pferde in den Arm gebissen.

st Zaberfeld, OA. Brackenheim, 29. August. Wie schadenbringend die Zuziehung von sogenannten Sachverständigen" werden kann, beweist folgendes Stückchen, das viel belacht wird. Hatte da ein hie­siger Bauer das Unglück, daß seine Kuh nach der Geburt einen Tragsackvorfall bekam. Nichts eiligeres hatte er zu tun, als zuSachverständigen" zu lau­fen, die dem Uebel abhelfen sollten. Alles wurde nun kunstgerecht vorbereitet, aber auf einmal wurde in dem vorgefallenen Teil ein Loch ent­deckt. Darob großer Kriegsrat. Nach einstimmigem Beschluß wurde zu sofortiger Schlachtung geraten, die auch erfolgte. Bei Vornahme der Fleischbeschau wurde zum großen Erstaunen der Anwesenden fest- gestellt, jd! dasLoch" eine natürliche Oeffnung war und daß die Kuh völlig gesund war. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.

st Vom Zabergäu, 29. August. Die Eindäm­mung der Hamsterplage in diesem Jahre kostet den Gemeinden viel Geld. So hat die Gemeinde Ober­eisesheim in kurzer Zeit schon 300 Mark an Prä­mien für eingefangene Hamster bezahlt.

st Böckingen, OA. Heilbronn, 29. August. Bor Hunger in Ohnmacht gefallen ist gestern vormittag in der Großgartacherftraße ein 20jähriger Schlosser aus Köln. Er kam von Würzburg, wo er längere Zeit im Spital lag, und war aller Mittel bar. Betteln wollte er nicht. Ein Güterbodenarbeiter nahm ihn zu sich in seine Wohnung und versah ihn mit Speise und Trank. Nun wurde es dem jun­gen Mann wieder besser. Eine sofort veranstaltete Geldsammlung brachte mehr als 10 Mark ein und durch eine Fahrkarte nach Straßburg erleichterte man ihm die Reise dorthin, wo er Unterkunft bei einer Schwester zu finden hofft.

st Biberach, 29. August. Zwei Brüder, Söhne eines hiesigen Kaufmanns, im Alter von 4 und 10 Jahren vergnügten sich auf dem Dachboden der el­terlichen Wohnung mit Schaukeln. Der ältere ist wahrscheinlich von der Schaukel abgesprungen, hatte aber den Daumen der rechten Hand in dem Auf­hängering der Schaukel. Durch diesen Abchrung wurde ihm der Daumen vollständig abgerissen und zwar so, daß selbst die Sehnen noch einige Zenti­meter ausrissen.

* Riedlingen, 29. August. Eine seltene Fund­sache gelangte am letzten Samstag auf der hiesigen Station zur Ablieferung. In den Eilzug 383 Ulm- Freiburg flog bei der Durchfahrt in der Nähe der Station Rottenacker eine Gans durch das offene Fenster in einen Wagen 3. Klasse. Außer einer leich­teren Verletzung eines Fußes hat sie keinen wei- ! teren Schaden erlitten. Auf der nächsten Haupt- - station Riedlingen wurde sie ausgeladen und er- j hielt einen Anhängezettel um den Hals mit der vor- l geschriebenen Fundbezeichnung. !

* Bamberg, 29. August. Beim Scharfschießen

des in Würzburg garnisonierenden zweiten Feld- ! artillerieregiments ereignete sich heute vormittag- ! kurz nach 11 Uhr im Manövergelände außerhalb! Scheßlitz bei Bamberg ein schwerer Unfall. > Ein Schuß aus einem Haubitzengeschoß verfehlte sein Ziel und explodierte in unmittelbarer Nähe der Beobachtungsmannschaft. Ein Artillerist wurde ge­tötet, Sergeant Schmitt von der ersten Batterie' tödlich verletzt, ein Kanonier erlitt leichtere Ver­letzungen, auch ein Pferd erlitt tödliche Verletzun­gen. Das Schießen wurde abgebrochen. '

* Köln, 29. August. Hieher gelangten Meldun­gen zufolge werden die einzelnen Nordseebäder nach zwei anderen Engländern durchsucht, die mit der Borkumer Spionage-Affäre in Verbindung stehen. Die Untersuchung wird streng geheim ge­halten. In Emden ist ein englischer Rechtsbeiftand eingetroffen, der erklärte, die Anklage auf Spio­nage werde nicht aufrecht erhalten werden können. Andererseits aber erklärte er, daß die aufgefun­denen Briefschaften derart kompromittierend seien, daß ein Antrag auf Freilassung der Verhafteten wohl abschlägig beschieden werden wird. Das Reichs­gericht wird sich in dieser Woche noch mit der An­gelegenheit beschäftigen.

st Danzig, 29. August. Um 9 Uhr traf die Kai- serjacht bei der Flotte ein. Die Torpedoboote und Unterseeboote defilierten bei der Hohenzollern und > dampften durch die beiden von den drei Reihen der Panzerschiffe gebildeten Gassen hindurch. Um drei­viertel 10 Uhr ging der Kaiser an Bord des Flagg­schiffes Deutschland, die anderen Fürstlichkeiten ver­blieben auf der Hohenzollern. Es folgte die Vor­führung von Exerzitien der Flotte nach einem be­sonderen Programm, die weit hinaus in die See führten und interessante Gefechtsbilder entwickel­ten. Die Hohenzollern folgte der Flotte. Um halb 1 Uhr nahm der Kaiser das Frühstück bei dem Chef der Hochseeflotte, Admiral von Holtzendorff und kehrte um halb 3 Uhr an Bord der Hohenzollern^ Zurück.

st Danzig, 29. August. Der Kaiser hat den Herzog Albrecht von Württemberg a la suite des 2. Seebataillons gestellt. Der Kaiser hat hievon dem König von Württemberg in einem Telegramm Mitteilung gemacht.

* Wattenscheid, 29. August. Hier ist gestern, nachmittag der 50 Jahre alte Tischler Murnicki von seinem 21 Jahre alten Sohn erstochen wor­den, weil er ihm einen Geldbetrag verweigert hatte. Der Mörder begab sich dann zur Kirmes. Als er heute morgen heimkehrte, wurde er verhaftet. Er gestand seine Tat ohne eine Spur von Reue ein.

st Dünkirchen, 29. August. Mehrere Matrosen verschiedener Nationalitäten, die in Amerika an Bord

Alle Knechte können gleiche Gaben,

Alle Sterne gleiches Licht nicht haben'

Eines fragt der Meitzer: ob man treu lieber dem vertrauten Pfunde sei.

Gerok.

In den Fjorden.

Novelle von Mägdeleins Kragh. llebertragung von H. Hesse.

(Echlutz.) (Nachdruck verboten.)

Auf Lnkne bot sich dem Auge ein noch traurigeres Bild. Lars war beständig bettlägerig, und die Pflege, die man ihm angedeihen ließ, war nur mäßig. Einzeln und gemeinschaftlich taten die Dienstboten nur noch, was sie wollten. Lars Björn hatte sie so lange als Hunde behandelt, daß sie es ihm jetzt heimzahlten. Wenn er nicht zufrieden war mit den Gerichten, die man ihm vorsetzte um so schlimmer für ihn! Die Schüsseln blieben bis zur nächsten Mahlzeit stehen, und wenn er»ste nicht anrührte, so kamen Tischgenossen, die niemand geladen, und Nahmen ungestraft und frech die Gelegenheit wahr.

Da sprengte das jähzornige Naturell des Pächters die Fesseln in wahnsinniger Wut stand er auf und unternahm nicht wie einst mit dem Bären einen Kampf, sondern eine ohn­mächtige und verzweifelte Jagd auf zwei Ratten, die sich mit den Zähnen zerrissen, weil die eine der andern die Ueberreste der Mahlzeit nicht überlassen wollte. Sie störten sich gar nicht an Lars Drohungen noch an seine Schreie, und als er einsehen mußte, daß er nichts gegen diese verfluchten Tiere auszurichten vermochte, ging ihm ein kaltes Schaudern durch Mark und Bein, und zum erstenmale war er in Angst ... in entsetzlicher Angst.

Die Nachrichten von Lnkne waren so wenig beruhigend und berichteten so sonderbare Vorgänge, daß Augott den Ent­schluß faßte, trotz aller seiner Lieblosigkeit den Stiefvater zu bewegen, ihre Fürsorge anzunehmen, deren er so dringend be­durfte.

Es war fast Nacht, als sie auf dem Pachthose anlangre, und in Lars Zimmer war es schon dämmerig, als Jngeborgs Tochter es betrat. Eine schwere, verpestete Lust schnürte ihr die Kehle zusammen und ließ sie fast ersticken. Mit geschlossenen Augen und verzerrten Zügen lag Lars Björn auf seinem Bett eher einem Toten als einem Lebenden ähnlich, obgleich das Keuchen seiner Brust erkennen ließ, daß das Leben ihn noch »licht verlassen.

Bei diesem Anblick traten Augott Tränen in die Augen, und vorsichtig wehrte sie eine Fliege ab. die Lars Björn über das Antlitz lief. Da schlug Lars die Augen auf und betrachtete Augott lange und filmend. Und als ein Heer von Erinnerungen an die Vergangenheit in ihm aufstieg, heftete er seine gelben Augen mit dem alten zornsprühenden Ausdruck auf sie er ballte die Faust und ließ den Arm schwer auf das Bett zu­rückfallen. -

Meine Söhne hast Du gemordet!" zischte er mit dumpfer Stimme.

Augott wich entsetzt zurück.

Ich wollte meine Pflicht tun . . seufzte sie.

Und langsam wendete sie sich zu der Tür.

Da aber wurde Lars sich seiner elenden Lage bewußt den Körper halb aus dem Bett lehnend, richtete er sich auf den Händen auf und blickte Augott starr an. Und als er sah, wie sie die Hand auf den Drücker legte, stieß er einen Schrei aus dem Heulen eines verletzten Wolfes ähnlich, der sich nicht von der Stelle rühren kann. Dann fiel er erschöpft und keuchend auf das Bett zurück und weinte ... --

Die Kraft, die Lars Björn so lange aufrecht erbalten, brach

allmählich zusammen von diesem Tage ging an ihm eine Veränderung vor.

Augott blieb auf Lnkne. Die Türen wurden geöffnet und Winkelund Winkelchen gereinigt. Lars erhielt gesunde Nahrungs­mittel und erfrischende Getränke, die eine freundliche Hand ihm darbot, und fallstc gütige Augen wachten über ihn mit so großer Geduld und so stillem Eifer, daß sie bald einem dank­baren Blick begegneten.

Und da begann ein Leben des Friedens und der Ruhe, wie man es auf Lnkne noch nicht gekannt ein Leben der Ergebung, bei dem die Seele Trost fand und sich erheben konnte. Lars lag immer noch auf seinem Schmerzenslager, allein jetzt nahm er dankbar alles an, was man für ihn tat. Dieser harte, unbeugsame Charakter war weich geworden der Tag der Reue war gekommen. Er dachte nicht mehr an seinen Kampf mit dem Bärm und zeigte sich jetzt dankbar, als seien die ihm gereichten Speisen Almosen, obwohl sie von seinem eigenen Tische kamen. Das Mißgeschick hatte ihn erst Nieder­drücken müssen, um ihn das Knie biegen zu lassen und ihn M zwingen, sich demütig vor denen zu beugen, die nur seine Ruhe und sein Glück wollten. ^

Nach einem langen strengen Winter kehrte die Frühlings­sonne wieder und bestrahlte mit ihrem warmen Schein das abgezehrte Antlitz und die gefalteten Hände Lars Björns. Es war ein stummes Bild das Bild des reuigen Sünders.

Noch bevor der Schnee wiedergekehrt, hatte Lars ausge- litten eben hatte er Tor und Augott als einzige Erben deS Gutes eingesetzt, als sein Herz aufhörte zu schlagen und be­freundete Hände ihm nur noch die Lider zudrücken konnten. *

Mehrere Jahre waren vergangen.

Wieder sandte die Sonne ihre heißen Strahlen herab aus di« Ebene und das Gebirge . .. schneeige Wolken zogen an dem azurblauen Himmel dahin wie Schafherden ... und die