der englischen Seite allerdings nicht). In einem Teil der englischen Presse hat man den Artikel be­gierig ausgegriffen und mit sehr ausfälligen Kom­mentaren versehen. Man sagt, wenn ein früherer Legationsrat, als ein Mann von Einblick und Ur­teil, derartiges vortrage, wie möge es da erst bei der Masse des deutschen Volkes aussehen. Die Sache ist wieder ein Beweis dafür, wie die Stimmung zwischen den beiden Ländern vergiftet wird durch ausschweifende Federn.

Der neue Kurs in Spanien.

In Spanien ist das neue liberale Ministerium Moret dabei einige Ursachen der heftigen Gärung zu beseitigen. So sind in der Provinz Catalonien die konstitutionellen Garantien wiederhergestellt und eine Anzahl Gefangene aus der berüchtigten Fe­stung Montjuich freigelassen worden. Ob aber von den vielen Reformen, die das Ministerium verspro­chen hat, ein nennenswerter Teil verwirklicht wer­den wird, dürste fraglich sein.

Lmrdesnachrichtrn.

st Neuenbürg, 12. Nov. Bei dem benachbarten hoch gelegenen' Schwarzwalddors Engelsbrand landete gestern nachmittag halb vier^Uhr auf freiem Felde ein großer Ballon, der in Saarbrücken aus­gestiegen war. Sturm und Schneegestöber haben ihn hierher verschlagen. Die Landung erfolgte glatt. In dem Ballon saßen drei Herren.

st Gündringen, OA. Horb, 12. Nov. Ein eigen­artiges Mißgeschick passierte einem hiesigen Fuhrmann. Er ging am Montag abend in den Jsels- hauser Wald, um Holz zu holen. Das Ausfinden der Holznummer nahm soviel Zeit in Anspruch, daß es inzwischen stark dämmerte. Als nun der Fuhr­mann heimkehren wollte, war das Pferd, das sich scheints in der Dunkelheit fürchtete, absolut nicht mehr von der Stelle zu bringen. Wohl oder übel mußte der Fuhrmann samt dem Pferde die ganze Nacht im Walde bleiben und kam erst am nächsten Morgen zu den geängstigten Seinen zurück.

1 Reutlingen, 12. Nov. Zur Feststellung der Ursachen der hier herrschenden Typhusepidemie hat Dr. Brekle-Stuttgart die bakteriologische Unter­suchung vorgenommen. Er teilte mit, daß er aus den am 25. Oktober mitgenommenen Proben von den Resten aus einem Tisch im Hackraum des Schlachthauses einen Bazillus gezüchtet habe, der seiner Eigenschaft nach dem Typhusbazillus ent­spricht. Damit ist bewiesen, daß das Schlachthaus mit zu der Verbreitung der Krankheit beigetragen hat. Inzwischen ist im Schlachthaus, speziell im Hackraum, eine gründliche Reinigung und Des­infektion vorgenommen worden, der sich die Metzger bereitwilligst gefügt haben. Die Behörden geben sich überhaupt die größte Mühe, der Krankheits­verbreitung Einhalt zu tun. Ansteckungsfälle kom­men zur Zeit nur noch durch den Verkehr mit Kran­ken vor. Der eigentliche Grund der Seuche konnte bisher allerdings noch nicht gesunden werden. In dieser Woche sind bis zum Donners­tag sieben Erkrankungen zur Anmeldung gebracht worden. In der vorigen Woche betrug die Zahl der Anmeldungen 27.

st Reutlingen, 12. Nov. Die Stadt Reutlingen bemüht sich seit 1901 um eine neue Wasserver­sorgung aus ihren im Honauer Tal gelegenen Quellen. Nach den nunmehr ausgearbeiteten Pro­jekten betragen die Kosten der Anlagen einschließ­lich der zu zahlenden Entschädigungen von 170 000 Mark an die Wasserwerksbesitzer rund 700 000 Mk.

i Messingen, OA. Rottenburg, 12. Nov. In Belsen ist das Anwesen des Konrad Buck niederge­brannt.

st Lausfen, OA. Rottweil, 12. Nov. Der ver­heiratete Holzhauer Bruno Weißer wurde gestern beim Holzhauen von einer umsallenden Tanne er­schlagen und war sofort tot. Weißer ist Vater von drei Kindern.

H Stuttgart, 12. Nov. Die Fiuanzkommission erleb'ate in der heutigen Sitzung zunächst den Rest des Gesetzentwuss betreffend den Reservefonds der Staatseisenbahnen. Abweichend vom Entwurf und dem Vorschlag des Berichterstatters Dr. v. Kiene wurde nach einem Antrag Liesching eine wiederholte Befristung des Gesetzes auf zehn Jahren beschlossen mit allen gegen eine Stimme. Hernach wurde in die Beratung der Novelle zum Beamten ge setz eingetreten, die entsprechend einem Kammerbeschluß von >907 ein neues Ver­zeichnis der ans Lebenszeit anzustellenden Beamten mit Ausdehnung aus alle nicht auf bestimmte Zeit oder auf Kündigung angsstellten Beamten und damit aus eine Anzahl weiterer Beamtenlategorien bringt, ferner sollen den auf vierteljährige Kündigung An­gestellten unter Voraussetzung der Würdigkeit und zufriedenstellender Dienstführung nach zehnjähriger

Schwarz Wälder Sorrntagsblatt.

Dienstzeit die Rechte der lebenslänglichen Ange­stellten verliehen werden. Uebrigens sind noch ein­zelne kleinere Aenderungen des Beamtengesetzes vor­gesehen und weitere bis zu dessen umfangreiche­rer Revision Vorbehalten. Referent ist der Abg. Lie­sching. Die Frage der Einreihung der Volksschullehrer unter die Beamten wurde vorerst an den Schluß der Beratung des Entwurfs zurückgestellt, ebenso vorläufig die Feststellung des Begriffs Beamtentategorie.

ff Stuttgart, 12. Nov. (Schwurgericht.) Wegen Totschlags hatte sich heute der 19 Jahre alte Schlos­ser Paul Niethammer von Weilimdorf zu verant­worten. Der Angeklagte provozierte auf dem Bahn­hof einen Streit mit einem Bahnbediensteten und kam schließlich mit dem Bahnassistenten Huber ins Handgemenge, wobei ihm dieser mit seinem Schirm einen Schlag versetzte. Als sich Huber einige Zeit daraus nach Hause begeben wollte, sprang ihm Niet­hammer nach und schlug ihn von hinten mit einein dicken Prügel nieder. Huber erlitt einen Schä­delbruch und starb am anderen Tage im Kranken­hause. Er war verheiratet und Vater von zwei Kin­dern. Der Angetlagte machte geltend, er habe Hu­ber nur auf den Arm schlagen wollen. Die Ge­schworenen bejahten Körperverletzung mit nachge­folgtem Tod unter Versagung mildernder Umstände. Das Urteil lautete sodann auf vier Jahre sechs Monate Gefängnis, abzüglich vier Monate Untersuchungshaft.

ff Hall, 12. Nov. Der in weiten Kreisen be­liebte Oberamtstierarzt Hosmanu ist ge­stern jäh aus dem Leben geschieden. Er wurde das Opfer einer Nervenüberreizung, von der sich schon früher besorgniserregende Anzeichen bemerkbar ge­macht hatten.

ff Tuttlingen, 12. Nov. Stadtgeometer Bürg von Schwenningen hat das Projekt für eine Bahn von Tuttlingen nach Schwenningen ausge­arbeitet. Es ist jetzt fertiggestellt und in Druck ge­geben worden, sodaß es bis Ende dieses Monats der Regierung und den Ständen übergeben wer­den soll.

ff Ulm, 12. Nov. Die Strafkammer verurteilte den Buchhalter Eugen Köpf von der hiesigen Hospitalverwaltung wegen Unterschlagung und Ur­kundenfälschung zu sechs Monaten Gefängnis.

ff Friedrichshasen, 12. Nov. Kurz nachdem ge­stern abend 7.40 Uhr der badische Dampfer Kaiser Wilhelm" den hiesigen Hafen ver­lassen hatte, versagte die Steuerung. Durch den herrschenden Sturm wurde das Schiff bis in die Nähe von Eriskirch seitwärts abgetrieben und lief, einige hundert Meter vom Ufer entfernt, auf sandigen Seegrund auf. Noch heute nacht 11 Uhr wurden in dem furchtbaren Sturm unter den äußersten Anstrengungen durch das Mo­torbootWürttemberg" des Grafen Zeppelin etwa zwanzig Passagiere an Land gebracht, die übrigen Fahrgäste getrauten sich nicht, den Dampfer zu verlassen, was bei dem hohen Wellengang des Sees ziemlich gefährlich war. Auch das württem- bergische DampfbootCharlotte" wollte Hilfe bringen, konnte aber wegen des sandigen Grundes nicht an das gefährdete Schiff herankommen. Bis heute nachmittag zwei Uhr war es den beiden Mo­torbooten des Grasen Zeppelin noch nicht gelungen, das Schiff flott zu bekommen, da es sehr stark ausgelaufen und der schwere Sturm den Arbeiten sehr hinderlich ist.

* Straßburg i. E., 12. Nov. Zu deutsch-feind­lichen Kundgebungen ist es im Zentral-Hotel (dem ersten Hotel, in dem auch Beamte und Offiziere bisher verkehrt haben) in Mühlhausen gekommen. Als das Orchester mit einem Potpourri die Mar­seillaise spielte, sang der größte Teil der Anwesen­den begeistert mit. Zum Schluß ertönten lebhafte Vive la France-Rufe". Als dann die deutsche Nationalhymne gespielt wurde, brach dasselbe Publikum in ein ohrenbetäu­bendes Protestges chrei, Pfeifen u. Tram­peln aus, sodaß mehrere Altdeutsche entrüstet das Lokal verließen. Ein Herr namens Wegelin, der das Spielen der Marseillaise verlangt hatte, wurde nun auf telegr. Anweisung des elsaß-lothr. Ministeriums aus ge wiesen. Der Betreffende ist ein Schweizer Staatsbürger, der bereits seit Jahrzehnten in Mühlhausen gelebt hat.

Vom Hsrrfa Brmd.

Versammlung in Stuttgart.

Im großen Saale der Liederhalle hielt gestern abend Geh. Justizral Pro'. Dr. Risher vor einer von einigen tausend Personeil besuchten Versammlung einen Vortrag

über die Ziele und Aufga ben desHansabundes.

Er führte aus, das; Deutschlands Industrie, Handel, Gewerbe und Handwerk, die sich im Laufe der Jahr­zehnte eine gewaltige wirtschaftliche Bedeut u n g zu erringen wußten, im politischen Leben von gerade­

zu minimaler, ja kläglicher Bedeutung seien. Das sei nur daraus zu erklären, daß, namentlich in Preußen, dann auch im Reich, die historisch gewordenen Verhältnisse dem Großgrundbesitz und den von ihm mehr oder weniger abhängigen Wählern auf dem Lande eine besondere Stellung gewährt haben, eine Lage, die unterstützt wurde durch eine den Interessen dieses Großgrundbesitzes dienende Einteilung der Wahlkreise. Aber das allein würde nicht ausgereicht haben, Industrie, Handel, Gewerbe und Handwerk zu jener kläglichen Stellung zu drängen. Zunächst war es das ge­schlossene, überaus geschickte und namentlich von den Groß­grundbesitzern ourch vorbildliche Opfer an Geld und Arbeit unterstützte Vorgehen des Bundes der Landwirte. Auf der anderen Seile war aber an der kläglichen Stellung der in­dustriellen Kreise innerhalb der Staatsmacht schuld jene tief beklagenswerte Gleichgültigkeit des deutschen Bürgertums, das sich der Initiative völlig entwöhnt hat, das nicht bemerkte, wie leine Gegner die>e satte Gleichgültigkeit, diese genügsame Freude an der Gegenwart, diese Sorglosigkeit ausnützte, jenes Bürgertum, das, wenn es einmal einen Schritt vorwärts getan hat, Angst vor seinem Mut bekam, jenes Bürgnrum, das vor jedem Assessor vor Bewunderung zusammenknickte, jenes Bürgeuum, das aus lauter Pränumerandoskeplikern besteht. Das Bürgertum ist dadurch allmähtig überritten und zu einer .jU^utNu i agi^abi« geworden. Um diesem Zustand ein Ende zu machen, wurde der Han sa­tt und gegründet. Der Bund ist keine Augenblicks- erscheinung, die die Reichsfinanzreform geboren har, deren Gestattung nur ein Symptom der langandauernden Nicht­beachtung und Verletzung der Lebensinteressen der Industrie, des Handels, des Gewerbes und des Handwerks war. Der Hansabund ivtrd jene Reform und andere Reformen, die kommen werden, lange überdauern müssen. Der Bund ist eine Vertretung aller E r we r b s st and e, also nicht nur von Gewerbe, Handel, Handwerk und Industrie, sondern auch von der Landwirtschaft. Der Hansabund stellt sich damit in bewußten Gegensatz zu dem Bund der Landwirte, der ausschließlich die Interessen der Landwirt­schaft gefördert hat, ohne jede Rücksicht auf die Lebens­interessen anderer Stände. Der moderne Staat kann nur gedeihen, wenn das »aum ouiguo (Jedem das Seinche!) die feste, unverrückbare, eiserne Grundlage seiner Wirtschafts­politik badet. Und der Hansabund gesteht deshalb der Landwirtschaft dasselbe Recht zu, das er für sich in Anspruch nimmt, da nur so eine glückliche Entwickelung unseres Staates nach innen wie nach außen möglich ist. Der Hansabund hat sich der Durchführung eines Prinzips gewidmet was noch niemals in der Wirtschaftsgeschichte irgend eine Vereinigung auch nur durchzuführen versuchen konnte desPrinzips der Ausgleichung der ver­schiedenen wirtschaftlichen und politischen Richtungen in Handel, Gewerbe und Industrie. Der Bund sucht Pie mittlere Linie zu finden zwischen Rechts und Links; jeder muß von dem Gedanken durchdrungen sein, daß unser so kompliziertes Deutsches Reich nicht nur fttäch l'M liberalen Prinzipien, sondern auch unter Beachtung der kölisetvarwlV Prinzipien regiert werden muH. Zwischen diesen beiden Grundgedanken muß die Diagonale gefunden werden, welche die alleinige Sicherung für einen gesunden und dauernden Fortschritt bildet. Mit dieser ausgleichenden Tätigkeit überbrücken wir die heute zum Schaden unseres Staatswesens bestehende tiefe Kluft zwischen den verschiedenen Erwerbsständen. Wir verschaffen uns dadurch zugleich für unsere internationalen Verträge jene Geschlossenheit des deutschen Gewerbes, welche jetzt mehr als notwendig ist. Wir treten aber nicht nur für den Frieden im Innern ein, der Hansabund, der ein Parlament der erwerbstätigen Bevölkerung Deutschlands darsteüt, wird auch den Frieden nach außen suchen und fördern. Im Hansabund sind Männer aller politischen und religiösen Bekenntnisse in gleicher Weise willkommen. Der Bund kämpft also in Wahrheit um ein modernes Deutschland, für eine neue deutsche Wirtschaftspolitik. Dann wird in unserem über alles geliebten Vaterland die Morgenröte einer für alle Teile glücklichen wirtschaftlichen Entwicklung an­brechen. Die aus allen Bevölkerungsschichten besuchte Ver­sammlung zollte den Ausführungen des Redners lebhaften langandaueruden Beifall.

Eine große Kundgebung in Köln.

* In Köln fand eine Rh eint sch e Provinzialver­sammlung des Hansa-Bundes statt, zu der aus allen Teilen der Rheinprovinz Tausende von Vertretern des Gewerbes, des Handels und der Industrie erschienen waren. Die Rede, in welcher der Präsident des Hansa-Bundes, G e- heimrat Dr. Rießer, das Bundesprogramm entwickelte, wn de mit brausendem Beifall ausgenommen. Besonders be­merkenswert war darin die Feststellung, daß die Verwaltung des Hansa-Bundes und sämtliche Mitglieder davon durch­drungen seien, daß es im eigenen Interesse von Gewerbe, Handel und Industrie und im nationalen Interesse liege, eine kräftige und gesunde Landwirtschaft zu erhalten, ihre Existenzbedingungen so günstig wie möglich zu gestalten, ihren Absatz zu fördern und zu kräftigen.

* St. Petersburg, 12. Nov. Die Verhaftung von 7 in hervorragender Stellung befindlichen Per­sonen erregt hier großes Aufsehen. Gestern wurden die 7 Direktoren der großen nordischen Glasindustriegesellschaft, darunter die deutschen Millionäre Gebrüder Frank, die auch in Berlin wohl bekannt sind, aus unbekannten Gründen verhaftet und ins Gerichtsgefängnis gebracht.