Gegründet

1877.

Fernsprecher

Nr. 11.

Die TageSausgabe kostet vierteljährlich im Bezirk Nagold und Nachbarortsverkehr Mk. 1.38

außerhalb Mk. 1.38.

Die Wochenausgabe (Schwarzwälder Sonntagsblatt) kostet vierteljährlich SO Pfg.

Mentzteig.M

imüMlerh altungs blatt

MMtzbtatt M

Mgememe^Kryttge

Anzeigenpreis bei einmaliger Ein­rückung 10 Pfg. die einspaltige Zeile; bei Wiederholungen entsprechender Rabatt.

Reklamen 18 Pfg. die Textzeile.

Unparteiische Tageszeitung und Anzeigeblatt, verbreitet in den Gberamtsbezirken Nagold, Freudenstadt, Calw u. Neuenbürg.

Ssirntagr-ArrrMbe:Schrvarzrvälder Ssmrtagrblatt"

Sonntags-Anzeiger und Familien-Zeitung für dte Bewohner des Schwarzwaldes, mm:

Nr S67.

Ausgabeort Alteusteig-Stadt.

Sonntag, de« 14. November.

Amtsblatt für Pfalzgrafeuweller,

1SVS.

Wochen-Aundschau.

Sozialdemokratische Landesversammlung.

Die württembergische Sozialdemokratie hat am letzten Sonntag in Stuttgart ihre Landesversamm­lung abgehalten. Ueber die Lage im Reiche sprach der Abg. Hildenbrand; seine Ausführungen boten wenig bemerkenswertes. Berichterstatter über die Arbeiten des württembergischen Landtags waren die Abgg. Heymann und Lindemann. Heymann behan­delte speziell die Volksschulnovelle, Dr. Lindemann dagegen das Allgemeine. Kon Interesse waren seine Aeußerungen über das Verhältnis der Sozial­demokratie zu den Parteien. Er meinte, die württembergische Sozialdemokratie habe allen Grund, den linken Flügel der Volkspartei zu stärken, namentlich im Hinblick aus den wachsenden Einfluß des Zentrums und des Bauernbunds und die agra­rischen Elemente, die sich in der Deutschen Partei und sogar in dem rechten Flügel der Volkspartei geltend machen. Lebhaft trat Dr. Lindemann für die Bekämpfung des Alkoholismus ein, die gerade für Württemberg, das in Be­zug aus den Alkoholverbrauch unter, den deutschen Staaten an zweiter Stelle stehe, Ehren­sache sei. Namentlich aber sollte von der Heran­wachsenden Jugend der Alkohol serngehalten wer­den. Uebigens ist die Sozialdemokratie, wie hier beiläufig eingeschaltet werden mag, mit dem Erfolg des in Leipzig beschlossenen Schnapsboykotts nicht überall zufrieden.Enthaltsamkeit ist das Ver­gnügen, an Dingen, welche wir nicht kriegen", sagt Wilhelm Busch; aber dis Tugend der Enthaltsam­keit zu üben, ist doch nicht immer leicht, und wer einen Hang zum Alkohol hat, namentlich in der Gestalt gebrannten Wassers, ist nicht leicht davon abzubringen. Immerhin haben die Mittel zur Ein­wirkung, über die die Sozialdemokratie verfügt, doch manches erreicht, und man hört vielfach von einem starken Rückgang des Schnapsverbrauchs. Doch zu­rück zur sozialdemokratischen Landesversammlung. Abg. Dr. Lindemann ging, was im Hinblick aus die Angriffe, denen er wegen seiner Haltung ausge­setzt war, natürlich ist, eingehend aus die Ange­legenheit der Hofgängerei ein. Er legte die Um­stände dar, die die sozialdemokratischen Landtags­abgeordneten veranlaßt haben, sich von der Teil­nahme an dem Ausflug des Landtags nach Fried­richshafen und der Begegnung mit dem König nicht auszuschließen, und wandte sich dagegen, daß der Empfang beim Könige ein Verrat an den sozialdemo­kratischen Prinzipien gewesen sei. Er könne das Er­eignis weder als einen taktischen Fehler noch als einen prinzipiellen Verstoß auffassen. Der Besuch habe nicht geschadet, sondern genützt. Schließlich verlas Lindemann im Aufträge der Fraktion eine Erklärung, die u. a. ausspricht, daß die Landes­versammlung zunächst u. in erster Linie die für diese Sache zuständige Instanz ist. Die Fraktion bedauert, daß Instanzen außerhalb des Landes angerusen wor­den sind, mit anderen Worten, sie erkennt den Leip­ziger Parteitag nicht als zuständig an, womit auch dessen Interpretation der dort von den Abgg. Hil­denbrand und Heymann für ihre Person abgegebene Erklärung hinfällig wird.

Der Kieler Werstskandal.

Peinliches Aussehen erregt ein Millionenpro­zeß wegen Materialunterschlagungen auf der Kai­serlichen Werst in Kiel. Die Verhandlungen, die in der letzten Woche geführt worden sind, haben er­staunliche, geradezu skandalöse Dinge zutage ge­fördert, die den Glauben au die Vortrefflichkeit unserer Marineverwaltung aufs schwerste erschüt­tern. Eine Reihe privater Aufkäufer und Händler stehen unter der Anklage, arge Durchstechereien zum Schaden des Fiskus getrieben zu haben. Ungetreue Beamte sollen sich bei dem Verkaufe alten Materials der Marine von gewissenlosen Aufkäufern dauernd haben bestechen lassen und größere Mengen wert­volleren Materials systematisch diesen zugeschoven haben. Der Betrug soll planmäßig und in großem Stil vor sich gegangen sein. Das veruntreute Gut wurde angeblich wagenweise. aus der Werft ge­schasst, Kupfer, Messing, tadellose Stahlrohre u. dgl. Dieses Treiben nährte seine Leute derart, daß et­liche schwer reich dabei geworden sind. Endlich kam man hinter die Dinge, als der Versand großer Mengen nach Hainburg und Berlin gar zu ausfällig geworden war. Die Angeklagten haben sich nun damit verteidigt, daß sie die absichtliche Betrügerei und die Beamtenbestechung in Abrede stellen und alles ans einen unerhörren Schlendrian in de-r Kon­trolle des verkauften Altmaterials, einer haar­sträubenden Schlamperei in der Verwaltung und eine grenzenlose Dummheit der mit dem Verkaufe betrauten Begucken zurücksühren, die keinen Schim­mer von dem wirklichen Werte des Materials hat­ten und die wertvollsten und wertlosesten Reste bunt durcheinander den Händlern zu einem albernen Preise verkauften. Die Händler, die übrigens einen gut geschlossenen Ring zu bilden wußten, hätten keine Veranlassung gehabt, die Beamten aus ihre Dummheit aufmerksam zu machen: sie müßten ge­wissermaßen Esel gewesen sein, wenn sie die Gunst der Lage nicht ausgenützt hätten. Man weiß nicht, ob man über die vorgsbrachten Beispiele lachen oder ob man sich nur entrüsten soll. Was soll inan dazu sagen, wenn die Werft alte Leinwand für 30 Pfg. verkauft und sie nachher, nachdem sie gerei­nigt ist, um 2,85 Mark zurückkaust? Oder wenn die Werft einen Mast für 76 Mark veräußert, den der glückliche Käufer sogleich um l.000 Mark weiter- verkaust? Ein Kontrollbeamter beim Wiegedienst gab an, vom Wiegen nichts zu verstehen. Und was dergleichen mehr ist. Ein Marineintendanturasses­sor sprach als Zeuge das große Wort gelassen aus, die Kaiserliche Werft habe die Aufgabe, für eine schlagfertige Flotte zu sorgen, und müsse alle kaufmännischen Rücksichten hintansstzen. Das ist doch alles mögliche! Man sollte meinen, daß ein ordent­licher und sorgsamer Geschäftsbetrieb der Schlag- sertigkeit der Flotte wirklich nicht wehe tun könnte. Und bei alledem wimmelt es auf der Kieler Werft geradezu von Beamten aller Art. So viel ist ge­wiß, daß hier, gleichviel lvie der Prozeß im Ur­teil ausgeht, gründlich Ordnung gemacht wer­den muß. Es ist denn auch bereits angekündigt worden, daß aus der Kaiserlichen Werft im Wil­helmshaven ein Versuch mit der kaufmännischen Buchführung gemacht wird, die vermutlich auf die anderen Werften -- nämlich Kiel und Danzig - ausgedehnt werden soll. Auch wird amtlich bekannt­gegeben, daß die Vorschläge, die eine vom Reichs-

marineamr eingesetzte Kommission über die Reor­ganisation der Werftverwaltungen gemacht worden sind, durchgeführt werden sollen. Das ist gewiß schön und gut, allein es hat doch einige Aehn- lichkeit mit dem Sprichwort, wonach man den Brun­nen zudeckt, wenn das Kind hineingefallen ist. Der Reichstag wird sich jedenfalls dadurch nicht abhalten lassen, ein ernstes Wort zu sprechen und Aufklärung verlangen. _"

Deutsch-Englisches""""

Kolonialsekretär Dernburg hat auf seiner Heim­reise aus Amerika in England Station gemacht, um sich dort noch einiges zu besehen. Er ist dabei ein paarmal Gast bei festlichen Banketten gewesen, und hat bei diesen Gelegenheiten die obligaten Reden geschwungen. Darin ist von seiner Seite, wie. auch von Seiten der englischen Herren, worunter der Unterstaatssekretär Seely vom englischen Kolonial­amt, mehrfach von der Solidarität aller Weißen in Afrika und von der deutsch-englischen Solidarität im Besonderen die Rede gewesen. Auch hat man ein wenig aus die europäischen Beziehungen ange­spielt und einander die freundschaftlichsten Gefühle bescheinigt, verbrämt mit der bekannten Hoffnung, daß das gegenseitige Mißtrauen schwinden möge. Neu ist das alles nicht, und viel Effekt macht es auch nicht mehr. Die englische Presse, die Herrn Dernburg im allgemeinen freundlich begrüßt hat, derart, daß ihn ein Blatt sogar dendeutschen Ehamberlain" nannte, geht über die schönen Re­den ziemlich kurz hinweg. Immerhin haben sie doch einige Beachtung gefunden, zumal im Hinblick auf eine in der konservativen Kreuzzeitung gegebene Anregung zur Herbeiführung eines deutsch-englischen Einvernehmens in der Weise, daß beide Länder sich gegenseitig die Erklärung abgeben, nicht nach des anderen Gut zu trachten. Man hat in dieser Aus­lassung der Kreuzzeitung ein Anzeichen dafür er­blicken wollen, daß die deutsche Regierung, wenn sie schon einer Beschränkung ihrer Flottenbauten nicht zustimmen kann, einer Abmachung zur gegen­seitigen Garantierung des Besitzstandes geneigt sei. Ob das richtig ist, mag dahingestellt bleiben. Ein solches Abkommen könnte immerhin nützlich wirken und die Beseitigung der Spannung erheblich för­dern. Indessen ist nicht zu verkennen, daß wir uns die Ungnade der Engländer nicht lediglich dadurch zugezogen haben, daß wir Schiffe bauen, von denen sie einen Einfall fürchten, sondern ebenso sehr durch den Wettbewerb des deutschen Handels und der deutschen Industrie. Das Echo der englischen Presse auf den Vorschlag der Kreuzzeitung klingt denn auch einigermaßen gemischt. Uebrigens ist in die Er­örterung eine empfindliche Störung gebracht worden durch einen Artikel des früheren Legationsrats vom Rath, Mitglied des Preuß. Abgeordnetenhauses, der allen Ernstes die Enthüllung vorgetragen hat, Eng­land habe zur Zeit des russisch-japanischen Kriegs, als wegen der Schießerei der russischen Flotte an der Doggerbank ein Konflikt mit Rußland drohte und man sich der Unterstützung Rußlands durch Deutschland versah England habe da sechs Unter- seeboöke nach Helgoland geschickt mit dem Aufträge, jedes deutsche Kriegsschiff, das von der Elbe her­komme, anzufallen und in den Grund zu bohren. Die Unwahrscheinlichkeit dieser Räubergeschichte liegt auf der Hand, und sie ist denn auch von deutscher Seite offiziös schleunigst dementiert worden (von