Landesrmchrichtrn.
st Horb, 18. Skt. Auf dem hiesigen Bahnhof kam gestern mittag der Bahnhofaufseher Allgaier beim Wagenrangieren zwischen zwei Puffer, die chm den Brustkorb eindrückten. Man brachte den Schwerverletzten sofort in die Klinik nach Tübingen.
st Reutlingen, 18. Okt. Das Kind des Schuhmachers Theodor Gröber in der Lenderstraße spielte mit seinem älteren Bruder am Echazkanal, fiel ins Wasser und ertrank.
ü Rottweil, 18. Okt. Gestern wurde der Gemeindepfleger Sch. in Lacke ndors hiesigen Oberamts, der sich in letzter Zeit durch Unregelmäßrg- keiten in der Kassenführung verdächtig gemacht hatte, nach Einsichtnahme der Bücher und der Kasse durch den Untersuchungsrichter von hier wegen Unterschlagung verhaftet und in das Amtsgerichtgefang- nis abgeführt. Die Untersuchung wird den Umfang der Unredlichkeiten des Gemeindepflegers ergeben.
- Tübingen, 18. Okt. Das Institut der Paupersänger soll wegen der mäßigen gesanglichen Leistung der Sänger ausgehoben werden. Die Einrichtung ist mehrere Jahrhunderte alt und gleicht der der Kurrendesänger im Mittelalter. Zuletzt war der Knabenchor an Zahl und Leistungen immer mehr zurückgegangen.
st Rottenburg, 18. Okt. Begünstigt vom Prachtvollsten Herbstwetter beging gestern die Bischofsstadt Rottenburg a. N. das Siebenjahrhundertjubiläum der Moritzkirche und die Siebenjahrhundertgründungsfeier der Stadt Rottenburg-Ehingen a. N. Obwohl das Fest programm von pomphaften Veranstaltungen ganz abgesehen hatte, waren viele Teilnehmer aus der nahen und weiteren Umgegend in unsere Stadt geströmt, um an der seltenen Jubelfeier teilzunehmen. Am Kirchweihsamstag abends sechs Uhr fand in der Stiftskirche feierliche Andacht statt, halb sieben Uhr Festgeläute in allen Kirchen und Kapellen der Stadt, sieben Uhr Zapfenstreich, ausgeführt durch die Bürgerwache. Am Sonntag wurden die Einwohner morgens halb sechs Uhr durch Festgeläute und Kanonensalven geweckt, dann folgte Tagwache durch die Feuerwehrmusik, Abholung des Bischofs Dr. v. Kepp- ler beim Palais, Zug zum Dom, wo feierlicher Gottesdienst mit Festpredigt und Pontifikalamt statt- sand. Um zwölf Uhr folgte ein Festessen für die geladenen Gäste im Gasthaus zum Rößle. Um drei Uhr nachmittags war Andacht und um sechs Uhr fand die Feier mit einer Festaussührung ihr Ende. Es behandelt die Gründung und Verleihung der Stadt Rottenburg an Albert, Gras von Hohenberg durch Rudolf von Habsburg zum Dank für treue Dienste gegen Ottokar von Böhmen. — An den Kaiser, an den König, an die Königin, an den Kaiser von Oesterreich, an den Fürsten von Fürstenberg und andere mit dem Hause Hohenberg verwandte Persönlichkeiten sind Telegramme abge- jgangen.
st Zuffenhausen, 18. Okt. Gestern abend explodierte dem Milchkurhausbesitzer Friedrich Binder die Petroleumlampe in der Hand. Seine Kleider singen sofort Feuer. Um Hilfe rufend sprang er im Hofe umher, bis Nachbarn zu Hilfe eilten. Er trug schwere Brandwunden davon und schwebt in Lebensgefahr.
* Stuttgart, 17. Okt. Der zweite Württemberg. Frauentag fand gestern und heute in Stuttgart statt. In drei öffentlichen Versammlungen wurden Fragen behandelt, die augenblicklich im Vordergrund des Interesses stehen und an deren Lösung die Frauen besonders eifrig Mitarbeiten. Der Verband württ. Frauenvereine, der die Tagung veranstaltete, gab damit zugleich einen näheren Einblick in sein Arbeitsgebiet und in seine Arbeitsweise. Mit einer praktischen Ausgabe wurde der Anfang gemacht, indem Amtsrichter Dr. Weidlich über „Ziel und Organisation der Jugendgerichtshilfe" sprach. Er betonte, wie dringend notwendig die Verminderung des Zuzugs zum Verbrecherheer sei und daß diese Verminderung nur durch Arbeit an dem jugendlichen Gesetzesübertreter, durch Beeinflussung seines Willens und Charakters geschehen könne.
Zur Erreichung dieses Zweckes hat die Jugendgerichtshilfe das gesamte Strafverfahren mit werktätiger Fürsorge zu umgeben. Im Vorverfahren hat sie für die eingehende Erhebung der persönlichen Verhältnisse des Jugendlichen Sorge zu tragen und alle sonstigen zur Beurteilung seiner Tat wesentlichen Umstände zu ermitteln. In der Hauptverhandlung hat sie dem Jugendlichen beizustehen und die vom Fürsorgestandpunkt aus zu betonenden Umstände beizubringen. Im Anschluß an die Hauptverhandlung hat sie sich des Verurteilten, nötigenfalls auch des freigesprochenen Jugendlichen anzunehmen, insbesondere über den entlassenen Jugendlichen während einer Bewährungszeit Schutzaufsicht zu üben und ihm ständige Arbeit in geeigneter Umgebung zu verschaffen. Die Jugendgerichtshilfe ist in eine organische Verbindung mit den Gerichten zu bringen; sie bedarf der opferwilligen Tätigkeit freiwilliger Helfer, muß aber durch berufliche Fürsorger, Bewährungsbeamte, geleitet und zusammengefaßt werden. Um die freiwillige Hilfstätigkeit lebendig zu erhalten, sollten diese beruflichen Bewahrungsbeamten keine staatlichen und auch keine kommunalen Beamten sein, sondern von dem zur Jugendgerichtshilfe zusammengettetenen Ausschuß angestellt werden; wo die eigenen Mittel der Vereine, die diesen Ausschuß gebildet haben, nicht ausreichen, ist ein Staats- und Kommunalzuschuß angezeigt.
In der Diskussion gab sich ein allseitiges warmes Interesse für die Forderungen des Redners kund und sie klang in dem Wunsche aus, es möchten in Stuttgart alle in Betracht kommenden Kräfte sich vereinigen und etwa nach dem Borbilde Frankfurts eine mustergültige Organisation der Jugendgerichtshilfe schaffen.
* Stuttgart, 18. Okt. Die alte Mannschaft des Grenadier-Regiments Königin Olga Nr. litt und des Grenadier-Regiments König Karl Nr. 123 wurde heute von ihren Standorten Stuttgart und Ulm mit der Bahn auf den Truppenübungsplatz Münsingen befördert, um dort bis einschließlich 23. ds. Mts. das Gruppenschießen zu erledigen.
ss Stuttgart, 18. Okt. Die bis jetzt gemeldeten Stürze beim Rennen des schwäbischen Reitervereines haben sich auch in ihren Folgen als ziemlich erheblich herausgestellt. Graf Nayhauß, der einen heftigen Schlag ins Gesicht bekam, liegt in einem hiesigen Krankenhaus, Oberleutnant Zeltmann, der bewußtlos vom Platze getragen wurde, erlangte, da die Gehirnerschütterung, die er erlitten hat, sich als leicht herausstellte, nach einiger Zeit das Bewußtsein wieder und befindet sich trotz seiner Wunden an den Armen, der Brust und am Kopfe ver
hältnismäßig wohl. Sein Tier mußte erschossen werden.
js Stuttgart, 18. Okt. (Württembergischer Landesverband des Hansa-Bundes für Gewerbe, Handel und Industrie.) Da es immer noch vorkommt, daß von Württemberg Anfragen, Schreiben u. a. in Hansa-Bund-Angelegenheiten an das Direktorium nach Berlin gerichtet werden und dann von dort aus wieder an den Württembergischen Landesverband nach Stuttgart zurückgeschickt werden müssen, so bittet der Letztere, alle Ortsgruppen des Hansa- Bundes in Württemberg, sowie alle sonstigen Korporationen und Einzelpersonen davon Notiz zu nehmen, daß der Landesverband in Stuttgart, Königstraße 31b 3 (5435 Telephon) eine Geschäftsstelle für Württemberg eingerichtet hat, an die sämtliche Zuschriften, Anfragen re. in Württemberg gerichtet werden mögen. Zahlungen für den Hansabund sind in Württemberg durch die württembergische Vereinsbank und deren Filialen zu betätigen.
st Stuttgart, 18. Okt. (Strafkammer.) Hinter verschlossenen Türen wurde die verheiratete Kellnerin Luise Weingärtner wegen Betrugs zu 9 Monate 15 Tagen Gefängnis verurteilt, unter Anrechnung von 4 Wochen Untersuchungshaft. Sie hatte .einem jungen Mann, mit dem sie ein Verhältnis unterhalten und dem sie sich gegenüber als ledig ausgegeben hatte, Schwangerschaft vorgetäuscht und diesen bestimmt, ihr 150tt Mark zu geben.
, st Stuttgart, 18. Okt. Man sollte im allgemeinen glauben dürfen, schreibt die Frankfurter Zeitung, die Staatsverwaltungen seien den simplen Untertanen leuchtende Vorbilder im Steuerzahlen und nirgends finde sich eine größere Steuerfreudigkeit als bei ihnen. Dem ist aber nicht so, und auch Staatsverwaltungen suchen sich so gut wie möglich um das Steuerzahlen zu drücken, selbstverständlich und natürlich nur im Rahmen des gesetzlich Zulässigen, wie man das von einer Staatsbehörde ja nicht anders erwartet. So hat die württembergische Postverwaltung im Laufe dieses Sommers, als der württembergische Regierungsvertreter im Bundesrat der Steuer auf Beleuchtungskörper seine Zustimmung erteilt hatte, um diese Steuer für die Dauer eines Jährleins von sich abzuwenden, an sämtliche Postämter des Landes einen Erlaß hinausgehen lassen, nach welchem sie sich alsbald und zwar noch vor Eintritt der Steuerpflicht, auf die Dauer eines. Jahres mit Glühkörpern zu verproviantieren hätten. Diesem Erlaß ist denn auch allenthalben Folge geleistet worden. Aber, o weh! Kaum waren Kisten und Kasten mit Glühstrümpfen gefüllt, da kam die Forderung der Nachbesteuerung und so blieb denn der Postverwaltung nichts anderes übrig, als in voriger Woche einen zweiten Erlaß ins Land hinauszusenden, wonach die aufgestapelten Vorräte alsbald und gewissenhaft zur Nachbesteuerung anzumelden sind. Die sparsame württembergische Postverwaltung — und als solche ist sie bekannt — macht also nicht das erhoffte Steuerprofitchen, sondern sie hat noch Zinsverluste zu tragen und obendrein noch unnötige Arbeit und Schererei auszuhalten, und das alles, weil sie nicht so steuerfreudig war, wie es einer Staatsbehörde ziemt.
st Göppingen, 18. Okt. In der Nacht vom Samstag auf Sonntag ist auf dem Wege von Bartenbach nach Göppingen der Bierführer Wilhelm Schelle von seinem Wagen abgestürzt und überfahren
Die Lust, wie ich's bedenke hin und her, ist unser letztes Ziel und tiefst' Begehr.
Verschiedene Pole.
Novelle von Dr. L. Lange.
(Fortsetzung.) Nachdruck verboten.
Am meisten zeichnete sich hierin Frau von Rettberg aus, die nach Unserer Rückkehr viel mehr mit Freds Schwester verkehrte, als dies je vorher der Fall gewesen war. Sie ließ mir jetzt ihre Gunst in fast auffallender Weise angedeihen, und wenn ich auch nicht darüber im Zweifel war, daß ich dies nicht meiner sehr wenig entwickelten persönlichen Liebenswürdigkeit zuzuschreiben hatte, so kann ich doch nicht leugnen, daß ich mich von ihrer Zuvorkommenheit recht angenehm berührt fühlte. Man mag nach außen hin ein noch so brummiges Gesicht machen, innerlich tut einem das Streicheln von der Hand schöner Frauen doch recht wohl, selbst wenn man weiß, daß es nur Mittel zum Zweck ist.
Welchen Zweck aber konnte sie verfolgen, wenn nicht den, Fred zu gewinnen? Er hatte auf der Reise, wie das ja auch kaum anders sein konnte, eine männliche Entschiedenheit angenommen, die sein ganzes Wesen verändert erscheinen ließ. So wenig er ihr früher .imponiert" hatte, so sehr schien es jetzt der Fall zu sein.
Vielleicht war es auch der Umstand, daß er früher ihr Courmacher, sich jetzt wenig um sie zu kümmern schien, was sie reizte. Ich war recht froh, daß er von seiner früheren Passion für sie vollständig geheilt schien. Oder war seine
scheinbare Nichtachtung vielleicht nur eine Art der Diplomatie? Handelte er nach Götheschem Rezept :
Doch, wem wenig dran gelegen Scheinet, ob er reizt, ob rührt,
Ter beleidigt, der verführt!
und freute sich seiner Erfolge im Stillen?
Ich konnte hierüber nicht recht ins Klare kommen, bis ich eines Tages in einer dringenden Angelegenheit unmittelbar nach meinem Klopfen, ohne erst sein „Herein" abzuwarten, bei ihm eintretend, ihn mit der Betrachtung eines Bildes beschäftigt fand, das er zwar rasch unter die Manuskripte seiner wissenschaftlichen Arbeit schob, aber doch nicht so rasch, daß ich nicht vorher noch einen flüchtigen Blick auf dasselbe hätte werken können. Es stellte Franziska von Rettberg dar, und in seinen Augen lag, als er zu mir aufschaute, noch ein Abglanz des liebevollen Enthusiasmus, mit welchem sein Blick auf demselben geruht haben mochte.
Unsere alte und bewährte Freundschaft hätte mir wohl das Recht gegeben, forschend in ihn zu dringen, aber ich zog es vor, abzuwarten, bis er freiwillig sich mir eröffnen werde.
Das geschah denn auch einige Zeit darauf. Er fing an, mich, wie mir schien, nicht ohne eine leise Nuance von Eifersucht mit der Gunst zu necken, deren ich mich neuerdings bei Frau von Rettberg erfreute.
Ich schwieg zunächst.
„Du kannst doch röcht leugnen, daß sie dich in auffallender Weise bevorzugt?" rief er ungeduldig werdend.
„Keineswegs leugne ich das!"
„Und es ist dir auch durchaus nicht unangenehm."
„Im Gegenteil!"
„Da kann man Euch vielleicht demnächst gratulieren?" Seine Stimme klang schärfer, als dies sonst der Fall zu sein pflegte, und seine Augen waren forschend auf mich gerichtet.
„Du bist doch eigentlich ein großes Kind, Fred!"
„Ich ein Kind? Na, erlaube mal!"
„Doch! Du weißt ganz genau, daß bei mir an derartiges nicht zu denken ist, du weißt auch, warum nicht. Du weißt ferner, daß wenn Frau von Rettberg mich gern in ihrer Nähe zu sehen scheint, dies nur geschieht, um etwas anderes zu maskieren."
„Ich will dir gestehen, daß mir dieser letztere Gedanke auch schon ausgesliegen ist, allein ich wußte nicht, ob er nicht einer Art Selbstüberschätzung entspringt; er kam mir fast geckenhaft vor."
„Es ist nicht das erste Mal, daß ich bei Männern deines Schlages auf ein solches Bedenken treffe. Wohl heißt es: „Erst wäg's, dann wag's." — Ihr aber kommt vor lauter Wägen nicht zum Wagen. Da wundert man sich oft, daß geistig und körperlich hochstehende Weiber Gatten auf- weisen, die nichts weniger als ihnen ebenbürtig sind. — Woran liegt es? Die tüchtigen Männer haben aus lauter Angst vor Selbstüberschätzung sich nicht getraut, aus der Selbstunterschätzung herauszukvmmen und im rechten Moment zuzugreifen, während der Geck das Beste gerade gut genug für sich selbst schätzte und die Hand nach der des Wartens müden Frucht ausstreckte!"
„Es liegt viel Wahres in deinen Worten!"
„So beherzige sie! Handle nach ihnen!"
„Als ob das so leicht wäre!"
„Es gehört gerade kein Heldenmut dazu!"
„Ich will dir sagen, was ich fürchte: Als ich begann, Franziska gegenüber gleichgiltiger zu scheinen, seit unserer Rückkehr, wandte sie sich mir mehr zu — wird nicht das wieder ein Ende nehmen, wenn ich entgegengesetzt handle?"
„Ganz unmöglich wäre dies allerdings nicht — aber Ihr könnt doch nicht Zeit Eueres Lebens einer hinter dem andern herlaufen!"
„Nein, gewiß nicht!" (Fortsetzung folgt.)