Ausländisches
js Winterthur, 29. Juli. Ein angesehener Bürger wurde, weil er als Witwer sich wieder verheiraten wollte, von seinem 22 Jahre alten Sohn, der kürzlich sein Lehrereramen bestanden hatte, im Schlafe durch zwei Schüsse getötet. Der Sohn tötete sich dann selbst durch zwei Kugeln.
ss Paris, 28. Juli. Bleriot wurde heute Nachmittag bei seiner Ankunft in Paris von einer ungeheuren Menschenmenge enthusiastisch begrüßt. Minister Barthou hieß den Aviatiker am Nordbahnhof im Namen Frankreichs willkommen. Millerand schloß sich ihm an. Im Aeroklub wurde Bleriot mitgeteilt, daß ihm die große goldene Medaille verliehen und daß an seinem Startplatz ein Gedenkstein errichtet werden solle.
" London, 28. Juli. Die „Daily Mail" hat sür L a th am einen sogenannten Großpreis von 2500 Francs bestimmt, der ihm heute noch überreicht werden wird. Die Blätter nennen diesen Flug einen glorreichen Mißerfolg und überschütten Latham mit Ausdrücken der Bewunderung und Teilnahme.
ss Washington, 28. Juli. Orville Wright hat einen neuen Rekord aufgestellt, indem er mit einem Offizier als Passagier 72 Minuten 40 Sekunden in der Lust blieb und eine Entfernung von 50 Meilen zurücklegte.
Eparrierr und Marokko.
ss Aus Melilla wird gemeldet: Ter Kampf vom 23. ds' war der erbittertste seit dem Beginn der Feindseligkeiten. Eine spanische Abteilung wurde in einem Hohlweg überrascht und von den auf den benachbarten Höhen im Hinterhalt liegenden Mauren dezimiert. Die Verluste betragen mehr als 400 Tote und Verwundete. Ein Offizier erzählte, auch die Verluste in den Kämpfen am 20. und 21. Juli seien viel höher gewesen, als der amtliche Bericht angab. Es erscheint unvermeidlich 40 000 Mann Verstärkungen nach Melilla zu schicken und sich des Gurugubergcs zu bemächtigen, an dem die Mauren einen Stützpunkt haben. Die Leiche des vermißten Obersten ist aufgefunden worden. Wie es heißt, hat der Oberst einem Sergeanten befohlen ihm den Gnadenstoß zu geben, um nicht in die Hände der Eingeborenen zu fallen
ss Paris, 28. Juli. Einem amtlichen Bericht aus Melilla zufolge, haben die Marokkaner die Schienen der nordasrikanischen Eisenbahn entfernt und dadurch den Zugverkehr verhindert. Zwei spanische Abteilungen trieben die Marokkaner zurück und stellten den Zugverkehr wieder her. Die Verluste der Marokkaner waren zahlreich, aber auch auf spanischer Seite bedeutend.
ss Paris, 28. Juli. Wie aus Cerbere gemeldet wird, ist der Eisenbahnverkehr zwischen Barcelona und der französischen Grenze vollständig unterbrochen. Die Bevölkerung von Culera hat die Eisenbahnlinie auf mehrere Kilometer stark beschädigt.
* Paris, 28. Juli. Dem „Malm" wird aus Oran gemeldet, daß nach vertrauenswürdigen Meldungen die Lage der spanischen Truppen in Melilla sehr gefährlich sei. Allein am 24. Juli seien 800 Mann kampfunfähig gemacht worden. General Marina sei sehr unbeliebt. Eine Kompagnie habe sich geweigert, zu marschieren.
* Madrid, 28. Juli. Wegen der strengen Zensur haben verschiedene Zeitungen ihr Erscheinen eingestellt. Auch in Valencia Saragossa, sowie in verschiedenen anderen Städten sind Unruhen ausgebrochen. In Cartagena und Algeciras spielen sich beim Eintreffen der aus Marokko kommenden Dampfer herzzerreißende Szenen ab. Der Gemeinderat von Taragona sandte an die Regierung einen Protest gegen den Krieg, allgemein wird die Einberufung der Cortez verlangt.
* Madrid, 28. Juli. Angesichts der Lage in Barcelona ist König Alfons heule nachmittags um 2 Uhr wieder in Madrid eingetroffen und hielt noch im Laufe des heutigen Tages einen Kabinettsrat ab.
1s Madrid, 28. Juli. Der König Unterzeichnete ein Dekret, durch das die konstitutionellen Garantien für ganz Spanien aufgehoben werden.
* Cerbere, 28. Juli. Die Lage in Barcelona ist außerordentlich ernst. Die öffentlichen Gebäude sind von Truppen besetzt. Im Volkshaus verteidigten sich die Arbeiter eine Stunde lang mit Hartnäckigkeil gegen Polizei und Bürgerwehr. Es gab auf beiden Seiten Verwundete.
Schulpolitik auf der Kauzel.
Mit dieser Rubrik erhielten wir unlängst aus Lehrerkreisen unseres BezirkseinenArtikelvom geschäfisführendenVorstand des Württ. Volksschullehrervereins zugesandl, den wir insbesondere deshalb nicht aufnahmen, da nach unserer Ansicht der Inhalt dieses Artikels für die Verhällnisse in unserer Gegend nicht gerechtfertigt erschien. Um unsere Leser aber über den hauptsächlichen Inhalt dieses Artikels zu informieren, brachten wir in Nr. 166 unserer Zeitung einen Auszug, ohne jedoch selbst zum Inhalt Stellung zu nehmen. Nachdem wir in der gestrigen Ausgabe unserer Zeitung die Entgegnung aus Kreisen der Geistlichen des Landes, sowie eine Erklärung des Vorstandes des Württ. Volksschullehrervereins im Auszug Wiedergaben, erhalten wir nun auch von den evang. Geistlichen des Bezirks Nagold eine Entgegnung. Da der Inhalt derselben aber über den von uns gebrachten Auszug hinausgeht und Stellung nimmt zu Punkten, welche wir in unserem Auszug nicht erwähnten, so sind wir veranlaßt, der Entgegnung der evang. Geistlichen des Bezirks den ganzen Wortlaut des Protestes des Württ. Volksschullehrervereins hier vorausgehen zu lassen.
Schulpolitik auf der Kanzel. Landauf landab entfalten evangelische Pfarrer eine unheimliche Tätigkeit, um einen Einfluß auf die Gestaltung der Schulnovelle zu erlangen. Es ist ihr gutes Recht, Eingaben an die Ständekammern zu richten; aber durchaus verwerflich ist die Art, wie viele Pfarrer die Bürger zu den Unterschriften gewinnen. Wir haben für unsere Eingaben um Umgestaltung des Volksschulwesens nie Unterschriften von Bürgern aus anderen Berufskreisen gesammelt; wir vertrauten unserer guten Sache. Pfarrer protestantischer Konfession glauben ihre unberechtigten Ansprüche auf die Volksschule nur dadurch retten zu können, daß sie die Kirchengenossen, die in Schulfragen oft schlecht unterrichtet sind, durch die unsinnigsten Behauptungen über die Bestrebungen des Württ. Volksschullehrervereins und die Folgen der Schulnovelle gegen eine zeitgemäße Neuordnung des Volksschulwesens aufstacheln. - Wie vor einigen Jahren vom katholischen Klerus die Mitglieder des katholischen Volksschullehrervereins bei den Ortsbürgern verlästert wurden, so werden jetzt von evangelischen Pastoren evangelische Lehrer bei den Gemeindeangehörigen von der Kanzel herab in unverantwortlicher Weise als Feinde der Kirche, der Religion gekennzeichnet. Die Lehrer hatten seit 1836 die Hauptarbeit an der religiösen Unterweisung der Jugend zu leisten; denn die Geistlichen — ihre Vorgesetzten — sind ihrer gesetzlichen Verpflichtung, den Religionsunterricht unter angemessener -Teilnahme des Lehrers zu geben, erst seit 1907 in einer größeren Zahl von ein- und zweiklassigen Schulen nachgekommen. Die Pfarrer haben es ganz ruhig mitansehen können, wie die Lehrer die Kinder in die christliche Religion einführten; und auch heutzutage noch überlassen sie in allen mehrklassigen Schulen den Lehrern den weitaus überwiegenden Teil der Religionsstunden; trotzdem scheuen sich gar manche nicht, in der Kirche auf die Lehrer, die für die Volksschule dw Verfassung und Einrichiung wollen, welche für
diejenigen Schulen gilt, in welchen die Pfarrer ausgebildei werden und denen sie ihre eigenen Kinder zur Schulung zuweisen, mit strafendem Finger als auf kirchenfeindliche und religionslose Leute hinzuweisen.
Diener Jesu lassen sich in ihren Urteilen über Lehrer zu bedauerlichen unchristlichen Bemerkungen Hinreißen ; Diener Jesu setzen den Berufsstand, dem die Erziehung der Volks-, fügend anvertraut ist, durch Verdächtigung seiner religiösen, Gesinnung in der öffentlichen Meinung und Achtung und Wertschätzung herunter. Wenn durch die Forderungey der; Volksschullehrer die Religion in Gefahr käme, wäre es die heiligste Pflicht der Pfarrer, das Volk zum Kampf aufzurufen. Aber es handelt sich bei der Schulfrage nicht uin Religion, nicht um Christentum, sondern einzig und allein um das Wohl der Schule, um die Befreiung der Volksschule aus kirchlicher Bevormundung. Die Schule soll leistungsfähiger gemacht werden, was nur möglich ist, wenn sie unter rein weltliche Leitung gestellt wird. Wahre Religion findet in der kirchenfreien Schule die sorgfältigste Pflege., Religion ist nicht bloß im Pfarrhaus und in der Kirche, Religion wohnt auch im Schulhaus und in der Schule. Die Lehrer sind zum mindesten so gute Christen wie die Theologen. Der Theolog Palmer sagt in seiner „Evang. > Pädagogik", daß es eine Zeit gegeben habe, da die Pfarrer i unkirchlicher waren als die Lehrer. In der Religiosität. standen die Lehrer nie hinter den Pfarrern. Die Lehrer i habezr es nachgerade satt, von herrschsüchtigen Geistlichen i beim Volk in den Ruf der Irreligiosität gebracht zu werden. Die Geistlichen mögen doch einmal zeigen, was sie ohne die i Lehrer in der religiösen Erziehung des Volkes leisten können. , Sie mögen doch den gesamten Religionsunterricht über- nehmen, wenn sie von den Neuerungen auf dem Gebiete der Schulaufsicht eine Gefahr für die evangelisch-christliche Erziehung befürchten. Beinahe alle Pfarrer verlangen die i Aufsicht der Kirche über den Religionsunterricht des Lehrers; . wir können darein nie und nimmer willigen, nicht als Pro- . testanten und zweimal nicht als Lehrer. Wollen die Geist- s liehen die Aussicht, so sollen sie sich auch die Arbeit aus- i laden. Wir müssen als Volkslehrer und Jugenderzieher so gut als die Priester wissen, was man religiös heißt, was sittlich ist; andernfalls taugen wir nicht für das Amt und das Geschäft, das uns übertragen ist. Aufsicht im Religionsunterricht kann nur das Aeußere, das Religionswissen, die Einlernung von Gedächtnisstoffen treffen; die Religion als eigenste persönliche Herzensangelegenheit des einzelnen entzieht sich der Aufsicht und Leitung. Religion kann nicht beaufsichtigt, sondern nur an ihren Früchten „erkannt" werden. Mit derjenigen Religion steht es schlecht, die des Schutzes durch geistliche Polizei bedarf.
Die Geistlichen sollten bei ihrer Agitation gegen die Schulnovelle doch auch im Auge behalten, was Schule und Lehrerstand für die Kirche schon getan haben und immer noch tun. Wie haben die Lehrer bis 1899 den Kirchen durch unentgeltlichen oder schlecht bezahlten Organistenvieust Millionen erspart! Welche Ersparnisse macht jetzt noch die Kirche an den Lehrerorganisten, die durch Gesetz verpflichtet sind, gegen eine mäßige Entschädigung ihr zu dienen! Die sonntägliche Kirchenaufsicht über die Schuljugend mußte bis 1900 ausgeübt werden, ohne einen Heller Entgelt. Der Lehrerstand hat bis heute der Kirche mehr unentgeltliche Dienste geleistet als der Pfarrstand. Nun soll die württem- bergische Schule etliche der Einrichtungen bekommen, die in anderen deutschen Ländern schon seit Jahrzehnten zum Heil und Segen des Volkes eingeführt sind; da entfalten Geistliche eine heftige Agitation gegen die Männer, die am Schulfortschritt beteiligt sind. Mesner werden mit Eingaben von Haus zu Haus geschickt, weil das Schriftstück vom Pfarrer kommt, unterschreibt man es unbesehen. In den Sitzungen der Kirchengemeiuderäte läßt man die Eingabe umgehen; jedes einzelne Mitglied soll unterzeichnen, weil der Kirchen-
Wer das Urteil aller Menschen verachtet, ist selbst verächtlich.
Lrzarue.
Unter dem Gesetze.
Roman von H. v. Schreibershvseck.
Nachdruck verboten.
Herr von Warnitz runzelte die Stirn und legte das Messer, das er soeben ausgenommen, schnell wieder hin.
„Demo nur, Rudolf Seehausen" — —
„Nicht möglich!" Die Stimme des verdrießlichen Hausherrn klang jetzt hell und freudig.
„Ja, er hatte Tante Bar gleich erkannt, schon unterwegs, sich durch sie vorstellen lassen, und Tante schreibt, er scheine großen Gefallen an den Mädchen zu finden."
„Recht wie eine alte Jungfer — gleich solche Ideen." spottete er, lachte aber.
„Was für Ideen?" Frau von Warnitz sah ihren Mann mit gut gespieltem Erstaunen an. „Ich finde, eine so gut passende Bekanntschaft kann für alle Teile ft» angenehm wie möglich sein "
Herr von Warnitz lachte auf. Seine Verstimmung war verflogen. „Rudolf Seehausen wollte ich freilich anders aufnehmen wie Ehrhardt Ellern."
„Ach — nun daran — nein — ft» weit versteigen sich schon deine Gedanken! Da sagt man immer, wir Frauen hätten stets gleich Heiratspläne, und ihr seid doch viel schlimmer." Frau von Warnitz versuchte ernst
haft auszusehen, es gelang ihr aber nicht; ihre Phantasie war nicht minder geschäftig als die ihres Mannes.
Er zog seinen Teller heran, füllte ihn und nickte äußerst vergnügt. „Das wäre mir die liebste Lösung aller Schwierigkeiten." Er sah über den Rasenplatz nach den Bäumen hin, von wo Vogelstimmen erklangen, die ihr Abendgespräch hielten. Es ward schon dämmerig und der Diener brachte Windlichter, die sehr bald zahllose Falter anzogen, die lautlos und emsig den Hellen Schein umkreisten. „Was schreibt die Bar denn noch weiter? Sei doch nicht so geheimnisvoll, Frau!"
„Ich sollte ja nicht weiter lesen," sagte sie schelmisch. „So höre!" Frau von Warnitz kannte ihres Mannes Temperament, viel Geduld hatte er nicht. Viel mehr, als sie ihm schon mitgeteilt, enthielt der Brief nicht, es war aber genügend für glänzende Luftschlösser, die vor den Elternaugen emporstiegen.
„Tante Bar ist ja doch zuverlässig" — sagte Herr von Warnitz nach einer Weile und verfolgte das langsame Aufsteigen des Mondes hinter den dunklen Bäumen
„Wie Gold!" bekräftigte Frau von Warnitz seinen Ausruf.
Er atmete tief auf und erhob sich. „So mögen sie m Lottes Namen dort bleiben. Man soll nicht mutwill;- eilig,eisen "
Frau v Warnitz lachte, aber heimlich, unbemerkt, stand auch au; und ging mit ihm in den Garten hinunter
Welch günstige Lösung, wenn Alhardas Herz sich einem andere»! züwandte — noch dazu einem Verwandten, von dem man nur Gutes wußte, dessen Leben so klar und offen dalag!
Lange gingen sie Arm in Arm im Garten umher,
> und Frau v Warnitz ließ sich alles erzählen, was ibk Mann über die Familie Seehausen wußte. Es waren alles tüchtige, ehrenwerte Männer in der Familie, um brave und ernste Leute. In den letzten Jahren waren Herrn v. Warnitz die Brüder Rudolf und Otto ganz aus den Augen gekommen, früher hatten sie sich öfter gesehen —
„Der eine. Otto, ist leider tot, er sollte die diplomatische Laufbahn einschlagen, wenn ich nicht irre. Er war äußerst begabt, ich habe vergessen, woran er starb, wir hatten uns damals schon lange nicht gesehen "
Der Mond malte phantastische, wunderliche Flecke auf die Kieswege, und ein weicher Luftzug, der die Zweige durcheinander trieb, ließ die Schatten in diesem Augenblicks wie toll hin und her jagen. Aus der Feme klang Froschgequake und Hundegebell, gesellige Lauts.
Frau v. Warnitz genoß in» voraus den nun wieder zu erhoffenden häuslichen Frieden. Wie konnte Alharda sich gegen des Vaters Willen auflehnen! Sie begriff cs nicht, war sich auch nicht bewußt, wie viel sie durch ihre unbedingte Unterwerfung ihres Mannes Herrschsucht gefördert.
Nun lag der Mondschein wieder wie ein schimmerndes Netz über den Bäumen. In den dunklen Schatten huschte es hin und her, Fledermäuse strichen pfeilschnell über den Büschen hin, die Luft war kühler, Frau v Warnitz schauerte zusammen und sorglich geleitete er sie hinein. Auch er freute sich, jeden Grund zum Unfrieden schwinden zu sehen. — — ""
Derselbe Mondglanz füllte auch die Täler und Schluchten der Alpen, blitzte auf in den Eisfeldern der Gletscher und lag wie zitternde zuckende Silber-Funken auf dem grünen See.
Fortsetzung folgt.