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Notwendigkeit machen. Unterdessen regt sich der Widerstand gegen die Steuerbeschlüsse der Rumpfkommisston und die ganze Haltung der neuen Mehrheit weithin mit Macht. Allenthalben werden Protestkundgebungen laut, besonders aus den Kreisen der Industrie und des Gewerbes. Am 12. ds. wird in Berlin eine große Versammlung industrieller und gewerblicher Körperschaften aus ganz Deutschland stattfinden.
Kaiserbegegnung.
Ende dieses Monats — der Tag ist noch nicht bekannt — wird Kaiser Wilhelm mit dem Zaren in den finn- ländischen Gewässern eine Begegnung haben. Die Anregung dazu ist von russischer Seite ausgegangen. Alan hat in Rußland ersichtlich das Bedürfnis, den Draht' nach Berlin, der einigermaßen in Unordnung geraten ivar, wieder in bessere Funktion zu bringen. Die Balkankrifis und einiges andere haben bewirkt, daß man in Rußland ein gutes Verhältnis zu Deutschland wieder inehr zu würdigen weiß. Es geht eben doch nicht, daß man Deutschland und den Dreibund ignoriert. Versucht hat man es ja m den letzten Jahren reichlich, aber das Ergebnis ist ein vollkommenes Fiasko gewesen. In der Balkankrisis ist die ganze schön eingefädelte und hartnäckig verfolgte Politik zu schänden geworden. Deutschland und Oesterreich haben sich nicht einschüchtern lassen und an ihrer Entschlossenheit und Geschlossenheit ist ein ganzes politisches System gescheitert. Man hat die schmerzliche Lehre erhalten, daß die gewaltige Macht in der Mitte Europas respektiert werden muß. Der Einkreisungsspuck ist verflogen. Man zieht wieder andere Saiten gegen uns auf, man sucht uns wieder. Seit langen Jahren haben wir endlich wieder die Stellung, auf die wir Anspruch haben. Rußland, das durch Deutschlands entschlossene Stellungnahme an der Seite seines österreichischen Verbündeten genötigt wurde, in der Balkansrage den Rückzug anzutreten, zieht daraus eine aydere Lehre, als es gewissen Leuten in Paris und London erwünscht ist. Nämlich, wie schon gesagt, die Lehre, daß es für die russische Politik nicht nützlich ist, sich gänzlich nach der englischen Seite festzulegen. Man hat eben gefunden, daß in dem Einvernehmen mit England keineswegs alles Heil liegt. Das wird nun durch die Kaiserzusammenkunft deutlich gemacht. Nicht, daß nur die russische Politik eine Schwenkung vornimmt: das wird sie nicht tun. Aber Rußland wünscht nicht, der Triple-Entente eine Spitze gegen Deutschland zu geben. Eine solche Spitze hatte sie früher, wenn auch nicht formell, so doch ihrem Wesen nach. In Frankreich wie in England ist man unter diesen Umständen von der Kaiserbegegnung wenig erbaut, und man kann das gut versiegen. Es ist immer unangenehm, zu bemerken, daß. eine Rechnung ein Loch gehabt hat.
Fürst Eulenburg.
Fürst Eulenburg, der es sich in Bad Gastein wohl sein läßt und nach Berichten von dort keineswegs den Eindruck eines schwer tranken Mannes macht, wird nun. allmählich auch von den Berliner Gerichtsbehörden als vernehmungsfähig betrachtet. Das Gutachten der wissenschaftlichen Medizinaldeputation in Berlin spricht sich in diesem Sinne aus und die Staatsanwaltschaft ist durch Ermittlungen über die Lebensführung des Fürsten zu derselben Ansicht gekommen. Es hat etwas lange gedauert, und es hat sehr kräftiger Argumente bedurft, bis man dahinter gekommen ist. Nun wird wohl nächstens der Meineidsprozeß wieder ausgenommen werden, das heißt, wenn nichts dazwischen kommt. Fürst Eulenburg, der übrigens einstweilen für 8 Wochen in dem österreichischen Badeorte Quartier genommen hat, besitzt eine gewisse Fertigkeit darin, im gegebenen Moment sterbenskrank zu werden. Außerdem weiß man noch gar nicht, ob er, wenn es wirklich wieder brenzlich wird, das deutsche Vaterland mit seiner Rückkehr beehrt.
Englische Angst.
In England ist wieder eine Alarmrede gehalten worden, diesmal von dem ehemaligen liberalen Ministerpräsidenten Lord Rosebery, und zwar auf dem in London zusammengetretenen Kongreß der britischen Presse. Er sagte, obgleich es in der Welt friedlich aussehe und nirgends eine kriegerische Frage vorhanden sei, fehle es doch nicht an bösen Zeichen. Als diese erscheinen ihm die Kriegsrüstungen, wie sie in der Weltgeschichte noch nicht dagewesen seien. Mit Unbehagen sehe er das rasche Emporwachsen von Flotten. England werde, um sich retten zu können, Schiffe bauen, so lange es noch einen Schilling und noch einen Mann zur Besatzung habe. Seine jetzige Flotte sei unzulänglich. Diese Rede hat in England einen gewaltigen Eindruck gemacht. Das Angstgefühl tötel jegliche vernünftige Ueberlegung.
Landesnachrichten.
Altensteig, 12. Juni.
' Poftinspektor Schweizer hier wurde lt. Staatsanzeiger auf Ansuchen in den Ruhestand versetzt.
' Freudenstadt, 12. -Juni. Am morgigen Sonntag findet hier die 6. Landesversammlung des Württ. Journal i st e n - und Schriftitel ler - Vereins statt. Die Verhandlungen beginnen um 10 Uhr im Saal des Hotels „Herzog Friedrich". Ans der Tagesordnung steht außer den Wahlen ein Referat von Rechtsanwalt Tr. Reis: „Der Wahrheitsbeweis im Preßvrozeß, eine kritische Betrachtung der Strasrechtsnvvelle".
js Neuenbürg, 11. Juni. In der oberen Smsenfsbrik wurde gestern der 45> Jahre alte Karl Bucht er, der dort Sensen schliff, von einem abgesprungenen Stück des Schleifsteins getütet. Sein Nsbenarbeiter He st sen. erlitt bedeutende Wunden am Kopst
* Leimiß, 11.. Juni. Gestern mittag wurde der OOjähr. Holzhauer Jakob Züfle im Revier Schönmünzach Von einer fallendem Tanne so unglücklich getroststen, daß er nach wenigen Augenblicken verschied.
jj Herrenbergl, 111. Jum. Die Kandidatur Dr den Bezirk Herrenberg wurde gsstern, wis der Schwäbische Merkur hört, durch eine Abordnung von Wählern verschiedener Berufskreise dem Oekonomrvrat R uo f f iw Niedsrreuthin angeboten, der, wie dev verstorbsne Abgeordnete Guoth> politisch auf dem Boden dev Deutschen Partei steht» Oeko- nomierab Ruoff hat- sich Bedenkzeit erbeten.
jj Reutlingen,, 11. Juni. Der gestern verhaftete Webmeister Eduard Moser hat sich dem irdischen Richter min doch durch Selbstmord entzogen. Er erhängte sich am Fenstergitter des hiesigen Amlsgerichtsgefängnisses noch am Abend seiner Eirrlieserung unter Benützung seines Taschan- tuches. Die ihm, zur Last gelegten SittÄchkeilsserbrechsir hat: er an 6- und 7jährigrn Mädchen begangen.
* Balingen, 11. Juntz Eine aus mehreren Frauen und Männern bestehende Einbrecherbande, die in Geislingen^ schwere Einbrüche und Diebstähle verübte, wurde gestern Nacht, bei einer Razia im Wald ansgetrieben und ins hiesige Amtsgerichtsg.efängnis eingeliefrrl. Zwölf keine Kind«, befinden: sich bei der Bande.
Martin G-reit.
Zu 'o nem 70.. ^eburkstag-
jj Schrozberg, OA. Gerabronn, 1l. Juni. Zu dem schon gemeldeten Verschwinden des zwölfjährigen Mädchens und des siebenjährigen Knabens des Bahnwärters E. wird weiter bekannt, daß das Mädchen, das im einer Besserunzsanstalt untergebracht werden sollte, wahrscheinlich aus Furcht durchgegangen ist, und ihren Bruder-zum Mitgehen veranlaßt hat.
jj Aalen, 11. Juni. Vergangene Nacht 12Ve Uhr ist rin verheirateter Gipser aus dem Fenster seiner Wohnung in der Helferstraße vier Meter hoch heruntergesallen und hat sich hierbei Verletzungen im Gesicht und Verstauchungen der > Arme und Beine zugezvgen. Da er schon zwei Stunden vorher zu Bett gegangen war und von dem Vorfall nichts wußte, so muß angenommen werden, daß er im Schlaf gewandelt ist.
ss Spaichingen, ll. Juni. Die Nachricht von der Genehmigung der Hcubergbahn durch dir Zweite Kammer ist hier mit großem Jubel ausgenommen worden. Böllerschüsse ertönten ' und die Musik spielte, während gleichzeitig die Bürgerschaft sich zu festlichen Banketten zusammensand.
Württembcrgischer Landtag.
jj Stuttgart, 1t. Juni. Tie Zweite Kammer setzte heute? die Beratung des E t s e n b a h n b a u k r ed it g e s e tz e s fort. Aus der Debatte, die sich an Art. 7 knüpfte, in der für Erweiterungen und Verbesserungen an den im Betrieb befindlichen Bahnen 11 135 000 Mk. bestimmt werden, ist die Besprechung über die Bahnsteigsperre hervorzuheben. Ministerpräsident v. Weizsäcker betonte dabei, die Schwierigkeiten bei Einführung der Sperre lägen znm großen Teil darin, daß unsere Bahnhöfe zu klein gebaut worden seien. Notwendig sei die Sperre. Das Zugsbegleilungspersonal sei nicht weniger geworden. Tie Frage der Schutzhüllen für das Bahnsteigpersonal werde die Regierung im Auge behalten. Begrüßt wurde die Erigenz von 60 000 Mk. zu Vorarbeiten für die Einführung des elektrischen Betriebs auf einzelnen Staatsbahnstrecken. Minister 0 . Weizsäcker bezeichnte als den Standpunkt der Regierung, daß die ersten Versuche und die dabei unvermeidlichen Lehrgeldbezahlungen von größeren Verwaltungen zu machen seien. Auf die brachliegenden Wasserkräfte habe die Regierung die Hand gelegt. Für dis Erbauung von Wohngebäuden wurden 620 000 Mk. bewilligt, darunter 56 000 für die Erweiterung des P 0 stgc l> L i! d e s in F r e n d e n st a d t und als Fonds zu Gruuderwerbungeu der Eisenbahnverwaltung 1 Million Mark genehmigt. Weiter wurden die Forderungen von 602 000 Mk. für die Herstellung verschiedener neuer Postgebäude dcbattelos bewilligt. Znm Schluß berichtete
i Körner (B.) über die Anträge der volkswirtschaftlichen Kommission um Erbauung - einer unteren Kochertalbahn, die vom Hause genehmigt wurden. Morgen Vormittag Fortsetzung. Dauer der Sitzung von 3—Uhr.
js Pforzheim,: 11, Juni. Bei einerFrüh-Turnfahrt der hiesigen Freien Turnerschaft badeten einige Teilnehmer in der Nähe der Talsperre bei der Station Monbachtal. Dabei ertrank der Turnwart des Vereins, Er hinterläßt eine Frau und zwei Kinder. Seine Leiche wurde erst nach 4'/,- stündigem Suchen gefunden.
* Berlin, 11. JUnO Fürst E u len b ur g ist heute früh hier eingetroffen:.
AusLändrsches.
- * Wien, 11. Juni. Ein Mitglied dev jüngst hier rveilen- ! den türkischen Komiffiou zur Notifizierung der Thronbesteigung Mohammed- V äußerte sich, daß der Sultan wahrscheinlich im nächsten Jahre eine E u-r op ar e i se antreten werde, um sich den Souveränen vorzustellen. Der Wiener Hof sei als erstes Reiseziel in Aussicht genommen. Zunächst aber würden einige-jüngere Prinzen des ottomanischen Kaiserhauses Europa besuchen, um sich weiterzubilden.
js Rom, 11. Juni. Bei der Beratung der Vorlage betreffend Erhöhung des Militärbudgets erklärte der Kriegsminister die kürzlichen Erörterungen über die militärischen Einrichtungen haben gezeigt, daß die Armee schon seit langer Zeit wichtige Bedürfnisse habe, für die gesorgt werden müsse. Die Erhöhung der ordentlichen Ausgaben ist mit 10- Millionen Lire für das laufende und mit 16 Millionen für das nächste Etatsjahr vorgesehen, vor allem aber durch die Erhöhung desEffektivbe- standes von 205000 auf 225000 Mann notwendig geworden. Für die außerordentlichen Ausgaben ist ein Mehr von 125 Millionen veranschlagt, die auf fünf Etats-Jahre einschließlich des gegenwärtigen verteilt werden. Der Minister erklärte sodann- weiter, er könne mit Sicherheit behaupten, daß die verlangten Kredite zur Ausführung des bereits besteh enden Arbeitsprogranrms ausreichen werden, daß aber, wenn es rasch ausgesührt werde, der Armee und dev Landesverteidigung eine derartige Wirksamkeit geben werde, die es Italien gestatte, sich in dem,? Konzert der Großmächte zu behaupten: ein Gegenstand nicht nur der Achtung, sondern auch der Furchl. Nach Erläuterung des- Gesetzentwurfes legte der Minister seine Ansichten über die-Organisation des Heeres dar und kündigte unter anderem an, daß er einen Gesetzentwurf betr. die zweijährige Dienstzeit für alle Waffengattungen einbringen werde.
js Konßantinopel, 11. Juni. General Dschavid hat seine militärische Aktion gegen die Reaktionäre Albaniens wieder ausgenommen/ nachdem vorher seine Gebirgsbatterien mit Schnsllfeuergeschützen und Maschinengewehren, die aus Mitromitza eingetroffen sind,, ausgerückt, waren. Am Montag wurde sine Expedition in das schwierige Berggebiet Malissina mit 4: Bataillonen und 1.4 Geschützen unternommen. Es wurden- verschiedene Dörfer besetzt und von den Höhen des Kafa-Mevin die Beschießung der albanesischen Kulen begonnen. Die Expedition wird erfolgreich fortgesetzt.
iss Konstantinopel, 11. Juni. Der persische Botschafter hat gestern bei der Pforte einen Schritt wegen Zurückziehung der türkischen Truppen unternommen. Der Graßwesir erklärte, daß die türkischen Truppen sich aus Urruia zurückzirhen würden, sobald die Lage sich beruhigt habe. Die Pforte habe nicht die Absicht, persisches Territorium zu besetzen.
* Teheran, 1l. Aus Mesched ivsrden große Unruhen gemeldet, dis- am 7. Juni damit begonnen haben, daß.Rr- u-o lut io märe im dem. Gebäude der Endschumen den Chef der Polizei e r m 0 r d e t e n. In Mesched treiben
, Räuber ih-r Wesen. Ein Anschlag aus den Generalgouver-. j neur, der sich auf dem Wege nach Mesched befindet, wird
- befürchtet. Beim Schießen in der Stadl flogen dis? Kugeln- auch bis. zum russischen. Konsulatsgebäude. Es her r 1 ch t- völlige Anarchie. Den Europäern droht Gefahr.
js Casablanca, 11. Juni. Das Kriegsgericht verurteilte von den Deserteuren, die zu dem d e 11 t s ch - s ranzö- si schon Zivi scheu fall Anlaß gegeben hatten, 4 zu 5 Jahren, 1 zu- 8 Jahren, und 1 zu 10 Jahren Gesäugnis und Degradation.
Zar Kreta-Krage
* London, 1!. Juni. Die Times will aus guter Ouelke in K 0 nstan tin op e l erfahren haben, daß die Pforte die französische und die italienische Regierung ersucht habe, ihre Garnisonen auch nach dem für den Abzug der fremden Truppen aus Kreta festgesetzten Datum dort zu belassen, bis die kretische Frage endgültig geordnet se>> Ein gleiches Ersuchen werde auch an England und Rußland gestellt werden.
jj Paris, 11. Juni. Der Minister des Auswärtigen, Pichon, erklärte, es sei bisher kei n e V e r st ä n d i g u ng zwischen den Mächten bezüglich der vorläufigen Beibehaltung der Truppen auf Kreta erzielt. Die Räumung werde im Juni üattfinden, wenn kein neues Uebereinkommen auf anderen Grundlagen zustgndekomme.
Voraussichtliches Wetter
am Sonntag, den 13. Juni: Nachlassen des Regens, Attihesterung, mäßig warm.