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1877.
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Nr. 135.
AusgabeorL Alterrsteig-Stsdt.
Sonntag, den 13. Juni.
Amtsblatt für Pfalzgraseuweiler.
1909.
Wochen-Kundschau.
Vom Landtage.
Die Abgeordnetenkammer hat am Dienstag ihre Arbeiten nach vierzehntägiger Pause wieder ausgenommen. Bei der Etatberatung handelte es sich zunächst um die Saline Sulz, die nicht mehr rentiert und daher nach der Meinung vieler ausgegeben werden sollte. Die Kammer nahm nach längerer Debatte einen dahingehenden Antrag der Finanzkommission an, wonach die Regierung zwecks Veräußerung der Saline mit der Stadtgemeinde Sulz in Verbindung treten soll und falls diese die Erwerbung der Saline ablehne, diese am 1. Januar 1911 aufzuheben. Weiterhin kamen Eisenbahnangelegenheiten an die Reihe, zunächst das Eisenbahnbaukreditgesetz, dessen Vorschläge bezüglich des Baues von Nebenbahnen durchweg angenommen wurden. Sehr eingehend ist der Eisenbahnetat in der Finanzkommission behandelt worden. Die schlechte Finanzlage und der Rückgang in den Erträgnissen der Eisenbahnen regt ja besonders dazu an. Insonderheit handelte es sich bei der Erörterung um die Frage einer Erhöhung der Tarife sür die vierte Klasse, überhaupt um die Personentarife. Auch wurde die Frage der Güterwagengemeinschaft und etliches andere berührt. Ministerpräsident v. Weizsäcker erklärte, er habe nicht die Hoffnung, daß die Güterwagengemeinschaft in der nächsten Zeit zu einer erweiterten Gemeinschaft führen werde. Bezüglich einer etwaigen Tariferhöhung müsse man zunächst mit den Nachbarverwaltungen in Verbindung treten. Der Erhöhung der Tarife sür die vierte Klasse müsse jedenfalls näher getreten werden. Einer Verschmelzung der dritten und vierten Klasse unter Zugrundelegung eines Satzes von 2,5 Pfg. könne er das Wort nicht reden. Schließlich wurde ein Antrag des Zentrums, die Regierung aufzufordern, eine Revision der Personentarife in Erwägung zu ziehen, unter Zugrundelegung des Grundsatzes, daß in der Regel eine Deckung der Selbstkosten ein- treten soll, abgelehnt, ebenso ein Antrag der Konservativen, die Erhöhung der Tarife für die vierte Klaffe in Erwägung zu ziehen. Im weiteren Verlaufe der Beratungen kam die Sprache auf das Koalitionsrecht der Beamten der Verkehrsanstalten. Es wurde von einer Seite Klage geführt, daß den Beamten das Koalitionsrecht nicht in vollem Maße gewährt werde. Der Ministerpräsident bezeichnet« das als unrichtig. Bei persönlichen Differenzen von Beamten mit ihren Vorgesetzten könne allerdings die Regierung nicht mit Beamtenvereinen verhandeln; da gebe es nur den dienstlichen Beschwerdeweg; sonst höre schließlich jede Disziplin auf.
Staatsrat v. Schicker -j-.
Am 5. ds. ist in Stuttgart Staatsrat v. Schicker, der württ. Bundesratsbevollmächtigte, 62 Jahre alt gestorben. Er hat Württemberg über 25 Jahre im Bundesrate vertreten, denn 1882 wurde er zum stellvertretenden Bundesratsbevollmächtigten bestellt. Schicker war kein geborener Württemberger, sondern ein bayrischer Schwabe; er wurde 1847 in Füssen im Allgäu geboren. Seine Studien machte er in Bayern und war auch zuerst in der bayerischen Verwaltung tätig. Im Jahre 1875 trat er in den württem- bergischen Staatsdienst über, wo er 1876 Hilfsarbeiter im Ministerium des Innern wurde. Anläßlich seiner 25jährigen Zugehörigkeit zum Bundesrate erhielt er den Titel Exzellenz. Schicker hat sich auch schriftstellerisch betätigt. Reges Interesse zeigte er besonders für sozialpolitische Fragen; an den Beratungen über die sozialpolitische Reichsgesetzgebung hat er lebhaften Anteil genommen.
Abg. Guoth -j-.
In der Abgeordnetenkammer ist eine Lücke eingetreten: Am 7.ds. ist Abg. Guoth, Vertreter von Herrenberg (Deutsche
Partei), in der Klinik in Tübingen an den Folgen einer Operation gestorben. Er hat nur ein Alter von 41 Jahren erreicht. Dem Landtage gehörte er seit 1900 an. Er war ein sehr beliebtes und geschätztes Mitglied, das namentlich in landwirtschaftlichen Fragen — er war von Beruf Landwirt und lebte als Gutspächter aus Schloß Roseck — sachverständig war.
Evangelisch-sozialer Kongreß.
In Heilbronn hat in der vorigen Woche der evangelisch-soziale Kongreß seine Tagung gehalten. Auf diesen Kongressen versammeln sich hervorragende Männer, denen die geistige, kulturelle und sittliche Hebung des Volkes am Herzen liegt, die die Fragen der Zeit offenen Auges verfolgen und von warmem sozialem Empfinden getragen sind, zur Aussprache über das, was ihnen an den Zeitfragen wichtig scheint. Die Heilbronner Tagung hat einen glänzenden Verlauf genommen. Männer, wie Graf Posadowsky, Prof. Adolf Harnack, Abg. Friedrich Naumann, Licentiat Traub u. a. haben sich an den Erörterungen beteiligt und manches wirksame Wort gesprochen. Den Höhepunkt des Kongresses bildete der Vortrag des Grafen Posadowsky, des früheren Staatssekretärs über „Luxus und Sparsamkeit"' Das Thema bewegt zur Zeit die Oeffentlichkeit in besonderem Maße. Graf Posadowsky hat es von hoher Warte und mit der ihm eigenen Gründlichkeit behandelt. Nicht gegen den Luxus schlechthin wandte er sich, sondern gegen den Scheinluxus, gegen den Luxus, der über die Verhältnisse des Betreffenden geht. Luxus an und für sich ist nicht verwerflich und gefährlich. Der Reiche soll sein Geld nicht verschließen, sondern es wieder in den großen Kanal der allgemeinen Wirtschaft leiten. Dadurch wird das Wirtschaftsleben befruchtet und vielen Verdienst gegeben. Verwerflich aber ist es, wenn aus falschen Auffassungen heraus ein Aufwand getrieben wird, für den die Voraussetzungen fehlen. Dieser Art Luxus, der heutzutage weithin eingerissen ist, gilb es entgegenzutreten. Und in diesem Sinne ist Sparsamkeit zu predigen. Im übrigen benutzt Graf Posadowsky die Gelegenheit, entschiedenes Bekenntnis für die Fortführung der Sozialpolitik abzulegen. Auch Minister v. Pischek erklärte in seiner Begrüßungsansprache namens der württembergischen Regierung, daß diese von der Notwendigkeit einer fortschreitenden staatlichen und gesetzgeberischen Fürsorge auf sozialem Gebiet überzeugt sei. Bemerkenswert war ferner die mit Bezug auf die „brennende Tagesfrage von heute", die Reichsfinanzreform, von dem Minister abgegebene Erklärung, daß die württ. Regierung an der Erbschaftssteuer entschieden fest- halte und zwar gerade aus Gerechtigkeitsgefühl.
Die innere politische Lage.
Nächstens wird nun wohl doch endlich die Entscheidung über die Finanzreform fallen. Am 15. ds. kommt der Reichstag wieder zusammen, und Fürst Bülow soll den Wunsch und den Willen haben, bei erster Gelegenheit von der Tribüne des Reichstags zu erklären, was die Regierung zu tun und was sie nicht zu tun gedenkt. Einigermaßen ist man darüber bereits unterrichtet durch offiziöse Aeußer- ungen. Danach sind die Beschlüsse der Rumpfkommission, das heißt, der konservativ-klerikal-polnischen Mehrheit, die nach dem Auszug der Liberalen aus der Finanzkommission im Handumdrehen ein ganz außerordentliches Steuerbukett gewunden hat, der Regierung denn doch zu starker Tabak. Für direkt unannehmbar erklärt werden die Kotierungssteuer für Wertpapiere, die Mühlenumsatzsteuer und der Kohlenausfuhrzoll. Im übrigen hält die Regierung nach wie vor an der Erbanfallsteuer fest. Es ist anzunehmen, daß die Finanzminister der Einzelstaaten, die am Donnerstag in Berlin zusammengekommen sind, um zu den Beschlüssen der
Rumpfkommission Stellung zu nehmen, der „Reichsleitung" in dieser Beziehung den Rücken noch gestärkt hat. Wenn nun aber die verbündeten Regierungen an der Erbanfallsteuer — um diese handelt es sich immer noch vor allen Dingen — festhalten, so fragt es sich immer wieder und diesmal greifbarer noch als sonst: was wird dann werden? Die Konservativen sind, da sie sich nun einmal zu dem Bunde mit dem Zentrum vor aller Oeffentlichkeit entschlossen haben, rücksichtsloser und entschiedener in ihrer Verwerfung der Erbschaftssteuer als je. Ob die Bemühungen, sie noch anderen Sinnes zu machen oder doch wenigstens einen Teil von ihnen, Erfolg haben werden, das ist sehr zweifelhaft. Alle Zeichen sprechen dafür, daß die Dinge nicht mehr einem Kompromiß zugänglich sind, sondern eine Machtfvage bilden. Erst in den letzten Tagen hat es das konservative Hauptorgan, die Kreuzzeitung gerade heraus zugegeben, daß die Haltung der Konservativen nicht durch sachliche Momente, sondern durch politische bestimmt wird. Man hat zwar allerhand von der Unverträglichkeit der Erbschaftssteuer mit dem germanischen Familiensinn und dergleichen zu hören bekommen, allein das ist es nicht, worauf es ankomml. Für die Konservativen kommt es darauf an, bei Gelegenheit der Reichsfinanzreform jegliche liberale Regung der Regierung, der Regierung des Fürsten Bülow, zu vernichten. Fürst Bülow hat die Notwendigkeit der Wahlreform sin
Preußen zugegeben, und die Thronrede hat die Wahlresorm
sogar feierlich als eine der dringlichsten Aufgaben bezeichnet. Diesen Tendenzen aber wollen die Konservativen den Garaus machen, darum soll Fürst Bülow bei der Reichsfinanzreform auf die Knie gezwungen werden. Nimmt er eine Finanzreform nach der Art der vom Zentrum und den Konservativen zurechtgemachten an, so ist es mit seinem Ansehen und mit feiner Selbständigkeit geschehen, und er ist künftig nichts mehr als ein Höriger dieses neuen Blocks.
Will er sich aber nicht fügen, nun, so mag er stürzen.
Zwar wird versichert, man habe an dem Rücktritt des Fürsten Bülow kein Interesse, aber die ganze Politik läuft darauf hinaus: entweder Unterwerfung oder Sturz. Fürst Bülow hat anscheinend geraume Zeit geschwankt, aber schließlich hat er sich doch dafür entschieden, diese unwürdige Rolle nicht zu spielen. Ein Faktor mag dabei wesentlich ins Gewicht gefallen sein, nämlich die verbündeten Regierungen. Die einzelstaatlichen Regierungen, wenigstens ein sehr gewichtiger Teil von ihnen, haben gar keine Neigung, nachdem lle sich aus reiflichen Erwägungen und aus triftigen Gründen für die Erbschaftssteuer entschieden haben, auf das Kommando der preußischen Konservativen und des Zentrums einzuschwenken, wie die Unteroffiziere. Und Fürst Bülow muß dem umsomehr Rechnung tragen, als die verbündeten Regierungen ihn in den stürmischen Novembertagen beim Kaiser gedeckt haben. Es wird also, wie es jetzt aussieht, auf die Entscheinung im Reichstage nicht verzichtet werden. Man wird dann sehen, ob eine Mehrheit für oder gegen die Erbschaftssteuer sich ergibt. Die neue Koalition tut so, als ob das gar nicht mehr zweifelhaft sein könne, als ob die Erbschaftssteuer bombensicher werde abgelehnt werden. Allein, wenn es einmal drauf und dran geht, wird doch vielleicht noch dieser und jener nachdenklich werden, und so erscheint es auch heute noch keineswegs ganz und gar ausgeschlossen, daß die Erbschaftssteuer eine Mehrheit finden wird. Wenn sie aber abgelehnt wird, wenn dennoch eine Finanzreform beschlossen wird, die der Regierung unannehmbar erscheint? Dann handelt es sich nicht nur allein um die Frage, ob Fürst Bülow im Amte bleibt oder nicht, sondern es handelt sich auch darum, was aus der Finanzreform werden soll. Das ist das Wichtigste. Die Finanzreform muß unter allen Umständen gemacht werden,weil es wirklich eine „nationale Aufgabe" ist. Und da können, mag die Scheu davor auch noch so groß sein, die Verhältnisse immerhin eine Auflösung des Reichstags zu einer gebieterischen
!