Schönheils Mitteln etc. lebhaft bekämpft, mit der Begründung, daß nicht nur die Fabrikanten, sondern auch tausende von Händlern, rvie Droguisten, Friseure, Parfümeriegeschäfte etc., in erster Linie aber das kaufende Publikum dadurch schwer geschädigt würden, zumal da auch Haaröl, Goldcreme, Vaseline, Lanolin, Kölnisches Wasser usw. unter die Steuer fallen, die beispielsweise den Preis einer Flasche Kölnisches Wasser von 1.50 Mk. auf 2.35 Mk. im Verkauf erhöhen würde. In der Protestversammlung wurde hervorgehoben, daß der Verkauf dieser Mittel in so- vielen Händen, dabei oft in kleinem Maßstab selbst bei Spezereiwarenhändlern liege, daß schon die Durchführung des Gesetzes große Scherereien und bedeutende Kosten mit sich bringen würde, worunter letztere den größten Teil des Steuerertrags verschlingen würden.
' Stuttgart, 9. Juni. Um das große Los der diesjährigen Großen Stuttgarter Geld- und Pferdelotterie, das bei der Ziehung am 23./24. April auf die Nr. 108 573 fiel, ist ein Streit entbrannt, der recht interessant zu werden verspricht. Das Los befand sich im Besitz eines Arbeiters, der es zugleich im Namen von drei andern Arbeitern gekauft zu haben behauptet. Als die glücklichen Gewinner ihre 40 000 Mk. auf Grund eines von dem Generalagenten ihnen ausgestellten Gutscheins bei der Bank erheben wollten, war die Nummer gesperrt. Denn inzwischen hatte sich ein Bäckermeister in Bückingen gemeldet, der das Los bei dem gleichen Agenten gekauft haben wollte und behauptete, er habe es verloren oder es sei ihm entwendet worden. Er erwirkte eine einstweilige Verfügung der ll. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart, die die Auszahlung des Gewinnes an die Inhaber des Loses auf zunächst 3 Monate verbot. Von beiden Seiten wurden dann eine Reihe von Zeugen zum Beweis dafür benannt, daß sie die rechtmäßigen Besitzer des Loses seien, und die Zivilkammer erließ kürzlich einen Beweisbeschluß dahin, über die von Kläger und Beklagten behaupteten Tatsachen Beweis zu erheben und die Zeugen zu vernehmen.
ss Göppingen, 10. Juni. Graf Zeppelin hat an die Stadtgemeinde Göppingen folgendes Schreiben gerichtet:
Friedrichshafen, 9. Juni 1909.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister!
Nachdem ich nach den Tagen der Arbeit zur Ruhe gekommen bin, drängt es mich, Sie zu bitten, der gesamten Bevölkerung meinen tiefgefühlten Dank auszusprechen für die Teilnahme an dem Mißgeschick, das mein Luftschiff am zweiten Pfingsttage auf der Flur von Göppingen erlitten hat, besonders aber meinen Dank für die Mithilfe, für die Bereitwilligkeit, mit der jeder Wunsch meiner Leute erfüllt wurde. Ich danke den wackeren Männern, die mit Ausdauer bereit waren, die Taue zu halten. Dankbar gedenke ich der Landjäger, und der Polizeimannschast Göppingens, die mit Ruhe und Bestimmtheit für Ordnung sorgten, wobei trotz des großen Andrangs die herzliche Teilnahme des Publikums behilflich war. Ich danke aus gerührtem Herzen der ganzen Einwohnerschaft Göppingens für die Grüße, die sie mir sandte, die mir die erste Stärkung waren, nach den Strapazen der Fahrt, nach dem Knirschen des Schiffbruchs. Bis an das Ende meiner Tage bin ich dankbar den Einwohnern der Stadt Göppingen. Graf Zeppelin.
ss Ulm, 10. Juni. Gestern vormittag wurden durch die Neu-Ulmer Militärbrieftaubenstation auf dem Spielplatz an der Memmingerstraße etwa 850 Militärbrieftauben in 45 großen Transportkörben aufg ela s s en. Die Tauben, die Vereinen des Bezirks Trier angehören, flogen um eine vom Kriegsministerium ausgesetzte goldene Staatsmedaille. Sie haben in der Luftlinie gemessen, einen Weg von rund 300 Km. zurückzulegen.
" Ravensburg, 10. Juni- Bei der gestrigen Fron- leichnsmsprozession wurde ein Bauer aus Volksdorf plötzlich von religiösem Wahnsinn befallen. Während der Domdekan Dr. Schädler das Sanktissimum aus dem Altar vor der St. Markuskirche niederstellen wollte, stürzte sich der Kranke auf den Geistlichen und versuchte, ihm das Allerheiligste zu entreißen. Dabei schrie er: Jesus Maria und Josef! Hilf mir! Der Polizeiinspektor und einige Soldaten verhinderten weiteres. Unter den nach tausenden zählenden Zuschauern entstand eine furchtbare Panik. Nach etwa halbstündiger Unterbrechung konnten die kirchlichen Handlungen ihren Fortgang nehmen.
Ij Vom Fränkischen, 10. Juni. Dem Bahnwärter Ernst von Könbronn bei Schrozberg fehlen seit anfangs dieser Woche zwei Kinder, ein zwölfjähriges Mädchen und ein siebenjähriger Knabe. Alle Nachforschungen (auch bei Verwandten) blieben bis zur Stunde resultatlos. Der Jammer der Eltern ist unbeschreiblich.
ss Gammerdingen, (Hohenzollern) 10. Juni. Zwei hiesige Bürgersöhne, Felix und Joseph Bär gingen in eine der Gemeinde gehörige Kiesgrube, um Kies zu graben. Mitten in der Arbeit wurden sie durch ein vorüberfahrendes Holzfuhrwerk aufmerksam, daß die Masse ins Rutschen kam, worauf beide Brüder dem Ausgang zueilten. Der ältere, ein etwa Siebenundzwanzigjähriger, wurde verschütet bis zu den Knien und erlitt leichte Verletzungen, während der Jüngere, ein etwa sechszehnjähriger, junger Mann, zu den Füßen seines Bruders von den Kieswellen überflutet und tot herausgegraben werden mußte. Einige Tage vorher soll ein Mann nur durch äußerste Vorsicht in der gleichen Grube einem ähnlichen Schicksal entgangen sein. Warum die Grube nicht vorher polizeilich geschlossen worden ist, ist hier manchem unerklärlich.
* Berlin, 10. Juni. Die Konferenzen der einzelstaatlichen Finanzminister haben heute vormittag 11 Uhr im Reichsamt des Innern begonnen. Ten Vorsitz führt, wie das „Berl. Tagbl." hört, Reichsschatzsekretär S y- d o w. Als Vertreter des Reichskanzlers wohnt Unterstaatssekretär v. LoebeIl den Verhandlungen bei. Außer den einzelstaatlichen Finanzministern und den Vertretern der Hansastädte nehmen auch zahlreiche Mitglieder des Bundesrats teil. Die Verhandlungen sind streng vertraulich.
* Berlin, 10. Juni. Fürst Philipp zu Eulenburg hat von der Oberstaatsanwaltschaft in Berlin die Aufforderung erhalten, seine Gasteiüer Kur zu unterbrechen und nach Berlin zurückzukehren. Der Fürst befindet sich bereits auf der Rückreise. Nach einer Meldung des „Berl. Lokalanzeiger" traf Fürst Eulenburg am Mittwoch abend in Salzburg ein und machte in einem dortigen Sanatorium Station. Die Unterbringung ins Sanatorium erschien geraten, weil die Strapazen der Reise den Fürsten sehr mitgenommen hatten und weil er durch die Aufforderung des Staatsanwalts sehr erregt war. Im Sanatorium mußte der Fürst mehrfach ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Gestern morgen hatte sich sein Befinden gebessert, sodaß er die Weiterreise antreten konnte. Wie dem „Lokalanzeiger" von unterrichteter Seite mitgeteilt wird, scheinen die gerichtlichen Behörden jetzt gewillt zu sein, unter allenUm ständen das gegen den Fürsten schwebende Verfahren durchznführen und wenn möglich, zum Abschluß zu bringen.
Ausländisches.
jj Wien, 10. Juni. Die Schutzmächte haben sich dahin geeinigt, ihre Truppen am 1. Juli von Kreta noch nicht zurückzuziehen.
* Paris, 10. Juni. „Petit Journal" beschäftigt sich mit der militärischen Erziehung der türkischen Offiziere durch die deutschen Instrukteure. Es will in der Berufung von der Goltz Paschas zum Vizepräsidenten des obersten Kriegsratseine beabsichtigte Demütigung der Offiziere des dritten Armeekorps und insbesondere Schefket Paschas erblicken. Jedenfalls brauche Frankreich den Jungtürken nicht seine Ansicht über die germanophile Tendenz seiner Heeresreform zu verhehlen. Die Türkei vertraue ihre Finanz- orgarnisation einem Franzosen an, da Frankreich ja das Land der Anleihen sei und stelle an die Spitze ihrer Armee, die die künftige Anleihen verschlingen würde, deutsche Offiziere. Frankreich würde diese Artigkeit nie vergessen.
js Marseille, 10. Juni. Die eingeschriebenen S e eleut e haben beschlossen, den Marineminister zu bitten, einen höheren Schiffsrat zusammenzuberufen, dem das Schiedsrichteramt übertragen werden soll.
* London, 10. Juni. Die englischen Parlamentarier, die von ihrem Besuch in Deutschland zurückgekehrt find, äußern sich in den Zeitungen überaus dankbar für die Aufnahme in Deutschland und sind alle voller Bewunderung über das Gesehene, besonders auf dem Gebiete der Städteverwaltung, der Alters- und Unfallversicherung. Das deutsche Schulwesen sei dem englischen überlegen und namentlich billiger. Der Fortschritt der Deutschen beruhe auf ihrer Gründlichkeit, Tüchtigkeit und einem gewissen Zwang.
jj Petersburg, 10. Juni. Wie die Petersburger Telegraphenagentur erfährt, stehen in dem beginnenden Sommer eine große Reihe von Begegnungen des Kaisers von Rußland mit fremden Monarchen bevor. An die Zusammenkunft des Kaisers Wilhelm mit dem Kaiser von Rußland in den finnischen Schären schließt sich die Erwiderung des Besuches des Königs von Schweden. Ende Juli oder anfangs August steht die Erwiderung des Besuches des Präsidenten der französischen Republik und des Königs von England bevor. Etwas später reist der Kaiser nach Italien zur Erwiderung des Besuches des Königs Viktor Emanuel. Der genaue Zeitpunkt der letzten Begegnung ist noch nichl endgiltig bestimmt.
Zur Kreta Frage.
Berlin, 10. Juni. Aus Konstantinopel wird die Nachricht verbreitet, die deutsche Diplomatie bemühe sich, Griechenland zum Nachgeben in der kretischen Frage zu bewegen und suche eine Verständigung zwischen der Türkei, Griechenland und Rumänien zu stände zu bringen. Es wird dabei so dargestellt, als ob Deutschland diese drei Mächte den slawischen Balkanstaaten gegenüber zu einer Tripel-Entente zu einigen suche. Diesen tendenziösen Meldungen gegenüber legt man an den Berliner zuständigen Stellen Wert daraus festzustellen, daß Deutschland keinen Anlaß hat, in der ganzen kretischen Frage die Initiative zu ergreifen und mau vielmehr den Anschein zu vermeiden wünsche, als ob Deutschland die Türkei oder Griechenland unterstütze.
js Konstantinopel, 10. Juni. Die gesamte hiesige Presse beschäftigt sich fortdauernd mit der Kretafrage, spricht jedoch nicht mehr von Gewaltmaßregeln. Trotz Versicherungen von türkischer Seite neigen alle politischen Kreise der Ansicht zu, daß das Auslaufen des türkischen Geschwaders wegen der Kretafrage auch demonstrativen Charakter habe. Es verlautet, daß die diplomatischen Vertreter der Schutzmächte sowohl in Athen als auch hier Mäßigung zu der Kretafrage anempfehlen.
Nur der verdient sich Freiheit und das Leben, der täglich sie erobern muß.
Goethe.
Warga.
Roman von C. Crone.
Fortsetzung (Nachdruck verboten.)
Fanny harte sich warm gesprochen. In den sonst so kühler Augm lag ein schimmerndes Leuchten und in der Stimme klang es wre Stolz und Frohlocken zugleich.
Von seinem Platze ans hatte Hannibal seine Frau sehen können, während sie sprach.
Nicht zum ersten Mal hegte er den Wunsch, ihr zu zeigen, wie geistesverwandt er sich mit ihr fühle, wenn, wie er es immer häufiger beobachtete, ihre unbestechliche Gradheit in Wort und äch'ien zum Vorschein kam. Er hätte ihr oft sagen mögen, Wie ihr unbeirrtes Urteil, ihr rückhaltloses Eintreten für das, was sie für Recht hielt, das warme Aufwallen des Gefühls, das die sonst so steinernen Züge wie mit Zauberhand belebte, ihn Wie Frühlingswehen berühre - — bis ein eisiger Blick aus ihren Augen die Worte auf feinen Lippen erstarren ließ.
Als Fanny schwieg, wandte die Baronin sich der Schwiegertochter zu. Wie schwer es ihr wurde, ahnte kaum jemand, als sie, ganz Liebenswürdigkeit, ganz Einverständnis, sagte:
„Nach Deinen Ausführungen, liebste Fanny, ist es selbstverständlich, daß weitere Erörterungen überflüssig sind. Ich vermutete nicht, daß Du so eingehend unterrichtet seiest, sonst
wäre die ganze Sache viel einsamer gewesen. Trotzdem sicher alle befriedigt sind, denke ich, bringen wir doch lieber eine andere Abwechselung in das Programm hinein. ES wäre — zumal im Winter — mit zu vielen Umständen verbunden, die HeUis Herkommen zu lassen, von dem pekuniären Nachteil, der unserem Vorhaben erwüchse, ganz abgesehen."
Wieder spielte das feine Lächeln auf Fannys Mund.
„Etwas Aehnliches sagte ich gestern Seiner Hoheit, als er, in gewohnter Huld, mit mir darüber sprach", antwortete sie in dem gewöhnlichen, kühlen Ton, der immer der Baronin ein leichtes Unbehagen verursachte. „Zugleich erwähnte ich, daß Erika zur Zeit in Mailand sei und daß die kunstsinnigen Südländer nicht daran dächten, ihr vergöttertes Singvögelchen frei zu geben."
„Um so schneller ist diese Frage erledigt", meinte die Baronin unbefangen. „Sind alle bereit — dann beginnen wir!"
Fanny wandte sich ab.
Ein heißes Verlangen stieg in Hannibal aus, an sie heranzutreten und zu bekennen, daß er die Worte an dem ersten, traurigen Abend in ihrem gemeinsamen Heim widerriefe. Trotz allem gehörten sie doch zusammen. Auch dem soeben gefällten Urteil über die Freundin möchte er bereitwillig zustimmen.
Fanny kam auf ihn zu. Er trat einen Schritt vor, willens sich jetzt gleich ihre Beachtung zu erzwingen. Schon öffnete er die Lippen, sie anzureden-da hob sich ihre Gestalt in un
nahbarer Kühle, die Augen streiften an ihm vorbei, als sähen sie ins Leere und indem die schmale Hand die Schleppe des Kleides faßte, daß sie seinen Fuß nicht berühre, glitt die junge Frau an dem Gatten vorüber und langsamen Schrittes verließ sie das Zimmer.
Den Blick, der ihr folgte, sah sie nicht, sonst hätte sie kaum so schmerzlich geseufzt oder ihre Züge hätten einen so traurigen Ausdruck angenommen, wie es der Fall war, als Fanny sich außer Sehweite wußte.
„Deine Weigerung ist mir unbegreiflich, Ellinor", sagte die
Baronin am anderen Vormittag, als die beiden Damen i« Wohnzimmer saßen. „Ich erwarte, daß Du Dich besinnst. Was soll das heißen: Du verzichtest gern auf jede Beteiligung? Durch Deine haltlosen Gründe, Deine thöricl'en Einwendungen, bist Du nahe daran, die ganze Sache in F-age zu stellen."
„Ich übernehme jede andere Rolle, Mama, nur diese nicht. -Ganz entschieden nicht."
Die Baronin lehnte sich im Sessel zurück, Zorn und Staunen im Blick. Das Auflehuen der Tochter nahm zu. Waren frühere Versuche, die eigene Kraft zu prüfen, schüchtern und ängstlich ausgefallen, demgemäß auch ohne große Mühe erledigt worden, so schien es. als gewännen sie nun rasch an Ausdehnung und Festigkeit.
„Wie gedenkst Du diese Laune dem ganzen Kreise, vor allen Dingen Macleman selbst gegenüber, zu rechtfertigen?"
Das war die herrische Stimme, die sich sonst Gehorsam erzwang. Ellinor nahm alle Festigkeit zusammen.
„Die Rollen sind ja noch nicht endgiltig vergeben, Mama, es hat also auch keine Schwierigkeit, eine andere Ordnung zu treffen. Um so weniger, als jede Dame unzweifelhaft bereit ist, die Partie zu übernehmen. Nur ich kann es nicht."
„Hat Fanny Dir das zum Auswendiglernen vorgesagt?"
„Du zürnst Fanny, Mama, weil sie gestern abend verhinderte, daß ein fester Beschluß zustande kam. Sie that es um meinetwegen. Sie weiß, das; ich Deinen Wunsch inbezug meiner Zukünfi
nicht erfüllen kann. Glaube es mir, Mama, ich-kann es
nicht."
„Weshalb nicht, Ellinor?"
Der weiche Ton war der Tochter noch gefährlicher, als der befehlende und Ellinors schönes Gesicht übergoß sich mit tiefer Glut.
Jetzt durfte sie jedoch nicht nachgeben, nicht schwankend werden.
„W !l es die Voraussetzung bestätigen könnte, ich wäre bereit, das Spiel in Wirklichkeit umzusetzen, und das liegt mir fern. Ich werde niemals Maclemans Frau und darf also auch nicht