Entwürfen einer Einheitsstenographie gewisse Richtlinien zu gewinnen. In dem Unterausschuß, dessen Vorsitz Provinzialschulrat Tiebe führen wird, wurden gewählt: Schaible, Mantzel, Rindermann, v. Kunowski, Thoma, Sand, Brauns, Kauders, Roller, und als Stellvertreter: Rueß, Johnes, Burmeister, Engelbrecht, Bratengeyer, Weilmann, Eggenbauer, Braun. _
Stuttgart, 8. Juni. Gestern abend kurz nach 8 Uhr geriet ein Heizer auf dem Westbahnhof zwischen die Puffer zweier Wagen und wurde so schwer verletzt, daß er kaum mit dem Leben davonkommen dürfte. Der ganze Brustkorb wurde ihm eingedrückt.
(!) Stuttgart, 10. Juni. Ein teils erheiternder, teils aufregender Vorgang spielte sich gestern abend 7 Uhr im Stuttgarter Bahnhofgebäude ab. Ein etwa 25 Jahre alter, scheinbar den besseren Ständen ungehöriger junger Mann von muskulösem und kraftstrotzendem Körperbau durchschritt in völligem Adamskostüm, Anzug, Kopfbedeckung und Stiefel im Arm tragend, die mittlere Bahnhofshalle, indem er sicheren Schrittes, in Blick, Haltung und Gang unerschütterliche Ruhe und Unbefangenheit zeigend, als ob er sich seines Zustandes gar nicht bewußt wäre, durch die gedrängte Menge der sonntäglichen Passanten hindurch dem Ausgang zustrebte. Als er fast am Portal angekommen war, wurde er von der Bahnhofspolizei angehalten und ins Wachlokal abgeführt.
Stuttgart, 8. Juni. Am 17. Juni findet im Bürgermuseum die Landesoersammlung württem- bergischer Uhrmacher statt.
Stuttgart, 8. Juni. Wie dem „Beobachter"' mitgeteilt wird, ist gestern vormittag auf dem Stutt- garer Rathause ein Diebstahl von über 4000 Mk. vollführt worden. Die Begleitumstände erscheinen außerordentlich merkwürdig, sodaß sie kaum glaubbar erscheinen. Es soll ein junger Mensch von 19 Jahren, der im unständigen Dienste bei der Stadt beschäftigt ist und dessen einzige Empfehlung ist, daß er etwa 70mal wegen kleinerer Delikte, allein seit Februar, wo er in den Dienst der Stadt trat, 6mal vorbestraft ist, mit der Auszahlung der Arbeiter beim Tiefbauamt beauftragt und ihm zu diesem Zweck eine Summe von über 4000 Mk. ausgehändigt worden sein. Der junge Mann soll gestern morgen in seinem Sonntagsstaat angetreten sein, sich gegen Unterzeichnung der Quittung — eine Kaution hat er nicht gestellt — das Geld haben aushändigen lassen und dann verduftet sein. Erst gegen Mittag, als die Arbeiter ihre Löhnung vom Bau mit nach Hause nehmen wollten, hat man seine Abwesenheit bemerkt. Soviel wir wissen, sind bis gestern abend die Nachforschungen vergeblich gewesen.
Eßlingen, 8. Juni. Geh. Kommerzienrat Merkel hat das Schwimmbad der Stadt vermacht. Er hat sich durch dieses hochherzige Vermächtnis den bleibenden Dank aller Einwohner erworben.
Ludwigsburg, 9. Juni. Am 1. Mai hat das Städtische Heilbad wieder seine Pforten geöffnet. Es erfreut sich fortwährend starken Besuchs, so daß im abgelaufenen Monat Mai beinahe 800 Bäder mehr als im gleichen Monat des Vorjahrs und 1400
mehr gegenüber Mai 1910 abgegeben wurden. Auch die Frequenz zu Trinkkuren hebt sich mehr und mehr. Vielen hat das Wasser Heilung verschafft von den Krankheiten des Magens, Darmkanals, bei Zuckerkrankheit, Gallensteinleiden, Ischias und andern entzündlichen Erscheinungen der Nerven. — Auskunft erteilt die städtische Heilbadverwaltung.
Geradstetten, 9. Juni. Bei der gestern hier stattgefundenen Ortsvorsteherwahl wurde Schultheiß Singer in Mindelsbach mit 122 Stimmen gewählt. Weitere Stimmen erhielten: Ratsschreiber Schleicher- Feuerbach 98, Verwaltungsratsschreiber Roll-Schorn- dorf 71 Stimmen. Im ganzen traten 10 Kandidaten auf. Von 337 Wahlberechtigten haben 312 abgestimmt.
-i- Gmünd, 9. Juni. Heute waren aus allen Teilen des Landes die im Württ. Journalisten- und Schriftstellerverein organisierten Redakteure und Schriftsteller zur Landesverbandsversammlung hier eingetroffen. Unter dem Vorsitz von Redakteur Heller vom „Schwäbischen Merkur" wurden die geschäftlichen Verhandlungen im Sitzungssaal des Rathauses vormittag Uhr ausgenommen. Nach den Be- grllßungsworten des Vorsitzenden folgten die des Regierungsvertreters, Ministeraldirektors Zittel, sowie des Gmünder Oberbürgermeisters Möhler und eines Gmünder Vereinsmitglieds, Dr. Schwammberger. Die Versammlung war neben der großen Anzahl von Vereinsmitgliedern und deren Damen auch von den beiden in Gmünd wohnenden schwäbischen Dichtern Schüssen und Eittinger besucht; die industriellen Kreise, die staatlichen und militärischen Behörden waren gleichfalls durch ihre ersten Spitzen vertreten. Der Verein darf mit stolzer Genugtuung auf äußeres und inneres Erstarken zurückblicken, denn eine fabelhaft große Mitgliederzunahme ist das markante Zeichen dafür, daß er sich unter Hellers Leitung auf dem richtigen Weg befindet. Von 167 Mitgliedern, die der Geschäftsbericht 1910 aufzählt, ist der Mitgliederstand 1911 auf 2W angeschwollen; darin sind über 90 württemb. Zeitungen vertreten. Das alles trotz des Vereins mit dem hochtrabenden Titel „Verein württ. Presse", dem in der Hauptsache zwei Stuttgarter Zeitungen die Mitglieder liefern — eine Benennung, die zu der Bedeutung des betr. Vereins als Standesorganisation in gar keinem Verhältnis steht und in der Versammlung als Irreführung der öffentlichen Meinung gekennzeichnet wurde. Der Verein besteht jetzt 9 Jahre. Nicht ein Jahr des Rückschritts darunter. Was Kassier Hipp über den Stand seiner beiden Kassen (Vereins- und Sterbekasse) berichtete, war wirklich hocherfreulich. Innerhalb 8 Jahren ist ein Vermögen von nahezu 8000 .Mk. angesammelt worden! Vorträge vom Vereinssyndikus Dr. Reiß und von Dr. Wolf vom „Schwarzwälder Boten" über „Gerichtsberichterstattung und Presse" fanden natürlicherweise aufmerksame, interessierte Zuhörer, von denen jeder zu weiterem Nachdenken über diese so brennende Fach- und allgemein wichtige Frage angeregt worden sein dürfte. Der Nachmittag brachte zunächst das gemeinsame Mahl im Hotel „Rad", wozu die Militärmusik konzertierte. Und eine Rede, jede gut, folgte der andern, und es war namentlich Oberbürgermeister Möhler, der einen herzlichen, aufrichtigen Ton
in seine Worte legte, die dartaten, welch gewandter Redner und ideal denkender Mann er ist. Nach Tisch besichtigte man die schönen Gmünder Kirchen und die Ausstellung der Fachschule für Edelmetallindustrie unter verständiger, kundiger Führung. Nachher trafen die Versammlungsteilnehmer sich wieder im „Rad", und sie erwartete eine auserlesene Freude: die Brüßler sangen. Ihr prachtvoller Gesang riß Dr. Denzel vom „Schwäbischen Merkur" zu einer dichterischen Verherrlichung dieses erstklassigen württembergischen Gesangvereins hin. Chordirektor Sch laich erntete an diesem Nachmittag vor so vielen kritisch Veranlagten neue Lorbeeren. Die Abendzüge nahmen die Teilnehmer wieder nach Hause. Was das Ehrenmitglied, Prof. Dr. Koch, begeistert behauptete, daß noch keine Tagung so schön gemütlich ausgeklungen habe, mag wohl wahr sein. Die Gmünder verstanden's!
Göppingen, 9. Juni. Die umfassenden und eingehenden Vorbereitungen, die auf den vom 15. bis 17. Juni in Göppingen stattfindenden 21. Bundestag des Württ. Kriegerbundes zu treffen waren, stehen vor ihrem Abschluß. Zur Freude aller alten Krieger trifft der Vorsitzende des Deutschen Kriegerbundes, Generaloberst im Range eines Eeneralfeld- marschalls v. Lindequist, zu dem Bundestag in Göppingen ein. Auch die Kriegerverbände Preußens, Bayerns, Sachsens, Badens, Hessens und Elsaß- Lothringens entsenden Vertreter. Von den würt- tembergischen Kriegervereinen wird kaum einer un- vertreten sein. Alles in allem kann mit einer Zahl von rund 15 000 Besuchern gerechnet werden.
Cleebronn, 7. Juni. Als der Viehhändler Eust. Herbst von Zaberfeld vorige Woche hier Kälber kaufte, wurde er mit dem Bauern Wilh. Hofäcker nicht handelseins. Der Bauer verlangte 100 der Händler wollte nur 90 geben, da das Tier noch nicht einmal 160 Pfd. wiege. Als der Bauer dies bestritt, erklärte sich der Händler bereit, 200 zu zahlen, wenn das Tier 160 Pfund wiege, worauf der Bauer stolz erwiderte, daß er ihm das Kalb schenke, wenn es nicht so viel habe. Unter dem Hallo vieler Zuschauer wurde das Kalb gewogen und wiegt — 152 Pfund. Der Händler lädt das Tier auf, erledigt seine sonstigen Sachen und fährt fort. Inzwischen reut den Bauern die Wette, er paßt ihm unterwegs auf (es war nachts 11 Uhr), will aufsitzen, was der Händler nicht gestattet, hängt sich hinten an den Wagen, öffnet die Türe, die aufgeladenen sechs Kälber springen nachts aus dem Wagen, der Bauer aber schlägt sich seitwärts ins Ackerfeld. Der Streich hat ihm noch eine hübsche Portion Kosten verursacht.
Tuttlingen, 8. Juni. Es ist nunmehr die dritte Woche, daß die Gipser, Maurer und Bauhilfsarbeiter im Streik stehen. Die eine Verhandlung, die bis jetzt stattfand, verlief ergebnislos, weil die Arbeiter keine Lust haben, ein Entgegenkommen zu zeigen. Die Vereinigten Gewerkschaften haben beschlossen, sich der Sache energisch anzunehmen und für Mittel zur Unterstützung der Arbeiter Sorge zu tragen. Es scheint somit, daß der Kampf im Baugewerbe noch lange nicht zu Ende geführt ist. Eine kleinere Anzahl Arbeiter hat die Arbeit wieder ausgenommen. Im Ausstand befinden sich 67 Arbeiter.
Tyrann Ehre.
61) Roman von K. Lubowski.
(Fortsetzung.)
„Na, denn aber ein bißchen dalli, mein Lieber. Ich dachte mir schon Aehnliches und kam deshalb eine Viertelstunde eher als nötig. Ihr verliert doch alle kurz vorher die Alltäglichkeit aus den Augen. Ist nirgends ein Instrument, mit dessen Hilfe man einen ordentlichen, starken Mokka fertig hringen könnte?"
Tarenberg macht eine Kopfbewegung nach dem Ecktisch hin, auf dem die blanke Maschine steht.
„Na also, ist sie in Ordnung?"
„Ja, aber ich kann jetzt wirklich nichts zu mir nehmen, Herr Hauptmann."
„Haben Sie denn vielleicht einen Schnaps, Kognak, Chartreuse oder meinetwegen ganz gemeinen Korn im Haus?"
Hans Weddo zuckt zusammen . Wie oft hat Wachenhusen die gleiche Frage getan!
„Arrak," murmelt er tonlos.
Der Hauptmann langt umständlich die noch volle Flasche aus dem kleinen Schrank heraus, mischt Wasser, Zucker und ein gut Teil ihres Hellen Inhalts zusammen und hält Tarenberg das volle Glas an die Lippen.
„Trinken!" befiehlt er lakonisch. Und als sich der andere schüttelt, sagt er kurz und ein wenig grob: „Ach was, Tarenberg, schlucken Sie ruhig, wirklich, es geht nicht anders. Sechsmal bin ich Sekundant gewesen. Immer lief alles glatt ab, bloß einmal nicht."
„Das war wohl jenes traurige Mal, von dem
Sie so oft erzählt haben, daß der Duellant nicht trinken wollte?"
„Ach, Unsinn! Davon weiß ich nichts. Kommen Sie mir nicht mit diesen Gedanken! So ein famoser Schütze wie Sie! Ich will Ihnen als alter Praktiker aber noch schnell einen Rat geben, falls Sie nachher draußen nicht so ganz bei der Sache wie sonst sein sollten. Fühlen Sie also den sogenannten Tatterich, und meinen deshalb, daß Sie Ihren Gegner nicht dorthin treffen, wo man, wenn es toternst ist, am liebsten hintrifft, dann halten Sie auf die große Fläche, den Bauch, und nun trinken Sie gefälligst!"
Tarenberg hat ein Ekelgefühl in der Kehle.
„Ich trinke nicht," sagte er hart, keinen Schluck bekäme ich runter.
Da setzt der kleine Hauptmann das Glas kurz entschlossen an die eigenen Lippen und leert es bis auf den Grund. Es hätte ihm entschieden für sein ernstes Amt die Ruhe und Aufmerksamkeit genommen, wenn das hier ungtrunken geblieben wäre.
„Sind die Pistolen in Ordnung," examiniert er, danach sichtlich gestärkt, weiter.
„Ja, dort steht der Kasten.
„Dann los in Gottes Namen. Vorher noch ein letztes Wort. Kopf hoch. Die Hand sicher und das Auge scharf, lieber Tarenberg. Herrjeh, Sie können es ja. Tun Sie mir den einzigen Gefallen und kriegen Sie es nachher nicht etwa mit dem Edelmut! So was rächt sich allemal bitter."
Tarenberg entgegnet kein Wort. Er wirft noch einen letzten Blick auf die Tür, hinter der Nora schläft und zieht den Umschlag, der seine letzten Bestimmungen birgt, ein wenig aus der Mappe hervor. Dann folgt er dem Hauptmann, der bereits pustend
und keuchend die Treppen überwunden hat, in den Wagen.
Sie holpern langsam über das unebene Pflaster der Straßen dahin. Kein Mensch begenet ihnen. Die Stadt macht in dem trüben Zwielicht einen häßlichen, unsauberen Eindruck. Draußen an der zerfallenen Schmiede, deren noch gut erhaltener Nebenschuppen ein Holzhändler für das Aufbewahren seiner Stämme in Anspruch nimmt, stehen zwei junge, kraftvolle Burschen und sägen einen Block auseinander. Tarenberg sieht starr durch die Fensterluken, deren Scheiben heruntergelassen sind, in den dunstigen Morgen hinaus. Sein Blick haftet eine Sekunde lang auf den Männern. Er kennt sie. Sie haben in seiner Batterie gedient und sind erst im Herbst freigekommen. Auf ihren Stirnen steht der Schweiß in Hellen Tropfen. Trotzdem scheinen sie guten Mutes zu sein. Sie singen das alte Lied, das Tarenberg immer so sehr geliebt hat:
Jh hatt' einen Kameraden,
Einen bessern findst du nit.
Er wird totenblaß. Der Hauptmann reißt ärgerlich das Fenster in die Höhe. Auch er fühlt sich in diesem Augenblick davon seltsam ergriffen. Wie viel mehr muß das dumme Geplärr erst auf Tarenberg einwirken! Es wird ihn noch viel nervöser machen, als er es, trotz der äußerlich zur Schau getragenen Ruhe, bereits ist. Doch der Klang der markigen Stimmen findet auch durch die dünne Scheidewand aus Glas den Weg zu Hans Weddos Ohr.
Ihn hat es weggerissen,
Er liegt mir nun zu Füßen,
Als wär's ein Stück von mir.
Tarenberg schlägt die Hände vor das Gesicht. Der Hauptmann beißt sich auf die Lippen. Herr