Friedrichshafen, 9. Juni. Das Luftschiff Z. 3 ist heute früh in Frankfurt um 4 Uhr 19 Min. wieder aufgestiegen und hat abermals unter der persönlichen Führung des Grafen Zeppelin die letzte Strecke seiner Heimreise von der Wasserkante angetreten. In den Gondeln befanden sich außer der gewohnten Besatzung auch der Neffe der greisen Exzellenz, Graf Zeppelin jr. und Oberingenieur Dürr. Eine bestimmte Fahrtrichtung war nicht vorgesehen. Womöglich sollte „der Nase nach" geflogen werden. Es wehte fast immer Gegenwind, sonst war das Wetter befriedigend. Zunächst wurde die Richtung nach Darmstadt eingeschlagen. Von da führte der Weg über Heidelberg- Maulbronn-Tübingen-Sigmaringen, Heiligenberg an die heimischen Gestade des Schwäbischen Meeres, die um 9 Uhr 30 Min. wieder erreicht wurden. Um 8 Uhr war Tübingen, 8 Uhr 30 Min. Sigmaringen gesichtet worden. Die Landung in Friedrichshafen erfolgte nicht sofort. Durch den großen Verbrauch von Benzin und Schmieröl, sowie durch die Erwärmung der Atmosphäre war der Auftrieb des Luftschiffes wieder so stark, daß zur Erzielung einer Landung auf rein dynamischem Wege einiae große Schleifen gefahren werden mußten. Um 10 Uhr war die letzte Spirale abwärts gezogen und es erfolgte eine glatte Landung vor der Halle. So kam es, daß der von Stuttgart heute früh zur Einweihung der Uferstraße, sowie des Jacht- und des Eondelhafens abgelassene Sonderzug bei seiner Ankunft 9 Uhr 47 Min. gerade noch recht kam.
Leutkirch, 8. Juni. Der in ganz Oberschwaben bekannte hiesige Viehhändler I. Ruf jr. ist, nachdem er sich durch gefälschte Schuldscheine 20 000 Mk. erschlichen und von Bekannten noch weitere Summen geborgt hatte, samt seiner Frau und seinen drei Kindern plötzlich verschwunden.
Eglofs, 8. Juni. Bei dem Bauern Gottfried Fuchs in Greut fiel ein vierjähriges Mädchen in einen kleinen Bach, der in die Gllllengrube führt und ertrank. Die Familie selbst ist kinderlos und hatte das Mädchen nebst einem Knaben aus der Kinderbewahranstalt an Kindesstatt angenommen.
Aus Welt und Zeit.
Detmold, 8. Juni. Seit heute mittag 2 Uhr wütet in Blomberg, der alten Residenz der regierenden Grafen zu Lippe, ein Brand. Bei Abgang dieser Nachricht waren fünf Häuser niedergebrannt. Infolge des Wassermangels und wegen des Windes besteht für den ganzen Stadtteil ernste Gefahr. Zahlreiche Feuerwehren sind auf der Brandstätte beschäftigt. Ein Extrablatt der Lippeschen Landeszeitung berichtet: Die fünf brennenden Häuser sind als völlig dem Untergang geweiht anzusehen. Leider ist seit einigen Minuten auch der Wind stärker, sodaß für den ganzen nach der Kleinen Mauerstraße gelegenen Stadtteil nach wie vor ernste Gefahren bestehen.
Gott noch einmal, denkt er bei sich, wenn sich zwei so lieb gehabt haben, wie die beiden, dann ist es am Ende nur selbstverständlich, daß so was packt und mit harter Faust ins Herz greift. Er sieht starr zum anderen Fenster in die wallenden Nebelfluten hinaus, die über dem Moor in wilder Brandung zusammenschlagen.
Tarenberg muß in diesem Augenblick an das Begräbnis seiner Mutter denken und an den Trauerflor, der während der Leichenrede von dem Gold des Wappenspruchs glitt.
„Deine Kraft sei der des Bären gleich, aber sie tue niemanden weh!" Und der Klang von vorher kommt dazu.
Ich hatt' einen Kameraden,
Einen bessern findst du nit.
Da nimmt das, was während der zwei letzten Tage unbewußt in seiner Seele gelegen hatte, Form und Gestalt an.
Er wird ihn nicht wegreißen, den einstigen Freund — er soll leben.
Sie haben die Lichtung in der Buchener Heide zum Rendezvous ausgewählt. Gleich einer künstlich geschaffenen Platte hebt sich das Stückchen kahler, weißer Sandboden aus dem ernsten Vlauschwarz der Tannen heraus.
Der Oberleutnant Ausen, als Unparteiischer, ist bereits zur Stelle. Der alte Generalarzt von Wie- denhöfft, den Tarenberg zu seinem Beistand wählte, kommt soeben in seinem grün lackierten Coups angefahren. Er konnte Tarenberg, nicht, wie das üblich ist, begleiten, weil er noch kurz vorher zu einem Schwerkranken gerufen wurde.
Der Wagen mit der Gegenpartei rollt pünktlich auf die Minute sieben Uhr 30 an. Im Fond haben Wachenhusen und Merlitt Platz genommen, auf dem Rücksitz der junge Stabsarzt mit dem Verbandskasten und der Jnstrumententasche, die er sorglich auf den Knieen hält. Die Wagen fahren abseits. Die Herren grüßen einander stumm. Dann nimmt die Tragödie ihren Anfang.
Der Oberleutnant Ausen schreitet die Entfernung
Alles hängt davon ab, wie lange die Behälter der Wasserleitung zum Löschen des Feuers ausreichen. Die Hoffnung ist gering. Die gesamten Feuerwehren der Umgegend arbeiten auf der Brandstätte.
Paris, 8. Juni Beim Halbfinale um die Weltmeisterschaft im Lawn-Tennis siegte Froitzheim über Rahe und Kreuzer über Kleinschrot.
London, 8. Juni. Dem hiesigen russischen Hilfskomitee ging ein Bericht über die Zustände in den ausgehungerten russischen Bezirken zu, der traurige Verhältnisse aufdeckt. So besitzen z. B. in der Provinz Saratow zahlreiche der Bauern kaum auch nur einige Lumpen zur Bekleidung, mit denen sie ihre Hütten verlassen könnten. In dem Dorfe Feodo- rowska sind die Kinder fast durchscheinend wie Wachs, wie einer der Schullehrer erzählte, und alle Fragen beantworten sie mit dem Rüf nach Brot. Ein kleines Mädchen in dem Dorfe Marinsk in der Provinz To- bolsk bat seine Mutter unaufhörlich um Nahrung. Und die unglückliche Mutter, die selbst seit Wochen nichts gegessen hatte, wurde plötzlich bei dem Anblicke ihres hungernden Kindes wahnsinnig, stürzte sich auf dasselbe und begann es wie ein wildes Tier anzunagen. In den Steppen von Samara leidet die Bevölkerung am Skorbut. Ein Arzt, der den Kranken beistand, fand in einer fast vollständig zerfallenen Hütte ein sterbendes Weib. Nicht einen einzigen Zahn hatte sie im Munde, und neben ihr lagen fünf kleine Kinder. Die Mutter erzählte, daß sie ihren Kindern, wenn sie es möglich machen konnte, Brot gab. Bei der Untersuchung stellte es sich heraus, daß zwei der Kinder am Typhus erkrankt waren. Die Mutter sah aus wie eine Greisin und zählte doch nur 28 Jahre. Die Not soll gerade in diesem Distrikt ungeheuer sein, und das schrecklichste ist, daß die Bauern alle Hoffnung auf eine Besserung ihrer Lage aufgegeben haben. Sie legen ^ch der Länge nach nebeneinander auf den Fußboden und erwarten den Tod.
Landwirtschaft und Märkte.
Neuenbürg, 8. Juni. Auf den heutigen Schweinemarkt waren 30 Stück Milchschweine zugeführt, welche zum Preise von 36—43 Mk. pro Paar verkauft wurden.
Herrenberg, 8 .Juni. Auf den heutigen Schweinemarkt waren zugeführt: 65 St. Milchschweine: Erlös pro Paar 30—85 Mk.; 40 St. Läuferschweine: Erlös pro Paar 60—80 Mk. Verkauf: gut.
Pforzheim, 8. Juni. Der heutige Schweinemarkt war befahren mit 10 Ferkeln. Verkauft wurden 4 Ferkel zum Preise von Mk. 50.— pro Paar.
Kirchheim u. T., 8. Juni. Die Zufuhr zu dem am 17. d. Mts. beginnenden Wollmarkts ist recht lebhaft. Es sind bis jetzt c» 3000 Zentner gelagert. Die Wäsche verdient das Prädikat gut bis recht gut. Die Schafhalter bringen durchschnittlich größere Par-
ab. Zwanzig Schritt Distanz. Er bildet sich ein, daß man ihn einzig seiner langen Beine halber zu diesem Amt genommen hat und wirft sie deshalb so weit von sich ,wie ihm das nur irgend möglich ist.
Die Sekundanten bezeichnen hierauf den Standpunkt der Duellanten, die sich auf die angewiesenen Plätze begeben.
Wie es vorauszusehen war, mißlingt der Versöhnungsversuch. Die Gegner schütteln stumm die Köpfe und sehen aneinander vorüber.
Dann schrillt Ausens hohe Stimme zu ihnen.
„Ich werde also bis drei zählen. Zwischen eins und drei kann geschossen werden. Wer vor eins oder nach drei schießt, setzt sich der Gefahr aus, vom Gegensekundanten niedergeschossen zu werden."
Wachenhusen und Tarenberg richten sich straff empor. Sie nehmen ihren Sekundanten die geladenen Pistolen aus der Hand.
„Eins — zwei — drei."
Fast zu gleicher Zeit fallen die Schüße. Wachenhusen steht unverletzt — er hat die Hand mit der rauchenden Pistole gesenkt. Aber Tarenberg liegt auf dem weichen, weißen Sand. Er hat die Arme von sich geworfen und ist nach vorn herüber gestürzt — wie eigentlich sonst nur die Menschen von den Bergeshöhen herab in die Tiefe zu fallen pflegen.
Die Starrheit, die auf den Mienen der anderen gelegen hat, löst sich mit dem Augenblick, in dem das Spiel mit den Menschenleben zum Abschluß gebracht ist-
Der Generalarzt untersucht die Wunde. Der Schußtänal ist eine Hand breit über dem Herzen, zwischen der zweiten und dritten Rippe. Sonderbar! Ihm ist es gewesen, als hätteWachenhusen viel tiefer gehalten. Aus der linken Tasche des Ueberrockes ist bei dessen Zusammenlegen ein kleiner Gegenstand herausgefallen. Ausen bückt sich und hebt ihn auf. Es ist Adda von Wachenhusens Bild. Die Kugel hat es durchbohrt und ist jedenfalls durch das Hindernis, das sich ihr entgegenstellte, von ihrem eigentlichen Weg abspringend, ein paar Zentimeter höher ge
lten zum Verkauf als im Vorjahr, sodaß angenommen werden kann, daß das vorjährige Quantum nicht nur erreicht, sondern übertroffen wird.
Saatenstand im Reiche. Der Saatenstand im Deutschen Reiche zu Anfang Juni betrug, dem „Reichsanzeiger" zufolge, wenn 2 gut, 3 mittel, 4 gering bedeutet: Winterweizen 2,3, Sommerweizen 2,3, Winterspelz 2,0, Winterrogen 2,6, Sommerroggen 2,4, Sommergerste 2,2, Hafer 2,4, Kartoffeln 2,7, Klee 3,4, Luzerne 2,8, Bewässerungswiesen 2,2, andere Wiesen 2,7. In den Bemerkungen zum Saatenstand heißt es: Die schon im vormonatlichen Bericht erwähnte Trockenheit dauerte in den beiden ersten Wochen des Mai ungemindert an; dann fielen überall teilweise ergiebige Niederschläge, deren günstige Wirkung anhaltende scharfe Winde vielfach abschwächten, sodaß viele Berichte weitere Regenfälle sehr wünschen. Häufig wird über das Auftreten von tierischen Schädlingen, besonders Drahtwllrmern, und eine starke Verunkrautung berichtet. Die Wintersaaten sind meist gut: Roggen hat sich vielfach recht üppig entwickelt, sodaß stellenweise sogar eine Lagerung eingetreten ist. Soweit die Kartoffeln aufgegangen sind, zeigen sie vielfach einen ungleichmäßigen, lückenhaften Stand. Klee und Luzerne haben sich nach den jüngst gefallenen Niederschlägen etwas gebessert. Das Wachstum der Wiesen hat sich im allgemeinen in der letzten Zeit merklich aebessert.
Letzte Nachrichten und Telegramme.
Pforzheim, 10. Juni. (Telegr.) Als der 4l Jahre alte Goldarbeiter PH. Kimmel gestern nachmittag 4 Uhr nach Hause kam und seine 39jährige Ehefrau wieder betrunken vorfand, warf er ihr einen Strick um den Hals, legte sie auf das Bett und zog so lange an dem Strick, bis die Frau tot war. Ein Logisherr des Kimmel kam gerade in dem Augenblick, als er noch an dem Strick zog und schnitt ihn ab, aber es war schon zu spät.
Laufsen a. N., 10. Juni. (Telegr.) Der verheiratete, 38jährige Erwin Käst, ein etwas aufgeregter Mensch, hatte gestern nachmittag gegen 4 Uhr mit seiner Tochter einen Streit. Das Mädchen flüchtete zu ihrem Onkel, dem Wirt Käst. Als dieser zwischen Vater und Tochter vermitteln wollte, zog ersterer plötzlich einen Revolver aus der Tasche und schoß seinen Bruder in die Brust, worauf nach wenigen Minuten der Tod des letzteren eintrat. Als der Mörder sah, was er angerichtet hatte, schlug er in seiner Wohnung alles kurz und klein und erschoß dann sich selbst. Der Ermordete hinterläkt eine Witwe und drei unversorgte Kinder; der Mörder eine Witwe mit einem Kind. Schon gestern vormittag soll der Mörder geäußert haben, in seinem Hirn wirble alles durcheinander. _
Für die Schriftleitung verantwortlich: Paul Kirchner. Druck und Verlag der A. Oelschläger'schen Buchdruckerei.
gangen, als es ohne diese Störung der Fall gewesen wäre. Das kleine kreisrunde Loch durchschlug gerade den Satz, den sie einst voll jubelnder Verheißung auf die Rückseite ihres Bildes schrieb: „Dein bis in den Tod."
Jürgen von Wachenhusen hat sich gegen einen Baumstamm gelehnt, weil er fühlt, daß er ohne Halt nicht mehr lange fest stehen kann. Jetzt ist Herr von Wiedenhöfft endlich fertig. Der Verband sitzt.
„Eine Lebensgefahr besteht gottlob nicht," sagte er kurz, „der starke Blutverlust schwächt naturgemäß, aber die Kugel wird sich leicht herausnehmen laßen, hoffe ich."
Ein Aufatmen läßt sich hören.
Nur in Merlitts finsterem Gesicht zuckt es in schlecht verhehlter Enttäuschung. „Nun wird man den elenden Streber doch nicht los," denkt er voller Ingrimm. Dann wendet er sich mit kurzem Gruß und wechselt ein paar Worte mit Wachenhusen. Als der zustimmend nickt, winkt er den Kutscher heran. Jürgen folgt ihm schwerfällig. Er kann das blasse Gesicht des einstigen Freundes nicht länger ertragen. Das rote Blut, das wie ein Purpurfaden auf dem weißen Sand liegt, entzündet in seinem Hirn einen Feuerbrand. Er will nach Hause. Aber er kommt nicht auf den hohen Tritt des Wagens hinauf. Seine Knie zittern zu sehr.
Da steigt der alte Kutscher vom Bock herab und hebt ihn in den Fond. Dann traben die Schimmel an. Sie wittern den Stall und gehen wie der Wind.
Die anderen folgen erst eine Viertelstunde später nach. Ihre Pferde scheinen sich kaum von der Stelle zu bewegen. Jede Erschütterung muß vermieden werden. Herr von Wiedenhöfft hält den bewußtlosen Tarenberg fest im Arm. Er ist voll Ingrimm und Wut gegen das giftige Gewürm, das sich die Bosheit der Menschen nennt. Er möchte es zertreten und ausrotten, wenn seine Macht dazu ausreichte. Aber mit solcher Kraft wird wohl niemals eines Menschen Hand gesegnet sein.
(Fortsetzung folgt.)