Erscheinungsweise: 6mal wöchentlich.

Bezugspreis: In der Stadt incl. Trägerlohn Mk. 1.25 viertel­jährlich, Postbezugspreis für den Orts- und Nachbarorts- verkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg.

Anzeigenpreis: 3m Oberamtsbezirk Calw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg., außerhalb desselben 12 Pfg., Re­klamen 25 Pfg.

Schluß für die Inseratannahme 10 Uhr vormittags. Fernsprechnummer 9.

Amis- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

133.

Montag, den 10. Zuni 1912.

87. Jahrgang.

Parlamentarisches.

Stuttgart, 8. Juni 1912.

Württembergischer Landtag.

Die Zweite Kammer setzte heute vormittag die Beratung der Vereinfachungen in der Staatsverwaltung fort. Beim Kapitel Höhere Schulen" stimmte Kultminister «.Fleisch­hauer der Forderung zu, daß der Uebergang von der Volksschule in höhere Schulen begabten Volks­schülern erleichtert werde. Eine Revision der Lehr­pläne der höheren Schulen zu diesem Zweck finde gegenwärtig statt. Bei KapitelKirchen" begrün­dete Haußmann seinen Antrag, wonach die Kam­mer sich mit der Auffassung der Denkschrift, das; das Bedürfnis einer Neuregelung der finanziellen Be­ziehungen des Staates und der Kirche sich nahelegt, einverstanden erklärt und eine Beschleunigung der Ausarbeitung der Denkschrift über die Ausscheidung des Kirchenguts verlangt. Dr. Eisele (F. V.) stellte einen Antrag auf Verhandlungen mit den kirchlichen Organen über die Abschaffung des Insti­tuts der Eeneralsuperintendenten. Die Abg. Dr. Wolfs (V. K.), Gröber (Z.) und Häffner (D. P.) sprachen sich gegen die Anträge aus. Auch der Kultmini st er äußerte sich gegen den An­trag Eisele und erklärte ferner, datz es zu begrüßen sei, wenn die finanziellen Beziehungen zwischen Staat und Kirche auf eine klare Grundlage gestellt würden. Die Denkschrift sei schon sehr weit gediehen. Eine Trennung von Kirche und Staat dürfe damit nicht eingeleitet werden. Der Antrag Eisele wurde mit 44 gegen 30 Stimmen abgelehnt und die Reso­lution Haußmann mit 41 gegen 33 Stimmen ange­nommen. Es folgte das Departement der Finanzen und zu dem KapitelOrganisation der Dominalver- waltung" wurden verschiedene Anträge angenom­men, u. a. ein Antrag v. Gauß und Genossen: Staatliche Bauten in größerem Umfange als bisher durch Privatarchitekten entwerfen und ausführen zu lassen" und ein Ausschußantrag mit einem Zusatz­antrag Haußmann:Die Aufhebung der Domänen­direktionen als Kollegium vorzusehen und eine Er­weiterung der Zuständigkeit der Kameral- und Be­zirksbauämter durchzuführen". Beim KapitelOr­ganisation der Forstverwaltung" erklärte sich das Haus nach unwesentlicher Aussprache mit den An­trägen der Kommission einverstanden, die Regierung um Erwägungen zu ersuchen: ob nicht eine weitere Einschränkung der Zahl der Forstinspektoren möglich ist und ob nicht eine Anzahl von 1012 Forstämtern durch Beamte in der Dienststellung von Forstamt­männern verwaltet werden kann. Darauf ver­tagte sich das Haus auf Dienstag nachmittag 3 Uhr.

Stadt und Bezirk.

Calw, 10. Juni 1912.

Aus dem Voranschlag des städtischen Haushalts.

IV.

Voranschlagsberechnung für Hoch- und Tiefbauarbeiten. Die Ausgabeposten für die Hochbauarbeiten ergeben zusammen 4030 Davon entfallen auf Arbeiten am Rathaus 650 ^k, ehemalige Kanne 400 -R, Kleinkinderschule 200 Ul, Calwer Hof 150 Ut, auf die übrigen Gebäude die Stadt ist Eigentümerin von 44 Häusern die Rest­summe. Für die Schulen ist vorgesehen ein Bauauf­wand von 1350 Ul, davon 750 für das Mädchen­schulgebäude in der Badstraße, 450 -R für das Real­progymnasiumgebäude und 200 Ul für das Knaben­volksschulgebäude. Das Eeorgenäumsstiftungsge- bäude ist mit 400 Ul aufgeführt. Bei dem Voran­schlag für Tiefbauarbeiten handelt es sich im Etat hauptsächlich um Ausgabe für Straßen-, Brük- ken- und Uferbau: 30 380 ^ll insgesamt; vom Kolle­gium wurden daran, wie seinerzeit berichtet, 4000 ^ gestrichen. Pflasterarbeiten sind vorgesehen für 5900Ur (Lederstraße, mittlerer Marktplatz, unterer Markt­

platz, Hengstettersteige), für Unterhaltung der Brücken und Stege 3100 Ul, für Graben- und Dohlenreini­gung an Staatsstraßen 150 Ul, Gehweganlagen 2300 Ul (Verbesserung des Gehwegs der äußeren Bahnhofstraße 1500 ^ü),ferner die Neuanlage von Straßen, die z. T. schon während des verflossenen Etatsjahres auszuführen beschlossen wurden: Walk- mllhleweg 200 Ul, 2500 Ul für den Zugangsweg zur Krankenhausstraße von der neuen Stuttgarter Straße aus, Verbesserung des bestehenden Fußwegs nach Hirsau 900 Ul und Verbesserung des Jnselwegs bis zum Schönlen'schen Grundstück 8500 Ul (diese Position wurde um 4000 Ul gekürzt).

-ü- Auf gegen den Junikäfer! Seit dem Beginn des Monats Mai zeigt sich wieder ein neues, für den Obstbau verheerendes Ungeziefer, der Brach­oder Junikäfer. Wie es scheint, wollen diese Tiere in diesem Jahre in Massen auftreten, weil sie sich jetzt schon ziemlich stark zeigen. Da sollte von seiten der Baumbesitzer keine Mühe gescheut werden, ener­gisch vorzugehen, zumal da in diesem Jahre die Be­laubung der Bäume etwas mangelt. Das beste Schutzmittel ist, die Bäume vollständig mit Kalkmilch oder Cchmierseifenlauge zu bespritzen. Auch wäre durch dieses Spritzen zugleich noch gegen das Auf­treten der Raupen, deren Nester es massenhaft gibt, gesorgt. Obstbaumbesitzer, scheut keine Mühe, wenn ihr Obst und noch länger gesunde Bäume wollt, denn die Schädlingsplage scheint diesen Sommer stark zu werden!

8ob. Mutmaßliches Wetter. Die Depression über Westeuropa verflacht sich. Von Norden her dringt Hochdruck vor. Für Montag und Dienstag ist des­halb meist heiteres, trockenes, warmes, aber noch zu Gewitterstörungen geneigtes Wetter zu erwarten.

IV. Theater im Bad. Hof. (Eingesdt.) Die ge­strige Aufführung derRäuber" war ein Höhepunkt in der diesjährigen Tätigkeit der Beyschlagschen Theatergesellschaft. Schillers Name hatte das Pub-, likum angelockt und Franz Moor verübte seine Schurkereien vor vollem Hause. Die Leistungen der Truppe sind unter den gegebenen Verhältnissen durchaus anerkennenswert, und an Beifall fehlte es gestern nicht. Zu nennen ist vor allem Franz Vey- schlag, der denheuchlerischen, heimtückischen Schleicher" Franz Moor ausgezeichnet spielte, na­mentlich in seiner Gewissensangst, wenn die Räuber das Schloß stürmen. Aber auch die andern Schau­spieler gaben ihr Bestes, und dazu kommt die un­vergleichliche Kraft und Frische des Stücks, so daß wohl jedermann von diesem Schillerabend befriedigt nach Hause ging. Erwähnt sei auch noch die Auf­führung vom Donnerstag, die als 3. Sudermann- AbendDie Ehre" brachte. Gelungen waren hier namentlich die Szenen im Hinterhaus, wo Szenerie, Kostümierung und Spiel sehr gut zusammenstimmten. Die Direktion ist in letzter Zeit bemüht, die Auf­führungen gut einzustudieren und so ist Herrn Franz Beyfchlag auch für seinen morgigen Benefizabend ein guter Besuch zu wünschen.

(!) Weilderstadt, 9. Juni. Luftschiff Z. 3 ist soeben 148 Uhr in ca. 60 Meter Höhe direkt über die Stadt gefahren; es kam anscheinend von Pforzheim und hatte direkte Richtung auf Stuttgart. Lange konnte man es in dieser Richtung beobachten. August Hohenstein von hier, welcher als Monteur im Luft­schiff war, hat Karten mit Grüßen heruntergeworfen. Es war nur zu bedauern, daß man nicht schon vorher wußte, daß das Luftschiff über Weilderstadt komme, um sich von einem erhöhten Standpunkt aus das Schauspiel zu betrachten.

st. Nagold, 10. Juni. Dem Unterlehrer Adolf Pauli, z. Zt. in Ulm-Söflingen, ist vom Kath. Ober­schulrat eine ständige Lehrstelle in Untertalheim übertragen worden.

Württemberg.

Militärisches.

Das württ. Mil.Ver.O.Bl. gibt bekannt: Bei den Stäben der Feldartillerie-Regimenter dürfen die Hauptmannsstellen mit Stabsoffizieren besetzt werden, wenn in gleicherAnzahl Stabsoffizier­stellen bei den Stäben der Jnfanterieregimenter oder beim Trainbataillon mit Hauptleuten (Rittmeistern) besetzt werden. Die Etats der Bataillone der Jn­fanterieregimenter Nr. 122, 124, 125 und 127, sowie der Etat des 2. Bataillon 10. Württ. Jnf.-Regts. Nr. 180 erhöhen sich vom 1. Oktober 1912 ab um je 11 Gemeine. Die Etatserhöhungen treten im Wege der Rekrutierung je zur Hälfte im Herbst 1912 und im Herbst 1913 ein. Der Etat der württ. Detachements erhöht sich bei der 4. (Funken-)Kom- pagnie des preußischen Telegr.Bat. Nr. 1 um 9 Ge­meine und bei dem preußischen Luftschifferbataillon Nr. 3 um 14 Gemeine vom 1. Oktober 1912 ab. Die bisher zu diesem Detachements kommandierten 9 und 14 Gemeine kommen mit der Entlassung im Herbst 1912 in Wegfall. Beim Trainbataillon wird der Etat erhöht um 1 Zahlmeister, 1 Schreiber (ohne Vermehrung der Zahl der Unteroffiziere) vom 1. April 1912 ab, 20 Dienstpferde vom 1. Oktober 1912 ab. Der Kommandeur des Trainbataillons wird von der Stellung als Vorstand des Traindepots entbunden und der bisherige 1. Offizier als Vorstand des Traindepots bestimmt. Bei den Feldartillerie­regimentern werden vom 1. Oktober 1912 ab die Etats sämtlicher Batterien um je zwei Zugpferde erhöht. Die Regelung des Eehaltbezugs für sämt­liche Offiziere beim Stab der Infanterie- und Feld­artillerieregimenter, sowie beim Stab der Train­bataillons erfolgt künftig durch das Kriegsmini­sterium. An Personal tritt hinzu: beim Proviant­amt Stuttgart 1 Inspektor, bei der Garnisonverwal- ung Ulm 1 Unterinspektor und 1 Kasernenwärter, letzterer vom 1. Oktober 1912 ab.. Die Geschäfte der Train-Inspektion und der Kommandos des Trains werden, wie bisher, durch den Kommandeur der 26. Feldartillerie-Vrigade wahrgenommen, dem das Trainbataillon unterstellt ist. Die Geschäfte der Traindepot-Jnspektion und der Traindepot-Direk- tion werden durch die Abteilung für Waffen und Feldgerät des Kriegsministeriums besorgt, der das vom Train-Bataillon losgelöste Traindepot unter­stellt ist. , ,

Deutsche Einheits st enographie.

Nunmehr liegen die Ergebnisse der im Kultus­ministerium in Berlin auf Einladung des Reichs­kanzlers gepflogenen Verhandlungen des 23er Aus­schusses von Sachverständigen zur Aufstellung einer deutschen Einheitskurzschrift vor. Es ist beschlossen worden: 1. Die Systemvertreter sind bereit, unter allen Umständen eine deutsche Einheitsstenographie zu schaffen, selbst wenn diese wenig oder nichts von den Schreibweisen des eigenen Systems enthalten sollte. 2. Die künftige deutsche Einheitsstenographie soll eine festgeregelte (Schul-)Verkehrsschrift besitzen uno durch ihre Kürzungsfähigkeit als Redeschrift die Erreichung aller kurzschriftlichen Zwecke ermöglichen. 3. a) Soll für die Verkehrsschrift das Regelwerk ein­fach, fest und mit wenigen Ausnahmen belastet sein, ohne daß dadurch ein einheitlicher Aufbau des gan­zen Systems in Frage gestellt wird. 3. b) Soll die Auswahl der Zeichen und Regeln eine leichte und sichere Lesbarkeit auch bei schnellerem und flüchtigem Schreiben gewährleisten. 4. Der Sachverständigen­ausschuß wählt einen Unterausschuß von 9 Mitglie­dern, dem aus jeder vertretenen Schule ein Mitglied (Stellvertreter) angehott. Aufgabe dieses Unter­ausschusses ist es: a) die vorhandenen Unterlagen zu sichten und dem Hauptausschuß darüber zu be­richten; b) dem Hauptausschuß für sein zweites Zu- sammtentreten Fragen über die wichtigsten System­grundsätze vorzulegen, um für die Aufstellung von