SeKrSi»det
1877.
iSgticH »it A»Sn«tz«r der Somr« und Festtae«.
BrzugSpret» sSr das Vierteljahr i« Bezirk und «achLarortSveÄehr ML 1.-5. a rßerhalb ML 1.S5
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Ssnntttgr-A«rgal»e: „S^w«r^zu>«ldev Ssnntergrblatt"
: Sonntags-Anzeiger und Familien-Zeitung für die Bewohner des Schwarzwaldes. .
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Nr. «7.
Ausgabeort Altensteig-Stadt.
Sonntag, dsn 81. März.
Amtsblatt für Psalzgrafemveiler.
1909.
HrsteUungr«
auf unsere Zeitung für das bevorstehende Quartal werden fortgesetzt von allen Postanstalten, Postboten, Agenten und Austrägern entgegen genommen.
Wir bitten unsere Leser, unsere Zeitung auch Freunden und Nachbarn zu empfehlen!
O klicke auf!
Hat Dir der Himmel viel genommen,
O blicke dankend höhenwärts,
Wenn Dir von allem noch geblieben Ein warm empfindend Menschenherz.
Ein Mund, der mild in schweren Stunden Voll Trost und Liebe zu Dir spricht —
Wenn noch ein Herz so ganz Dein eigen,
O blicke auf, verzage nicht!
S. Barinkay.
Dem Hansendauer sein Bua.
Aus der Lebensgeschichte eines jetzt 80jähr. Schwarzwälders.
Ihm nacherzählt von seinem Nachbar Ioh. Morlok.
Fortsetzung.
Ein herber Gang.
Noch dunkel war's in der Kammer. Vor dem Fenster aber zwitscherten schon die Schwälblein. Sie wollten ihren Hausherrn wecken, damit er nicht zu spät vors Amt komme,* Des Hansenbauern Jörwstand auf, kleidete sich an und trank dann noch einen Whf Milch leer. Darauf sagte er zu seinem bekümmerten Weibe: „Weib, wenn ich diesmal wieder gestraft werde, dann komm' ich nicht mehr heim". „Ach Jörg! Ach Jörg"! flehte die junge Hansenbäurin, „tu Dir doch um Gottes willen kein Leid an"! Ihr Mann hörte den letzten Satz aber nicht mehr. Drunten stand er schon im Hose und blickte sein Haus nochmal an. Ja, das war sein Haus. Aber wie sah es jetzt aus! Unglück, Elend, Schicksal, Kreuz, das waren jetzt die Ziegel daraus. Die Sorge war seine Haustüre und die Seuche verriegelte ihm den Stall. Ach die bösen Zeiten!
Es sieht so aus, als wenn er bald zu schwach würde, um Haus und Hof der Familie zu erhalten. Des Nachbars Haus dort, das einst dem Oesterle gehörte, es ist gänzlich verschwunden. Abgebrochen wurde es und seine Bewohner zogen mit kleinem Bündel aus dem Dörslein.
Obdachlos! Heimatlos! Ein schrecklich Los! Ob's ihm auch so gehen wird? Den Anschein hat's. Doch — ist er nicht ein Mann?
Ringen will er mit dem Schicksal, wie dort Jakob mit dem Engel. Niederzwingen will er das herbe Geschick, das Glück auf den Knieen betteln will er, daß es wieder einkehre auch unter seinem Dach. Wenn er den alten Vater, der hier geboren wurde und ein großer Bauer gewesen war, und deshalb mit jeder Faser am Hofe hing, noch in ein kleines Haus verpflanzen muß, dann stirbt er gleich am Heimweh. Wenn er mit dem treuen Weibe, die unter diesem Dache ihr Glück suchte, in eine kleine Hütte ziehen muß, ach — sie wird's nicht glauben können, daß die Liebe auch dort mit einziehen will!
Und seine Kinder! Ja, ja! Es hatte den Anschein, als ob sein Jörglein in der neuen Welt, über den großen Wasser drüben, sein Stücklein Brot einst essen müsse.
Die böse Seuche und die schwere Zeit! Diese beiden waren hinter ihm her, wie zwei hungrige Wölfe hinter einem abgehetzten Hirsch. Wenn es doch Menschen gebe, die einen durch das herbe Schicksal erschütterten Mann heben und stützen wollten! Aber was sieht er denn? Wenn irgendwo ein Bauer durch die schwere Zeit mit seinem Fuhrwerk etwas aus der Straße kommt, so schalten gleich einige Freunde, daß der arme Tropf vollends in den Graben kommt. Sein Fuhrwerk war auch schon ganz nahe am Graben. Wenn die dahinten nur das Schalten bleiben ließen! Ja — wenn sie es ließen! Da dachte er noch an das Seegerhäuschen. Da stand es, wo man den Kirchenweg hinabgeht und wo jetzt des Karlesbauern Brechenloch ist. „Man schafft das Bettelchor aus dem Flecken", so hatte der alte Hansenbauer selber gesagt. Dann brachen sie das Seegerhäuslein ab und setzten cs hinaus ins Gäu. Was wollte auch ein solch kleines, armes Häuslein Hieroben tun, wo nur einige große Bauernhöfe Platz haben? Ja, ja! Der Hansenbauer hat recht; „Man schafft das Bettelchor aus dem Flecken."
Wie hatte der Oesterle zu seinen Kindern gesagt, als er mit ihnen in die weite Welt ging und wieder irgendwo einen Unterschlupf suchen mußte? „Fremd Brot schmeckt wohl; aber hart zu beißen. Aber ihr habt ja Gott sei Dank gute Zähne!" Ja, ja sie hatten gute Zähne, des Oesterles Jungen". Zwei von ihnen erhielten im Kriege das eiserne Kreuz, sind heute Leute in Amt und Würden und fluchen ihr Heimatdörfchen in Erdsgrundboden hinein. Der Wackenhut ist jetzt ein schwer reicher Mann, aber von seiner Heimatgemeinde mag er nicht einmal etwas mehr hören. Ja, ja! Man schafft das Bettelzeug aus dem Flecken. Unser Herrgott läßt die Menschen schalten und walten miteinander. Um den einzelnen kann er sich nicht bekümmern. Nur von Zeit zu Zeit schüttelt er seine Leute durcheinander; dann kommen die unten hin, die oben lagen. Wenn heute der Straßenjörg am Walde draußen seine Gräben putzt, dann hat er auf den Tannen in des Zuck- schwerdts Wald immer einige Aufpasser, ob er nicht 10 Minuten länger vespert oder 5 Minuten zu früh mit der Schaukel heimgeht. Was hat doch da letzthin eine nasenweise Krähe zu ihm gesagt: „So, so! Jetzt können also Holzmacher von Bauern 20 Morgen Wald kaufen und du zahlst Kapitalsteuer!"
„Du Donndersvogel, du sackermenschter, was geht das dich an; zahl auch!" schalt jetzt der Straßenjörg.
Und als in diesen Gedanken versunken des Hansenbauern Jörg die Kahensteige hinabging, flog eine ganze Schar Krähen über den Ziersbach und alle schrien, er hörte es deutlich: „Man schafft das Bettelchor aus dem Flecken." Beim Amtsgericht wurde dem Jörg sein Verbrechen vorgehalten. Er hatte also schon znm zweitenmale in der 18. Woche den Stall geöffnet. Der erste „Drandenker" mit 25 Gulden hatte nichts gefruchtet. Den Hansenbauern kommt es gar nicht so genau drauf an — nun — man wollte ihn einmal bekehren. Aber jetzt legte sich der Jörg aufs Bitten und wie. Daß er nicht vor die Herren hinkniete, war alles.
Da fragte ihn der Amtsrichter: „Ist denn der Schultheiß euer Feind?"
„Gott bewahre," antwortete Jörg, „wir sind ja Vettern."
„Dann hätte er seinen Wisch daheim behalten können", sagte jetzt ärgerlich der Amtsrichter und warf einen Bogen Papier in die Ecke, „tretet ab!"
Draußen am Schlüsselloch horchte der Jörg.
Einer der Beisitzherrn, Kaufmann Trost von Freudenstadt, verwendete sich sehr für ihn. „13 Stück Meh verloren, bereits 25 Gulden Strafe bezahlt, 90 Gulden dem Tierarzt, die Apothekerrechnung darf man garnicht nennen, so unverschämt hoch ist sie, jetzt noch 75 Gulden Strafe. Der Kolmbach wird in gegenwärtiger Zeit ja ein Gantmann, ehe er heimkommt."
„Der Kalmbach soll hereinkommen!" rief es im Gerichtssaal.
„Ihr seid zu 15 Gulden Strafe verurteilt. Hätte euer Schultheiß seinen Wisch daheim behalten. Im übrigen, steht euch das Recht noch zu, den Rekurs zu ergreifen," sdj sagte jetzt der Amtsrichrer.
„Ich will nichts ergreifen", sagte des Hansenbauern Jörg. „Kann ich meine Strafe gleich bezahlen?" fragte er noch. 15 Gulden legte er dann gleich auf den Tisch und ging — in die „Sonne." Dort saß rechts von ihm das Elend und links hatte sich der Zorn hingesetzt. „Ich will meinen Schoppen!" befahl gleich der Zorn. Als er seinen Schoppen getrunken hatte, bettelte das Elend: „Ach ich komm fast nicht mehr heim; gib mir auch einen Schoppen." Als der getrunken war, schlug der Zorn auf den Tisch und sagte: „Sackerment, mit einem Fuß geh ich nicht Heims!" Der Zorn bekam seinen Schoppen. Aber nun fing das Elend an zu seufzen: „Immer komme ich zu kurz. Jetzt hat der Zorn schon seinen zweiten Schoppen. Ach, ich kann fast nicht heim vor Schwäche." „Sei still, du kriegst noch einen," sagte des Hansenbauern Jörg. „Von hier bis nach Weiler ist ein weiter Weg," fing der Zorn wieder an, „ich brauche noch einen Schoppen, sonst komme ich nicht bis Weiler." „Sei still, dn kriegst noch einen," tröstete der Jörg. Dann ging er mit den beiden. Dort drunten beim Katzenholz wollte der Zorn das Elend iu den Graben werfen. „Gebt Frieden," wehrte der Jörg ab, „in der Aach kriegt ihr noch einen Schoppen."
„Ist denn der Schultheiß euer Freund?" so fragteeine schlaftrunkene Krähe einen späten Wanderer. Damit schreckte sie diesen aus seinen finsteren Gedanken. Er blickte um sich. Ja, ja — das war der Pfahlwald. Halb im Schlafe war der Jörg hierhergekommen. Zurück blickte der junge Hansenbauer zur Stadt. Dorthin kam er nur, wenn er vor Amt mußte. „Da möchte man weinen!" murmelte er. „Wenn die Wölfe merken, daß der Hirsch zu Schanden gehetzt ist, dann fangen sie erst recht an mit jagen." Auch er war müde, todmüde. So kam er bis zu den Heidengräbern. Lange blieb er in Gedanken versunken dort stehen. Heim wollte er nicht mehr. Dort bei den Heidengräbern setzte er sich nieder. Sie schlafen da unten und ruhen. Ob sie sich im Leben auch gehaßt und verfolgt hatten, die hier nun beieinanderliegen? Jedenfalls nicht; sie waren ja von einer Sippe. Aber heute hassen oft gerade diejenigen einander, die Dorfgenossen und gar von einer Sippe sind. Auch er möchte sich niederlegen, gerade hier bei den Heidengräbern. Er hat mit ihnen nichts gehabt, sie nicht ^erzürnt, drum werden sie ihn in ihren Reihen dulden. Ja, hier könnte er seinem Schicksal einen Possen spielen und ihm einfach aus dem Wege gehen. Was nun? Da! Hatte nicht der Schullehrer gesagt, Gespenster sehen nur Leute, welche ein Hasenherz hätten? Dort stand aber eines. Hatte er ein Hasenherz? Er glaubte doch ein Mann zu sein, aufrecht und gerade wie diese Tannen hier. Aber da lachte es mit heiserer Stimme und klopfte ihm mit dürren Fingern auf die Schulter. „O Hansenbauer" , flüsterte ' es ihm ins Ohr, „Du spielst Dir dann selber den größten Possen! Geh zu Deinem Weibe heim, bald wird Dein Hof einem andern sein!" „Da möchte man weinen!" schrie der Hansendauer hinaus und an seiner eigenen Stimme wachte er wieder auf. Das mar scheints nur ein Traum gewesen.