Jeder sieht nur seine Plage,

Glaubt, daß er am schwersten trage,

Und ist sehr erstaunt Hört er eines andern Klage,

, Der ist, heißt's dann, schlecht gelaunt.

H. Lingg.

Vor hundert Jahren.

Aus den Kriegserinnerungen unserer Urgroßmutter.

Von A. Süren.

(Nachdruck verboten).

Die unglücklichen Schlachten bei Jena und Auerstädt waren geschlagen. Immer weiter nach Osten drängte der unersättliche Eroberer seine Heere vor. Den preußischen Bürgern war es untersagt, die eigenen flüchtigen Landsleute aufzunehmen und ihnen zur ferneren Flucht die Hand zu bieten. Aber der Feind, der als Sieger kam, der verlangte, mit allen Ehren empfangen zu werden.

Da war es, als ein Teil des französischen Heeres durch Schlesien zog. In einem Bergstädtchen, nicht fern von der sächsischen Grenze, rasteten die Franzosen, und den friedlichen Bürgern ging die Liste der Offiziere und Soldaten zu, die Quartier verlangten.

Frau v. W., die ein hübsches Landhaus vor den Toren bewohnte, wurde ein Kapitän zugewiesen.

Der Feind verlangte eine gastfreie Ausnahme und Frau v. W. berief ihren Hausmeister, der zugleich die Stelle des

Gärtners vertrat und besprach mit ihm das Nötige. Das Haus war geräumig genug, um den Ansprüchen des Offi­ziers zu genügen und unter der Anweisung des Hausmeisters räumten und schmierten die Mägde.

Zur bestimmten Zeit waren die Zimmer für den Kapitän instand gesetzt.

Frau v. W. warf selbst noch einen prüfenden Blick

hinein, sie fand nichts zu tadeln. Ihrer Meinung nach

mußte der müde Krieger sich dort wohl fühlen.

Sie dachte an ihren Gatten, der im Heere des Königs diente, und vielleicht auf dem Wege nach Ostpreußen war.

Wird er so ein hübsches Quarüer finden? Vielleicht wird

er von den Feinden gehetzt und irrt ruhelos umher und seine Gattin, die täglich, stündlich an ihn denkt, kann nichts für ihn tun.

Aber sie durste sich jetzt nicht ihren Sorgen überlassen. Ueberdies trägt der fremde Kapitän nicht die Schuld an dem unglücklichen Kriege. Er hat vielleicht auch eine Gattin, eine Mutter, die um ihn sorgen, er soll sich wohl bei ihr fühlen vielleicht wird dort oben an der russischen Grenze ein Fremder so für ihren Gatten sorgen.

Da klopfttz schon an der Gartentür. Ter Hausmeister beeilt sich zu öffnen.

Aber der Kapitän war allem Anscheine nach ein ungedul­diger Herr.

Xu cliubl. ! Verdammt!" polterte er draußen in der seltsamen Mischung von französisch-deulsch, die er sich infolge des jahrelangen Aufenthalts in Feindesland mochte angewöhnt haben.Wollen Sie mir nicht öffnen sofort die Tür!" schrie er und seine Hand zuckte ungeduldig nach dem Säbelknaus.

Der Hausmeister blickte sich bis zur Erde, als er die Tür aufriß.

Uai-biou", polterte der Eintretende, als der Hausmei­ster hinter dem Burschen wieder schließen wollte:Lassen Sie geöffnet die Tür, ick werde oben vi.stn-."

Der arme Hausmeister wagte sich nicht mehr zu rühren.

Werden mir Sie nicht zeigen schnell meine Zimmer. Kerl, ärvto, soll ick machen Sie Füße?"

Schwarzwälder Sonntagsblatt.

Der Hausmeister stürzte vor nach dem Hause.

'at man so eine bets. Dummkopf gesehen", brummte der Kapitän, während der Hausmeister mit zitternder Stimme fragte, ob so alles recht wäre nach den Wünschen des Ka­pitäns.

Er wußte ja, daß jeder einzelne Franzose sich als ein Teil dergrande armee" fühlte und der überwundene Feind zur Zeit noch nichts Besseres tun konnte, als sich zu fügen.

Mit zornigem Blick musterte der Offizier die frisch ge­scheuerten Dielen, die taugten gerade für seinen Rheumatis­mus:Macken Sie auf die Fenster", befahl er, aber als der Hausmeister dem Befehl nachgekommen war, störte ihn der blühende Fliederbusch vor dem Fenster. Er mochte den Duft nicht leiden,acken Sie ab die Baum, tont cko oouito schnell!" und er hieß seinen Burschen Hand mit anlegen, während er sich selbst dem reichbesetzten Frühstückstisch zuwandte.

Nun wird er doch endlich zufrieden sein", dachte der Hausmeister.

Weit gefehlt!

Der Kapitän stürzte sofort ein Glas Wein herunter, aber er schüttelte sich danach und setzte so ein grimmiges Gesicht auf als stände er im ärgsten Kanonendonner.Was sauer Gesöff!" grollte er und nahm die arme Flasche und warf sie hinunter auf den Hof; er verlangte anderen Wein!

Der arme Hausmeister wußte, daß es der beste war, den seine Gnädige im Keller hatte, der Angstschweiß trat ihm auf die Stirn.

Schimpfend stocherte der Kapitän in den Fleischspeisen herum.Geben mir bratenes 'ühneken!" und der Gestrenge sah nach der Uhr. Der Hausmeister flog er wußte nicht wie zur Tür heraus und klopfte drüben bei seiner gnä­

digen Frau an und stammelte seine schreckensvollen Erleb­nisse her:Fliederbaum abhacken den Wein weggegossen Hühnchen braten aber schnell nach der Uhr".

Frau von W. hatte den Auftritt im Hofe angesehen und die Mägde hatten ihr angstvoll von dem Geschrei in der Stube drüben erzählt, aber als echte Soldatentochter und Gattin verlor sie nicht so leicht den Mut.

Sie lächelie sogar ein wenig ein wenig schlau bei der Erzählung des Alten.

Ob gnädige Frau!" äch.te der,wenn der Franzos lange hier bleibt, gehl es uns allen an den Kops."

Gehe nur ruhig wieder hinüber", ermahnte Frau von WdaS gebratene Hühnchen wird besorgt werden, viel­leicht ist der Kapitän so liebenswürdig, mir derweil einen Besuch abzustatten? Geh, sage ihm das, Alter, und sei nicht ängstlich."

Ein Franzose bleibt gegen eine Dame stets höflich, er führt keinen Krieg gegen die Frauen. Der Kapitän schmun­zelte, als ihm der Hausmeister die Botschaft ausrichtete. Er ivar nur noch ein wenigderange" von dem weiten Marsch, wusch und bürstete und spiegelte an sich herum, bis er sich tadellos fand und lies; sich bei Madame melden.

Er küßte der schönen Frau galant die Hand, bedauerte die Umstände, die er ihr verursachte, aber das ist der Krieg!"

Vom Kriege wollte Madame nicht sprechen, das ist keine Unterhaltung, die man mit dem Feinde führt, es war ihr nur' darum zu tun, jedem Gast, so lange er ihr Haus be­wohnte, das Leben angenehm zu gestalten. Ueberdies hatte sie eine Bitte an den Kapitän:Darf ich sie aussprechen?"

Ein Franzose fühlt sich geehrt, wenn er einer schönen Frau eine Bitte erfüllen darf.

Ich habe notwendig in die Stadt zu gehen," fuhr Frau v. W. fort, bei diesem Leben heut in den Straßen kann eine Dame unmöglich allein gehen mein Hausmeister har hier zu tundarf ich Sie um ihre Begleitung bitten?"

Wie Madame noch fragen konnte?Ihr Wunsch ist Befehl!"

Die gnädige Frau ließ sich von der Zofe Hut und Schleier bringen, der Kapitän bot ihr höflich den Arm und

geleitete sie nach der Stadt. Einen besseren Schutz konnte sich Frau v. W. nicht wünschen.

Sie schlug den Weg nach dem Marktplatz ein, dort hatte der französische General sein Qartier bezogen.

Könnten Sie mir vielleicht eine Audienz bei dem General vermitteln?" seufzte Frau v. W.

Der Franzose war glücklich, seiner schönen Begleiterin einen zweiten Dienst erweisen zu können. Vermutlich wollte sie sich nach einem gefangenen Landsmann erkundigen, aber so indiskret ist kein Kavelier, den Geheimnissen einer Dame nachzuforschen.

Er führte sie durch die Wachen hindurch zu seinem General und bat sie, einen Augenblick im Vorzimmer zu warten, während er sie meldete.

Sie wurde bald genug vorgelassen und kurze Zeit darauf wurde der Kapitän zu seinem General beschieden.

Frau von W- war nicht im Audienzzimmer, sie hatte es durch eine Seitentür verlassen.

Ich habe ihr Quartier gewechselt," redete der General seinen Kapitän an und-der machte ein gar betroffenes Ge­sicht dazu:Mein Lieber, wir führen Krieg gegen das Heer­des Königs von Preußen, aber nicht gegen Fliederbäume und Weinflaschen. Wenn die Leute hier mit dem sauren schlesischen Wein zufrieden sind, müssen wir uns eben be­scheiden."

Also darum hatte er Madame hergeleitet. Sie hatte Beschwerde über ihn geführt! Er hätte einer deutschen Frau nicht so viel Schlauheit und Geistesgegenwart zuge­traut.

Leutnant Roche war gerade hier, er beschwerte sich über sein Quartier," fuhr der General fort,so hat er Madame gleich heimbegleitet, Ihr Bursche wird Ihre Sachen in das Quartier des Leutnants Roche bringen. Ich kann Ihnen nun nicht helfen. Sie müssen das Quartier wechseln."

Gegen den Willen des Generals gab es keine Wider­rede. Der Kapitän neigte sich zustimmend.

Was wollen Sie," fügte der General mit Spott hin­zu:Gegen die Wünsche der Damen sind wir machtlos, wir schlagen einer schönen Frau nicht so leicht eine Bitte ab."

Humoristische Erke.

Meggendorfer Blätter.

Gauuerhumor. Kerkermeister:Morgen kommt der Landesfürst in Ihre Zelle." Sträfling:So . . . was hat er denn angestelll?"

Ein nettes Paar.Wie, der Professor hat die Philologin geheiratet? Das muß wohl ein sehr zerstreutes Paar geworden sein?"Das will ich meinen! Bei der Hochzeit trug er den Myrtenkranz und sie den Zylinder."

Trost. Frau (deren Mann bei einem Rettungsversuche im Rauche erstickt und dann mit verbrannt ist) :Ein Trost ist noch, daß sich der Gute sowieso verbrennen lassen wollte!"

Fortschritt. Berta:Also Deine Verlobung ist wieder zurückgegangen!" Thekla:Ja, aber dieses Mal war ich doch schon bedeutend länger verlobt wie das erste Mal!"

Urgroßvater-Gedanken. Nicht allesModerne" ist anders als das Alte, es sieht nur anders aus; auch die Lebenserscheinungen haben die Kostüme ihrer Zeit.

An der Postkutsche holte man seine Gäste freudiger ab als am Bahnhofe? Warum? Sie kamen seltener, aber dann willkommen.

Früher lebte man sich ineinander ein, heute lebt sich jeder einzeln aus.

Die Städter erholen sich heutzutage auf dem Lande, das Land aber wird sich bald nicht mehr von den Städtern erholen.

Seltsam! Seit die Menschen so viel und so leicht Zu­sammenkommen, gibt es viel mehr Pessimisten unter ihnen. Seltsam?

Fabeln.

Die Individuellen.

Sechs alte Raben fanden sich in einem großen Walde zusammen und gründeten einen Gesangverein. Sie krächzten, jeder nach seiner Art, bald einzeln, bald im Chor, und dünkten sich große Meister und Künstler. Da kam eines Abends die Nachtigall und bat, vor den sechs Gestrengen ein Lied­lein singen zu dürfen. Es wurde ihr gewährt, und sie sang. Die Raben schüttelten allesamt die Köpfe und seufzten dann tief. Die Nachtigall hatte geendet. Da trat' der älteste von den sechsen auf sie zu und sagte zu ihr mit herzlichen, mitleidsvollen Worten:Wie schade, daß du nicht krächzen kannst!"

Die Auszeichnung.

Der Ochse ward zum König der Tiere, zun; Löwen, zu Gaste geladen und reichlich bewirtet, mit Ehren und Orden überhäuft. Und so ging das jeden Tag. Der Ochse war ständiger Gast an der Hoftafel. Das bemerkten die Hof­leute mit scheelen Augen, und sie ärgerten sich baß darüber. Da faßte denn der Bär ein Herz, trat zum König und brummte ehrfürchtig:Majestät, warum zeichnest Du den Ochsen, diesen Plebejer, in der Weise aus warum lädst Du ihn täglich zu Gaste, warum?" Da lächelte der König und neigte sich zu des Bären Ohr herab:Im Ver­trauen gesagt, mein Lieber, damit er rechtschaffen fett wird, bis wir ihn fressen."

Der Trauerzug. Bergleute mit ihreu Fahnen.

Die (Hrubenkatastrophc in Hamm.

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