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und die für den schwer ringenden deutschen Weinbau ein harter Schlag sein würde. Staatssekretär Sydow erklärte dem­gegenüber, daß die württ. Regierung im Bnndesrat der Flaschenweinsteuer zugestimmt habe und daß eine allgemeine Weinsteuer nicht beabsichtigt sei. Schließlich wies Payer darauf hin, daß man am Anfang eines Kampfes um kon­stitutionelle Rechte stehe und daß der Reichstag seine Macht in dieser Frage einsetzen müsse, um konstitutionelle Forder­ungen zu verwirklichen.

Interpellationen über die Grubenkarastrophe.

Im preußischen Abgeordnetenhaus!: ist letzthin die In­terpellation über das furchtbare Grubenunglück bei Hamm in Westfalen zur Verhandlung gekommen. Hervorzuheben ist daraus die Erklärung des Handelsminifter Delbrück, daß, wenn das Unglück, wie behauptet worden ist, durch irgend ein Versäumnis hervorgerufen wurde, die Schuldigen unnach- sichtlich zur Verantwortung .gezogen werden sollen. Der Minister erklärte, Zeugen, die etwa gemaßregelt werden sollten, aus den staatlichen Gruben beschäftigen zu wollen. Der Forderung nach einem Reichsberggesetz und nach Arbeiter­kontrolleuren stellte sich der Minister ablehnend gegenüber. Auch im Reichstage ist am Dienstag ein Anschluß an In­terpellationen über die Katastrophe verhandelt worden.

Nach der Krisis.

Die gewaltige Erregung über die innere Krisis hat in dieser Berichtswoche noch nachgezittert. Aber es ist doch nach dem Ergebnis der Aussprache zwischen dem Kaiser und dem Reichskanzler eine starke Entspannung eingelreten. Diese Krisis ist einstweilen beigelegt, wenn auch noch nicht beendet. Die offiziösen und andere Beschwichtigungshofräte sind zwar eifrig an der Arbeit, um dem deutschen Volke einzureden, daß nun alles definitiv aufs Beste bestellt sei und daß jeglicher Versuch, noch etwa eine weitergehende Sicherung gegen die Wiederkehr solcher Dinge zu erlangen, gewissermaßen ein Frevel sei. Der Erfolg dieser Einlullungs- versuche steht indessen dahin. Immerhin ist hervorzuheben, daß die Zurückhaltung, die der Kaiser zugesagt hat, in einem bemerkenswerten Falle bereits geübt worden ist. Am letzten Samstag hat nämlich im Berliner Rathause eine Erinnerungsfeier aus Anlaß des hundertjährigen Bestehens der preußischen Städteordnung stattgefunden, jenes großen Werks des Freiherrn von Stein, durch das der Selbstver­waltung eine Gasse gemacht wurde. Der Kaiser nahm mit seiner Gemahlin und dem Kronprinzenpaar an der Feier teil, und die Großwürdenträger waren ebenfalls zugegen. Der Anlaß legte eine Ansprache des Kaisers nahe, aber diesmal sprach er nicht in der üblichen Weise freiweg, sondern verlas eine Rede, die ihm der Reichskanzler über­reichte. In dieser Ansprache wurde unter Anspielung an die letzten Vorgänge u. a. auch gesagt, daßauftauchende Wolken ihre Schatten niemals trennend zwischen mich und mein Volk werfen" sollen. Das hat allenthalben einen vortrefflichen Eindruck gemacht, einen so vortrefflichen, daß in unterschiedlichen Preßorganen von dem Anbruch einer neuen Aera und anderen guten Dingen gesprochen wird. Indessen wird es gut sein, sich von solchem Ueberschwung fern zu halten. Die fortwährenden Hochgefühle oben und unten sind vom Uebel.

Neueste Nachrichten.

jj Tübingen, 27. Nov. Wegen des Unfalls beim Bau der Deckenfabrik in Jselshausen wurden von der Straf­kammer der Reg.-Baumeister Heneß und Polier Griesinger sreigesprochen, der örtliche Bauleiter Kull aber zu vierzehn Tagen Gefängnis verurteilt.

' Stuttgart, 27. Nov. Als Tag des Zusammentritts des Landtags ist nach demBeobachter" der kO. Dezember in Aussicht genommen.

! Stuttgart, 27. Nov. Der Württ. Militäretat sieht für 1909 eine Minderausgabe von fast 1 Mill. Mark vor. Für alle 4 Kontingente beträgt die Minderausgabe mehr als 22 Millionen.

js Stuttgart, 27. Nov. Die Kommission der zweiten Kammer für den Gesetzentwurf betreffend die Landwirtschafts­kammern trat heute zusammen. Bei der Beratung des 8 1 wurde ein Antrag Sommer u. Genossen (4 Kammern) mit 9 gegen 6 Stimmen (4 Zentrum, Körner, Schock) abgelehnt, ebenso der Eventualantrag Kiene (2 Kammern) mit 11 gegen 4 Stimmen, und der Antrag des Berichterstatters Strebe! (eine Kammer) mit 10 gegen 5 Stimmen (Ztr., Schock) an­genommen.

js Stuttgart, 27. Nov. Die Volksschulkommission der Zweiten Kammer hat gestern in zwei Sitzungen die zweite Lesung der Volksschulnovelle beendet.

js Gmünd, 27. Nov. Heute wurde hier der Buchhalter der Bijouterie-Fabrik Renner u. Co., ein verheirateter 45jähr. Mann, wegen bedeutenden Unterschlagungen, die er Jahre lang fortgesetzt hatte, verhaftet.

* Berlin, 27. Nov. (Reichstag.) Ebenso wie die voran­gehenden war der heutige Tag für die Sydow'schen Steuer­pläne kein günstiger. Der Freisinnige Müller-Meinigen drückte sich klassisch aus:Hier sieht man seine Trümmer rauchen, der Rest ist nicht mehr zu gebrauchen." Er verlangt eine Erbschafts- und eine Vermögenssteuer und bekämpft die Licht- und die Jnseratensteuer. Er verlangt im Anschluß an die Reform konstitutionelle Garantien. Schweickhardt (südd. Volksp.) spricht sich gegen das Branntweinmonopol,

Schwarzwälder Sonntagsblatt.

sowie gegen die Elektrizitäts- und Gassteuer aus. Schmidt- Altenburg (Rp.) stellt fest, daß einschließlich der einzelstaat­lichen Forderungen die Mehrbelastung eine Milliarde be­trägt. Auch Mommsen (srs. Vgg.) und Vogt (wirtsch. Vgg.) kritisieren die Vorlage.

' Berlin, 27. Nov. Wegen des Ministerverant- wortlichkeitsgesetzes haben zwischen den Partei­führern vertrauliche Besprechungen stattgefunden, um eine Einigung zu erzielen. Bei der Beratung, die am Mittwoch stattfinden wird, soll die Person des Kaisers aus dem Spiel gelassen werden. Tie Regierung wird in die Debatte nicht eingreifen, weil nicht bestimmt ist, ob der Reichstag zn einem Beschluß kommt. Für die Stellungnahme des Bundesrates wird auch ins Gewicht fallen, ob die Mehrheit, von der der Beschluß gefaßt wird, die Blockmehrheit oder eine andere Mehrheit sein wird. Die Konservativen baden die Angelegenheit als undiskutabel bezeichnet.

js Hamm i. Wests., 27. Nov. In vergangener Nacht bezw. heute früh, sind im katholischen Krankenhaus noch drei der auf Zeche Radbod verunglückten Bergleute gestorben. Damit sind von den anfänglich Geretteten insgesamt acht ihren Verletzungen erlegen.

* Paris, 27. Nov. Im Mai wurde der Maler Stein­heil emordet, ohne daß es gelungen wäre, den Mörder zu entdecken. Nun hat sich seine Frau, die sich in Widersprüche verwickelt Halle, freiwillig dem Gericht gestellt, ohne indes die Täterschaft zuzugeben. Sie wurde nun wegen Mord­verdachts in Haft behalten. Da sie früher im Elysee ver­kehrte, hat sich auch der Verdacht auf sie gelenkt, den Prä­sidenten Faure vergiftet zu haben.

* Petersburg, 27. Nov. Hier traf der Wortlaut des chinesischen Verfassungsentwurfes ein. Nach dem Entwurf hat das Parlament nur beratende Macht, keine gesetzgeberische Gewalt. Die genauere Ausarbeitung des Verfassungsentwurfs bleibt der Zukunft überlassen.

js Täbris, 27. Nov. In Binab haben die Aufständischen eine Niederlage erlitten. Von 80 Mann sind 12 entkommen.

Kreihcrr Von Lhncker,

der neue Chef i es Mili.ärkabinettS.

Ein neues Kirchenjahr.

Wenn die Tage am kürzesten sind, und der Winter seine Kräfte sammelt, um still dem trüben Spätherbst seine Herrschaft abzunchmen, dann geht ein ahnungsvolles Regen durch die Gemeinden : die Kirche rüstet sich zum neuen Kreis­lauf ihrer Feste, sie feiert Advent, das Kommen ihres himm­lischen Königs, den Anfang eines neuen Kirchenjahrs.

Noch lebt die uralte Ordnung dieses Kirchenjahrs im Bewußtsein des Volkes, ein Beweis, daß die Kirche noch eine geistige Macht ist, mit der wir rechnen müssen. Wir wollen es auch. Ohne der Kirche Dienst würde unser Leben verarmen, es fehlten uns die besten Kräfte des sittlichen Antriebs, des Trostes und der Hoffnung.

Deshalb treten wir aufs neue andächtig ein in den Festkreis der Kirche und nehmen ihren Adventsruf zu Herzen Dreifach ist der Schritt der Zeit", darum reden die Advent, sonntage von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Ein­neue Zeit begann mit dem Kommen Jesu, das bezeugte vielleicht wider Willen ein jeder, der christlicher Zeitrechnung folgend, sein Datum nach Christi Geburt schreibt. Tie Segenskräfte unseres Glaubens sind aber nicht erschöpft; der Herr der Kirche kommt noch immer zu seiner Gemeinde, die dankbar rühmt:er ist bei uns wohl auf dem Plan mit seinem Geist und Gaben." Und er wird kommen, das ist der große Siegesruf der Adventszeit. Nicht immer werden Licht und Finsternis mit einander ringen; die Wahrheit muß den Sieg behalten, der Sanftmütige, der im Schmuck der Dornenkrone der größte Weltüberwinder geblieben ist, wird seine königliche Macht noch herrlicher offenbaren.

In dieser fröhlichen Gewißheit wirft die Kirche über dem scheidenden bürgerlichen Jahr das Panier der Hoffnung auf. Dieses müde Jahr mag nun bald versinken im Strome der Zeit; wer mit ihm versenkt, was ihn von jenem großen FriedenSkönig trennt, für den hat ein Neues begonnen, das angeiwhme Jahr des Herrn, und das ist mehr als ein neues Kirchenjahr.

Welke Blüten.

Das ist das Traurigste aus Erden,

Wenn eine junge Knospe welkt Die frühlingsfrisch und lenzgeboren

Den keuschen Blütenduft verloren,

Weil sie der Sonne schwülen Kuß Zu früh empfing und sterben muß Die Knospe, die nicht warten wollte

Das ist ein altes, altes Lied!

Die süße Früchte tragen sollte,

Neigt matt das Köpfchen und verblüht Kein Reifen folgt kein fruchtbar Werden Das ist das Traurigste auf Erden,

Wenn eine junge Knospe, welkt.

Ernst Staus.

Zrr unseren Bildern.

Die Finanzdebatte im Reichstag.

Die Finanzdebatte im Reichstag nimmt ihrer ein­schneidenden Tendenz wegen die Aufmerksamkeit des ganzen deutschen Volkes in Anspruch, weil jeder einzelne, der über­haupt Steuern zahlt, fürchtet, daß er allzusehr herangezogen werden wird. Es ist ein altes Wort, daß niemand gern Steuern zahlt aber Steuern find eben notwendig, und sie müssen aufgebracht werden. Der Reichskanzler hat am ersten Tage der Debatten die Finanzreform motiviert, Staats­sekretär Sydw hat die Einzelheiten der großen Vorlage dar­gelegt. Jetzt sind die Wortführer der Parteien am Wort, um die größten Lasten der neuen Steuern immer auf die Schultern der anderen Parteien abzuwälzen. Das Ende vom Lied aber wird sein, daß wir schließlich alle be­zahlen müssen, und das geschieht ja auch nur, um die Finanzmisere des Reiches endgültig zu beseitigen.

Der neue Chef des Militärkabinetts.

Der zum Chef des Militärkabinetts ernannte General­leutnant Freiherr von Lyncker trat am 25. März 1870 als Fahnenjunker in das Kaiser-Franz-Garde-Grenadier-Regi- giment Nr. 2 ein. In der Schlacht bei St. Privat am 18. August 1870 wurde er schwer verwundet. Er wurde am 13. März 1888 zum Großen Generalslabe kommandiert, am 8. Januar 1895 unter Stellung ü in suits des Gene­ralftabes der Armee zum ersten Militärgouverneur der Söhne des Kaisers ernannt. Am 27. Januar 1902 erfolgte seine Ernennung zum Kommandeur der 1. Garde-Jnfanteriebrigade unter gleichzeitiger Beauftragung mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Kommandanten von Potsdam. Im Mai 1905 wurde er mit der Führung der 19. Division beauf­tragt und am 19. Dezember desselben Jahres unter gleich­zeitiger Beförderung zum Generalleutnant zum Kommandeur dieser Division ernannt.

Die Totenfeier auf Zeche Radbod.

Eine vieltausendköpfige Menge hatte sich angesammelt, um den bei dem furchtbaren Unglück auf der Zeche ums Leben gekommenen Bergleuten, deren Leichen zutage gefördert waren, das letzte Geleit zu geben. Don nah und lern waren Vereine mit ihren Bannern erschienen, die vor der Zeche Aufstellung nahmen. Auf den Zechenplatz selbst wurden nur die Angehörigen zugeiaffen. Schwarz drapierte Wagen fuhren vor den Platz vor dem Maschinenhause, Knappen in Bergmannstracht trugen die Särge aus die Wagen, 36 an der Zahl. Gegen 11 Uhr hatte sich der Zug formiert. Vier Schutzleute zu Pferde schafften dem Trauerwagen müh­sam einen Weg durch die Menge. Den Reitern folgte die Kapelle, dann kamen zahlreiche Kriegervereine mit ihren Kränzen, dann abwechselnd Kapellen, Bergwerksvereine, Kriegervereine, Schülervdreine und Bergarbeiter mit Lampen, Fahnen und Emblemen. Achtzehn katholische und 'sechs evangelische Geistliche schritten in feierlichem Aufzuge den Särgen voran. Zwischen den Vereinen und Geistlichen gingen die Direktoren und Beamten der Zeche sowie sämtliche Spitzen der Behörden der Stadt. Aus dem alten, idyllisch gelegenen Kirchhof war eine Grube von 8 Meter im Qua­drat gegraben. Es sprachen evangelische und katholische Geistliche, und dann wurde die Gruft geschlossen.

Arbeiten....

Immer kämpfe weiter, Du braves treues Herz, und schwanke nicht, in bösem Geschick, wie in gutem. Die Sache, für die Du kämpfest, ist so weit als sie wahr ist, nicht weiter, aber genau so weit, des Sieges völlig sicher. Nur das Falsche darin wird besiegt und beseitigt werden, wie es auch werden muß.

Arbeiten und nicht verzweifeln!" »en Thomas Carlylr.