der Angelegenheit in einer vertraulichen Korrespondenz zum mindesten erklärlich machen. Ich sagte vorher, im Artikel des Daily Telegraph sind manche Ausdrücke zu stark. Das gilt zunächst von der Stelle, daß der Kaiser gesagt haben soll, die Mehrheit des deutschen Bolkes sei England feindlich gesinnt. Zwischen Deutschland und England fanden Mißverständnisse statt, ernstlich bedauerliche, aber ich weiß mich einig mit dem ganzen hohen Hause in der Auffassung, daß das deutsche Volk auf der Basis gegenseitiger Achtung friedliche und freundliche Beziehungen zu England wünscht. (Lebh. Bravo !) Ich konstatiere, daß die Redner aller Parteien in gleichem Sinne sich ausgesprochen haben. Die Farben sind auch zu stark aufgetragen in der Stelle, die Bezug hat auf unsere Interessen in Ostasien. Sie ist in einem für Japan feindlichen Sinne ausgelegt worden; mit Unrecht! Wir dachten im fernen Osten nicht anders als für Deutschland einen Anteil an dem Handel Ostasiens zu erwerben und zu behaupten. Wir denken nicht daran, uns dort auf maritime Abenteuer einzulassen. Agressive Tendenz liegen unserem deutschen Flottenbau im Stillen Ozean ebenso wie in Europa fern. Im übrigen stimmt der Kaiser vollständig mit der verantwortlichen Stelle in der Auslandspolitik überein in der Anerkennung der hohen politischen jBedeutung, die das japanische Volk durch patriotische Tatkraft und militärische Leistungsfähigkeit errungen hat. Die deutsche Politik betrachtet es nicht als ihre Aufgabe, dem japanischen Volke den Genuß und Ausbau seines Erwerbs zu schmälern. Wenn materielle Dinge in richtiger Form einzeln bekannt geworden wären, wäre die Sensation keine große gewesen. Vor allem sollte man über die materielle Seite nicht die psychologische Tendenz der Sacke vergessen. Seit 2 Jahrzehnte» ist der Kaiser bemüht, unter oft sehr schwierigen Verhältnissen freundschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und England herbeizuführen. Dieses ehrliche und aufrichtige Streben hat mit Hinternissen zu kämpfen gebabt, die manchen entmutigt hätten. Die menschlich begreifliche Teilnahme des Volkes für die Buren hat zu ungerechten vielfach maßlosen Angriffen gegen England geführt. Ebenso sind englischerseits ungerechte und gehässige Angriffe gegen Deutschland gerichtet worden. Es wurden uns feindliche Pläne gegen England unterschoben, an die wir nie gedacht haben. Der Kaiser ist mit Recht von der Ueberzeugung durchdrungen, daß dieser Zustand für beide Länder ein Unglück und eine Gefahr für die zivilisierte Welt wäre. Er hielt unentwegt an dem Ziele fest, das er sich vorgesteckt. Ueberhaupt geschieht dem Kaiser mit jedem Zweifel an die Reinheit seiner Absichten und der idealen Gesinnung und seiner tiefe» Vaterlandsliebe ein schweres Unrecht. Wir wollen alles unterlassen, was wie übertriebene Werbung um fremde Gunst aussieht. Aber ich verstehe, daß der Kaise r, gerade weil er sich bewußt war, eifrig und ehrlich an dem guten Verhältnis mit England gearbeitet zu haben, sich gekränkt fühlt, wenn er immer wieder Gegenstand von Angriffen gewesen ist, die seine besten Absichten verdächtigten. Es wurden doch seinem Interesse für die britische Flotte geheime Absichten gegen die englischen Lebensinteressen untergeschoben, die ihm vollständig fern liegen. Ta wollte er in privaten Gesprächen mit englischen Freunden durch den Hinweis auf sein Verhalten in einer für England schwierigen Zeit den Beweis führen, daß er in England verkannt und falsch beurteilt werde. Die Ansicht, daß die Veröffentlichung der Gespräche in England die vom Ka ser gewollte Wirkung nicht hervorgerufen habe, verursachte in unserem Lande tiefe Erregung und schmerzliches Bedauern. Diese feste Ueberzeugung habe ich in diesen schweren Tage» gewonnen, nämlich, den Kaiser dahin zu führen, fernerhin auch in Privatgesprächen jene Zurückhaltung zu beobachten, die im Interesse einer einheitlichen Politik und
für die Autorität der Krone gleich unentbehrlich ist. Lebh. Bravo. Wäre dem nicht so, so könnte weder ich noch mein Nachfolger die Verantwortung tragen. Wiederholtes Bravo. Für die Fehler, die bei der Behandlung der Manuskripte gemacht wurden, trage ich die ganze Verantwortung. Auch widerstrebt es meinem persönlichen Empfinden, Beamte, die ihr Leben lang ihre Pflicht taten, zu Sündenböcken zu stempeln, weil sie sich in einem Falle zu sehr darauf verließen, daß ich meist alles selbst lese und entscheide. Ich be- daure, daß in der Maschinerie des Auswärtigen Amtes, die elf Jahre lang unter mir tadellos funktionierte, sich einmal ein Defekt zeigte. Ich stehe dafür ein, daß es nicht wieder vorkommt und ohne Ungerechtigkeit und ohne Ansehen der Person das Erforderliche veranlaßt wird. Bravo. Als der Artikel erschienen war, reichte ich mein Abschiedsgesuch ein. Jener Entschluß war geboten. Er wurde mir nicht schwer. Der ernsteste und schwerste Entschluß, den ich je in meinem politischen Leben gefaßt habe, war, dem Wunsche des Kaisers folgend, im Amte zu bleiben. Ich habe mich hiezu nur entschlossen, weil ich es für ein Gebot der politischen Lage ansah, in dieser schwierigen Zeit dem Kaiser und dem Lande weiter zu dienen. Lebhaftes Bravo. Wie lange mir das möglich sein wird, steht dahin. Im Augenblick, wo die gesamte Lage eine ernste Aufmerksamkeit erheischt und es darauf ankommt, unsere Stellung nach außen zu bewahre», ohne uns vorzudrängen, mit ruhiger Stetigkeit unsere Interessen zur Geltung zu bringen, dürfen wir nicht vor dem Ausland uns kleinmütig zeigen, dürfen wir das Unglück nicht zur Katastrophe machen. Der Schaden, das wird die ruhige Betrachtung einsehen, , ist aber nicht so groß, daß er nicht mit Umsicht wieder ausgeglichen werden könnte. Genuß soll keine Warnung vergessen werden, welche die Vorgänge dies.'s Tages uns allen gegeben haben. Aber es ist kleine Ursache, Fassungslosigkeit zu zeigen, die bei den Gegnern die Hoffnung erweckt, als wäre das Reich im Innern und nach Außen gelähmt. An den bernfcnen Vertretern der Nation ist es, diese Besonnenheit zu zeigen, die dem Ernst der Lage der Zeit entspricht. Ich sage nicht für mich, sage für das Land, die Unterstützung hiebei ist keine Gnade, ist Pflicht, der sich das hohe Haus nicht entziehen wird. Lebhaftes Bravo.
Frhr. v. Hertliug (Ztr.) Ich will die Stellung meiner Fraktion so darlegen, als ob die Erklärung deS Reichskanzlers gar nicht abgegeben worden sei. (Große Bewegung. Heiterkeit.) Wie die Anordnung an den Beamten gelautet, der die Veröffentlichung des Kaiserinteroiews verursacht, hat der Reichskanzler nicht gesagt. (Sehr richtig links und im Zentrum). Der heutige Tag ist ein Markstein in der parlamentarischen Geschichte Deutschlands. Die Kritik sollte vor der Person des Trägers der Krone schweigen, aber die Tage der französischen Sonnenkönige und die Tage der Stuarts sind vorüber. Es ist schmerzlich, daß ich gezwungen bin, den Träger der höchsten Macht einer Kritik zu unterziehen, aber ich hoffe, daß es. niemals mehr der Fall sein wird. Auch wir sind mit den Aeußerungen des Kaisers nicht einverstanden. Das deutsche Volk ist nicht England unfreundlich.
Wir hatten den Eindruck nach der Veröffentlichung, daß wir selbst eine Abstoßungspolitik betrieben haben, die uns mit allen Mächten in Feindschaft bringt. (Zustimmung beim Zentrum). Ich habe aus der Antwort des Reichskanzlers herausgehört, was er zu tun genötigt sei. Ich bin aber der Meinung, daß es sich nicht darum handelt, was der Reichskanzler zu tun gedenkt, sondern was er getan hat. Die Ministerverantwortlichkeit, die wir fordern, beruht darauf, daß man das Recht des Monarchen mit dem Selbstbestimmungsrecht des Volkes in Einklang zu bringen sucht. Es muß für die verantwortliche Stelle ein: „Bisher und nicht weiter!" geben. Der Reichskanzler sagte, daß der
Kaiser von der Schädlichkeit der Veröffentlichung durchdrungen sei und solches künftig vermeiden wolle. Ich,vejß nicht, oh das genug ist, und ob nicht zugleich bestimmte Garantien gefordert werden sollten. Abg. Liebermann v- Sonnenberg (wirtsch. Vgg.) :Das Vertrauen im Volk ist bis auf den Nullp unkt ges unken. (Lebh. Zustimmung.) Wir hätten uns gefreut, wenn der Reichstag eine besonders feierliche Form gefunden hätte, seine Stellung vor dem In- und Auslande darzulegen. Was der sozialdemokratische Redner gesagt hat, kann Ich nahezu in allen Punkten unterschreiben. (Lebh. hört, hört und Bravo.) Das ist ein furchtbarer Zustand augenblicklich im Reich, daß sich die überzeugtesten Monarchisten genötigt sehen, sich sehr deutlich über die Aeußerungen des Kaisers auszusprechen. Wir glauben nicht, daß der Reichskanzler die Verantwortung übernehmen kann und daß es in Zukunft besser wird. Die Besserung wird höchstens bis zum nächsten Mal anhalten. Es versetzt uns in tiefste Trauer, daß der deutsche Kaiser nicht in jedem Augenblick seines Lebens deutsch denkt und deutsch fühlt. (Lebh. Zustimmung.) Das Haus wird Gelegenheit bekommen, zu beschließen, ob es sich zu einer feierlichen Kundgebung in einer Adresse an den Monarchen verstehen kann. Das würde erst die sichere Gewähr bieten, daß der Verlauf der heutigen Sitzung an der Stelle bekannt wird, an die er gelangen muß. Wir müssen um die Seele unseres Kaisers ringen, die sich uns immer mehr entfremdet. Ich hoffe, die Kluft wird nicht unüberbrückbar sein. Wir werden uns dem Vertrauensvotum für den Reichskanzler nicht anschließen. Es ist ziemlich gleichgültig, wer an der Spitze der Leitung der auswärtigen Angelegenheiten steht. Wir wollen in stiller Friedensarbeit die Finanzen in Ordnung bringen und das Pulver trocken halten. (Beifall.) Hierauf wurde die Sitzung — um 6 /. Uhr abends — auf Mittwoch nachmittag 1 Uhr vertagt. T.-O. W eit e r b e s p r e ch u n g der Interpellationen.
Tagespolitik.
Veränderungen in den B v t sch aste rp o st en werden von der Nordd. Allg. Ztg. mitgeteilt. Zum Nachfolger des in den Ruhestand versetzten Wirkt. Geh.Rats v. Radowitz auf dem deutschen Botschafterposten in Madrid ist der bisherige Gesandte in Lissabon, Graf Tattenbach, ernannt worden. Auf den durch den Tod des Frhrn. Speck v. Sternburg frei gowordeuen Botschafterposten in Washington geht der bisherige Generalkonsul in Kairo, Gesandter Graf Bernstorff.
»
Der amerikanische Botschafter, Dr. Hill, bleibt in Berlin. Die Gerüchte, Dr. Hill werde als Staatssekretär des neu gewählten Präsidenten Taft nach Washington gehen, sind unbegründet. Der bekannte Hill-Streit ist ja auch längst ausgeglichen und beigelegt.
In Persien ist wieder einmal, oder sollen wir sagen noch immer, der Teufel los. Der Schah und seine Partei haben angrfangen. Eine von dem Herrscher vercin- laßte außerordentliche Versammlung protestierte in Teheran gegen die Wiedereinführung der Konstitution, weil diese dem heiligen Gesetz widerspreche. Die Reformpartei weiß genau, daß sich der Schah zu solchen Kundgebungen den Mut von den russischen Emissären holt. In Täbris wurden dann auch, die Russen aufs Korn genommen und schwer gemißhandelt. Das russische Konsulat sollte in die Luft gesprengt werden. In Täbris herrschen geradezu anarchische Zustände.
Erkämpftes Glück.
Roman von H. Deutschman n.
Fortsetzung. Nachdruck verboten.
„Horch!" flüsterte Kläre. „Es kommt jemand!"
„Sei still! Wir werden nicht gesehen!"
John Smiles trieb jetzt das Boot zwischen zwei nebeneinander liegende Schleppschiffe hinein, so daß sie in dem Dunkel vollständig versteckt lagen. Hier konnten sie von keinem vorüberfahrenden Kahne gesehen werden, während sie selbst alles übersehen konnten. Immer näher kam der Ruderschlag. Die Wellen plätscherten gegen das anfahrende Boot. . Deutlich hörbar war schon das Rauschen des Kieles. Da sahen sie auch schon den Kahn. In diesem saß ein einzelner Mann. Dieser legte jetzt die Ruder in das Innere und dirigierte den Kabn nur noch mittels des Steuers. Er fuhr hart an den beiden Schleppschiffen vor- über und nahm die Richtung nach dem hohen Ufer, das aus Stein gemauert war. aber schon vielfach nbbröckelte. Schon war er nahe am Ufer. Da stand er im Kahne aus und sah sich nochmals nach allen Seiten um. In diesem Augenblick aber rasselte am Ufer mit raffelndem und pustendem Schnauben der Bahnzug entlang und warf seine Licht ter in die Fluten des Stromes. Und ein Heller Lichtstrahl beleuchtete das ^Gesicht des nächtlichen Kahnfahrers. Nur einen Augenblick. Dieser aber genügte und beide in ihrem Verstecke Lauschenden hatten dieses Gesicht gesehen und erkannt.
„von Stauffen!"
Kläre hatte in plötzlichem Schrecken den Namen ge- rufen, aber er verhallte ungestört durch daS polternde Rasseln des Bahnzuges.
„Still! Er ist es!" mahnte sie flüsternd Smiles.
Theo von Stauffen war es. der jetzt aufgerichtet in dem Boote stand und noch immer nach allen Seiten hin
spähte. Da er nichts gewahrte, so schien er beruhigt. Er zog einen ganz Keinen Gegenstand, Smiles schien es, als sei es ein kleines Stück znsammengedrebtcs Papier, aus seiner Tasche und steckte diesen in eine Ritze des Mauerwerkes. Als dies geschehen war, sah er nochmals nach allen Seiten hin. Wohl streifte sein Auge auch das Dunkel zwischen den beiden Schiffskörpern: aber diese Finsternis war undurchdringlich. Er wähnte sich unbemerkt. Leise trieb er seinen Kahn zurück. Seine Ruder tauchten unter und der Wellenschlag verkündete, daß sein Kabn sich immer weiter entfernte. Lange hörten sie den gleichmäßigen Takt der Ruderschlägc. bis zuletzt jeder Laut sich in der Ferne verlor. Erst jetzt wagten die beiden zu sprechen.
„Theo von Stauffen war es! Was mag dieser hier zu tun haben?" fragte Kläre in bebender Furcht, die noch immer in Gedanken zitterte, wenn von Stauffen sie in diesem Versteck entdeckt hätte.
„Darüber werden wir bald Gewißheit haben", ant- wartete Smiles. „Wir fahren jetzt hin und sehen mal nach, was er dort verborgen hat."
„Fahre nicht hin!" bat Kläre. „Wie leicht könnte ein Unglück geschehen."
„Habe du keine Angst. Er ist jetzt fort. Niemand fft u, unserer Nähe. Wir haben also von keiner Seite Ge- wbr zu fürchten."
„Aber wenn wir uns selbst dadurch schaden?"
smiles lächelte: „Die Angst hege ich nicht. Was wir hier durch Zufall beleuchten, das kann uns nur Nutzen bringen. Oder glaubst du, was hier in der Nacht und unbeobachtet geschehen mußte, das steht im Einklang mit Recht und Gerechtigkeit? Wenn Stauffen das Tageslicht nicht zu fürchten hätte, wäre dies in finsterer Nacht geschehen?"
„Aber was mag es sein?"
„Wir werden es erfahren!"
Smiles schob das Boot wieder aus seinem Versteck und trieb es mit einem Ruder genau derselben Stelle zu. die
von Stauffen verlassen hatte. Sie waren dicht an der Userin auer. Trotzdem sich SmileS genau die Stelle eingeprägt hatte, in die voll Stauffen den Gegenstand versteckt batte, so konnte er sie jetzt nicht sofort finden. Lange suchte er, in jede Ritze mußte er greifen, bis er einen gelockerten Stein fühlte, den er ausheben konnte. Und hinter diesem lag ein zusammengerolltes Zettelchen. Smiles faltete es auseinander; aber es war so dunkel, daß er nichts unterscheiden konnte.
„Nehmen wir es mit?" fragte ihn Kläre, die noch immer leise bebte.
„Nein! Das dürfen wir nicht", war die Antwort.
„Aber weshalb?"
„Der Zettel wird hier abgeholt. Und wenn er dann nicht vorgefunden wird, dann haben wir alles verloren. Er muß in dem Versteck bleiben!"
„Aber was sollen wir tun?"
„Wir fahren in unser Versteck zwischen den beiden Schissen zurück. Dort zündest du ein Streichholz an und ich schreibe rasch den Inhalt des Zettels ab. Dann bringen wir ilsi, wieder hieher zurück."
„Wenn aber inzwischen jemand kommt?"
„Wir muffen „ns beeilen."
(Fortsetzung folgt.)
8 Ein Stückchen Verbrechexhumor erzählen die Basler Nachrichten: Vor einigen Tagen entwich (aus dem Bezirks- gefänguis in Horgen ein Gewohnheitsverbrecher. Er begab sich nach Wallisellen zu seiner Mutter, tauschte seine Sträslingskleider um, packte sie zusammen, und schickte sie an die Strafanstalt mit dem Vermerk, er könne sie nicht mehr brauchen! Seither hat man von dem Burschen nichts mehr gesehen.