Schwarzwälder Sonrrtagsblatt.
Skandal zugefügt hat, wieder einigermaßen einzubringen. Die Tage seiner Reichskanzlerschaft dürften gezählt sein, und man muß, so schlimm ein Kanzlerwechsel jetzt mit Rücksicht aus die auswärtige und die innere Politik auch sein würde, man muß sagen: das Beste wäre es, wenn erginge. Ein gewisses Mitleid kann man dem Fürsten Bülow trotz alledem nicht versagen. Es gibt immerhin Momente, die mildernde Umstände bedeuten. Ja, es fehlt nicht an Leuten, die daran festhalten, daß er im Grunde genommen für den Kaiser sich geopfert hat. Aber mag auch der Sachverhalt wirklich eine Tragikomödie der dargestellten Art sein, darüber darf man nicht hinwegsehen, daß das Schlimme nicht allein in der Verö ffentl i ch un g der Aeußerungen liegt, als in den Aeußerungen an und für sich. Es ist und bleibt beklagenswert, daß der Kaiser sich fremden Staatsangehörigen gegenüber in dieser mehr als offenherzigen Weise geäußert hat. Das Grundübel ist die ganze Art der kaiserlichen Politik, die von plötzlichen Impulsen, Stimmungen und Gefühlsregungen beherrscht wird und vielfach eine Verkennung tätsächlicher Verhältnisse und eine falsche Einschätzung der Wirkungen verrät. Nie zuvor hat man so drastisch erfahren, wie sehr es vom Nebel ist, wenn der Monarch auf eigene Faust Politik macht und es nicht den verantwortlichen Ratgebern überläßt. Bei der Eigenart des Kaisers wird es schwer sein, hier Wandel zu schaffen, aber es muß versucht werden. Hätten wir unter unseren Staatsmännern wirklich solche, die den Namen verdienen, Männer von starkem Rückgrat, so würde es schwerlich so weit gekommen sein. — Ob Fürst Bülow im Amte bleibt, wird wesentlich von dem Ausgange der Jnterpellationsdebatte im Reichstage abhängen. Es scheint indessen, als ob man es vielfach für das Beste hielte, im jetzigen Augenblick einen Kanzlerwechsel zu vermeiden und Gnade für Recht ergehen zu lassen. Dagegen werden — wie das so geht — die „niederen Götter" das Strafgericht spüren. Staatssekretär v. Schön hat einen Nervenchock bekommen und ist in Urlaub gegangen, von dem er schwerlich zurückkehren wird. Zu seiner Vertretung ist Frhr. v. Kiderlen-Wächter, Gesandter in Budapest (ein Landsmann von uns) berufen worden. Auch Unterstaatssekretär v. Stemrich ist plötzlich beurlaubt worden; er hat die Gicht. Welche Krankheit sich bei den anderen Schuldigen einstellen wird, muß abgewartet werden.
Die Orientfrage.
Die orientalische Frage steht noch so ziemlich auf dem alten Fleck. Die Mächte verhandeln immer noch über das Programm für die internationale Konferenz, und es ist noch gar nicht abzusehen, wenn sie damit ins Reine kommen werden. Mittlerweile sind die ersten Verhandlungen zwischen der Türkei und Oesterreich-Ungarn bezw. Bulgarien, die englische Machenschaften gestört hatten, wieder ausgenommen worden mit dem Ziele,, es dahin zu bringen, daß die Konferenz später nichts weiter zu tun hat, als das Ergebnis zur Kenntnis zu nehmen.
Neueste Nachrichten.
Der deutsche Kronprinz im Zeppelinschen Luftschiff.
* Friedrichshafen, 6. Nov. Der deutsche Kronprinz wird morgen früh hier eintreffen und an einem Aufstieg des Z. 1 teilnehmen. Die Fahrt soll so geleitet werden, daß das Luftschiff, falls die Witterung es erlaubt, dem kaiserlichen Sonderzuge, der über Aulendorf nach Donaueschingen fährt, auf der Strecke begegnet.
Friedrichshafen, 7. Novbr. (Telegr.) Graf Zeppelin ist mit dem deutschen Kronprinzen um 11 Uhr 20 Min. aufgestiegen und landeinwärts gegen Norden gefahre n.
Begegnung mit dem Kaiser in Donaueschingen.
Donaueschingen, 7. Novbr. (Telegr.) Graf Zeppelin fuhr über Ueberlingen durch das Donautal und traf 1 Uhr 40 Min. hier ein. Er kreuzte über der Stadt, bis um 2 Uhr der kaiserliche Sonderzug eintraf. Nachdem der Kaiser mit dem Luftschiff Grüße ansgetauscht hatte und ins Schloß gefahren war, fuhr Graf Zeppelin wieder in der Richtung nach dem Bodensee weiter.
Die innere Krise.
" Berlin, 6. Nov. Die Interpellationen wegen der Veröffentlichung im „Daily Telegraph" werden, wie nunmehr feststeht, am Dienstag im Reichstag verhandelt werden.' Man hat sich dahin geeinigt, daß die Fraktionen einzeln zu Worte kommen. Es darf als sicher gelten, daß der Reichstag den Reichskanzler nicht fallen läßt.
* Berlin, 6. Nov. Die Freisinnigen hatten vorgeschlagen, der Reichstag solle dem Kaiser eine Adresse übersenden. Die Nationalliberalen hatten nach längerem Zögern zugestimmt, aber ihre endgültige Zustimmung von der Haltung der Konservativen abhängig gemacht. Man hat sich dann an die Reichspartei gewendet, die heute einen ablehnenden Bescheid gab, da die Deutsch-Konservativen nicht mittun wollten. Der Plan ist also gescheitert. Auch die wirtschaftliche Vereinigung und der Alldeutsche Verband haben eine Eingabe an den Reichstag gerichtet, worin dieser aufgefordert wird, in einer machtvollen Kundgebung einheitlich und rücksichtslos die Meinung desdeutschenVo,lkeszumAusdruckjubringen.
Der deutsch-französische Konflikt.
* Berlin, 6. Nov. Wie das „Berliner Tagebl." erfährt, ist die friedliche Beilegung des Casablanca- Zwischenfalls mit Sicherheit zu erwarten. Von anderer Seite verlautet dagegen, daß noch immer nicht un- erhebliche Schwierigkeiten zu überwinden seien.
* Paris, 6. Nov. In der Abendausgabe der „Liberte" wird halbamtlich mitgeteilt, die französische Regierung könne nur die knappe gemeinsame Erklärung des Bedauerns als Lösung desKonflikts mit Deutschland annehmen. Wäre Deutschland dagegen, so müßte das Kabinett in der Kammer die Vertrauensfrage stellen.
' Paris, 6. November. Aus Tanger ist Herr v. Wangenheim, der die Gesandtschaft während des Urlaubs des Dr. Rosen leitete, hier eingetroffen; er begibt sich zur mündlichen Berichterstattung nach Berlin.
Die Balkan-Wirren.
* Belgrad, 6. Nov. Der Zar soll dem serbischen Kronprinzen erklärt haben, zu einem paffenden Zeitpunkt König Peter in Pelersburg zu empfangen. Wenn dies Gerücht sich bewahrheitete, hätte Serbien tatsächlich einen großen Erfolg zu verzeichnen, und es ist leicht möglich, daß es sich auch im Freudentaumel darüber zu aggressiven Schritten gegen Oesterreich verleiten läßt. Die Stimmung ist ganz darnach angetan. Die Zeitungen schreiben einmütig, daß Serbien, wenn Rußland es materiell und England moralisch unterstütz!, einen Krieg mit Oesterreich nicht zu fürchten habe. Inzwischen wird eifrig gerüstet.
Gesundheitspflege im Winter.
Von Dr. Otto Gotthilf.
(Nachdruck verboten).
Im Winter führen die meisten Menschen ein Binnen- lebcn; daher muß man seine Aufmerksamkeit auf das Zimmerklima richten, dessen Wettermacher jeder selbst ist. Die Haupterfordernisse sind dabei: stets frische Luft, keine Ueber- heizung und möglichst viel Sonnenschein und Tageslicht. Weg also mit den dunklen Fenstervorhängen, welche die kurzen Wintertage noch kürzer, die düsteren Nebel noch düsterer erscheinen lassen und das lichtbedürftige Menschenkind leicht in trübe Stimmung versetzen.
Die Zimmerluft sei stets rein, ohne Geruch und Staub. Besonders beim Ausräumen der Ofenasche dürfen nicht mächtige Staubwolken anfgewirbelt werden, welche zum Husten reizen und die Schleimhäute angreifen. Schnelles Lüften mit vollständigem Durchzug ist viel besser und praktischer, als langes Offenhalten einzelner Fensterflügel: Wände und Möbel werden dabei nur sehr wenig abgekühlt und bewirken somit bald wieder eine behagliche Temperatur.
Die Temperatur der Wohnzimmer soll durchschnittlich nicht mehr als 18 Grad 0 (— 15 Grad k) betragen; für Kinder kann sie niedriger, für bejahrte Leute ein wenig höher sein. Kinder werden in heißer Luft schlaff, schläfrig und verweichlicht. Das fortwährende „Am-Ofen-Hocken" ist ihnen ganz zu verbieten. Frieren sie, so mögen sie sich körperliche Bewegung machen, welche das gesundeste Erwärmungsmittel bildet. Auch für unsere lieben Alten ist es besser, nicht so viel zu Heizen, sondern dafür wärmere Kleidung anzuziehen. Wenn sie gewohnt sind, in der Nähe des Ofens zu sitzen mögen sie wenigstens jeden Tag ihre Stellung ändern und der Wärme nicht immer dieselbe Körperseite zuwenden, sonst nimmt es die andere übel und rächt sich durch Reißen, Hexenschuß u. dergl. Ist ihr Lieblingsplätzchen am Fenster, dann muß die Fensterwand bis zum Fußboden mit Decken behängt und auch noch der Unterkörper warm eingehüllt werden. Von innen Heizen die Greise am besten mit gutem Wein; er bildet ein probates Feuerungsmaterial für den Leibesofen und heißt mit Recht „die Milch der Alten". Im übrigen sind für jedermann gute und angenehme innere Erwärmungsmittel : Suppen und Fleischbrühe, letztere auch nur aus Fleischextrakt, Würze und Ei zubereitet.
Ist die Zimmerlust schlecht geworden und meldet sogar die Nase anrüchige Beimischungen, dann sofort kurze Zeit Fenster und Türen weit auf, aber keine Räucherungen mit Kerzen, oder Zerstäuben von Essenzen. Das hieße den Teufel durch Beelzebub austreiben wollen, denn dadurch wird die schädliche Luft niemals entfernt, sondern nur durch einen angenehmen Geruch verdeckt.
Die Luft des Schlafzimmers sei stets rein und kühl, jedoch nicht eiskalt. Es ist sogar ratsam, immer einmal zu Heizen, damit Wände, Möbel, Betten und Wäsche nicht feucht und „stockig" werden.
Arbeitet man bei Lampenlicht, so muß man zur Schonung der Augen die Glocke mit einem blauen oder grünen (nicht roten oder gelben) Schirm bedecken. Auch darf man sich nie so tief bücken, daß das Auge die Flamme sehen kann. Ihr Mütter, laßt eure Töchter abends keine seinen Handarbeiten anfertigen; sie greifen die Augen zu sehr an.
Füße warm, Kopf kühl! Daher darf man einerseits nie feuchte Strümpfe oder nasses Schuhwerl anbehalten, anderseits den Kopf nicht so dicht an die hitzestrahlende Lampe halten. Der Volksmund sagt: „Das Gehirn trocknet ein."
Gesunde Menschen sollen bei jeder Witterung täglich mindestens eine Stunde lang sich im Freien energische Bewegung machen, um den Stoffwechsel zu fördern, den Blutkreislauf anzuregen und die Lungen wieder einmal mit wahrer Lebenslust vollzupumpen. Bei rauhem Wetter heißt es dann: Mund zu und durch die Nase atmen! Diese ist ver einzig gute Respirator. Laßt vor allem die Kinder, auch die kleineren, recht viel im Freien herumspringen, sonst werden sie stubensiech und verweichlicht und fallen Krankheiten sehr leicht zum Opfer. Häufiges Einnehmen von Gesundheitslust draußen schützt sie vor dem Einnehmenvon „Hustensäftchen" drinnen. Auch der törichterweise so gefürchtete Nebel soll weder Erwachsene noch Kinder vom Ausgehen abhalten. Im Oktober 1873 erreichte, wie kürzlich schon erwähnt, in Magdeburg die
Wohnungsnot eine solche Höhe, daß der Magistrat sich genötigt sah, für die Obdachlosen trotz des starken Nebels und der kalten Witterung Zeltwohnungen im städtischen Glacis einzurichten, wo sich dann so etwas wie ein großes Zigeuner- biwack entwickelte. Weit entfernt aber, etwa Krankheit zum Ausbruche zu bringen, übte dies Leben vielmehr den günstigsten Einstuß auf den Gesundheitszustand aller aus und bekam namentlich der „armen zarten" Kinderwelt so vortrefflich, daß man sehr wohl vo« einer improvisierten Ferienkolonie reden konnte. Der damalige Kreisphysikus Medizinalrat Dr. Voigt schrieb an Dr. P. Numerier: „Bestimmt weiß ich, daß von sämtlichen Insassen dieses Lagers jeden Alters und Geschlechtes nicht ein einziger erkrankte. Bei den Kindern konnte man sogar aus der Rötung der vorher blassen Gesichter den ganz positiven Nutzen dieses Zeitlebens Nachweisen."
Die häufigste Erkrankung zur Winterszeit bildet Erkältung, welche zwar an und für sich eher unangenehm als gefährlich ist, aber doch verhängnisvoll werden kann, weil sie die Widerstandsfähigkeit des Körpers bedeutend schwächt und denselben für andere Krankheiten entpfänglicher macht. Vorgebeugt wird allen Erkältungen am besten durch regelmäßige Bewegung und kalte Waschungen zu jeder Jahreszeit. Empfindet man aber doch einmal die ersten Anzeichen einer bald mit aller Macht hereinbrechenden starken Erkältung, nämlich leichtes Frösteln und einige Fieberschauer, wobei die Haut blaß bleibt und das Aussehen der Gänsehaut erhält, so erzeuge man schleunig eine starke Hautreaktion und Blutzusluß zu den Hautgefäßen durch länger fortgesetztes und öfter wiederholtes energisches Reiben und Frottieren des ganzen Körpers. Legt man sich dann ins Bett und trinkt mehrere Tassen heißen Tee mit etwas Rum oder Kognak, so wird die Erkältung fast nie zum Ausbruch kommen, geschweige denn schlimmere Krankheiten verursachen, krobatuw «st! .
Humoristische Ecke.
Enttäuscht. „Heute konnte ich die ganze Nacht kein Auge schließen, weil ich immer an den Wechsel denken mußte, der heute fällig ist." — „Aber, das hättest Du ja nur zu sagen brauchen; da hätte ich Dir ganz leicht helfen können." — „Kannst Du mir das Geld oorstrecken?" — »Das nicht! Aber ein großartiges Schlafpulver hätte ich zu Hause."
Schlagfertig. Touristengigerl: „Offen gestanden, ich Hab' mir die Sennerinnen etwas hübscher vorgestellt." Sennerin: „Und i mir die Stadtherrn nit so dumm."
Das größere Uebel. „Seitdem die Olga ein Automobil von ihrem Manne bekommen hat, ist sie so stolz, daß sie uns aus der Straße ganz übersieht." — „Oh! wenn sie uns bloß nicht auch überfährt!"
Merkwürdige Fahrt. Automobilbesitzer (nachdem er die Führung des Wagens, mit der er noch nicht vertraut ist, übernommen, vor einem Hotel am Bodensee): „Na, das ist gelungen! . . . Ten Chauffeur Hab' ich in der Schweiz verloren, die Huppe liegt in Bauern und meine Mütze in Oesterreich wo!
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Kartenskizze zur „Zeppelinfahrt" des Prinzen Heinrich.