Man glaubt, daß Frankreich a u s k e i n e n F a ll nachgeben werde.
Befriedigende Lösung in Sicht?
' Paris, 3. istvv. Pichon erklärte in einem Privatgespräch dem Deputierten Jaures, daß eine soeben ringet ross «ne Depesche Cambons ihn eine unverzüglich e, beide Teile befriedigen de Lösung mit Be stimmtheit erwarten lasse.
Tagespolitik.
lieber die jüngsten Vorkommnisse ist die Mißstimmung in den süddeutschen Bundesstaaten besonders groß. Die im sächsischen Landtage eingebrachte Interpellation ist schärfer als die des Reichstags. Ein konservatives sächsisches Blatt, die .Leipziger N. N.", lassen sich also vernehmen: Das Volk hat dieses ewige Doppelspiel der kaiserlichen und der amtlichen Politik, dieses ewige Hervortreten unverantwortlicher Aeußerungen bis zum Ueber- druß satt, und es sehnt sich nicht nur in seinem demokratischen, sondern vor allem in seinem national-monarchischen Teile danach, daß das alte, große in dem ersten Kaiser verkörperte Ideal des Königtums auch in dem Enkel neue Gestaltung gewinne. Hier muß der Reichstag einsetzen, das ist seine verdammte Pflicht und Schuldigkeit nicht nur dem Volke, sondern auch dem Kaiser gegenüber, den jetzt das Parlament vor seinen Jrrtümern schützen muß, wo die Kraft und der Wille des Kanzlers versagen.
Die wegen der Veröffentlichung der Kaisergespräche im Daily Telegraph im Reichstage eingebrachte Interpellation der Freisinnigen lautet: Durch die Veröffentlichung von Aeußerungen des deutschen Kaisers im Daily Telegraph und durch die vom Reichskanzler veran- laßte Mitteilung des Sachverhalts in der „Nordd. Allg. Ztg." sind Tatsachen bekannt geworden, die schwere Mängel in der Behandlung auswärtiger Angelegenheiten bekunden und geeignet sind, aus die Beziehungen des Deutschen Reichs zu andern Mächten ungünstig einzuwirken. Was gedenkt der Herr Reichskanzler zu tun, um Abhilfe zu schaffen und die ihm durch die Verfassung des Deutschen Reiches zugewiesene Verantwortlichkeit im vollen Umfange zur Geltung zu bringen. — Die sozialdemokratische Interpellation besagt: Was gedenkt der Reichskanzler zu tun, um Vorgänge zu verhindern, wie sie durch die Mitteilungen des Daily Telegraph über Handlungen und Aeußerungen des Deutschen Kaisers bekannt geworden sind? — Die Konservativen endlich fragen an: Ist der Reichskanzler bereit, nähere Auskunft zu geben über die Vorgänge, die zur Veröffentlichung von Aeußerungen des Deutschen Kaisers in englischen Blattern geführt haben ?
Die amtliche Publikation der Vorlage über die Reichsfinanzreform mit ihren acht Steuerentwürfen hat keine große Ueberraschung mehr Hervorrufen können, da die neuen Steuervorschläge im Wesentlichen bekannt waren. Freilich hat die Bestätigung des Befürchteten den denkbar ungünstigen Eindruck hervorgerufen, der noch durch die trüben Zeitver- hältnisse verschärft wurde, unter denen die Vorlage von Amtswegen der Oeffentlichkeit bekannt gegeben wurde. — Es wird nicht alles von dem Gesetz werden, was der Entwurf an Steuervorschlägen enthält. Ganz besonders gilt das von der Jnseratensteuer und den Steuern auf Gas und Elektrizität. Scharfer Protest wurde sofort von den Konservativen Organen gegen die oorgeschlagene Nachlaßsteuer erhoben, die auch Erbanfälle an Kinder und Ehegatten der Besteuerung unterwirft. Von der gleichen Seite wird auch gegen die geplante Weinsteuer mobil gemacht. Die Nach
laßsteuer in ihrer vorgeschlagenen Form wird von dem Organ des Bundes der Landwirte von vornherein als unannehmbar bezeichnet. Einmütig und geschlossen bekämpft die gesamte deutsche Landwirtschaft, groß und klein, und der Mittelstand die Nachlaßsteuer grundsätzlich, so schreibt die „Deutsche Tageszkg.". Keine Erleichterung, keine teilweise Befreiung kann diesen grundsätzlichen Widerstand biechen.
Der Reichstag hat in einem der nächsten Tage einen sogenannten großen Tag nachdem die Eröffnungssitzung am Mittwoch mit der Erledigung von Petitionen still verlaufen war. Am heutigen Donnerstag will der Abgeordnete Bassermann (natl.) seine Interpellation einbringen: Ist der Reichskanzler bereit, für die Veröffentlichung einer . Reihe von Gesprächen des Kaisers im Daily Telegraph und die in denselben mitgeteilten Tatsachen die verfassungsmäßige Verantwortung zu übernehmen? Die Interpellation wird vom Reichskanzler persönlich beantwortet werden. Fürst Bülow hat entgegen früheren Nachrichten auf vorherige Besprechungen mit den Parteiführern verzichtet. Diese haben viel mehr ohne Fühlungnahme mit dem Reichskanzler ihre Marschroute festgelegt.
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N ach deut s ch e m M uster will Oesterreich die Alters- und I n v a l i d e n-V ers i ch e r u n g einführen; die soeben veröffentlichte Regierungsvorlage ist ziemlich weitgehend. Es werden 10 Millionen Menschen in die Versicherung einbezogen; nicht nur alle industriellen Arbeiter, Dienstboten, sondern auch alle selbständigen Inhaber von gewerblichen oder sonstigen Erwerbsunternehmungen, deren Jahreseinkommen 2400 Kronen nicht übersteigt. Der Staat gewährt zu Altersrenten einen Zuschuß von 90 Kr. für die Person jährlich. Die Altersrente beginnt mit dem 65. Lebensjahre. Tie versicherten Arbeiter haben auch auf die Jnvnlidiiätsreute Anspruch, die den selbständigen Unternehmern nicht zu kommt. Der Siaat wird in den ersten Jahren jährlich nur 2 Millionen Kronen zahlen, nach 10 Jahren 40 und nach 40 Jahren 100 Millionen Kronen.
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Präsident Roosevelt übersandte Taft ein herzliches Glückwunschtelegramm. Taft dankte und betonte, seine Wahl bedeute einen Triumph für die Geschäftsführung Roosevelts. Letzterer erklärte : „Wir haben sie (die Demokraten) zu Mus verhauen." Der unterlegene Kandidat Bryan soll in einem offenen Wagen in der Umgebung der Stadt Lincoln umhergefahren sein und vor allen Leuten geweint haben. Die Wahlwetten gehen in viele Millionen Mark. Der mit seinem Flugapparat verunglückte Orville Wright ließ sich ins Wahllokal tragen. Tafts Wahl erfolgte mit etwa 1 091 000 Stimmen. Ein Doppelgänger RockefellerS wurde für den Millionär gehalten und bestohlen. Der Dieb erbeutete aber nur ein Schnupftuch unk Spuren von Prise. Die Richter sollen ihr politisches Interesse dadurch bekundet haben, daß sie Spitzbuben, die recht viel interessantes von der Wahl mitteilen konnten, mit leichteren Strafen davon- kvmmen ließen, als jene, die ihr Langfingerwerk ohne politische Nebenabsichten trieben. Echt amerikanisch!
Deutscher Reichstag.
js Berlin, 5. November.
Beginn der Sitzung 1.20 Uhr. Zunächst steht zur Beratung das A utomob ilh aftpfich t g esetz. Staatssekretär Nieberding führt aus, daß der Gesetzentwurf insbesondere dazu bestimmt sei, bessere Garantien für den Ersatz des durch die Automobile verursachten Schadens zu schaffen. Wagner (kons.) wünscht eine Verschärfung der
Strafbestimmungen, was die Entwickelung des Automobilverkehrs mcht stören werde. Prinz S ch ö n a i ch-Ca r olath (natl.): Die berechtigten Interessen des Publikums müssen bei dieser Vorlage gewahrt werden. Auch die Kinderhaben ein Recht auf die Straße. Wir beantragen die Ueber- weisung des Gesetzentwurfs an eine 21gliedrige Kommission. Nachdem noch mehrere Redner sich über die Vorlage geäußert, geht sie an eine 21gliedrige Kommission. Es folgt die erste Beratung eines Gesetzentwurfs betr. Aenderungen des G e richtsv erf as s u n g s g es etzes, der Zivilprozeßordnung, des Gerichtskostengesetzes und der Gebührenordnung der Rechtsanwälte. Hei uze (natl.) beantragt die Verweisung der Vorlage an eine 21gliedrige Kommission. Auf eine Bemerkung Singers bemerkt Vizepräsident Paasche, der Reichskanzler habe auf Anfrage sich bereit erklärt, am Montag, spätestens Dienstag nächster Woche, die Interpellation betr. den Artikel im Daily Telegraph zu beantworte n. Nächste Sitzung Freitag 1 Uhr. Schluß ''/st 6 Uhr.
LandesnachrichLen.
js Nagold, 5. Nov. Der älteste Kurs des hiesigen Lehrerseminars, der 30 Zöglinge zählt, wird wegen des Lehrermangels schon mitte Januar im Volksschuldienst Verwendung finden.
! Tübingen, 5. Nov. Dem Beispiele anderer Städte folgend wird auch hier eine kostenlose R e ch t 8 s ch u tzA el le eröffnet werden. Das Bureau befindet sich in den Räumen des Evang. Vereinshauses. Der Evang. Frauenverein und der Verein Frauenbildung, Frauenstudium, haben sich zusammengetan und je zwei Mitglieder gewonnen, die sich gemeinsam der Beratung in Rechtsangelegenheiten unterziehen werden. Die Sprechstunde wurde, um auch den Frauen vom Lande Gelegenheit zu unentgeltlicher Rechtsauskunft zu geben, auf den Freitag verlegt. An diesem Tag findet Markt statt.
! Reutlingen, 5. Nov. In seiner gestrigen Sitzung sprach sich der Vorstand der Handwerkskammer Reutlingen dahin aus, daß zu der Landesausstellung von Lehrlingsarbeiten nur noch solche Stücke zugelassen werden sollen, welche in fremder Werkstätte angefertigt worden sind.
ss Stuttgart, 5. Nov. Der Vertrag zwischen den Staatseisenbahnverwaltungen von Württemberg, Preußen, Bayern, Sachsen und Baden betreffend einen Güterwagenverband wird im Laufe d s. M ts. in Frankfurl a. M. formell abgeschlossen, nachdem sich bei der letzten Zusammenkunft von Vertretern der beteiligten Staaten in Hamburg keine Schwierigkeiten ergeben haben.
js Waiblingen, 5. Novbr. Im Zeichen des Verkehrs! Ein gestern früh sechs Uhr in Stuttgart aufgegebenes Telegramm ist gestern vormittag 8.15 Uhr hier ausgenommen und dem mitten in der Stadt wohnenden Adressaten sage und schreibe um neun Uhr ausgehändigt worden, hat sonach drei Stunden gebraucht, eine Zeit, in der ein Fußgänger die Nachricht gerade so gut von Stuttgart hätte nach Waiblingen bringen können.
js Kirchheim u. T., 5. Nov. Der 38 Jahre alte Knecht Johann Böhm von Dettingen OA. Münsingen hatte einen Hafertransport des Eisenhändlers Scknnid von Schlierbach hierher zu befördern. Er ist dabei nnter seinen Wagen geraten, der ihm den Brustkorb eindrückte und seinen sofortigen Tod herbeiführte.
js Oehringen, 5. Nov. In Kupferzell OA. Oehringen hat sich gestern nacht der ledige Geometer Brettschneider, der heute Hochzeit feiern sollte, aus bis jetzt unbekannten Gründen erhängt.
js Ulm, 5. Nov. Hier ist man einem Fall von Steuerverfehlung auf die Spur gekommen, der verdient, zur War-
Martin lachte höhnisch auf: „Sehen Sie meine Haare. Tie sind im Alter grau geworden. Und diese grauen Haare wollen Sie täuschen? Ich durchschaue Ihr Spiel! 'lnd das ist kein ehrliches."
„Sprechen Sie!"
»Ja! Sie werden dann sehen, wie wenig Sie einen Uten Graukopf, wie ich es bin, zu täuschen vermögen. Zie Haffen Theo von Staupen. Sie Haffen ihn aus irgend welchem Grunde. Und deshalb wollen Sie ihn vernichten. Lo ist es. Er aber ahnt es nicht, daß Sie sein Verderben sind. Das sage ich Ihnen."
Smiles mußte sich zurückhalten, um nicht seine Anklage gegen von Stauffen auszusprechen. Das war also der Verdacht, der gegen ihn von dieser Seite erhoben wurde. Wäre es nicht Unverstand gewesen, wenn er seinen Verdacht ausgesprochen hätte. Würde dieser ihm Glauben geschenkt haben? Niemals! Dies erkannte jetzt Smiles und er sagte deshalb: „Gut! Ich habe Sie bisher ruhig angehört! Nun werde auch ich sprechen. Ich habe nichts anderes getan, als was ich in Ihrem Aufträge tun mußte. Ich habe viel mehr, als ich für möglich hielt, über die Person dieses Theo von Stauffen erfahren. So viel, daß Sie zögern würden, Ihr Kind diesem Menschen anzuvertrauen."
„Ich gebe nichts daraus. Sprechen Sie! Beweisen Sie!"
„Nein! Ich werde dies nicht tun. Wozu auch! Sie werden mir doch nichts glauben. Eben deshalb schweige ich. Ich will nicht, daß pur nochmals solche Vorwürfe zur Last fallen, wie Sie sie mir vorher entgegenwarsen."
„Dann habe ich hier nichts mehr zu tun! Adieu!"
„Ihr Geld!"
„Ich habe von Ihnen keines zu bekommen."
Herbert Martin war schon aus dem Bureau verschwur: Sen.. Imiles sah ihm narb: dann setzte er sich an den Schreibtisch, stützte den Kopf aus beide Hände und brütete oor sich hin. Sollte das ein Ende sein? TaS war nicht
möglich. Er mußte diesen unbeugsamen Willen des Alten brechen. Ein Hindernis lag ihm im Wege, das ihm jede Mög iichkeit versperrte. Dieses Hindernis hieß. — Theo von Stauffen. Und doch glaubte er, die Mittel in Händen zu haben, um ihn unschädlich machen zu können. Aber durfte er? Gerade der Verdacht, den der alte Martin gegen ihn erhoben hatte, war ihm Beweis, daß er noch nicht das Recht hatte, anzuklagen. Wo aber lag dann eine Lösung?
(Fortsetzung folgt.)
Vermischtes.
(8/,.) Eine Zeugnis-Aenderung »ach mehr als 4 Jahren. Eine Frage von weittragender Bedeutung beschäftigte die 3. Kammer des Kaufmaunsgerichts zu Berlin. Der klagende junge Mann war vom Jahre 1900 bis 1. Juni 1903 als Lehrling und von dieser Zeit ab bis 1. April 1904 als Buchhalter bei dem Beklagten R. in Stellung. Bei seinem Abgänge erhielt nun der junge Mann von dem Prinzipal ein Zeugnis über die ganze Zeit seiner Tätigkeit ausgestellt, in dem angegeben ist, daß „die Leistungen nicht genügten." Erst jetzt nach mehr als 4 Jahren klagte der junge Mann auf Ausstellung eines anderen Zeugnisses. Auf Befragen des Vorsitzenden, weshalb erst jetzt Aenderung des Zeugnisses verlangt wird, erklärte der Kläger, daß er 3—4mal um ein anderes Zeugnis den Beklagten gebeten, und daß diese Briefe immer wieder im Original zurückgegeben worden sind. Der Kläger erklärle ferner, daß er jetzt aber von dem Zeugnis Gebrauch machen will, weil er seine Stellung zu wechseln beabsichtigt. — Bereits im Jahre 1904 hatte der junge Mann gegen den Beklagten einen Prozeß geführt und zwar klagte er damals auf das Gehalt für die Monate April, Mai, Juni infolge ungerechtfertigter sofortiger Entlassung. In der zweiten Instanz von dem Landgericht wurde jener Prozeß zu Gunsten des jungen Mannes entschieden. Das
Landgericht führte in den: Urteil aus, daß kein Grund zur sofortigen Entlassung vorlag. — Nach den Ausführungen des beklagten Prinzipals sott der klagende junge Mann „in der letzten Zeit seiner Tätigkeit sehr nachlässig gearbeil" haben. So z. B. hat er die Eintragungen in »das Hauptbuch unterlassen. Der klagende junge Mann soll sich auch um das Geschäft nicht bekümmert haben. Hierauf stellte nun das Gericht den Begriff „in der letzten Zeit seiner Tätigkeit" fest. Der Beklagte mußte alsdann zugebeu, daß der Kläger bis zur Beendigung der Lehrzeit zufriedenstellend gearbeitei hat. Das Gericht wies nunmehr auf den 8 80 des Handelgesetzbuches hin, wonach der Lehrherr dem Lehrling bei der Beendigung des Lehrverhältnisses ein schriftliches Zeugnis über die Dauer der Lehrzeit und die während dieser Zeit erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten, sowie über sein Betragen auszustellen hat. Es war auf Grund dieser Bestimmung also Pflicht des Beklagten gewesen, dem Kläger nach Beendigung der Lehrzeit schon ein Zeugnis über die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten, sowie über das Betragen auszustellen. Der Beklagte durfte nicht über die ganze Tätigkeit ein Zeugnis erteilen, er mußte vielmehr über die Lehrzeit ein besonderes Zeugnis und zwar gleich nach Beendigung derselben geben. Auf diejenige Zeit, in welcher der junge Mann als Buchhalter tätig war, mußte ihm im Sinne des 8 73 des Handelsgesetzbuches ebenfalls ein Zeugnis erteilt werden. — Der Beklagte erklärte sich darauf auf Anraten des Gerichts bereit, dem Kläger über die Lehrzeit ein Zeugnis auszustellen mit dem Bemerken, daß er mit seiner Führung und Leistung zufrieden war.
Doppelsinnig. Gnädige Frau zum Mädchen: „Jette, als ich heute früh im Parke war, Hab ich gesehen, ivie ein Kindeifräulein ihre kleinen Schutzbefohlenen von Soldaten küssen ließ. Ich hoffe, daß Sie das nie zulassen!" — „Sie können ganz beruhigt sein, gnädige Frau! Kein Soldat wird daran denken, die Kinder zu küssen, solange i ch dabei bin!"