Schwarzwälder Sonntagsblatt.
Kaffe saß, ließ das Wetter nach. Der einsame Mann im Nebenzimmer erhob sich, zahlte sein Glas Bier und langte dann nach seinem bequemen Filzhut. In diesem Augenblicke trat der Wirt zu den andern Gästen ein und der Fremde sah durch den Türspalt gerade in Moritz Wächters vergnügtes Gesicht.
„Aha, da ist ja mein gestriger Wohltäter!" Ein plötzlicher Gedanke machte ihn umschauen; richtig da hing neben der Tür der neue, feine Zivillingshut des seinen. Leise schlich er näher, vertauschte die beiden und war gleich darauf vor der Tür, um das Ilmtal abwärts auf Nimmerwiedersehen zu wandern.
Inzwischen richtete sich die Berkaer Gesellschaft zum Aufbruch. Die Damen schürzten ihre Kleider auf, denn ganz Buchfahrt glich einem gelben Lehm-See. Moritz besah etwas erstaunt seinen neuen Hut.
„Sieh doch, Linchen, hier ist schon wieder eine ganz dünne Stelle in der Krempe, die kann ich doch unmöglich seit gestern hineingegrüßt haben!"
„Ach, und da an der Seite sind ja dieselben Flecke, wie an dem alten Hut."
„Merkwürdig ! Aber verwechselt ist er hier nicht, denn schau — meine Visitenkarte ist drin ; ich hatte sie erst heute hineingeklebt."
„Sie hat aber dieselbe abgerissene Ecke, wie die Karte im alten Hut, die wir gestern vergessen haben, herauszunehmen. Sollte etwa der Landstreicher hier gewesen sein?"
Der Wirt wurde gerufen und das Ehepaar erfuhr die Anwesenheit des fremden Menschen. Sehr ärgerlich blieb es noch im Gasthofe zurück, um sich von diesem Schrecken erst zu erholen.
„Vier Mark hat er gekostet, Linchen."
„Das hilft nun mcht, morgen mußt Du Dir einen andern holen und notgedrungen heute dies Exemplar, welches bereits von einem Bettler getragen wurde, benutzen. Uebrigens — so gern ich sonst Fußtouren mache, so habe ich doch Bedenken vor diesem Rückweg, es istja bodenlos naß."
„Dürste ich den Herrschaften meinen Wagen anbieten?"
„Natürlich, natürlich! Nicht wahr, Moritz?"
„M. W.", tönte es zurück, er hatte auch keine Lust zum Gehen.
Als das Gespann vorfuhr, betrachtete er es freilich mit bedenklichen Blicken. Es war ein Bauernfuhrwerk, in welches Beide mittelst Stühlen sehr umständlich hineingewuchtet wurden. Dann ging es mit furchtbarem Holpern zum Dorfe hinaus auf die Landstraße, welche talwärts durch das Dorf Hetschburg nach Berka führt. Die Lehmpfützen spritzten immer hoch auf, wenn der Ackergaul sich Bahn durch dieselben brach. Aber schlecht gefahren ist besser, wie gut gegangen. Und „gut gehen" konnte man das unmöglich nennen, was die übrige Gesellschaft auf dem Rückwege leisten mußte.
Wächters überholten bald alle Wandernden, die mühselig ihre Stiefeln, welche wie gelb lackiert aussaheu, durch den Schmutz zogen und neidisch dem Gefährt nachblickten.
Als Wächters zu Hause ankamen, meinte er: „Hier ist es doch weit schöner, wie in Buchfahrt; ich denke, wir bleiben künftig lieber in unserm hübschen Berka."
„Und sitzen spazieren", lachte sie.
„M. W., M. W.", gab er freudig zurück; im nächtlichen Traume murmelte er freilich noch ein paar Mal: „Vier Mark der Wagen, vier Mark der Hut, wieder ein teurer Tag."
Am andern Morgen erhandelte er eine hellgraue neue Kopfbedeckung, denn die braune Farbe hatte er plötzlich satt bekommen. Der Verkäufer aber sah im Geiste, ob dieser Ueppigkeit des Kurgastes, eine für ihn glänzende Saison herannahen; er war es gar nicht gewöhnt, daß seine Hüte plötzlich so begehrt wurden.
Humoristische Ecke.
Fliegende Blätter.
Bei der Modistin. „Weißt Du, liebes Männchen, was ich mir beim Anblicke dieses reizenden Glockenhutes denke?" — „Gewiß! Weiß schon, wie viel's geschlagen hat!"
Verschnappt. Madame: „. . . Mein Mann war wütend über das heutige Mittagessen! Nicht 'mal einen Kuß Hab' ich gekriegt, als er ins Bureau ging!" — Köchin: „Ich auch nicht!"
Ersatz. Chef (zum Buchhalter): „'s ist mir unmöglich, Ihnen jetzt drei Wochen Urlaub geben zu können!" — Buchhalter: „Ach, Herr Chef, dann bitte ich um einen Vorschuß, damit ich wenigstens meine Alte aus ein paar Wochen fortschicken kann!"
Ein Menschenfreund. Onkel (zu seinem studierenden Neffen): „Was soll das heißen? Ich schicke Dir immer wieder das Geld zum Ausgleich Deiner Schulden, und nun höre ich, daß Du an Deine Gläubiger stets nur kleine Abzahlungen machst!" — Nesse: „Aber, lieber Onkel, Du glaubst gar nicht, was für eine riesige Freude meine Gläubiger immer haben, wenn sie nur etwas Geld von mir bekommen !"
In der Apotheke. „Soll ich die fünf Pillen in Papier einwickeln ?" — „Na glauben Sie, ich werd' sie nach Hause rollen? !"
Meggendorfer Blätter.
Peinlich korrekt. Bauernbursche (zumandern): „Wo rennst denn so narrisch hin?" — „In die Stadt nach'n Brechmittel, . . . wir haben einen Staatsanwalt als Sommerfrischler, der hat heut' beim Wirt Forellen 'gessen und ist dann draufkommen, daß sie g'stohlen sind!"
Begreisllich. Gast: „Warum haben Sie denn den Hausierer hinausgeworfen, er hat sich doch sehr anständig benommen?" Wirt: „Ja, denken Sie sich, der Kerl bietet meinen Gästen durststillende Bonbons an."
Weibliche Handarbeiten. „Was machen Sie denn da Schönes, gnädige Frau?"
— „Das wird ein Schoner für unser'n Tischdeckenschoner !"
Zukunftstraum der kleinen Else. Postbeamter: „Wollen Sie die Briefmarke mit Schokolade- oder Him- beergeschmack?"
Aus moderner Kinderstube. — „So, Kinder, ihr spielt also Gerichtshof?" Kl einer: „Jawohl, mein Hampelmann hat Gretchens Puppe umgebracht, und dafür wird er von uns für verrückt erklärt!"
Zuwider. Dorfpolizist (ein verdächtiges Individuum im Wirtshaus bemerkend) : „So a' z'widerer Kerl! . . . Dreiundzwanzig Steckbrief' Hab' ich — und der Kerl paßt mir zu keinem einzigen!"
Fatale Eigenschaft. „Was hast du eigentlich am Baron auszusetzen? — „Er kommt mir zu rasch vom Hundertsten ins Tausendste!"
— „Aber diese Gewohnheit haben sehr viele Leute bei der Unterhaltung! Das macht doch nichts." — „Bei der Unterhaltung allerdings nicht — aberbeim Pumpen!"
Auch eine Beschäftigung. „Was machen denn die jungen Eheleute?"— „Die zanken sich den ganzen Tag, wer von ihnen beiden das größte Schaf gewesen, als sie sich heirateten.
Anspruchsvoll. Dienstmädchen: „Sie können Holz spallen, dann bekommen Sie ein Mittagessen!" Bettler: „Hm — bitte, sagen Sie mir erst 'mal das Menü!"
Drastischer Vergleich. Unteroffizier (beim Parademarsch) : „Donnerwetter, tritt der Kerl wie eine Balletteuse auf und hat Flossen wie ein Rhinozeros!"
Mißverständnis. G a st (zur vorübereilenden Kellnerin): „Ein dutzendmal habe ich Kaffee und Kuchen bestellt, Kellnerin!" Kellnerin: „Sofort komme ich! (Nach zehn Minuten) Hier, zwölfmal Kaffee und Kuchen, mein Herr!"
Rückwirkung. Temperenzler: „Sie scheinen sich der Wirkung des Alkoholgenusses nicht bewußt zu sein!" Privatier Huber (zornerfüllt, den Maßkrug zum Schwünge bereit): „Wenn S' jetzt net glei aufhör'n können Sie dö Wirkung verspür'n!"
Plirnregent Luitpold von Bayer« auf der Jagd i« Hohenschwangau.
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Oskar v. Redwitz stellt die schöne Behauptung auf: „Und nichts ist groß und nichts ist klein,
Wenn ich nur das, was ich soll sein,
Auch recht im Geiste Gottes bin!"
Dr. Jseke fragt in seiner poetischen Bearbeitung der Nachfolge Christi von Thomas von Kempen:
„Wer ist groß? Wer vor sich klein ist,
Ehren als ein Nichts bettachtet;
Wer ist klug? Wer, Christum suchend.
Nur für Kot die Erde achtet."
Liegen im Vorhergehenden schon die Anweisungen, wie man groß werden kann, so wird dies noch weiter erörtert i« den Versen:
„Lerne auf eigenen Füßen steh'n,
Mit eigenen Augen lerne seh'n.
Eigene Gedanken im Kopfe tragen,
Mutig die eigene Meinung sagen!
Wer so viel Eigenes errungen auf Erden,
Der hat das Zeug, etwas Großes zu werden."
Aber: „Mehr Leute ringen sich aus fremder Schwäche empor als aus eigener Kraft."st
Zumeist diesen Schlag Leute geht an, was ein Humorist schreibt: st
„So lange klein und bescheiden sein Los,
Zieht weidlich er über die Großen los;
Doch kommt er empor durch 'nen glücklichen Fall, Macht er's eben auch wie die anderen all'."
Wie es auf Erden nicht lauter hohe Gebirge gibt, so ist auch nicht zu verengen, daß jedermann groß sei.
„Nichts Gutes ist zu klein;
Alan kann nicht immer groß,
Doch immer nützlich sein." st Wer über die ihm von der Natur gesteckten Grenzen hinaus will, verfällt der Lächerlichkeit und dem Vorwurfe des Größenwahns.
„Und wär' der kleine Finger Geschwollen noch so sehr, —
Er bleibt der kleine Finger,
Nichts weiter und nichts mehr!" st Köstlich ist ein Gedicht Heinrich Seidels über vermeintliche Größe, das unseren Gegenstand beschließen möge:
War einst ein Jnfusorium;
Es mar das größte um und um In seinem Wassertropfen.
Es saß und dacht': „Wer gleichet mir?
Was bin ich für ein riesig Tier!
Ich bin so groß! — so weit man sieht.
Erschaut man meinesgleichen nicht!"
Kam eine Maus an diesen Ort,
Die hatte Durst und trank sofort
Den ganzen Wassertropfen Mitsamt den Infusorien all, Fünfhunderttausend auf einmal. — Gar mancher Mensch ist solch ein Tor Wie dieses brave Jnfusor!
Rätsel.
Das Erste dient verschiedner Weise Zu Suppe, Brei und süßer Speise.
Und daß er dort sich selbst erhol'. Besucht es mancher in Tirol.
Des Lebens Sonnenschein versinkt, Wenn in dein Herz das Zweite dringt. Und bist du's einem, nun der kann Als Freund dich niemals sprechen an.
Das Ganze ist sich selbst zur Last Und nirgends ein willkommner Gast, Vor dem der Frohsinn jäh entflieht. Weil dort sein Blick nur Arges sieht.
Auflösung des Rätsels aus voriger Rümmer:
Feldzug.