Schwarzwälder Sonntagsblatt.

, Was ist Fürst Bismarck in seinem Leben alles gewesen?

(Nachdruck verboten.)

Von Georg Paulsen.

Der erste deutsche Reichskanzler gilt uns vor Allem als ein unerreichter Meister in der auswärtigen Politik, aber er > hat sich auch auf anderen Gebieten rühmlichst bewährt, und l darum ist in der heutigen Erinnerungszeit die oben gestellte

Frage wohl berechtigt.

Otto von Bismarck hat nicht nur die Rechtswissenschaft ! studiert, sondern auch während seines Einjährigen-Freiwilligen- Jahres als Jäger in Greifswald die landwirtschaftliche Aka­demie in Eldena besucht. In seiner Staats-Lausbahn hatte er es ja zunächst nicht weit gebracht, als Auskultator (Re­ferendar) verließ er das Gericht, um die Verwaltung der vom Vater ererbten Güter in Pommern und seines Stamm­sitzes Schönhausen an der Elbe zu übernehmen. Darin zeigte er sich als der hervorragende praktische Landwirt, der jeder Zeit auch als Reichskanzler über ländliche Angelegenheiten sachlich mitsprechen konnte. Und er hatte keine leichte Arbeit, sein Erbe war nicht unerheblich verschuldet gewesen. In I dieser Zeit diente Bismarck nochmals als Leutnant bei der

^ Kavallerie in Naugard, um dann nach seiner Hochzeit seinen

! Wohnsitz in Schönhausen zu nehmen.

Diese kurzen Jahre des Schönhauser Aufenthalts brachten ihm zwei Würden: den Posten des Deichhauptmannes für die Elbufer und das Ehrenamt als Mitglied der zweiten preußischen Kammer, aus der später das Abgeordnetenhaus wurde. Bis in die fünfziger Jahre ist er Landtagsabgeord­neter gewesen, dann fesselte ihn der Staatsdienst ausschließlich.

Nach kurzer Hilfstätigkeit bei der preußischen Bundestags- Gesandtschaft in Frankfurt am Main wurde er Gesandter und Exzellenz. Als Landwehroffizier war er noch Leutnant und es klang etwas drollig, wenn die preußischen Gesandten in der Mainstadt ihnSeine Exzellenz den Herrn Leutnant von Bismarck" nannten. Damals trug er auch noch In­fanterie-Uniform, später die der Kürassiere, zuletzt, wie bekannt, die der Halberstädter. 1866 war er erst Landwehr-Major, bei seinem Scheiden aus seinem Amt 1888 wurde er zum Generaloberst mit dem Range als Feldmarschall ernannt.

Den Gesandten-Posten in Frankfurt am Main, Peters­burg und Paris folgte die Ernennung zum preußischen Mi­nisterpräsidenten und Minister des Auswärtigen, nach 1866 ward er Kanzler des norddeutschen Bundes, daneben war er aber auch eine Weile Minister für Lauenburg gewesen, und als dies mit Preußen vereinigt wurde, wurde er für diesen Nebenposten pensioniert.

Das große Jahr 1871 sah Bismarck dann als Reichs­kanzler und Vorsitzenden des Bundesrates und lebensläng­liches Mitglied des preußischen Herrenhauses. Die Würden als preußischer Ministerpräsident und Minister des Aus­wärtigen verblieben ihm dazu, weiterhin wurde er noch Präsident des preußischen Staatsrates und für eine Reihe von Jahren Minister für Handel und Gewerbe. Für alle diese Posten erhielt Bismarck nur ein Gehalt, in Höhe von 60 000 Mark; heute bezieht der Reichskanzler 100 000!

Durch seine Zugehörigkeit zum Bundesrat und zum preußischen Herrenhaus war Bismarck verhindert, zum Mit­glied des Reichstages und preußischen Abgeordnetenhauses gewählt zu werden. Erst nach seinem Rücktritt wurde er für eine Legislatur-Periode zum Reichstagsabgeordneten ge­wählt, hat aber in dieser Eigenschaft nie den Sitzungssaal l betreten.

! Bei seinem Scheiden aus dem Amt erfolgte noch die

! Ernennung zum Herzog von Lauenburg; Bismarck hat diesen Titel, der nur ein persönlicher, kein erblicher war, also mit seinem Tode wieder erlosch, nie geführt; auch in seinen amtlichen Unterschriften zeichnete er sich nurv. Bis­marck", nicht Fürst Bismarck. Er wollte die Fürstenwürde überhaupt nicht annehmen und schwieg erst, als er die große Freude des alten Kaisers sah, ihm diese Auszeichnung er­weisen zu können.

Es gibt selten, sehr selten einen großen Diplomaten, der einen so scharfen Blick für das praktische Volksleben hatte, der auch das Kleinste umfaßte und verwertete. Hin­gegen war er Feind prunkender Feste und verstand es nach seinen eigenen Worten nicht, w.ie ein Mensch sich so sehr nach Orden und ähnlichen Auszeichnungen sehnen konnte, daß er daraus eine wichtige Sache machte.

Interessante Kleinigkeiten.

Ob ein Auge gesund oder krank ist, kann man daran i erkennen, ob eine genaue Einstellung der Krümmungsradien der Linsenoberfläche des Auges auf ein entferntes Blickziel erfolgt oder nicht. Ein krankes Auge vermag diese Wölbung nicht zu regulieren.

Im Finstern wirkt jede Vermehrung des Kohlengehalts der Luft schädlich, daher ist die Aufstellung von Blumen im Schlafzimmer während der Nachtzeit ungesund.

Der Zwischenkiefer am Schädel des Menschen ist von Goethe entdeckt worden.

Die Taubstummheit beruht nicht auf einer mangelhaften Bildung der Sprachorgane, sondern die Stummheit ist nur eine Folge der Taubheit.

Bis 1610 kannte man zwischen den Gasen und der Luft keinen Unterschied.

Die elektrischen Versuche gehen auch im luftleeren Raume unverändert von statten.

Nutz und Handschlag vom Stand­punkt der Gesundkeitslehre.

Von Dr. Julius Lang.

(Nachdruck verboten.)

In jener alten, biederen Zeit, als die Gastfreundschaft noch hoch gehalten und das Gastrecht unverletzlich war, be­stand die schöne Sitte, daß die Hausfrau oder deren Stell­vertreterin dem ankommenden Gast züchtig die Lippen zuni Willkommkutz darbot. Lange schon ist diese Sitte mit anderen mittelalterlichen Gebräuchen zu Grabe getragen. Und nicht übertriebene Schamhaftigkeit allein hat diese Abschaffung herbeigeführt, sondern ein viel schlimmerer Umstand war es, der hier ausschlaggebend wurde. Man konnte nämlich in vielen Fällen die Wahrnehmung machen, daß durch den an­scheinend so harmlosen Kuß des Fremdlings böse Krankheiten in das gastfreie Haus hineingetragen seien. Fürwahr ein schlechter Entgelt für genossene Wohltaten! Zuerst zeigten sich an den Lippen und im Munde der Geküßten schmerzhafte Ausschläge, denen bald auch andere krankhafte Zustände mannigfacher Art folgten. Ueber die Natur derselben, sowie über ihre Herkunft konnte man bald nicht mehr im Zweifel sein. So kam derKuß in Ehren" arg in Verruf und man wurde mit seiner Austeilung weniger freigebig. Ganz ausgerottet ist das unberechtigte Küssen auch heute noch nicht. Unberechtigt muß man aber jeden Kuß nennen, der zwischen Personen gewechselt wird, die nicht durch die engsten ver­

wandtschaftlichen oder Liebesbande mit einander verknüpft sind. Es gibt gewisse Kreise oder Familien, in denen das Küssen mehr üblich ist, als in anderen. In vielen Häusern gehört der Gutenacht-, Morgen- und (4 bis 5 mal tägliche) Mahlzeitskuß zur Tagesordnung, wie das Schlafengehen, Aufstehen und Essen überhaupt. Aber was das Schlimme dabei ist, diese Liebesbezeugungen beschränken sich nicht auf die Familienangehörigen selber, sondern erstrecken sich meist auch auf etwa Anwesende, mehr oder weniger oder auch gar nicht verwandte Gäste. Sind doch manche Eltern sogar stolz auf ihre Erziehungserfolge, insofern sie ihre artigen Kleinen daran gewöhnt haben, zurgesegneten Mahlzeit" reihum ihre noch von Fett glänzenden Lippen der Tischgesellschaft dar­zubieten. Daß diesesEntgegenkommen" manchem der An­wesenden wenig appetitlich erscheint, kommt den Eltern nicht in den Sinn, noch weniger, daß es unter Umständen den Kindern auch Gefahren bringen kann. Nehmen wir ein an­deres Bild. Eine Neuvermählte, im Begriff abzureisen, verabschiedet sich auf dem Bahnhofe von ihrem bisherigen Kreise. Hunderte von Lippen vielleicht beleckt anders kann man diese gedankenlose Massenabküssung kaum bezeichnen sie da innerhalb einer Viertelstunde. MancherVetter" oder Onkel", dessen Verwandtschaftsgrad nicht ganz festgestellt iss, läuft hierbei in dem allgemeinen Trubel mit unter. Und nun gar erst die Unmengetreuer Freundinnen", die sich an­scheinend von den Lippen der Jugendgespielin oder Pensions­schwester gar nicht losreißen können, während sie im Innern vielleicht vor Neid und Mißgunst bersten. In manchen ver­wandtschaftlichen Kreisen, namentlich kleinerer Städte, herrscht ebenfalls Me patriarchalische Gewohnheit, daß, wenn ein

Glied der Familie auch nur auf kurze Zeit verreist, dasselbe bei der Abfahrt sowohl wie bei der Ankunft sich diefts wichtige Ereignis von jedem anderen Glied der Verwanbt- schaft durch einen Kuß quittieren läßt. Dasselbe geschieht auch wohl, vorzugsweise bei den Damen, bei den gewöhn­lichen alltäglichen Familienbesuchen. Und da in kleinen Orten gewöhnlich die halbe Stadt mit einander verwandt ist, häufig dann auch noch in den einzelnen Familien die Tageskußwut üppig blüht, so gibt das einen Urbrei von Küssen, bei dessen Anblick dem Unbeteiligten übel und wehe werden muß.

Der Kuß ist ein Preßerzeugnis, bei dem der Nachdruck erlaubt ist." Vom Standpunkt der Gesundheitslehre müssen wir indessen energisch dafür eintreten, daß die Preßfreiheit hier vollkommen aufgehoben und ein scharfes Preßgesetz er­lassen wird. Dieses Gesetz müßte in stillschweigendem Ueber- einkommen das Publikum sich selber geben. Erster und einziger Paragraph sollte lauten: Das Küssen ist nur zwischen Eltern und Geschwistern, sowie Mischen Liebesleuten nach ihrer Verheiratung gestattet. Gründe: Gewisse Krank­heiten sind so ungeheuer verbreitet und ihre Uebertragung auf bisher gesunde Personen ist so sehr leicht möglich, daß man sich gar nicht genug davor in Acht nehmen kann. Nun bildet der Kuß, wie schon längst mit Sicherheit festgestellt ist, einen gewöhnlichen Weg, auf dem eine solche Ansteckung zu Stande kommt. Daher muß die Sitte des Küssens als allgemeine Liebes- und Freundschastsbezeugung abgeschafft und ausschließlich auf die oben erwähnten engsten Familienglieder beschränkt werden. Viel Unglück hat in die Familien nament­lich auch das Küssen der Kinder seitens der Dienstboten ge­bracht, da von diesen sehr viele mit den angedeuteten ansteckenden Krankheiten be­haftet sind. Hier wäre also in erster Reihe der hygienisch - reformatorische Hebel anzusetzen. Aber auch sonst ist es Zeit, ent­sprechend der vorgeschrittenen wissenschaftlichen Erkenntnis, eine solche nahe Berühr­ung, wie sie im Kuß ge­geben ist, als unhygienisch, zwischen Fernerstehenden ab­zuschaffen. Man begnüge sich mit dem einfachen Hände­druck, der ja ebenfalls je nach der Zuneigung mehr oder weniger herzlicher ge­staltet werden kann.

Indessen auch diese unschuldige Freundschafts­bezeugung sucht uns die hygienische Wissenschaft zu verkümmern. Auch hier hat man neuerdings Gefahren entdeckt, denen Tag aus Tag ein unzählige Menschen ahnungslos ausgesetzt sind. Mag man nämlich über die moderne Bazillenjagd denken, wie man will, so viel steht jedenfalls fest, daß die Hände, die mit tau­senderlei Dingen in Be­rührung kommen, eine förm­liche Ablagerungstätte für j Krankheitskeime aller Art

j bilden müssen. Die hygi­

enische Vorschrift, sich so oft wiemöglich und nament­lich unbedingt vor jeder Mahlzeit die Hände 'zu waschen, ist daher wohlbegründet, nicht minder auch die Forderung, sich, namentlich beim Herrschen von Epidemien, des gegenseitigen Händeschüttelns möglichst

zu enthalten, außer man ist in der Lage, sofort eine gründ­liche Desinfektion der Hände vornehmen zu können. Da dies aber teils beleidigend, teils ungalant wäre, so wäre auch hier ein radikales Vorgehen am zweckmäßigsten, nämlich: unter Fernerstehenden die Abschaffung des Kusses, so auch des Handschlags. Was man als Freundschaftszeichen an Stelle dessen etwa zu setzen hätte, das zu erfinden ist nicht Sache des Hygienikers.

Arbeiten....

Es ist unsere erste Pflicht, die Furcht zu unterdrücken. Wir müssen frei von ihr sein, sonst können wir nicht han­deln. Unsere Taten sind sklavisch, nicht wirklich, sondern lauter Schein; ja, unsere Gedanken sind falsch, wir denken, wie Sklaven und Feiglinge, bis wir die Furcht unter unsere Füße gezwungen haben. Wir sollen und müssen tapfer fein, vorwärts schreiten, uns männlich freimachen, in dem ge­lassenen Vertrauen, von höheren Mächten berufen und er­wählt zu sein, und uns nicht fürchten. So weit einer die Furcht besiegt, so weit ist er Mann.

Arbeiten und nicht verzweifeln!" von Thomas Carlyle.

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