Du sollst reden, nicht viel, aber sinnig;

Du sollst beten, nicht lang, aber innig;

Du sollst handeln, nicht rasch, aber kräftig;-

Du sollst lieben, nicht laut, aber heftig;

Du sollst leben, nicht wild, aber heiter;

Du sollst dir helfen, Gott Hilst dir weiter.

Halm.

Adel.

Erzählung von Ludwig Habicht.

(Fortsetzung.)

SiebeWindzwanzigstes Kapitel.

Graf Leonardo Tannbausen hatte seinem Bruder die er» lösende Kunde gebracht und schon am nächsten Tage batte sich Bernhard, begleitet von den besten Wünschen des Bruders. auf- gemacht. um nach Werdenberg zu eilen und endlich die Geliebte, nach der er sich so schmerzlich gesehnt, um den Grafen wieder- zusehen. zu dem er sich trotz allem, was man ihm gesagt, eigenartig bingezoaen fühlte.

Der Majoratsherr benutzte denselben Nachmittag zu einem Besuch bei deni General Baron Mannhof. Nun der Bruder seinem Liebesglück entgegenging. glaubte er. sich auch dem seinigen überlassen zu dürfen. Aletta hatte ihm so unzweideutige Zeichen von Zuneigung gegeben, die Eltern waren ihm so liebenswürdig entgegengekommen und er sagte sich nnt dem ihm eigenen guten Beistände: .Fort mit dem Zweifeln und Zaudern, Du liebst das junge Mädchen. Du hoffst glücklich mit ihr zu werden, warum willst Du Dich stutzig machen lassen von der Augst, daß es ihr nur um den Majoratsherrn zu tun sei? Den Kunstreiter Leonardo würde sie freilich nicht geheiratet haben; aber wo Du auch anklopfen magst, der Majoratsherr wird inimer schwer ins Gewicht fallen."

In recht gehobener Stimmung ritt er nach Ewersburg hinüber und erregte durch sein Erscheinen dort große Freude. Graf Vodewils war ebenfalls anwesend und der General sagte j ihm, auch sein Sohn werde bald kommen, er sei nur nach der i Station gefahren, um die jüngere Schwester abzuholen, die mit > dem Schnellzuge von ihrer Besuchsreise heimkehre. i

Inzwischen könnten wir ein Glas Wein trinken und einen , Skat zu dreien spielen", schlug er vor. erntete aber dafür einen ^ finsteren Blick von seiner Tochter. >

Ihre Mienen erhellten sich jedoch sogleich wieder, als Leonardo ^ ganz treuherzig erklärte, er verstehe sich nicht auf dieses Kartenspiel ! und er zöge es auch vor, den schönen Sonnenschein im Garten ! zu genießen. Beifällig klatschte sie in dies Hände und rief. : Leonardos Arm ergreifend:Bravo, Herr Graf, kommen Sie! ! Vetter Podewils kann sich ovfern und mit dem Papa eine Partie ! spielen, bis Edgar zurückkommt." !

.Ohne auf die sauersüße Miene des Vetters zu achten. ! führte sie Leonardo die von der Veranda in den Garten führenden i Stufen hinab, durchschritt im lebhaftesten Geplauder mit ihm > die kiesbestreuten Wege, die an üppigen ini Herbstflor vran- j senden Beeten vorbeifübrten. bis sie zu einem von Tannen um- ! ftandenen See gelangten, um den in angemessener Entfernung j voneinander Bänke ausgestellt waren. Auf einer derselben sich i niederlassend, bat sie mit schmelzender Stimme:Setzen Sie ! sich zu mir, Herr Graf.Hier ist mein Lieblingsplatz und ich - führe nur Menschen hierher, die ich gern habe." !

»Und gehöre ich zu solchen?" fragte er, indem er ihre Hand ergriff und ihr tief in die Augen sah. !

Sie schlug schmachtend den Blick zu ihm empor und ent- i gegnete:Muß ich darauf antworten? Wissen, fühlen Sie das > Nicht selbst. Leonardo?" und sie schmiegte sich an ihn. !

»T chw <rrz»väl der To nn tag s bl nt t.

Ich bin ein so ungelenker Naturmensch", flüsterte er. »Mir fehlt der Schliff, die feinere Bildung."

Das eben gefällt mir", erwiderte sie.schon Ihre eigen­tümliche Sprechweise ist mein Entzücken", und sie duldete es. daß er den Arm um ihre Schultern legte,ich mag nicht das Herkömmliche, das Geleckte! Du. Leonardo, bist ein Mann, sei es auch im vollsten Sinne des Wortes."

Was willst Du damit sagen?" fragte er nun doch etwas betroffen, daß sie so rückhaltslos ihre Gefühle bloßlegte. Von einer Kunstreiterin hätte er dies eher erwartet, aber von einer Gräfin?!" Gleichviel, dies stürmische Entgegenkommen wirkte auf ihn so berauschend, daß er den Mut gefunden hatte, das traulicheDu" ohne weiteres zu erwidern, das sie gebraucht hatte.

Laß Dich nicht gängeln, nicht beherrschen."

Auch von Dir nicht. Liebste?" scherzte er. Sie umging die Antwort, indem sie sagte:Ich liebe Dich, liebe Dich bis zur Raserei: aber ich werde nur dann Dein Weib, wenn Du die Majoratsberrschaft beansvrnchst. die Dir zukommt."

Aber ich habe sie ja", entgegnete Leonardo betreten,niemand bestreitet mir. daß ich der Majoratsherr von Tannhausen bin."

Nur Du allein", versetzte sie und begleitete ihre Worte mit § einem mitleidigen Lächeln.Du darfst Dich nicht länger be- > Vormunden, nicht die Herrschaft, die Dir gebührt, durch einen ' andern ausüben lassen."

Bernhard versteht alles so viel besser als ich." !

Das läßt Du Dir nur von ihm vorspiegeln."

Er ist mein Bruder und bat so unendlich viel für mich i getan. Wir haben uns das Versprechen gegeben, uns nie von einander zu trennen."

«Und Du meinst, ich soll im Bunde die Dritte sein", fuhr sie hohnlächelnd auf.Nein, nein! Und wenn ich darüber zu Grunde gehen sollte, in das Haus, das zwei Herren hat, ziehe ich nicht. Wähle zwischen ihm und mir."

Ich kann nicht! Ich kann nicht!" rief Leonardo sogleich. ^ Du mußt es können, wenn Du mich wirklich liebst", ent­gegnete sie in großer Erregung.Du darfst nicht länger ein« lächerliche Rolle spielen und Deinem jüngeren Bruder die Zügel der Herrschaft überlassen, die Dir allein gebühren. Das ist Deiner unwürdig." Sie iah, daß er noch.immer schwankte, daß er sich zu einem großen kühnen Entschluß nicht aufraffen könne und fuhr leidenschaftlich fort, während sie ihre Arme um seinen Nacken schlang:Leonardo, beuge Dich nicht länger unter das Joch Deines Bruders, Du bist ja so kühn, so mutig, ich

bewundere Dich. Du hast es ja stets bewiesen, daß Du ein

ganzer Mann und allem gewachsen bist. Mit Bernhard werde ich nie unter einem Dache wohnen, das erkläre ich Dir schon beute und je eher Du Dick völlig von ihm freimachst, je glücklicher werde ich sein" und sie sah ihm dabei bittend, voll leiden- , schaftlicher Zärtlichkeit in das Antlitz. -- ^ ^

Leonardo verlor den letzten Rest von ruhiger Besinnung. j Das beiße Blut des Italieners begann in ihm zu toben. Sie j war so schön, so entzückend in ihrer leidenschaftlichen Hingabe j und sie stürmisch an seine Brust drückend, rief er aus:Ich !

weiß, ich werde dann gegen meinen Bruder ein elender Schurke !

sein und doch" er wollte weiter sprechen, aber ein leises ! Geräusch hinter ihnen veranlaßte beide, sich umzusehen. Am , Stamm einer Tanne gelehnt stand ein junges Mädchen iw ! bellen Kleide, das Köpfchen von blonden Locken umwallt, die ! blauen Augen voll Bestürzung auf das Paar gerichtet, in dem j lieblichen Gesicht den Ausdruck des Zweifels, ob sie bleiben oder j sich entfernen solle. 229 ?

Leonardo erstarb das weitere Wort auf den Lippen, er ließ ' Aletta fahren und starrte niit großen Augen auf die neue Er- ! scheinung. Er glaubte plötzlich ein Bild vor sich zu haben, das er vor Jahren im Palazzo Borghese in Nom gesehen und das ! auf den Naturmenschen einen so tiefen Eindruck gemacht, daß

r-'-

er Seele erhalreu baue

Tmans rroriLe und görMLe Liede.

Das liebliche blonde Mädchen, voller Unschuld ist die himm­lische Liebe. Alettas wilde, verlangende Glut ist die irdische! Dieser Gedanke trat ihm sogleich in vollster Klarheit vor die Seele und weckte ihn aus seinem Sinnenrausch. Er wandte sich von der letzteren ad. feine Augen ruhten wie anbetend auf der ersteren.

Aletta war empört. Im Augenblicke, wo sie den Sieg in Händen zu halten geglaubt, kam diese Störung.

Leonie!" murmelte sie und mit finster zusammengezogene» Brauen fuhr sie die Schwester an:Was hast Du hier zu suchen?"

Verzeih, Aletta", bat Leonie nähertretend, und Leonardo trank mir Entzücken den Wohllaut dieser Stimme.Ich bin soeben angekommen, vermißte Dich im Kreise der Unsere», man sagte mir. Du seiest im Garten und ich bin gekommen. Dich aufzusuchen."

Nun gut. So magst Du auch sogleich bei Deiner Heimkehr wissen, daß ich diesen schwarzen bösen Menschen grenzenlos liebe, der mir mein armes Herz gestohlen hat. Ist es nicht so, mein Leossüo?!"

Verlangend streckte sie nach ihm die Arme aus, aber Leonardo schien wie verwandelt. Der Zauber war gebrochen. die schillernde, sich ringelnde Schlange hatte über ihn ihre Macht einaebnßt: er batte nur noch Augen für die Schwester.

Sprich, Leonardo, ist es nicht.so?" wiederholte sie dringender.

Er holte tief Atem, trat ein paar Schritte zurück und ant­wortete, in dem Erscheinen dieses engelgleichen Geschöpfes eine» Wink der Vorsehung erblickend:Nein. Baroneß. ich sehe jetzt meinen Weg klar vor mir. Ich werde aller Halbheit ein Ende machen und meinem Bruder in aller Form das Majorat über­tragen. Es kommt ihm zu. ich werde niemals die Hand darnach ausstrecken."

Das beißt wie ein Edelmann gesprochen!" rief Leonie und schaute voll Bewunderung auf den Menschen, über den sie schon so viele Urteile gehört hatte.

Schweig, Du Närrin!" fuhr Aletta auf und sich a» Leonardo wendend, fügte sie hochfahrend hinzu:Bedenken Sie wohl, was Sie sagen, Herr Graf. Meine Hand wird nur dem Majoratsherrn von Tannhausen gehören!"

Die unvermutete, störende Erscheinung der Schwester hatte sie ganz aus der Fassung gebracht. Unbesonnen ließ sie die Maske fallen, an Stelle des leidenschaftlichen, stolzen Weibes trat die kaltherzige Berechnung.

Leonardo fühlte sich durch diese Erklärung und noch mehr durch den Ton und die herrische Miene, mit der sie gegeben wurde, vollends ernüchtert. Ein sarkastisches Lächeln umspielte seine Lippen, das sie um den letzten Rest der ruhigen lieber- legnng brachte. Sie versuchte ihren höchsten Trumpf auszuspiele» und rief:Ach, Sie denken, Sie haben Ihren Bruder nicht mehr zu fürchten? Sie wissen nicht, welche Macht ich über ihn ausübe. Er ist weiches Wachs in meinen Händen. Machen Sie ihn nur zum Majoratsherrn und ich weiß, was ich zu tun habe." Stolz und siegesgewiß richtete sie sich in die Höhe.

Leonardo verbeugte sich nicht ohne Ironie.So wollen Sie also auf meine Hand verzichten, Baroneß? Sie haben mich also nie geliebt, mich nur getäuscht?"

Sie sah, daß auch ihr letzter verwegener Streich mißglückt war. Sie hatte geglaubt, seine Eifersucht zu erregen, ihn zu wilder Leidenschaft zu entflammen und sah ibn nun ganz ruhig, in ablehnender und dabei recht vornehmer Haltung. ein Edel­mann vom Scheitel bis zur Sohle vor sich stehen.

Ich glaubte Sie zu lieben, aber die Bedingungen, die Sie mir stellen, kann ich nicht erfüllen und will es auch nicht!" ant­wortete sie, jetzt jede Rücksicht fallen lassend.

Leonardo verbeugte sich leicht vor Aletta, recht tief und ehrfurchtsvoll vor der Schwester und sagte zu der letzteren;

Hielt mancher sich für unerkannt.

Ist er am meisten angerannt.

I. Bergmann.

Arbeit macht das Leben süß.

(Schluß.)

Viele von meinen früheren Freundinnen zogen Arm in Arm fröhlich plaudernd an mir vorüber. Oft saßen sie in einem breiten Buchengang, nahe meinem Versteck, und ich hörte dadurch unfreiwillig ihre Gespräche. Es war mir peinlich, auf diese Weise zur Lauscherin zu werden; noch peinlicher war es mir aber, meinen Platz zu verlassen, da ich nur einen Weg an ihnen vorüber benutzen konnte. Aber ich war ja an ihrer Unvorsichtigkeit nicht schuld, und ihre Geheimnisse sollten bei mir wohl verwahrt bleiben. Auf diese Weise bekam ich einen Einblick in ihr Leben, das mir, von der Ferne beobachtet, so köstlich heiter erschienen war. Von mancher Lieblosigkeit wurde berichtet, wie hatte der Neid die jungen Lebenstage schon vergiftet. Ja, einmal hörte ich ganz deutlich ein klägliches Schluchzen darüber, daß ein erhaltenes Kleid nicht so schön und reich ausgefallen war, wie es erwartet wurde.

Das öffnete meine Augen. Wie still und friedlich er­schienen mir die Tage, die ich an der Seite meiner Mutter verlebte, wie traulich das Stübchen, das kaum Raum genug für uns zivei bol, mit meinem Platz an dem Fenster, das immer mit einigen Blumen besetzt war und an dem Tischchen, dessen Arbeitskürbe nie leer wurden. An den nächsten Tagen ergriff ich meine Arbeit so gern wie nie, und weil mir gar so leicht ums Herz war, summte ich einige Lieder vor mich hin. Die Mutter nickte mir lächelnd zu. O wie leicht ging mir die Arbeit von der Hand!

Ter schönste Sonnenschein lag draußen, er rief und lockte ins Freie, und der Mutter Ohr war immer offen für diesen Ruf. Kind, leg die Arbeit bei Seite, sagte wieder die liebe, freundliche Stimme.

Ich sah auf. Ja, jetzt hatte ich wirklich sehen gelernt; bleich und schmal war der Mutter Gesicht, sie brauchte die Erholung sicher mehr als ich. Schnell faltete ich die Arbeit zusammen und schlang dann meine Arme um mein treues Mütterlein: Nur mit dir zusammen geh ich hinaus, flüsterte ich ihr zu, und Mutter gab zuletzt meinen Bitten nach.

Ja, das war ein Spaziergang, so schön, ivie noch keiner vorher. Der Mutter Wangen färbten sich ein wenig, und ich hatte das freudige Gefühl, als wäre das mein Verdienst. Wir gingen durch den Park, ich zeigte meinen Lieblingsplatz ; aber heute drängte es mich weiter. Wir durchwandelten die schattigen Gänge und kamen bei den früheren Freundinnen vorüber, es drückte mich nicht inehr, daß mein Kleid geringer war, als das ihre. Draußen an der freien Wiese machten

mir Halt. Wir waren da ganz vereinsamt; selten dehnten die Spaziergänger ihren Weg bis hierher aus. Am Saume des Waldes stand ein kleiner Hügel, in seinem duftigen Grase ließen wir uns nieder.

Eine Lerche schmetterte über uns ihr Lied; es wurde nur so wohl und frei ums Herz, daß ich mit ihr um die Wette hätte jubeln mögen. Da zog mir ein Spruch durch den Sinn, den ich als kleines Kind gelernt: Arbeit macht das Leben süß. Ja, ich hatte es erfahren, welch köstlicher Schatz für uns die Arbeit ist, und dachte mit Beschämung daran, wie blind und trostlos die Selbstsucht macht. Der Lerche Lied erklang noch; dazwischen ertönten die Glocken der heimkehrenden Herden, und der Abendwind umwehte uns mit würzigem Blütenduft. Ich schmiegte mich eng an die Muttermund gelobte mir im stillen, ihr nach Kräften alle Liebe und Treue zu vergelten, die sie mir bisher erwiesen.

Da entdeckte ich am Fuße des Hügels ein blaues Fleck­chen, schöne, große Vergißmeinnicht standen dort dicht ge­drängt bei einander. O Mutter, sieh! rief ich entzückt. Im Nu kniete ich unten im Grase und pflückte ein Sträußchen. Vergißmeinnicht", tönte es mir dabei mahnend ins Ohr; gewiß, ich wollte sie nie vergessen, die festlich frohe Stunde, die ich eben verlebt, noch weniger das stille Gelübde, das ich soeben in meinem Herzen getan. Den Strauß bekam die Mutter, nur einige Blümchen daraus preßte ich für mich; und als ich zur Erinnerung an den Tag das kleine Sprüch­lein hier auf dies Blatt geschrieben, klebte ich sie darunter; es war wohl der beste Platz, den ich ihnen geben konnte.