bereit ist, das heutige moderne Deutschland zu verteidigen, würde auch zusammenstehen, um den Nachlaß des früheren Deutschland zu schützen.

Wenn die angekündigten E n t r e v u e n alle stattsinden, dann kann der heurige Sommer der der Begegnung der Staatsoberhäupter genannt werden. Folgende Besuche sind angekündigt: Präsident Fallieres in London, Kopenhagen, Stockholm, danach Begegnung mit dem Zaren. König Eduard in Reval, später Begegnung mit Kaiser Wilhelm und Kaiser Franz Joseph. Der Zar in Kopenhagen, London, Paris, Rom, Wien, dazwischen eine Begegnung mit unserem Kaiser nach der Nordlandreise. Das ganze Programm wird ja nicht zur Ausführung kommen, aber auch der gesicherte Teil dieses Programms ist schon von großer politischer Bedeutung.

* *

Die englischen Frauenrechtlerinnen sind aus allen ihren Himmeln unsanft herabgefallen. Nach neuer­lichen Auslassungen des Premierministers Asquith schien es so, als sei die Regierung geneigt, in der Frage des Frauen­stimmrechts Zugeständnisse zu machen. Zwanzig Frauenrecht­lerinnen zogen es gleichwohl vor, von Herrn Asquith einen bündigen Bescheid einzuholen. Wie groß war aber die Be­stürzung der Damen, als ihnen der Premierminister rundweg erklärte: An ein Frauenwahlrecht in England ist einstweilen nicht zu denken. Die Frauen verübten daraufhin den ge­wohnten Unfug, so daß sechs von ihnen verhaftet werden mußten. Sie wurden nach dem Polizeigericht gebracht und von diesem zu l bis 3 Wochen Haft verurteilt.

Abdul Hamid, der bereits am heutigen Montag seinen Einzug in Fez halten wollte, hat den feierlichen Aktus um eine Woche verschoben. Er will vorher anscheinend die Regierungsorganisation durchführen. Von den alten Ministern bleiben nur wenige im Amte, es werden fast ausschließlich neue Männer berufen werden.

Würtlembergischer Landtag.

Kammer der Abgeordneten.

Stuttgart, 22. Mai.

Die Zweite Lesung der Bauordnung nahm heute in der .Abgeordnetenkammer ihren Anfang. Dieser Gesetzentwurf Mdet zweifellos den bedeutsamsten Gegenstand parlamen­tarischer Beratung mit dem sich das Haus in seiner ge­genwärtigen Tagung zu beschäftigen hat. Die Verhand­lungen wurden mit der Beratung bei Art. 1 begonnen, der nach den Kommissionsbeschlüssen folgendermaßen lautet: -,Die privatrechtliche Befugnis, auf einem Grund­stück zu bauen, unterliegt nur denjenigen öffentlich-recht­lichen Bestimmungen, die durch Gesetz und gesetzlich be­gründete Vorschrift festgestellt sind. Als Gesetz gilt jede Rechtsnorm. Durch Verordnung Wunen rechtsverbindliche Bestimmungen auf dem Gebiete der Baupolizei nur ge­troffen wxrden, soweit es in diesem Gesetz für zulässig erklärt ist. Minister v. Pischek erklärte seine Zustimmung zu den prinzipiellen Bemerkungen des Berichterstatters. Der Verordnung sollte jedoch im Artikel 1 im Interesse der Bauenden und des Publikums ein weiterer Spielraum offen gelassen werden. Der Abg. Häffner (D. P.) meinte, der Regierung müsse das Verordnungsrecht in polizei­licher! Gegenständen, wie es in Art. 51 des Polizeistras- gesetzes anerkannt sei, erhalten bleiben. Demgegenüber bestritt der volksparteiliche Abg. Liesching ein allgemeines Verordnungsrecht der Regierung. Das Ministerium möge mit seinen Erläuterungen möglichst sparsam sein und auch

der untergebenen Behörde eine selbstünorge Auslegung gestatten. Von dem Abg. Gröber (Zentr.) wurde her­vorgehoben, daß es sich bei der ganzen Bauordnung um eine Einschränkung des Privatrechts handle und daß dies nur durch Gesetz geschehen könne. Es sei erwünscht, daß das Ministerium auch bei seinen Vollzugsverfügungen äußerlich einen Unterschied eintreten lasse zwischen Rechts­verfügungen und bloßen Dienstanweisungen. Sie sollten nicht soweit gehen, daß den unteren Behörden das selb­ständige Denken erspart werde. Der Minister erklärte, er werde sich bemühen, bei den Vollzugsverfügungen ein möglichst enges Maß einzuhalten. Art. 2 hat nach den Kommissionsbeschlüssen folgenden Wortlaut:Wenn nach den öffentlichen Verhältnissen ein Bedürfnis hierfür be­steht, ist die Gemeinde berufen, im Rahmen des Gesetzes die erforderlichen weiteren allgemeinen Vorschriften durch Ortskanstatut aufzustellen. Auch eine Sprachreinigung wurde bei dieser Gelegenheit vorgenommen, indem das lateinischeSchreiberdeutsch", das Qin dem WortOrts­baustatut" liege durch die BezeichnungOrtsbausatzung" ersetzt wurde. Zur Abstimmung über den Artikel und die dazu vorliegenden Anträge kam es nicht. Die Beratung wird Samstag vorm, fortgesetzt.

Stuttgart, 23. Mai.

Die Beratung über dieBauordnung nahm heute in der Abgeordnetenkammer ihren Fortgang. Als erster Redner kam der sozialdemokratische Abg. Mattutat zum Wort, der bezüglich der vorliegenden Zentrumsanträge meinte, diese würden eine Verschlechterung des Prüfungs- Wesens der Baugesuche bedeuten. Der Minister des Innern Dr. v. Pischek steht hinsichtlich der Zuziehung eines Bau­sachverständigen auf dem Standpunkt, daß der Regierungs­entwurf das Richtige treffe, indem er die Zuziehung des Ortsbautechnikers und geeignetenfalls die Vernehmung weiterer Sachverständiger vorgesehen sei. Für den An­trag Rembold sprach sich der Abg. Dr. Nübling aus, worauf auch der Antragsteller Rembold-Aalen selbst noch­mals das Wort ergriff und erklärte, daß der Bezirksrat als Selbstverwaltungskörper dem bureaukratischen Organis­mus des Ministeriums vorzuziehen sei. Auch Berichter­statter v. Gauß wies daraus hin, man sei in der Kom­mission einstimmig der Meinung gewesen, daß der Bezirks­rat ein geeignetes Organ im Sinne des Antrags Rembold sei. Abg. Kraut (B. K.) erklärte, er stehe mit einem Teil seiner politischen Freunde ans dem Standpunkt, daß der Regierungs ent Wurf gegenüber den Kommissionsbeschlüssen hier den Vorzug verdiene. Der Minister hob hervor, daß das Genehmigungsverfahren viel kürzer sei, als wie die Vollziehbarkeitserklärung. Von dem Abg. Kraut wurde hierauf ein Antrag eingebracht, der die teilweise Wieder­herstellung der Regierungsvorlage bezweckt. Der Abg. Mattutat beantragte hieraus, an Stelle des Bezirks­rats das Ministerium des Innern zu setzen. Von der Volkspartei sprach dann noch der Abg. Liesching, welcher die Stellungnahme und den Antrag des Abg. Mattutat bekämpfte. Er sei über die Begründung des sozialdemokratischen Antrags sehr erstaunt gewesen, zumal doch die Sozialdemokratie selbst seinerzeit für Bezirksrat gestimmt habe. Die Fraktion des Zentrums brachte hier­auf noch einige Anträge ein. Alsdann wurde die Sitzung abgebrochen. Die Weiterberatung erfolgt am nächsten Dienstag.

Landesnachrichten.

Allsnsteig, 25. Mai.

* Der plötzliche Wetterumschlag hat eine starke Ab­kühlung mit sich gebracht. Von 23 Grad R. ist das Baro­meter innerhalb zwölf Stunden auf 5 Grad gefallen. Aus

M Aefefrrrcht. M

Damit'S dir Spaß noch macht,

Mußt du dich schon bequemen,

Das Leben immerhin Ein bißchen ernst zu nehmen.

O. E. Hartleben.

In treuer Hut.

Von C. Borges.

Nachdruck verboten.

1. Kapitel. .

.Das ist doch wirklich zu arg! Hiev, Mutter liW Äffen Brief und sage mir dann Deine Meinung." Mit diesen Worten erhob sich der Sprecher von seinem Sitze am Frühstückstisch, schob unwillig mehrere noch uneröfs»' nete Briefe zur Seite, ging dann raschen Schrittes aus eine ältere Dame zu,, die am andern Ende des Tisches saß und reichte ihr ein offenes Schreiben, dessen Inhalt den jungen Mann sichtlich erregt hatte. Mit finsteren Blicken und gerunzelter Stit-n lehnte er sich dann über den Sessel der Mutter, in banger Erwartung ihrer Ent­scheidung harrend.

Es war ein stattliches Paar, Mutter und Sohn, die jetzt beide in gespannter Aufmerksamkeit den langen, in­haltschweren Brief noch einmal durchlasen. Kein einziges Silberfädchen zeigte sich in ihrem hellblonden Haar, und aus den blauen, seelenvollen Augen sprach Wohlwollen und Herzensgute. In seiner äußeren Erscheinung war Thilo von Warneck keineswegs das Ebenbild seiner Mue- 'ter. Sem Haar war dunkelgelockt, seine Augen blitzten feurig und der von Lust und Sonne leicht gebräunte Teint kennzeichnete den Land-Edelmann, und verlieh sei­nem Antlitz einen ganz besonderen Reiz.

Als' einziges Kind reichbegüterter Ellern war auf Thilo von Warncck alle erdenkliche Liebe und Sorgfalt verwendet, die sich später nach dem frühen Tode des Va­ters noch verdoppelte. Der strebsame, talentvolle Knabe, der während der Schulzeit stets die 1. Plätze behauptete, später aus dem Gymnasium die besten Preise davon trug, täuschte doch hernach seine Mutter und seine vielen Freun­de; denn schon nach wenigen Semestern aus der Univer­sität verließ er die juristische Laufbahn und überraschte seine Mutter und den alten, treuen Verwalter der väter­lichen Güter mit der Nachricht, die Zügel jetzt allein in die Hand zu nehmen, um als einfacher L'and-Edelmann mit seiner Mutter auf dem Erlenhofe, so hieß die tm nordöstlichen Pommern gelegene Besitzung, zu wohnen. Es zeigte sich auch bald, daß der junge, tatkräftige Land­mann seiner Aufgabe vollständig gewachsen war; seinem scharfen Auge entging nicht dte kleinste Unordnung weder auf den entlegenen Vorwerken noch ans den Pachthöfen, und auf dem Erlenhofe selbst wurden mit Umsicht Ver­besserungen und Neuerungen angelegt, daß die Mutter gern ihrem energischen Sohne das Regiment abtrat.

Doch in diesem Augenblicke, als Thilo dev Mutter den offenen Brief reichte, merkte die ältere Dame sogleich, daß ihr Sohn, der stets selbständig zu handeln gewohnt war, heute doch den Rat und das Urteil der Mutter zu hören wünschte. Sie legte daher den Brief einer Freun­din, dte ausführlich das interessante Thema der neuesten Moden behandelte, bei Seite, nahm den eng beschriebenen Brief aus des Sohnes Hand und las halbsaut:

Lieber Thilo! Die Gewißheit, daß «Ihr Vater mein bester Freund, mein treuester Waffenbruder gewesen und bis zu seinem Tode mir seine Liebe und Freundschaft be­wahrt hat, veranlaßt mich zu der großen Bitte, die ich jetzt niedeoschreibe. Vor 10 Fahren, nachdem ich kaum ein Jahr verheiratet gewesen und mir ein Töchterchen ge-

unferen Höhenlagen wurde sogar leichter Sch nee fall ge­meldet. Dieser Wettersturz ist der Einfluß einer Depression, die von Groß-Britannien und Irland her sich über ganz Deutschland ausgebreitet hat, aber bereits in der Richtung nach Ungarn abzuziehen beginnt, weshalb auch das Barometer schon wieder im Steigen begriffen ist. Infolgedessen dürste auch die Wetterlage schon in den nächsten Tagen wieder unter dein Einfluß eines barometrischen Maximums, das seit mehreren Tagen über dein Golf von Biskaja stand, sich bessern und die Temperatur in der weiteren Folge auch wieder steigen, so daß eine Schädigung der Vegetation an­gesichts der kurzen Dauer des Wettersturzes nicht zu be­fürchten ist.

ss Jselshansen, 23. Mai. Heute vormittag stürzte am Neubau der Deckenfabrik ein Giebel ein und riß zehn Maurer mit in die Tiefe. Einer namens Gutekunst aus Schietingen ist schwer verletzt, vier andere weniger schwer.

js Jselshansen, 24. Mai. Zu dein Bauunfall an dem Neu­bau der Vereinigten Deckenfabriken Caliv ist weiter zu melden: Der Einsturz der Mauer erfolgte» vormittags halb 9 Uhr. Der von den vier abgestürzten Maurern am schwersten Verletzte, Maurer Gutetunst aus Schietingen, Vater mehrerer Kinder, ist seinen Verletzungen im Krankenhause erlegen. Die Bauleitung soll keine Schuld treffen: vielmehr soll die Ursache des Unglücks in dem Zusammentreffen verschiedener ungünstiger Momente zu suchen sein. Die Untersuchung ist im Gange.

* Calw, 23. Mai. Um 9 Uhr gestern abend wurde der 62 Jahre alte Eisenhändler Kübler aus Pforzheim in be­wußtlosem Zustande in das hiesige Krankenhaus verbracht, woselbst er eine Stunde später verschied. Kübler war, von Althengstett kommend, auf der Steige in der Nähe des Bahnwarthauses von einem Radfahrer, dem Gipser Stickel aus Althengstett, niedergefahren worden. Die Untersuchung wird festzustellen haben, in welchem Maße letzteren ein Ver­schulden trifft.

* Wildbad, 23. Mai. Unter lebhafter Beteiligung der Wildbader Einwohnerschaft und auswärtiger Ehren­gäste ist heute nachmittag die Drahtseilbahn aui den Som­merberg festlich eröffnet worden.

ss Stuttgart, 24. Mai. (Die Krondotativn des Königs). Infolge des Ankaufes eines Teiles der Anlagen durch den Staat für Eisenbahnzwecke ist die rechtliche Natur der Kron- dotation in den Vordergrund des Interesses gerückt worden. Unter Krondotation versteht man das im Eigentum des Staates stehende Vermögen, das dem jeweils regierenden König zur Nutznießung überlassen ist und als Ausstattung der Krone mit einem ihrer Würde entsprechenden Besitz und Glanz in seinem Bestand erhalten bleiben soll. Es gehören dazu das alte und neue Schloß, die Anlagen in Stuttgart, auf dem Rosenstein in Ludwigsburg und auf der Solitude, der Fasanengarten bei Weil im Dorf, der Marstall samt Inventar, das Theatergebäude samt Requisiten, ferner Ju­welen, Gold- und Silbergeräte, Gemälde, Pferde und Wagen rc. Den Aufwand für die Unterhaltung hat die Civilliste zu tragen. Die Schlösser in Ellwangen, Kirchheim u. T. und Ludwigsburg nebst Gartenanlagen und Apanagenschlösser. Genaue Inventars über den Bestand des Krongutes besitzen die verwaltende Hofdomänenkammer und das kontrollierende Finanzministerium. Die Landstände wirten weder bei der Verwaltung noch bei der Kontrolle mit. Im Gegensatz zur Krondotation ist das sogenannte Hofdomänenkammergut Privateigentum der königlichen Familie. Es trägt den Charakter eines Familienfideicommißgutes, dessen Grundstock zu erhalten ist.

js Stuttgart, 24. Mai. Der W ürt t em b ergi sche Weinbau verein hielt heute vormittag unter zahlreicher Beteiligung im Stadtgarten seine diesjährige General­versammlung ab.

schenkt ward, kam Ihr Vater yiec zu nur nacy Mvrenz, übernahm Patenstelle bei meiner kleinen Asta, versprach mir fest und feierlich für das Wohl der Kleinen zu sor­gen, ihre Interessen zu den seinigen zu machen, kurz, sich ihrer anzunehmen wie seines eigenen Kindes, im Falle es Gatt gefiel, mich früher hinwegzrwufrn als ihn, mei­nen treuen Freund. Ich muhte diese Voraussicht beob­achten, denn meine Gattin war sehr zart und schwächlich, sie hätte einer festen Stütz« bedurft, wenn ich nicht mehr » sie schützen konnte Schon damals machte ich mein Testa­ment und bestimmte Ären Vater als Vormund meiner kleinen Asta, als Verwalter ihres nicht unbedeutenden Vermögens, bis st« ihr 21. Jahr erreicht habe. Es ist anders gekommen, wie ich gedacht habe. Ihr lieber Va- ter starb nach Verlauf kaum eines Jahres und wenig« später mußt« ich meine Gattin zur letzten Ruhestätte ge­leiten. Wäre auch ich gestorben, so hätte mein kleiner Liebling ganz allein in der Welt gestanden, freund- und schutzlos, ohne Heim wäre das Kind der erbarmungslosen Welt pretSgegeben; denn Sie wissen, lieber Thilo ich ha- be keine Verwandten, meine einzige Schwester wurde mir in der Jugend entfremdet und außer mit Ihrem Vater habe ich niemals eine engere Freundschaft geschlossen. Jetzt sind meine Tage gezählt, ich fühle eS, und bars mich nicht darüber hinweg täuschen und muh meine Asta hier tm fremden Lande allein zurücklassen. Seit meiner Verheiratung lebte ich tm sonnigen Italien, zuerst meiner kränklichen Gattin wegen, später wollte ich nicht ahne sie nach dem kalten Norden zurück. In meiner großen Sorge um meinen Liebling hält mich die Hoffnung an Ihre Mutter und cm Sie, lieber Thtlq, aufrecht. Ich weiß, daß Sie die Güter Ihres Vaters übernommen haben und jetzt, meine kleine Asta zu sich zu nehmen, Sie und Ihre Mutter werden der kleinen Waise ein Heim geben, sie erziehen, und dt« letzten Augenblicke eines Sterbenden