lchwarzwälder Sonntagsblatt.

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Zur Einweihung der Hohkönigsburg.

Bei grauem Himmel und Regenwetter hat sich am 13. Mai die feierliche Einweihung der restaurierten Hohkönigs­burg durch das deutsche Kaiserpaar vollzogen. Ein geräumiges Zelt nahm den Monarchen und seine Familie auf; dort zog der historische Festzug an den Herrschaften vorüber. Trotz des andauernden Regens gewährte der Zug in seiner Farbenpracht und historischen Treue einen prächtigen An­blick. Nachdem er in den ersten Burghof eingezogen war, begab sich der Kaiser auch dorthin und nahm daselbst vor dem Burgtor Aufstellung. Es erfolgte nun die Uebergabe der Burgschlüssel an den Kaiser durch den Staatssekretär von Bethmann-Hollweg. Im Burginnern entwickelte sich alsbald ein buntes Treiben, dem der Kaiser mit viel Ver­gnügen beiwohnte. Bald weilte er in den unteren Räumen, wo die Landsknechte bei Spiel und Trunk versammelt waren, bald stieg er die hohe Treppe hinauf in die oberen Räume, um schließlich mit seinem Gefolge und seinen Gästen das bereitgehaltene Frühstück einzunehmen.

Zum Einsturz der Mufikfefthalle iu Görlitz.

Das schwere Bauunglück, von dem die große Musik­festhalle in Görlitz betroffen wurde, hat allseitig Mitgefühl erregt, sind doch bei der Katastrophe mehrere brave Arbeiter ums Leben gekommen, die fast sämtlich Familienväter waren. Schon einmal hatte man die Dachkonstruktion der Halle für nicht zuverlässig erklärt; aber die mahnenden Stimmen verklangen ungehört. Ursprünglich sollte das Gebäude nur als Musikfesthalle mit einem Kostenaufwande von 300 000 M. errichtet werden, doch wurde später ein größerer Bau, der auch anderen Zwecken, wie Konzerten, großen Versammlungen, Kongressen usw. dienen sollte, beschlossen. Der durch den Dacheinsturz entstandene Scha­den ist enorm; wahrscheinlich wird ein vollkommener Neu­bau notwendig werden, da die stehengebliebenen Mauern Risse aufweisen. Großes Aufsehen hat weit über die Grenzen der beteiligten Kreise hinaus die mit dem Einsturz der Halle in Zusammenhang stehende Verhaftung ihres Erbauers, des Baumeisters Bernhard Sehring aus Berlin-Charlotten- burg, erregt. Sehring, der am 1. Juni 1855 zu Edderitz im Anhaltischen geboren wurde, ist ein Schüler der Berliner Bauakademie, wo er hauptsäch­lich unter Strack studierte.

Lange Jahre lebte Sehring dann im Auslande, in Rom,

Paris und Wien, bevor er sich dauernd in Charlottenburg niederließ. Hier erbaute er das geschmackvolle Künstler­heim in der Fasanenstraße, das ihn zuerst bekannt machte, ferner das originelle Theater des Westens; in Berlin leitete er den Umbau des Etablissements Wintergarten" und erbaute das Warenhaus Tietz. Auch die Stadttheater zu Halberstadt und Bielefeld sowie die Walpurgishalle im Harz sind Werke von Sehring. Der Bau der Musikfesthalle in Görlitz wurde ihm vor zwei Jahren für die Summe von 750 000 M. übertragen. Er hatte die Ausführung dem Bauführer Neumann als seinem Vertreter übertragen, der auch verhaftet wurde; doch scheint die Staatsanwalt auch Sehring als schuldig an dem Unglück anzusehen, durch das mehrere Familienväter ums Leben gekommen sind.

Ein kostbarer oberrheinischer Reliquienschrei« für SS« SV« Mark nach Amerika verkauft.

Die Sucht der reichen Amerikaner, wertvolle Kunst- gegenstände aus derAlten Welt" in ihren Besitz zu be­kommen, hat die europäischen Länder, und nicht zum wenigsten Deutschland, schon um mancherlei kostbare Werte an Kunstgegenständen usw. gebracht. So ist vor kurzem erst wieder ein ans dem Jahre 1320 stammender, künstlerisch höchst wertvoller oberrheinischer Reliquienschrein für den Preis von 250 000 Mark nach Amerika verkauft worden. Der Schrank ist aus vergoldetem Silber mit Translucide- Email und zeigt wundervollen, künstlerisch ausgeführten Figurenschmuck. Sein neuer Eigentümer ist eigens über den Ozean gekommen, um den Kauf abzuschließen und das teuere Gut mit sich in seine amerikanische Heimat hinüber­zunehmen. Mit lebhaftem Bedauern aber sehen wir Deutschen das herrliche Werk heimischer Kunstarbeit über das große Wasser tragen. Professor Dr. von Falke, der Direktor des Königlichen Kunstgewerbe-Museums, hat sich alle Mühe ge­geben, den Schrein durch Aufbringung privater Mittel hier zu behalten. Staatsmittel waren leider nicht vorhanden, und die privaten Sammlungen reichten nicht aus; so dürfte der kostbare Schrein dem Lande seiner Herkunft für immer verloren sein.

Sonntag.

Zur Frühlingszeit Wenn's Blüten schneit, Hinaus! Hinau s! Aus Stub' und Haus! Ob Feld und Tal Liegt Sonnenstrahl, Vom Himmelsau Grüßt's azurblau!

Wie fließt der Quell So silberhell Durch Felsenkluft Und Waldesdust!

Im Forste heut Kein Rehlein scheut, Gefeit Natur In Wald und Flur!

Nur Vogelfang Und Glockenklang Von nah und fern Zum Tag des Herrn! Der Menschen Tun, Heut soll es ruhn; Still Sorg und Klag', - 's ist Feiertag!

Blick aus, mein Herz, Vergiß den Schmerz, Zum Herrn geh hin, Du findest Ihn Am heil'gen Ort Im Kirchlein dort, In der Natur Ist Seine Spur!

Dank Ihm aufs neu Für Seine Treu,

Daß Er dich liebt Und dich umgibt,

Mt Huld und Gnad' Aus deinem Pfad So findest du Die Sabbatruh'!

MW

Karawanenzug.

Stimmungsbild aus Kleinasien von Johanna Weiskirch. Wache oder träume ich?

Nein, ich wache und sitze auf dem Rande meines Lagers, vorgeneigten Hauptes den aus der Ferne zu mir tönenden, bald tiefen, bald helleren Glockenklängen lauschend.

Durch die weit geöffneter! Fenster meines Schlafzimmers gleiten leise und geheimnisvoll die Zauber der orientalischen Vollmondnacht. Näher und näher klingen die Glocken, wunderbar weich und melodisch gestimmt. Nun sind sie ganz in der Nähe meines Hauses. Und zwischen ihren Klängen tönt in rhythmischen Pausen der langgezogene Ruf einer Menschenkehle. Was mag das zu bedeuten haben.

Ich erhebe mich und schaue vom Erkerfenster meines Wohnzimmers auf die vorüberführende Haupstraße der alt­berühmten Stadt Jkonium.

Das Mondlicht füllt die bröckelnden Bogenfenster einer ragenden, stolzen Ruine aus der glanzvollen Seldschukenzeit wie mit silbernen Transparenten, und läßt hier und da eine ihrer kunstvollen Fayencen in magischem Schimmer erstrahlen.

Und da zieht sie die Straße herauf mit langsamen, feier­lichen Schritten, wie ein Bild ausTausendundeinerNacht", eine Karawane. Ihr voran, auf prachtvoll gezäumtem, edlem Pferde, ein alter, silberbärtiger Türke, der Herr der Karawane. Eine stolze und zugleich ehrfurchtgebietende Ge­stalt ist er. Aus seinem Leibgürtel blitzen kostbare Waffen­griffe, und ein Turban von seltenem, leuchtendem Gewebe schmückt sein Haupt. Und nun kommen die Kamele. Zum Teil mit köstlichem Zaumzeug behängt, um den Hals an bunten Perlenketten die tönenden Glocken, die Leiber mit den Schätzen des inneren Landes beladen, ziehen sie hocher­hobenen Hauptes vorüber.

Hunderte und Hunderte!

Stumm und majestätisch, weder rechts noch links schauend, den langgezogenen Rufen der braunen Führer folgend, schreiten die ernsten Tiere aus der unermeßlichen Weite der Wüste nach der Stätte der modernen Kultur.

Da darnpft schon die Lokomotive der Bagdadbahn, deren schnaubende Kraft die Lasten, die sie wochenlang in stolzer Geduld auf ihren Rücken getragen, in wenigen Stunden zur Meeresküste bringen wird.

Es dauert lange, bis sie alle vorübergezogen sind. Leise schmückt schon das nahende Morgenrot den östlichen Himmel mit wunderbaren Farben, während noch einzelne verlorene Glockenklänge der in der Ferne verschwindenden Karawane an mein Ohr tönen.

Ich lausche und lausche noch immer.

Da klingt es hinein in die erste heilige Morgenstille vom Turm der nahen Alla-Eddin-Moschee, von einer prachtvollen Muezzi-Stimme gerufen, das feierliche ergreifende Gebet der Gläubigen Mohammeds:^.llaiiu ekber, Ulallu okder, i«. ilLba illaaliäsi Nobamweäi rsssul Illlall! (Gott ist allmächtig, es gibt keinen Gott außer Gott, und Mohammed ist sein Prophet.) In wunderbar andächtiger Stimmung verharre ich am Fenster, bis sie der gellende Pfiff des nach Stambul enteilenden Frühzuges jählings schmerzhaft zerreißt.

Allerlei.

8 DerStundenmann". Im fünfzehnten Jahrhundert gab es in Italien noch keine Turmuhren, nur einer der Schloßtürme von Ferrara war mit Zifferblatt und Schlag­glocke versehen. Aber die Zeiger des Zifferblattes wurden nicht durch ein Uhrwerk, sondern durch Menschenhand be­wegt, und Menschenhand war es auch, die mittels An­schlagens an die Glocke die Stunden verkündete. Der Stundenmann, wie der betreffende Beamte genannt wurde, richtete sich selbst nach einer Sanduhr. Man scheint diesen Dienst für einen sehr wichtigen gehalten zu haben, denn der Mann erhielt ein für die damalige Zeit recht bedeutendes Gehalt. Nachlässigkeiten und Pflichtwidrigkeiten dieses hochgestellten" Mannes wurden jedoch streng bestraft. So berichten die Kriminalakten von Ferrara, daß ein Stunden­mann hart bestraft wurde, weil er zur Zeit des Ave-Maria die Zeiger zu drehen und die Glocke anzuschlagen vergessen hatte.

8 Der Wert des Gatten. In Teheran wurde ein amerikanischer Kaufmann im Streit von einein persischen Händler erschossen. Die Witwe verlangte durch den ameri­kanischen Geschäftsträger Bestrafung des Täters und Ent­schädigung für den Verlust des Gatten. Die Bestrafung fiel sehr milde aus, dagegen zahlte die persische Regierung dem Gesandten volle fünszigtausend Dollars als Entschädigung für die Witwe. Da ereignete sich ein sehr merkwürdiger Fall. Die Witwe weigerte sich nämlich, das Geld anzunehmen, da sie meinte, ihr Mann sei bei weitem nicht fünfzigtausend Dollars wert gewesen. Schon mit dreißigtausend Dollars sei er mehr als ausreichend bezahlt. Wie der sonderbare Streit geschlichtet wurde, ist leider nicht bekannt geworden.

8 Scheidungsrecht bei den Negern Westafrikas. Den

schwarzen Herrschaften in Westasrika ist die Scheidung sehr leicht gemacht. Es liegen zwei Erkenntnisse vor, bei denen die Ehemänner die Auflösung des Ehe- oder Kaufvertrages verlangen, weil ihre Fraudumm" sei. Insofern zeigt sich hier eine Aehnlichkeit mit deutschen Gerichten, als zwei ver­schiedene Gerichte in ganz entgegengesetztem Sinne entschieden. Das eine erkannte Dummheit als ausreichenden Scheidungs- grnnd an, das andere aber wies den Kläger ab, weil es annahm, daß die Dummheit dem Käufer schon vor dem Kaufe bekannt gewesen sei und sonach der Einwand der trowperis sur in marobanckiss" nicht geltend gemacht werden könne. Und gerade dieser Unglückliche schien arg hineinge- sallen zu sein, denn er hatte gegen sein neuesdummes" Weib nicht nur ein anderes, sondern auch noch 600 Mk., eine Ziege und einen Koffer in Zahlung gegeben. Sehr günstig ist den Frauen das in einigen Gegenden bestehende Schürzen­recht. Bei den senegambischen Stämmen besteht nämlich nach Prof. KöhlersNegerrecht" die Sitte, daß die Frau bei der Heirat eine Schürze mitbekommt und daß die Ehe so lauge dauert, wie die Schürze hält. Da es die Frau nun in der Hand hat, je nach der Art der Behandlung ihrer Schürze die Ehe beliebig zu verlängern oder zu verkürzen, so bede.ttst das einen einseitigen Vertrag, der bei anderen Negerstämmen keinen Beifall gefunden hat Am einfachsten entledigt sich der Mann seiner Frau, die aufgehört hat, ihm zu gefallen, indem er sie einem anderen überläßt. In früheren Zeiten konnte, so scheint es, der Ehemann seine Frau beliebig verkaufen, aber die Wirkungen der Zivilisation haben sich auch hier bemerkbar gemacht und aus verschiedenen Erkenntnissen geht hervor, daß die Frau mit Erfolg die Gerichte angerufen hat. Sie legte nicht gegen den Verkauf an sich Verwahrung ein, wohl aber wollte sie das Recht haben, einen ihr nicht ge­nehmen Käufer ablehnen zu dürfen, und das Gericht trat hierbei aus ihre Seite. In dieser Beziehung scheint das sich immer mehr versittlichende Gewohnheitsrecht ähnlich zu wirken wie bei uns ein Erkenntnis des Reichsgerichts, dem sich die Beschlüsse der anderen Gerichte unterordnen. Wenn aber dem Manne das Verkaufsrecht an seiner Frau solcher Art beschränkt wird, so kann er sie dafür ganz nach Belieben .verleihen oder verpfänden. Daher die berühmt gewordenen Pfandweiber. Auch der Frauentausch ist gestattet, und zwar ist die Sache ganz einfach, wenn A. seine Frau gegen die von B. austauschen will. Schwieriger ist es erst, wenn A. wohl an der Frau von B. Gefallen findet, B. aber sich wohl von seiner Ehehälfte trennen, nicht aber die von A. über­nehmen will. Dann handelt es sich darum, einen C. zu finden, der die von A. zu übernehmen bereit ist und dessen