Säume nicht, dich zu erdreiften, wenn die Menge zaudernd schweift; alles kann der Edle leisten, der versteht und rasch ergreift.
Goethe.
Adel.
Erzählung von Ludwig Habicht.
Nachdruck verboten.
kFortseNuna.)
Leonardo aber eutgegnete: „Glaube mir. Du änderst nichts «i meinem Geschick und schaffst Dir und unserem Vater tausend Ungelegeudeiten."
»Du willst nicht Gras Lannhanseu sein?"
.Nie. uie!"
.Willst keinen Vater, keinen Bruder baden?' fragte Bernhard traurig; aber der andere rief, während ein Freudenschein sein düsteres Antlitz erhellte: .O doch, doch! Ich bin ja so glücklich, wenn Ihr mich ein wenig lieb haben wollt, denn mich hat noch nie jemand geliebt: aber es kann das ja in aller Heimlichkeit geschehen. Niemand braucht zu wissen, wie wir zueinander stehen!'
«Wir sprechen noch weiter darüber, es darf dies Dein letzter Entschluß nicht sein', sagte Bernhard, wohl einsebend, daß für jetzt bei Leonardo nichts weiter zu erreichen sei. «Ich komme bald wieder.' !
»Das ist das beste, was Du für mich tun kannst", er« , widerte Leonardo und wieder lagen sich die Brüder in den Armen. ^
Da pochte es auch schon draußen; die ihnen gewährte halbe ! Stunde war verronnen.
«Du wirst nichts dagegen haben, wenn ich alles, was in meinen Kräften steht, jetzt tue. um Dir eine Erleichterung zu verschaffen. Du mußl eine bessere Zelle, bessere Kost, ein besseres Lager haben', bat Bernhard.
.Ich habe es in meinem Leben schon weit schlechter gehabt als hier tm Gefängnis", erwiderte Leonardo mit einem traurigen Lächeln. »Trotzdem ich, der ich mich den größten Teil meines Lebens in der freien Luft getummelt, die Zimmerhaft nicht leicht ertrage, könnte ich hier ganz ruhig und zufrieden sein, wenn mich nicht der Vorwurf peinigte, meinem Vater Schmerz und Web bereitet, sein Leben vielleicht verkürzt zu haben. O sage ihm, er solle mir nicht fluchen!"
«Er liebt und segnet Dich", erwiderte Bernhard. Da pocht« eS schon zum zweitenmal, die Tür wurde aufgeschlossen, auf der Schwelle stand der Aufseher.
Mit tiefer Verbeugung von Leonardos, kurzem Nicken von Bernhards Seite mußten die Brüder sich trennen. Leonardo war wieder allein: aber seine düstere Zelle war erfüllt vom himmlischen Licht, vom Strahl der Liebe, die ein Ausfluß des Göttlichen ist. —
Graf Bernhard berichtete dem ihn mit großer Spannung erwartenden Amtsrichter, daß auch er von dem Gefangenen nichts anderes herauszubringen vermocht habe, als daß Leonardo aus Rachsucht wegen des ihm durch seine Entlassung zugefügten Schimpfes seinen Vater habe ermorden wollen. Er fügte jedoch hinzu, der Italiener scheine die Tat aus tiefstein Grunde seines > Herzens zu bereuen und er sei überhaupt angenehm durch das anständige, gesittete Benehmen des jungen Menschen berührt I
Schwarz Wälder Sonntags bl alt.
worden. Er bat gleichzeitig, ihm doch wenn irgend möglich «ine freundlichere und besser eingerichtete Zelle, sowie ein besseres Lager geben zu lassen und ihm die Selbstbeköstigung zu gestatten, selbstverständlich werde er für alle daraus erwachsenden Kosten aufkommen.
«Das ist in der Tat ein hoher Grad von Großmut von Ihnen, Herr Graf", sagte der Amtsrichter und begleitete Bernhard bis zur Tür: als diese sich hinter ihm geschlossen hatte, schüttelt« er aber den Kopf und murmelte: „Dahinter steckt etwas anderes. Graf Tannbausen soll zwar ein sehr weichmütiger Mensch sein, aber so weit kann es doch nicht gehen, daß man bezahlt, um dem Mörder des eigenen Vaters Erleichterungen zu verschaffen.
Gleichzeitig gehoben und schwer bedrückt kehrte Graf Bernhard nach Tannhausen zurück. Der einsam Ausgewachsene hatte zum erstenmal erfahren, was es heißt, Geschwister zu besitzen und er fühlte, daß der neugefundene Bruder seiner nicht unwert sei. Um so weher tat es ihm aber. Leonardo in einer so unglückseligen Lage zu wissen und er leistete sich den Schwur, nichts unversucht zu lassen, um ihn daraus zu befreien und dem armen Mißhandelten wieder zu seinem angeborenen Rechte zu verhelfen.
Vierzehntes Kapitel.
»Ich will nicht, daß er bestraft wird! Ich will es nicht!" wiederholt« der alte Graf Tannhausen dem Justizrat Schubert, dem alten, langjährigen Sachwalter seines Hauses, der ihm schon bei der Scheidung seiner ersten Ehe Dienste geleistet hatte. Er batte ihn kommen lassen und ihm offen erzählt, daß der vermeintliche Kunstreiter Leonardo sein rechtmäßiger Sohn aus erster Ehe sei, der sich auf Geheiß seiner tollen Mutter an ihm vergriffen habe, ohne zu wissen, in welchem nahen Ver» hältnis er zu ihm stehe. Jeder Zweifel, daß Leonardo sein erstgeborener Sohn, sei ausgeschlossen, er habe dafür die über« »rugendsten Beweise.
Schubert wiegte den von schneeweißen Haaren bedeckten Kopf und legte feiner Gewohnheit gemäß, wenn ihm ein Fall besonders z» denken gab, di« Hand über bi« hohe Stirn und die scharf und doch gütig blickenden blaugrauen Augen. »Sie können der Justiz nicht in de» Arm fallen. Herr Graf", sagte er nach kurzem Stillschweigen. „Ob Graf Tannhausen oder Kunstreiter, ob Ihr Sohn oder ein Ihnen Fremder, er hat die Hand gegen Sie erhoben, er bat Sie gefährlich verwundet und die Tat eingestanden, das Verfahren gegen ihn muß jetzt seinen Lauf haben."
«Aber ich will nicht, daß er bestraft wird!" beharrte Graf Tannhausen mit dem Eigensinn des Alters. »Wenn ich, der Gekränkte und Geschädigte darauf verzichte, wer kann es sonst noch fordern?'
„Die Gerechtigkeit", erwiderte Schubert ernst. »Das Verbrechen erheischt Sühn«. Der Schuldige hat, wie wir Juristen sagen, ein Recht auf Bestrafung."
Graf Tauuüausen lachte laut und bitter auf. »Darauf wird er sich nicht steifen. Noch einmal, alter Freund, schaffen Sie mir den Leonardo frei. Ein Graf Tannüauien im Gefängnis. wohl gar im Zuchthaus, ich kann den Gedanken nicht ertragen."
»Bor der letzteren Eventualität werde ich ihn bewahren, darauf gebe ich Ihnen mein Wort, verr Graf", versicherte der Rechtsanwalt» „ich werde ihn verteidigen und zu meiner Hilfe noch eine jüngere, sehr bewährte Kraft herbeirufen, da Gel- bei der Geschichte keine Rolle spielen wird.'
„Nein, nein!" rief der Graf, „mein halbes Vermögen gebe ich dafür. Könnten Sie ihn bis zur Gerichtsverhandlung nicht
wenigstens gegen Kaution frei machen? Ich zahle jede Summ«. Mein armer Leonardo kann dann wenigstens dies« Zeit hi« bei seinem Vater und Bruder zubringeu und ein Menschen würdiges Dasein führen.'
Der Justirrat schüttelte den Kopf. „Ich kann diesen Antrag nicht stellen. Man läßt einen Menschen, der einen Mord b« gangen hat —'
„Er bat ihn nicht begangen, ich lebe noch', unterbrach ih» der Graf.
„Das macht keinen so großen Unterschied', erklärte Schubert und machte eine abwehrend« Bewegung mit der Hand, »man läßt den Untersuchungsgefangenen auch gegen die höchste Kaution nicht frei und', fügte er tröstend hinzu, »er hat es dort garnicht schlecht. Graf Bernhard hat dafür gesorgt, daß er eine möglichst freundliche bequeme Zelle und ein gutes Bett bekommen hat und daß er gut beköstigt wird. Ich glaube kaum, daß «» ihm in seinem herumschweifenden Leben immer so wohl geworden ist."
Hatte der Justizrat gehofft, dem Grafen mit der letzten Bemerkung etwas Tröstliches zu sagen, so hatte er, was ihm freilich selten genug geschah, die Tragweite seiner Worte nicht genau berechnet, sie übten jedenfalls eine Wirkung aus, deren er sich nicht versehen hatte. Graf Tannbausen stieß einen schweren Senker ans. schlug di« Hände zusammen und jammerte: »Mein armer, armer Junge! Als ein Glück soll er es noch betrachten, im Gefängnis zu sitzen! Nicht einmal so gut soll er es in seinem elenden Leben gehabt haben, wie ein Untersuchungs- gefangener! Er. der Erbgraf von Tannhausen! O, es iß jämmerlich!'
Es gelang dem Justizrat nur schwer, ihn zu beschwichtig« und noch schwerer wurde es ihm, von dem bocherregten alt« Herm die Zusage zu erhalten, daß Leonardos Verhältnis za ihm vorläufig noch verschwiegen bliebe. Er gedachte dies« Punkt, wenn erforderlich, in seiner Verteidigungsrede zu benutze» und versprach sich davon eine viel gröber« Wirkung, wenn er plötzlich damit hervortrat, als wenn die Angelegenheit bereits in die Oeffentlichkeit gedrungen und Unterhaltungsstoff geliefert haben würde. Als er diese seine Absicht, um ihn ein wenig za beruhigen, dem alten Grafen mitteilte, rief derselbe sogleich: »Nun gut, dann setzen Sie mir eine Urkunde auf, in der mein Erstgeborener in alle die Rechte eingesetzt wird, die ihm gebühren. Es ist ja unmöglich, daß man den künftigen Majoratsherr» von Taunhaiisen wie einen elenden Verbrecher behandeln und beurteilen wird."
»Sie wünschen das wirklich. Herr Graf?" rief der alte Jnstizrat betroffen. „Ist Ihr Jüngstgeborener nicht in der Vorstellung ausgewachsen, daß er Ihr einziger Sohn sei, daß er einmal eine glänzende, beneidenswerte Stellung in der Wett einnehmen werbe und ist nicht sein Charakter, sein vornehmes Wesen die Bürgschaft, daß er den Platz völlig ausfiillen wird, den ihm das Schicksal bestimmt hat?" Die klugen, scharfen Augen des Juristen ruhten dabei forschend auf dem erregte» Antlitz des alten Grafen.
„Ich kenne Bernhard; er wird sich in di« veränderte Stellung finden."
„Aber der andere? l Hat nicht sein wildes, zügelloses Leben ihm den Adel der Gesinnung und des Charakters genommen, auf den gerade Sie. Herr Graf, soviel Wert legen?"
„Nein, er besitzt diesen Adel, wenn auch noch unter Schlack« und Schutt verborgen. Sei» Benehmen nach der Tat bat mir bewiesen, daß er ein echter Tannbausen ist."
Sür unsere Jugend.
Naht dir ein Mensch mit rußigem Gesicht,
Mit schwieligen und arbeitsstarken Händen,
Von dem darfst du dich nicht verachtend wenden, Denn Arbeit, Freund, die schändet nicht.
Böhmer.
Gänseblümchen.
Von G. Thiele.
Aus meiner Jugendzeit erinnere ich mich einer schönen Sage, die in der Bretagne im Volksmunde lebt, die will ich euch Kindern heute erzählen. Als die heiligen drei Könige zum Stall von Bethlehem kamen, fanden sie dort auch die Hirten vor, die von den Herden herbeigeeilt waren und die Krippe des Jesuskindes mit den schlichten Blumen ihrer Felder umschmückt hatten. Kostbarere Gaben besaßen diese Armen nicht.
Da nun die heiligen Drei ihre reichen Geschenke ausgebreitet hatten und die Hirten sie staunend sahen, sprachen sie unter sich: „Was sollen nun unsere armen Blumen noch neben diesen Wunderdingen aus Silber und Gold? Sie werden dem Kind mißfallen müssen. Laßt sie uns entfernen.
Aber siehe, da schob der Jesusknabe mit dem einen Füßchen die leuchtenden Kostbarkeiten beiseite, streckte sein kleines Händchen gegen die Blumen aus und ergriff ein einfaches Gänseblümchen, hob es zu seinen Lippen auf und drückte einen Kuß auf die Blütenkrone. — Seit jener Zeit haben die Gänseblümchen, die bis dahin völlig weiß gewesen
waren, am Saum der Blätter ihre schöne Rosenfarbe, die wie ein Schimmer der Morgenröte ist, sie ist aber hervorgerufen durch den Kuß des Jesusknaben.
Seife.
Französische Gesellschaften tragen sich mit dem Gedanken, in Algerien (Nordafrika) große Seifenbaum-Haine anzulegen. Das wäre etwas Neues neben den seit alters uns bekannten Cypressen-, Palmen-, Oelbaum- und Obst-Hainen. Etwas Unmögliches ist es aber nicht, denn es gibt einen Baum, auf dem die Seife wächst.
Dies ist der gemeine Seifenbaum (Lapinäus saponari»), der in Westindien und Südamerika vorkommt und etwa 10 Meter hoch wird.
Seine Früchte sind so groß als unsere Stachelbeeren, dazu rund, glatt und firnißglänzend. Sie heißen „Seifennüsse." Aus ihren öligen Kernen wird durch eine sehr leichte und billige Behandlung mit Wasser oder auch Alkohol das „Saponin", eine seisenartige Masse, herausgezogen.
Dies Saponin soll besser sein, als unsere gewöhnliche Seife. Ein einziger Baum trägt bis 100 Seifennüsse. Es erscheint darum wohl glaublich, daß ein Anpflanzen des Baumes in Algerien sich belohnen wird.
Dem englischen Reisenden Sir Samuel Baker wäre im Jahre 1861 auf seiner Forschungsreise nach den Nilquellen nichts erwünschter gewesen, als wenn er schon damals in Afrika hätte die Seife von den Bäumen herunter holen können.
Auf dieser Forschungsreise durch Abessinien war ihm sein Seifenvorrat zu Ende gegangen, und er litt unter der afrikanischen Hitze, dein Schweiß und Staub so furchtbar, daß er schließlich beschloß, unter allen Umständen auf irgend eine Weise sich Seife zu beschaffen.
Zur Seisenbereitung sind Fette und Laugen (Kali- oder Natronlaugen) nötig.
Fette standen dem Forscher aus den Körpern der erlegten Nilpferde, Elefanten, Löwen und anderen Tieren in großen Mengen zur Verfügung. Dagegen fehlten ihm die Laugen, die durch Kochen mit Kalkmilch aus Pottasche gewonnen werden. Der Forscher fand Wege in der Not.
Schnell ließ er durch seine Begleiter Bäume fällen, zum Scheiterhaufen aufrichten und dann verbrennen. Die Asche wurde mit Wasser angerührt, dann durch Kochen kondensiert und — die Pottasche war gewonnen.
Woher nun Kalk nehmen? Sir Baker ließ Tausende von Flußmuschel-Schalen sammeln; denn er wußte, wenn diese gebrannt waren, dann hatte er auch Kalk.
Ja, wenn er auch schon einen Kalkofen gehabt hätte, aber einen solchen zu bauen, das schien in dieser Wildnis unmöglich.
Wieder fand der Forscher einen Weg. Er beauftragte zwei Eingeborene, einen Termitenbau anzugreifen und die gefürchteten Tiere aus ihren bis 5 Meter hohen, festen Tonbauten zu vertreiben. Das war eine schwere und gefahrvolle Arbeit. Als sie aber endlich gelungen war, da waren 24 Stunden später die Flußmuschelschalen auch schon zum schönsten Kalk gebrannt.
Die Seifensiederei konnte jetzt beginnen. In einem großen ägyptischen Kupferkessel wurden Fette, Potasche und Kalk in dem richtigen Verhältnisse gemischt und unter beständigem Umrühren gekocht.
Ter Erfolg dieser tagelangen Mühen waren 40 Pfund Seife, die durch ihre Güte dem Forscher große Freude bereiteten und in seiner mißlichen Lage ihm von dem allergrößten Werte waren.