Wochen-Vundschau.

Das Arbeitsprogramm des Landtags.

Man stellt wieder einmal Betrachtungen darüber an, ob der am 5. Mai zusammentretende Landtag auch diesmal wieder bis tief in den Hochsommer hinein sitzen werde. Das Ergebnis dieser Betrachtungen ist, daß es nicht so lange dauern dürfte als in früheren Jahren, man meint vielmehr, in zwei Monaten und etwas werde man fertig sein. Wir wollen hoffen, daß man sich nicht täuscht. Allerdings liegt ja an Stoff nicht allzu viel vor. Hauptsächlich handelt es sich um die Bauordnung, die in der Kommission Monate erfordert hat und im Plenum sicher ebenfalls viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Außerdem hat sich die zweite Kammer mit der Vorlage über das Zieh- und Kostkinderwesen zu beschäftigen und noch, abgesehen von Wahlprüsungen, mit etlichen kleineren Angelegenheiten. Die Volksschulnovelle, der man entgegensieht, wird nur einer allgemeinen Erörterung unterzogen werden. Wenn der Rededrang nicht allzu heftig ist und keine unvorhergesehene Verzögerung eintritt, sollte man wirklich annehmen dürfen, daß die Volksvertreter diesmal rechtzeitig in die Sommerfrische gehen könnten. Die Erste Kammer hat, da die Bauordnung kaum noch an sie gelangen wird, so gut wie gar nichts zu tun und wird schnell fertig sein.

Zur Strafrechts­pflege.

lieber die vorläufige Ent­lassung von Strafgefangenen haben die württ. Ministerien der Justiz und des Innern jetzt neue Ausführungsbestim­mungen erlassen. Die im Jahre 1872 erlassenen Bestimmungen haben sich zwar im allgemeinen bewährt, sie waren aber doch in Einigem nicht mehr zeit­gemäß. Insbesondere hat sich im Hinblick aus die ersprieß­liche Tätigkeit des württ. Vereins zur Fürsorge für entlassene Strafgefangene, der den dem Schutze des Vereins Unter­stehenden einen besonderen Fürsorger bestellt, das Be­dürfnis ergeben, die polizei­liche Ueberwachung tun­lichst zurücktreten zu lasse n. Deshalb ist jetzt von den beteiligten Ministerien den zuständigen Stellen eine noch weitergehende Ein­schränkung der Ueber- w achung, insbesondere durch die unteren Polizeiorgane, und ein Verzicht auf alle den Entlassenen irgend­wie bloßstellenden Maß­regeln zur Pflicht gemacht worden. Die vorübergehende Entfernung des Entlassenen vom Entlassungsort ohne besondere polizeiliche Erlaubnis und die Wahl eines anderen Nieder­lassungsortes hat eine Erleich­terung erfahren, ebenso die Niederlassung in einem anderen Bundesstaate und die vorläufige Entlassung nach dem Auslande.

Im Ganzen ist die neue Verfügung, so weit wie irgend möglich, durchaus von humanem Geiste erfüllt und man kann sie nur mit Genugtuung begrüßen.

Fürst Bülows römische Tage.

Fürst Bülow ist mit seiner Gemahlin am 18. d. Mts. von Rom nach Venedig abgereist, um dort noch einige Tage zu verbringen. Er ist in Rom sehr tätig gewesen, hat Spaziergänge gemacht, Besichtigungen vorgenommen, Empfängen, Frühstücken, Diners und Soupers beigewohnt und natürlich auch der Politik ihr Recht werden lassen (sinte­malen das ja doch sein Geschäft ist). Natürlich hat die politische Seite des römischen Aufenthalts eine Menge Federn in aller Welt in Bewegung gesetzt, und auch die Interviewer sind in Rom eifrig auf dem Posten gewesen. Herausgekommen ist freilich weder bei dem einen noch bei dem andern viel. Die mehr oder minder kühnen Kombinationen kann man auf sich beruhen lassen. Und was die Aeußerungen anbe­langt, die Fürst Bülow selbst den Interviewern anvertraut hat und die von anderen amtlichen Stellen ausgingen, waren nichts als eine Reihe banaler Gemeinplätze. Die üblichen Redensarten von dem Fortbestand des Dreibundes und seiner Friedensmission, von dem herzlichen Verhältnis zwischen den verbündeten Mächten und ihren Lenkern, von der Ueberein- stimmung ihrer Ansichten über die schwebenden politischen Fragen und über das allgemeine Verlangen nach Aufrecht­erhaltung des Friedens hat man wahrhaftig schon so oft zu hören bekommen, daß sie gar keinen Eindruck mehr machen. Nach unserer unmaßgeblichen Meinung sollten die Staats-

Schwarzwälder Sonntagsblatt.

männer, wenn sie schon nichts anderes sagen können und wollen, lieber überhaupt nichts sagen. Das bemerkenswerteste Moment des römischen Aufenthalts war unzweifelhaft der Besuch des Reichskanzlers im Vatikan. Fürst Bülow hat beim Papst eine längere Audienz gehabt und auch mit dem Kardinal-Staatssekretär Merry del Val eine längere Unter­redung gepflogen. Aus beiden Seiten soll man davon sehr befriedigt gewesen sein. Es ist nun natürlich, daß die Frage nach dem politischen Zweck des Besuchs im Vatikan eifrig gestellt worden ist. Man hat die Versicherung vernommen, daß Fürst Bülow weder die Frage der Besetzung des Posener Erzbischofstuhls noch die Haltung des Zentrums berührt habe und daß auch von vatikanischer Seite darauf nicht eingegangen worden sei. Das ist durchaus glaublich. Weder Fürst Bülow noch der Papst kann daran denken, durch die Autorität der Kurie einen Einfluß auf die politische Haltung des Zentrums auszuüben. Andererseits hat der Vatikan durchaus keinen Grund, die Feindseligkeit des Zentrums gegen den Fürsten Bülow und dessen Politik sich zu eigen zu machen. In Rom weiß man sehr gut, daß es die katholische Kirche in Deutschland sehr gut hat, besser als in verschiedenen anderen katholischen" Ländern mag auch das Zentrum noch so sehr über Beeinträchtigung der Katholiken, über Kulturkampf­gelüste und dergl. lärmen. Eines wird, mag die Absicht des Fürsten Bülow gewesen sein, wie sie wolle, durch den Besuch im Vatikan also immerhin vor aller Welt bewiesen,

daß die Gegnerschaft zwischen dem Reichskanzler und dem Zentrum das Verhältnis zum Vatikail nicht berührt. Uebrigens ist noch zu erwähnen, daß Fürst Bülow auch dem Kardinal Rampolla, dem früheren päpstlichen Staatssekretär, einen Besuch gemacht hat. Die beiden sind, so hört man, alte gute Bekannte, aber das genügt doch wohl nicht ganz zur Erklärung. Rampolla gilt als aussichtsreichster Anwärter für die nächste Papstwahl. Er wäre wohl schon bei der letzten Papstwahl gewählt worden, wenn nicht von Oesterreich im Einvernehmen mit Deutschland gegen ihn, den Träger der franzosenfreundlichen Richtung der vatikanischen Politik, das Veto erhoben worden wäre. Es ist immmerhin interessant, daran im Hinblick auf den Besuch des Reichskanzlers bei Rampolla zu erinnern.

Neues Weingesetz.

Im Reichsanzeiger ist am letzten Samstag der Entwurf eines neuen Weingesetzes veröffentlicht worden, der den Zweck hat, den allgemein anerkannten Mängeln des bestehenden Gesetzes abzuhelfen. Es handelt sich bei dem Entwurf wesentlich darum, die Weinversälschungen zu erschweren und die Keller­kontrolle zu verschärfen. Von den einzelnen Bestimmungen heben wir hervor, daß der Verschnitt von Weinen gestattet ist. Doch darf ein Verschnitt von Weißwein mit Dessertwein (Südwein) nicht erfolgen. Der Zusatz von Zuckerwasser ist erlaubt, aber in keinem Falle über ein Fünftel der Most­oder Weinmenge. Das Zuckern darf indessen nur im Wein­baugebiete erfolgen. Die Herkunfts- und Markenbezeichnung wird ebenfalls verschärft: geographische Bezeichnungen dürfen

nur zur Bezeichnung der wirklichen Herkunft benutzt werden. Es ist verboten, Wein nachzumachen. Die Herstellung von Haustrunk ohne Einhaltung der Vorschriften über Zuckerung und dgl. bleibt jedoch gestattet. Was die Kellerkontrolle anbelangt, so schreibt der Entwurf dem Produzenten und Händler vor, genaue Bücher zu führen über die gewonnenen und verkauften Mengen ivie über den Bezug von Zucker und anderen Stoffen usw. Die Durchführung der Keller­kontrolle ist Sache der Einzelstaaten. Weiterhin enthält der Entwurf Bestimmungen über Schaumwein, Fruchtsäfte und Kognak. Die Strafbestimmungen sind verschärft worden. Sie gehen bis zu 6 Monaten Gefängnis und 3000 Mark Geldstrafe.

Italienisch türkischer Konflikt.

Der Osterfrieden ist durch eine internationale Sensation unterbrochen worden, nämlich durch die Ankündigung einer italienischen Flottenkündgebung gegen die Türkei. Indessen hat sich das Gewitter bald wieder verzogen, ohne zur Ent­ladung gekommen zu sein. Es handelte sich um folgendes: Italien hat eine Anzahl Beschwerden gegen die Türkei. Italienische Handelsunternehmungen sind von den türkischen Behörden behindert worden, und in Tripolis ist ein italienischer Missionar angeblich aus Anstiften eines türkischen Beamten ermordet worden. Namentlich aber war zwischen den beiden Mächten ein Zerwürfnis wegen der geplanten Errichtung italienischer Postämter in fünf türkischen Städten entstanden. Die Pforte verweigerte rund weg und entschieden die Ge­nehmigung dieser Postämter und drohte, eventuell das Publikum von diesen mit Gewalt fern halten zu wollen. Italien aber behauptete, ein Recht auf die Errichtung von Postämtern in den betreffenden Städten Konstantinopel, Valona, Saloniki, Smyrna und Jerusalem zu haben, weil andere Mächte dort Postanstalten haben und Italien somit nach dem Rechte der Meistbegünstigung ebenfalls dort eigene Postanstalten errichten zu dürfen glaubt. Der Türkei sind freilich die Fremden Postanstalten in ihrem Lande von jeher ein Dorn im Auge gewesen und sie hat schon oft ver­sucht, sie zu beseitigen, allein vergeblich, da eben die türkische Post unter aller Kritik ist. Wenn sie nun schon die be­stehenden Aemter hinnehmen muß, so widersetzt sie sich neuen mit Händen und Füßen. Nun fuhr Italien aber plötzlicb mir grobem Geschütz auf. Die italienische Regierung erteilte Befehl, daß unverzüglich drei starke Schiffsdivisionen, insgesamt 12 Panzer mit einer Anzahl Torpedobootszerstörer, nach den türkischen Gewässern auslaufen solle, um durch eine Flottenkundgebung mit eventuell folgender Besetzung eines türkischen Hafens oder einer türkischen Insel die Pforte gefügig zu machen. Es war am Samstag, als diese Tat­sache als Osterüberraschung der Welt kundgetan wurde, und zugleich erfuhr man, daß die erste Division bereits in See gegangen war. Aber die Türken zeigten sich wieder einmal als äußerst geschickte Diplomaten. Da die Pforte begriff, daß sie doch werde nachgeben müssen, ließ sie es nicht auf die Flottendemonstration ankommen, sondern gab am Montag in Rom die Erklärung ab, daß der Sultangeleitet von dem Gefühl aufrichtiger Freundschaft für Italien", die Ein­willigung zur Errichtung der italienischen Postämter in den fünf Städten erteile, nicht als ein Sonderrecht für Italien, sondern weil eben andere Mächte dort ebenfalls Postanstalten haben. Damit war der Hauptbeschwerdepunkt Italiens, eben jener, der zum eigentlichen Anlaß für die Entsendung der italienischen Flotte gemacht worden war, erledigt, und die Regierung in Rom konnte nicht umhin, die eingeleitete große Aktion einstweilen zu unterbrechen und die Flotte halt machen zu lassen. Allerdings wurden nunmehr die anderen italienischen Beschwerden ii^ den Vordergrund gestellt und mit den: Verlangen, diese ebenfalls erledigt zu sehen. Auch das hat die Pforte unverzüglich zugesagt, und damit war die Affäre so weit erledigt, daß die Flottenaktion wohl oder übel ganz rückgängig gemacht werden mußte. Italien hat also die Abstellung seiner Beschwerden gegen die Türkei glatt und schnell erreicht. Aber dieses Erfolges wird man in Italien schwerlich recht froh werden, denn die Flotten­aktion, die schon an und für sich in einigem Mißverhältnis zu der Bedeutung der Streitigkeiten stand, hat ein Ende genommen, das einen kleinen Stich ins Lächerliche hat. Das wird die klugen Herren am Bosporus einigermaßen darüber trösten, daß sie Zugeständnisse haben machen müssen. Ein wenig hat übrigens diese Sache auch Deutschland be­rührt. Einmal deshalb, weil die offiziösen italienischen Auslassungen sich geflissentlich darauf beriefen, daß, wie andere Mächte, so auch Deutschland das italienische Vor­gehen als berechtigt anerkannt und gebilligt habe. Und sodann, weil die Aktion gerade zu der Zeit ins Werk ge­setzt wurde, als Fürst Bülow in Rom war. Gute Freunde und getreue Nachbarn werden nicht ermangeln, in Kon­stantinopel es so hinzustellen, als habe Deutschland unge­achtet seiner Freundschaft für die Türkei und den Sultan die Italiener ermutigt. Es wäre am Ende von unseren italienischen Bundesfreunden nicht zuviel gewesen, wenn sie mit ihrem Unternehmen noch ein paar Tage gewartet hätten, bis Fürst Bülow abgereist war. Aber solche Rücksichten zu üben, hält man anscheinend in Rom nicht für nötig. Wir wollen nichts destoweniger gute Menschen sein, und uns das Lachen verbeißen, daß die große Flottenfahrt ausge­gangen ist wie das Hornberger Schießen.

Iswolkski überden Balkan.

Der russische Minister des Auswärtigen v. Jswolkski hat am 17. ds. in der Duma eine Rede über die Balkan-

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Das Innere der abgebrannten Garnis. nStirctze. in Berlin

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