Gegründet

1877.

täglich mit Ausnahme der Sonn- und Festtage.

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Fernsprecher Nr. 11.

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Unparteiische Tageszeitung und Anzeigeblatt, verbreitet in den Mberamtsbezirken Nagold, Freudenstadt, Lalw u. Neuenbürg.

«r. 95.

Ausgabeort Altensteig-Stadt.

Freitag, de« 84. April

Amtsblatt für Pfalzgrafenweiler.

1908.

Campbell Bannerman f.

Der kürzlich von seinem Posten zurückgetreteuc eng­lische Ministerpräsident Campbell Bannerman ist nach langem Leiden am Mittwoch gestorben. Die Trauerbotschaft wurde sofort dem König mitgetcilt. Sie kam nicht unerwartet, denn schon seit Wochen wurde die Katastrophe erwartet, die nunmehr eingetreten ist.C. B." wie der Verstorbene im englischen politischen Leben genannt wurde, war ein feinsinniger Minister von sel­tener Begabung. Unter seiner Amtstätigkeit kam die libe­rale Richtung in England ans Ruder. '

Süddeutschlands Kanalprojekte.

Die Berkehrsschwierigkciten in Süddeutschland sind bekannt. Während den Norden des Deutschen Reiches starke schiffbare Ströme zerteilen, ist das in Süddeutsch­land anders. In Mannheim ist die südliche Grenze der Großschiffahrt auf dem Rhein und in Frankfurt-Offenbach die Grenze auf dem Main, und die Donau kommt für die Großschiffahrt in Bayern überhaupt noch nicht in Be­tracht. Erst ab Regensburg erfüllt die Donau als größerer Schiffahrtsweg wertvolle Funktionen. Der bergige Cha­rakter Süddeutschlands ist auch nicht ohne Einfluß auf die Eisenbahnen geblieben. Bei den schwierigen gebirgigen Terrainverhältnissen kommen die Baukosten neuer Bahnen sehr hoch. Diese Verkehrsmißstände hat man in München, Stuttgart, Karlsruhe und Straßburg längst erkannt und es hat an Plänen und Entwürfen zu Korrektionen der Flüsse und Kanäle nicht gefehlt. Es handelt sich bei den Kanalisationsplänen um ein Riesenkapital. Die meisten Aussichten für die nächste Zukunft hat die Fortsetzung der Mainkanalifierungbis Aschaffenburg (bay­rische Grenze) und die Ausdehnung der Großschiffahrt auf dem Oberrhein bis Straßburg) ebenso die von Mann­heim nach Heilbronn. Ist die Mainkanalisicrung bis Uschaffinburg fortgesetzt, dann gedenkt Bayern endlich auch das Projekt Main und Donau durch einen großen Kanal zu verbinden, zu realisieren.

Nächst Bayern hat Württemberg das größte Interesse an der Erweiterung und Verbesserung der Wasserstraßen, vor allem daran, daß der Neckar von Mannheim bis Heil­bronn für die Flußgroßschiffahrt kanalisiert wird, das heißt für Schiffe von 1000 Tonnen. Für Schiffe bis 600 Tonnen soll dann die Kanalisierung bis Eßlingen fortge­setzt werden. Die Kosten beider Linien sind auf 75 Mill. veranschlagt. In weiterer Ferne steht der Plan einer Verbindung von Neckar und Donau und der Donau via Ulm mit dem Bodensee.

Manchem mögen diese großzügigen Pläne phantastisch erscheinen, aber mit Hilfe einiger hundert Millionen sind sie für die heutige Wasserbautc'chnik nicht undurchführbar. Die Gesamtkosten des Neckar-Donau-Kanals werden auf 112 Mill. berechnet, die eines Kanals von Ulm nach dem Bodensee auf 80 Mill. Diese letzteren Kanäle sind für Schiffe bis 600 Tonnen bestimmt.

Ein neuerdings aufgetauchtes Kanalprojekt sieht die Fortsetzung der Rheinschiffahrt von Basel bis zum Boden- fee (Konstanz) vor. Zurzeit hat eine lebhafte Agitation in Baden eingesetzt, die von Konstanz aus geleitet wird, und zwar angeregt durch die in den letzten zehn Jahren am Oberrhein zahlreich entstandenen Fabriken.

Welche Schwierigkeiten stellen sich nun diesen Pro­jekten gegenüber? Den württembergischen Plänen keine allzugroßen, wohl aber den bayerischen, und zwar in Gestalt des Gespenstes der preußischen Schiffahrtsabgaben. Wenn Bayern die Schiffahrtsabgaben bewilligt, dann ge­währt Preußen die Freiheit für Bayern, den bayerischen Main an den preußisch-hessischen kanalisierten Main an­zuschließen. Bayern wollte ursprünglichlich von Schiff­fahrtsabgaben zwar nichts wissen, und besonders wehrte sich Prinz Ludwig dagegen, aber da ohne Eingehen aus Preußens Wünsche überhaupt nichts zu beginnen wäre, erklärte man sich mit der Einführung von Schiffahrts­abgaben einverstanden. Gern jedenfalls nicht. Solange also noch die Frage der Schiffahrtsabgaben nicht gelöst ist und das kann noch sehr, sehr lange dauern hat der zwischen Preußen-Hessen und Bayern seinerzeit abge­schlossene Vertrag über die Mainkanalisierung keinen vrak tischen Wert. Bayern kann vorläufig die Schätze, die in seinen. Wasserläufen für die Schiffahrt verborgen sind, nicht heben. Und das hat mit feinen Schiffahrtsabgaben das' böse Preußen getan.

Nimmt man nun alle die bis jetzt vorliegenden Kanal- vrojekte zusammen, so ergibt sich daraus deutlich, daß durch deren Ausführung der ganze Süden bis zu den Alpen dem großen Strom- und Kanalnetz im Norden dadurch wesentlich entlastet und Handel und Industrie angeschlossen würde. Zugleich würden die Eisenbahnen neu belebt werden. Wenn das Interesse Süddeutschlands wirklich wahrgenommen werden soll, dann müssen die oben näher aufgeführten Projekte ausgeführt werden. Wenn der große Anschluß des Südens an den Norden auf dem Wege der Flußkorrektionen und der Kanäle erfolgt, dann bricht eine neue wirtschaftliche Aera für Süddeutsch­land an und je früher dieser Anschluß erfolgen kann, desto besser ist es.

Tagespolitik.

Die Entscheidung im deutschen Baugewerbe steht bevor. Der deutsche Arbeitgeberbund für das Baugewerbe hat eine außerordentliche Generalversammlung auf Dienstag den 28. April nach Berlin einberufen. Auf der Tagesordnung steht die Berichterstattung über das Ergebnis der Tarifver­handlungen. Am Donnerstag und an den folgenden Tagen werden in Berlin die Einigungsverhcmdlungen zwischen den vertragschließenden Zentralvorständen unter Hinzuziehung der drei unparteiischen Herren, die an den Verhandlungen am 25. und 26. März teilgenommen haben, und der beteiligten örtlichen Organisation geführt worden. Anschließend an diese Verhandlungen wird am 27. April eine Vorstandssitzung und am 28. die Generalversammlung stattfinden,

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Polenkmrpgebttngen. Vor dem Inkrafttreten des Vereiusgesetzes werden die Polen an verschiedenen Orten Massenkundgebungen veranstalten, um noch einmal zu stürmischen Demonstrationen gegen das Enteignungs­und Vereinsgesetz zu gelangen. In Posen findet am 4. Mai eine große, allgemeine Polenversammlung statt, zu der alle Polenführer des Reiches einladen. Mitte Mai findet ebenfalls in Posen zu dem gleichen Zweck eine Versamm­lung von Polinnen statt. Die oberschlefischen Polen planen eine Massenkundgebung, die Ende April oder Anfang Mai stattfindeu soll. Die Berliner Polinnen traten am 21. April zusammen, um das feierliche Gelöbnis abzulegen, aus jedem polnischen Haus eine für den Feind unein­nehmbare Festung zu gestalten, die nationalen Ideale und Traditionen mit verdoppeltem Eifer zu pflegen nnd die Kinder zu guten Polen und Polinnen zu erziehen!"

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Serenade vor den deutsche» Bundesfürsten in Wien.

Am Abend des 7. Mai wird der Niederösterreichische Sänger­bund, über 4000 Sänger im Verein mit sämtlichen Wiener Militärkapellen zu Ehren Kaiser Franz Josefs, Kaiser Wilhelms und der deutschen Bundesfürsten im Schönbrunner Schlosspark bei Wien eine Serenade veranstalten. Die Vor­träge werden eine halbe Stunde dauern und bei jeder Witterung stattfinden. Einige Tage vor der Ankunft des deutschen Kaiserpaares in Wien reist der Herzog von Cumber- land, der sich jetzt in seinem Penzinger Palais aufhält, mit seiner F amilie nach Italiens

Der Konflikt zwischen Italien und der Türkei ist nun­mehr völlig beigelegt, nachdem die Pforte auch die übrigen Beschwerden Italiens in befriedigender Weise erledigt hat.

Die Beulenpest wütet in -Venezuela. Während die venezolanische Regierung eine strenge Zensur übt, bringen die Newyorker Blätter Schilderungen in den düstersten Farben. Am ärgsten soll die Lage in La Guyra sein. Die Hospitäler sind überfüllt und die Zahl der Toten ist angeblich enorm. Der Arzt, der die Beulenpest feststellte, soll ins Gefängnis geworfen, aber aus Einschreiten der Vertreter der fremden Mächte wieder freigelassen worden sein.

lieber die Marmorfnnde in Deutsch-Südwestafrika bringt die Windhuker Zeitung Mitteilungen, von denen wir hoffen wollen, daß sie mehr als Zukunftsmusik sind. Zur Ausbeutung derriesigen" Lager von weißem und farbigem Marmor soll eine Gesellschaft mit etwa 2 Mill. Mk. Kapital gegründet werden.Die Aussichten des neuen Unternehmens sind recht günstig, da eine Ausfuhr nach Deutschland, Nord- und Südamerika wohl möglich ist. Die nach Deutschland und Südamerika schon früher gesandten Proben sind glänzend begutachtet worden. Die großen Vorzüge unseres kolonialen Marmors beruhen in seiner Wetterbeständigkeit, die größer sein soll als die des italienischen Steins und in der erlesenen Schönheit seiner Proben und Muster. Die Wetterbeständig­keit ist darauf zurückzuführen, daß der südweslafrikanische Marmor in die Reihe der Dolomitkalke gehört, die nur schwer verwittern."

Landesnachrichten.

Allensteig, SS. April.

' Bortrag. Wir möchten auch an dieser Stelle auf den am kommenden Sonntag aus Anregung des homöopathischen Vereins hier im Gasthaus z. Anker ftattsindenden Vortrag überAugenkrankheiten" Hinweisen und sind jetzt schon der Ucberzeugung, daß keiner der Teilnehmer den Besuch bereuen wird. Das Nähere ist aus dem Inseratenteil d. Bl. ersichtlich.

* Calmbach, 2l. April. Am Ostermorgen wurde ein erst vor kurzem geborenes Kind in einer Abortgrube tot ausgefunden. Die gerichtliche Untersuchung und Sektion fand heute statt und hatte die Verhaftung der verbrecherischen Mutter, einer Fabrikarbeiterin zur Folge.

ss Stuttgart, 22. April. Gleich einer Reihe anderer deutscher Fürstlichkeiten wird sich auch unser König zusammen mit dem Kaiser im Mai nach Wien begeben, um dem Kaiser von Oesterreich anläßlich seines fünfzigjährigen Regierungs­jubiläums einen Besuch abzustatten. Im Anschluß hieran wird der König auf sein Gut nach Karlsruhe in Schlesien reisen. Am 5. und 9. Mai finden in Anwesenheit des Königs die Frühjahrsparaden in Ulni bezw. Stuttgart statt. Anfangs Juni wird sodann das Hoflager auf einige Wochen nach Bebenhausen verlegt werden.

(-) Stuttgart, 22. April. Gestern ij! hier im Alter von 66 Jahren Dr. Wilh. Raydt gestorben. Der Verstor­bene hat sich um die Hebung der Kohlensäureindustrie in Württemberg verdient gemacht. Sein hier gegründetes Geschäft umfaßt das ganze Gebiet der auf Herstellung und gewerblicher Anwendung von flüssiger Kohlensäure be­ruhenden Industrie.

js Ludwigsburg, 22. April. In der Sorge um die Erhaltung der Zeppelin'schen Grabkapelle auf dem alten Friedhof, die König Friedrich für seinen Hingeschiedenen Freund schuf und in der er dereinst selbst zu ruhen hoffte, haben die Bürgerlichen Kollegien einen weiteren bemerkens­werten Beschluß gefaßt, wonach die Kapelle wieder mit einem Kupferdach, das einen Aufwand von 3800 Mk. verursacht, versehen werden soll. Das jetzige Mastir-Asphaltdach wirkt ästhetisch wenig befriedigend.

js Bietigheim, 22. April. Unterhalb der Einmündung der Metter in die Enz fiel gestern abend die fünfjährige Tochter des Kaufmanns Flammer in die Enz und konnte nur noch als Leiche geborgen werden. '

js Heilbronn, 22. April. In der Theaterfrage hat die Unterländer Volkszeitung die Mitteilung dementiert, daß Kommerzienrat Spohn in Neckarsulm ein Baukapital von 200 000 Mk. zwecks sofortiger Inangriffnahme des Projettes zur Verfügung gestellt habe. Von autorisierter Seite wird uns aber geschrieben, daß Kommerzienrat Spohn tatsächlich in der geschilderten Weise sei» Interesse für das Theaier-