SchwarzWälder S»rr«tagsdl«tt.

Wochen-Rundsthau.

Der 60. Geburtstag des Königs.

Ein neuer Schatzsekretär.

Am 25. Februar hat König Wilhelm sein 60. Lebens­jahr vollendet und dieser bedeutungsvolle Tag ist landauf, landab und überall dort, wo Schwaben wohnen, besonders festlich begangen worden. Hat es doch unser König ver­standen, sich in außerordentlichem Maße die Liebe und Ver­ehrung aller württ. Landeskinder zu erwerben. Die gewinnende Persönlichkeit des Königs, seine schlichte Art, seine unermüd­liche Anteilnahme an allem, was in Württemberg vorgeht, was die Herzen des Volkes bewegt, was es wünscht und erstrebt, haben ein Band zwischen ihm und seinen Schwaben geknüpft, so eng und schön, wie es selten zu finden ist. Die Regierungszeit König Wilhelm !l. ist für Württemberg eine Zeit des Aufschwungs auf allen Gebieten und eine Zeit bedeutsamen politischen Fortschritts gewesen. Der gesamte staatliche Organismus hat eine grunolegende Umgestaltung und Erneuerung erfahren derart, daß Württemberg sich rühmen darf, in wichtigen Teilen ein Musterstaat zu sein und an der Spitze aller deutschen Bundesstaaten zu stehen. Daß es so ist, verdanken wir wesentlich unserem König, der, ein konstitutioneller Monarch im besten Sinne des Wortes, sich der fortschrittlichen Entwicklung nicht nur nicht entgegen­gestellt, sondern sie hochsinnig und vorurteilsfrei ermöglicht und gefördert hat. Es braucht da nur an die Verfassungs- revision erinnert werden, die stets einen Ruhmestitel seiner Regierung bilden wird. So ist die herzliche, aufrichtige Teilnahme des gesamten Landes an dem 60. Geburtsfeste des Königs ein Zeugnis der Dankbarkeit und Anhänglichkeit, die tief im Volksempfinden wurzeln. Aber nicht nur das württembergische Volk, sondern auch die Deutschen allesamt haben des 60. Geburtstags unseres Königs freundlich gedacht. Ist doch unser König ein Deutscher von echtem Gepräge, ein Bundessürst, der treu und unverbrüchlich zum Reiche steht und ein Vorbild gibt. So haben denn auch der Reichsanzeiger, die Nordd. Allg. Ztg. und das Militärwochenblatt des Geburtstags in ehrenden Artikeln gedacht. Diesen amt­lichen und halbamtlichen Auslassungen haben sich die Stimmen in den großen Blättern aller deutschen Gaue angereiht. Auch der Kaiser hat des Königs, mit dem ihn seit langen Jahren enge persönliche Beziehungen ver­knüpfen, am Geburtsfeste gedacht, insbesondere auch dadurch, daß er die in Berlin in amt­licher Stellung befindlichen Württemberger zur Frühstückstafel um sich versammelte.

Möge unserem König, das ist in diesen Tagen der Wunsch und die Hoffnung des Schwabenvolkes, noch eine lange Reihe von Jahren der Regierung beschieden sein!

Wechsel im Korpskommando.

Im Kommando des XIII. (württembergi- schen) Armeekorps ist ein Wechsel eingetreten.

General v. Fallois ist in Genehmigung seines Abschiedsgesuchs vom Kommando enthoben und an seiner Stelle Herzog Albrecht von Württemberg zum kommandierenden General des XII!. Armeekorps ernannt worden. Die Enthebung des Generals v. Fallois ist einen Tag vor dem Geburtstag des Königs, die Ernennung des Herzogs Albrecht am Geburtstag selbst amtlich bekanntgegeben worden. Das ist gewiß kein Zufall, sondern wohlberechnete Absicht. Man darf wohl annehmen, daß die Ernennung des Herzogs Albrecht eine Aufmerksam­keit für den König und für Württemberg sein soll, insofern nämlich, als damit ein Wunsch erfüllt wird, dem man in Berlin Rechnung zu tragen, sich nicht entschließen konnte. Seit 1870 hat nur einmal ein Württemberger an der Spitze des XIII. Korps gestanden, sonst waren es immer preuß. Generale. Als Herzog Albrecht an der Tour war, ein Armeekorps zu bekommen, erhielt er ein preußisches, das XI. in Kassel, und nicht das württembergische, dessen Frei­werden in naher Aussicht stand. Darin befolgt man in Berlin ein gewisses Prinzip. Es ist daran zu erinnern, daß seinerzeit der Erbgroßherzog von Baden, der jetzige Großherzog, als kommandierender General nach Koblenz (VIII. Armeekorps) ging, und daß der greise Großherzog Friedrich, als er später den Wunsch hatte, den Thronfolger an der Spitze des XIV. (badischen) Armeekorps zu sehen, das nicht durchsetzen konnte, was zu einer geraume Zeit dauernden Verstimmung zwischen Karlsruhe und Berlin und zum Ausscbeiden des Erbgroßherzogs aus dem aktiven Dienst führte. Diese Umstände dürften im Hinblick auf die Er­nennung des Herzogs Albrecht von Interesse sein. Im Uebrigen gilt der Herzog für einen befähigten Militär und man darf sicher sein, daß das württ. Korps bei ihm in guten Händen ist und aus der Höhe bleibt. Herzog Albrecht hat sich bei der großen Paroleausgabe in Stuttgart am Königsgeburtstag den versammelten Offizieren bereits als kommandierender General vorgestellt und das Kommando übernommen. Was den General v. Fallois zur Einreichung seines Abschiedsgesuchs veranlaßt hat, ist nicht bekannt. Er ist noch nicht alt erst 58 Jahre und an Rüstigkeit gebricht es ihm auch nicht. Koinmradierender General des XIII. Korps ist er nicht einmal ein Jahr lang gewesen. Vordem war er Divisionär in Freiburg i. Br.

Hört! hört! Wir haben einen neuen Reichsschatz­sekretär. Frhr. v. Stengel hat sein Entlassungsgesuch feier­lich und mit dem Ausdruck größter Anerkennung, ausge­stattet auch mit dem Großkreuz des Roten Adlerordens, bewilligt erhalten, und auf seine Stelle ist der bisherige Unterstaatssekretär im Reichspostamt Sydow, ernannt worden. Das also ist der neue Mann, den Fürst Bülow nach langem Suchen für das dornenreiche Amt gefunden hat. Das heißt, der Reichskanzler hat offiziös erklären lassen, daß er keines­wegs lange gesucht, sondern von vornherein Herrn Sydow in pstto gehabt habe. Ob das der bekannte »stärkste Mann" glaubt, scheint indessen zweifelhaft zu sein. Böse Leute behaupten nach wie vor, daß Fürst Bernhard sich zuvor tatsächlich eine ganze Reihe niedlicher Körbe geholt habe; ob es ausgerechnet ein Dutzend war, verschlägt wenig, denn auf einen mehr oder weniger kommt es nicht an. Man könnte zunächst meinen, Herr Sydow sei ein Lücken­büßer, ein Wegmacher für denjenigen, der da kommen soll, um das Reich aus seinen Finanznöten zu erlösen. Aber das ist doch offenbar nicht so. Sydow hat nicht die Rolle des Lückenbüßers, sondern soll seinen eigenen Faden spinnen. Das geht schon daraus hervor, daß er Sitz und Stimme im preuß. Staatsministerium erhalten hat, preußischer Minister ohne Portefeuille geworden ist. Frhr. v. Stengel war das nicht und hatte so von vornherein eine schwache Position gegen diejenige Stelle, die gewöhnt ist, auch die Gestaltung der Finanzverhältnisse des Reiches nachdrücklich zu beeinflussen: den preuß. Finanzminister. Eines der größten Hindernisse für eine gedeihliche Reichsfinanzreform im Einvernehmen mit dem Reichstage hat bisher immer der preuß. Finanzminister gebildet, der alles nach dem Gesichtspunkt seiner speziellen preußischen Finanzpolitik gemacht wissen wollte. (Auch andere einzelstaatliche Finanzexzellenzen haben sich hinten an den Wagen gehängt, aber der preußischelHerr ist natürlich bei Weitem der kräftigste.) Nun kann der Reichsschatz­

sekretär in derHöhle des Löwen", den preuß. Staats­minister vertreten. Außerdem war es dem Fürsten Bülow wohl darum zu tun, im preuß. Ministerium seine Stellung gegenüber denjenigen, die seiner Politik widerstreben, zu verstärken. Im preuß. Ministerium ist er eben nur der Ministerpräsident, der erste unter Gleichen. Die Ressort­minister haben weitgehende Selbständigkeit und wenn der Ministerpräsident im Staatsministerium überstimmt wird, kann er nicht viel machen. Wie sich der neue Reichsschatz­sekretärrauchen" wird, steht dahin. Er ist zweifellos ein sehr befähigter, gewandter und rednerisch schlagfähiger Mann. Das ist nicht zu unterschätzen. Vor allem aber kommt es darauf an, daß er ein Finanzpolitiker, ein Staatsmann ist. Der tut uns not.

Ein begrüßenswerter Erlaß.

Der bayerische Justizminister hat letzthin durch einen Erlaß die Staatsanwaltschaften zu einem schärferen Vorgehen bei Roheits- und Unsittlichkeitsdelikten aufgefordert. Diese Aufforderung ist nur zu begrüßen, denn es ist kein Zweifel, daß jene Delikte sich gemehrt haben. Und wenn irgendwo, so ist hier Schonung und Milde nicht angebracht.

Auf der schiefen Ebene.

In Marokko rutschen die Franzosen auf der schiefen Ebene mit großer Schnelligkeit abwärts, und der Himmel mag wissen, wohin es noch führen soll. Trotz aller Ver­sicherungen der Pariser Regierung verstrickt sich General d'Amade immer mehr in Operationen, die einem förmlichen Kriege gleichen. Er stößt unter dem Vorwand, Casablanca zu sichern und die Schaujastämme der Umgegend zur Unter­werfung zu zwingen, tief ins Innere, kreuz und quer. Das bewirkt natürlich das Gegenteil von dem, was es angeblich bewirken soll, und reizt die Eingeborenen immer mehr gegen die Eindringlinge auf. Letzthin gedachte General d'Amade einen großen Schlag zu tun. Er machte den Plan nach den

Heften unseres Moltke:Getrennt marschieren, vereint schlagen!" Drei Kolonnen zogen auf verschiedenen Wegen aus, um sich an einem bestimmten Punkte zu treffen und die eingekesselten Marokkaner in die Pfanne zu hauen. Aber, diese waren früher aufgestanden, und so begab es sich, daß die Franzosen sehr unangenehme Erlebnisse hatten. Ihre Kolonnen sahen sich, ehe sie sich vereinigt hatten, an Stellen, wo es be­sonders widerwärtig war, heftig angegriffen, daß sie teilweise, als ihnen die Munition ausgegangen war, sich verzweifelt mit dem Bajonett wehren mußten. Schließlich genügte auch das nicht mehr, sodaß ein Teil der Franzosen zu dem vielfach bewährten Mittel des Hasenpaniers griff. Als General d'Amade die Häupter seiner Lieben besah, fand er sie alle­samtsehr erschöpft", er sah auch manche, die nicht da waren, weil sie getötet oder verwundet worden waren. Die Zahl erfährt man nicht genau, denn die Kämpfer sind meistens Fremdenlegionäre und allgerische Eingeborene und da ver­lohnt es sich nicht, den Bourgeois in Frankreich zu beunruhigen. Die Beunruhigung ist freilich dennoch nicht ausgeblieben und sie hat am Montag in der Deputiertenkainmer wieder eine Jnterpellationsdebatte über Marokko veranlaßt. Der Sozi­alistenführer Jaures war es auch diesmal wieder, der der Regierung mit der Sache lästig fiel. Er fand böse Worte der Kritik über die Gefährlichkeit des marrokkanischen Aben­teuers und über die Politik der Täuschung und Hintergehung. Minister Pichon und Ministerpräsident Clemenceau gingen darüber freilich wieder mit den gebräuchlich gewordenen Re­densarten hinweg. Von einer Niederlage könne keine Rede sein, versicherten sie niit beneidenswerter Stirne, General d'Amade habe seine Weisungen nicht überschritten, Frankreich wolle nur Ruhe und Ordnung, wolle die Algecirasakte respektieren und drgl. Die Kammer tat so, als ob sie das glaubte, und erteilte dem Ministerium niit großer Mehrheit ein Vertrauensvotum. Nun kann also das Abenteuer weiter­gehen. Es zielt darauf ab, dem Gegensultan Mulay Hafid, der nachgerade den größten Teil von Marokko unter seinem Einfluß hat, das Wasser abzugraben. Zwar will sich Frank­reich, wie es erklärt, nicht in die inneren Streitigkeiten mischen, aber die Operati­onen, die es unternimmt, verfolgen unter fadenscheinigen Vorwänden den Zweck, den Sultan Abdul Aziz in der Herrschaft zu halten. Dieser Sultan Abdul Aziz, dem die marokkanische Staatsbank jetzt einen Vor­schuß von 2' s Mill. Frks. giebt, ist nur noch eine französische Puppe. Wenn es ge­lingt, ihn zu halten, ist es gerade so gut, als wenn die Franzosen selbst Marokko in der Tasche hätten. Aber der Schein ist ge­wahrt und man kann sagen: Wir treiben keine Eroberungspolitik, wir halten uns an die Algecirasakte! Die Algecirasakte! Ach, du lieber Gott! die ist nachgerade zum Gespött geworden.

Der Fall Nass.

Der italienische Senat als Staatsgerichts­hof hat nach langwierigen Verhandlungen den famosen ehemaligen Unterrichtsminister Nasi wegen Veruntreuung amtlicher Gelder zu 11 Monaten 20 Tagen Gefängnis und zum Ausschluß von allen öffentlichen Aemtern auf 4 Jahre verurteilt. Der Mitangeklagte Lombardo, vordem Kabinettschef des Ministers Nasi, wurde wegen mangelnder Beweise freige­sprochen. Nasi beteuerte bis zuletzt hoch u. teuer seine Unschuld u. spielte sich auf den großen Patrioten aus, wenn die Verschleuder­ung der Staatsgelder gar zu auffällig war. Dabei war die An­gelegenheit der von Nasi gezahltenUnterstützungsgelder" an alle möglichen Leute, nur nicht an die, die Anspruch da­rauf hatten, ausgeschieden, weil es gar zu brenzlich geworden wäre. Außerdem ist es des Landes so der Brauch, daß derart gewirtschaftet wird, und darum ließ man die Finger davon. Die Sizilianer aber toben, daß ihrem Landsmann etwas geschehen ist.

Neueste Nachrichten.

* Altensteig, 29. Febr. Wie uns mitgeteilt wird, hat der Schuhmacher Mohrhardt in Zumweiler in der Roten Kreuz-Lotterie 1000 Mark gewonnen. Der dritte Gewinn der gleichen Lotterie mit 2000 Mark soll nach Nagold gefallen sein.

Beuren, 28. Febr. (Korr.) Heute wurde der älteste Bürger unserer Gemeinde Bernhardt Keppler zu Grabe getragen. Er hatte ein Alter von über 86 Jahre erreicht. Keppler diente von 184345 beim 4. Jnfanterie- Rgt. 6 Komp, unter Hauptm. Haider. Im Jahre 1848 wurde er als württembergischer Soldat zur Unterdrückung des Aufstands im badischen Oberland in der Gegend von Konstanz kommandiert. In seinen früheren Jahren widmete er sich der Flößerei und manches Floß hat er in den Hafen von Mannheim transportiert. Bis in die letzten Tage erfreute er sich einer guten Gesundheit. Er ist wohl einer der letzten seiner Kameraden, der zur großen Armee einberufen worden ist.

* Hochdorf, 28. Febr. In einem Steinbruch an der Straße nach Schietingen stürzte eine Erdmasse herunter und begrub zwei Arbeiter. Die beiden Verschütteten wurden nach längerem Suchen als Leichen aus dem Schutthaufen hervorgezogen. Es sind dies die Arbeiter

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