Das preußische Herrenhaus hat uachgegeben und die Polenvorlage ist damit unter Dach. Nach zweitägiger Verhandlung, in der auch Fürst Bülow das Wort ergriff, hat nun gestern das Herrenhaus den Antrag des Franks. Oberbürgermeisters Adicke auf Wiederherstellung der Beschlüsse des Abgeordnetenhauses mit 143 gegen 111 Stimmen und dann die ganze Vorlage angenommen. Hie- nach sind nur die kirchlichen Grundstücke von der Enteignung ausgeschlossen.
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Reichslagsabgeordneter dl a um nun macht über Bülow und den Wechsel im Rcichsschatzamt folgende Bemerkungen: „Fürst Bülow reibt sich die Hände und freut sich, daß er wieder einmal schlau gewesen ist, indem er einen Mann eingestellt hat, von dem beim besten Willen niemand in diesem Frühjahr ein fertiges Finanzprogramm verlangen kann. Damit ist Zeit gewonnen und Zeit ist für Bülow alles. Was kümmert es ihn, daß das Defizit wächst? Er selber hat weitere Frist, sich als Reichskanzler auszuleben. Wie sich später der neue Minister Shdow Herauswickeln wird, das ist seine Sache, und das kümmert heute den verantwortlichen Leiter der deutschen Reichs - Politik noch gar nicht. Das mag einmal sein Nachfolger mit ihm ausmachen! Es gibt zur Stunde keine eigentliche Reichsregierung, die etwas will, sondern einen netten Reichskanzler, der vom Kaiser gehalten wird und der alle, alle Dinge auf die lange Bank schiebt, damit nicht festgestellt werden muß, ob er im Reichstag eine Mehrheit besitzt, und aus wem sie besteht. Die Volksvertreter aber müssen es sich gefallen lassen, aus der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" gelegentlich zu erfahren, wem nun die Reichsfinanzen anvertraut sind. Später aber sollen sie diesem Manne Geld verschaffen. Das nennt man konstitutionelles Regiment."
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Seitdem den Reichstags - Abgeordneten Diäten gezahlt werden, sind zwar immer einige Hundert im Wallotbau zu finden, der Sitzungssaal ist aber nicht viel bester besetzt, als früher. Die Abgeordneten tun alles andere lieber, als auf den Redner zu lauschen: dieser spricht ja doch nur für die Berichterstatter und die Stenographen. Während es im Saale leer ist, ist das Restaurant gut besetzt, und während dort geschmaust wird, entfetten sich andere aus dem Velotrab oder durch Vibrationsmassage im Turnsaal. Wieder andere weilen im Lesezimmer und sorgen für ihre Fortbildung. Auch in der großen Rotunde der Wandelhalle sitzt es sich behaglich. Die vier großen Ecknischen, für die man wohl ursprünglich große Standbilder deutscher Parlamentarier ausersehen hatte, könnten in unserer Epigonenzeit gar zu lange daraus warten. Darum füllte man sie jetzt mit Arrangements von Palmen und lebenden Blumen ans. So wird der vornehme Raum immer behaglich-klubmäßiger. Die bequemen Ledermöbel sind daher fast stets besetzt, während es im Plenum hundeleer ist.
Die sogenannte Interessengemeinschaft der zentralen Jndustrieverbände, der außer dem Zentralverbande der Industriellen Deutschlands der Bund der Industriellen und die Zentralstelle zur Vorbereitung von Handelsvertretungen angehören, entwickelt neuerdings eine sehr lebhafte und keineswegs unbedenkliche organisatorische Tätigkeit. Nachdem sie im vorigen Jahre die Ständige Ausstellungskommission für die deutsche Industrie gegründet hat, deren Verwaltung in den Händen der Zentralstelle für die Vorbereitung von Handelsverträgen liegt, will sie jetzt eine Außenhandelsstelle für die deutsche Industrie ins Leben rufen und die Leitung dieser Organisation dem Bunde der Industriellen übertragen. Der Gedanke einer solchen Zentralstelle, deren Hauptaufgabe
Beppo sah, wie Karl zusammenzuckte und Angiolina erbleichte. Und auch Francesco sah, beide ahnten, daß da noch ein anderer Umstand ini Spiel, den sie nicht kannten, u. beide beschlossen, darnach zu handeln.
Angiolina senkte den Kopf bei dem fragenden Blick Coppos Was hätte sie auch sagen sollen? Die Wahrheit durfte sie nicht bekennen, lügen konnte sie nicht, also schwieg sie. Karl aber trat zu den Fiswern.
»Wie? Es war Gottes Fügung, Freunde, und warum er es so gefügt, das, so hoffe ich, soll Euch bald offenbar werden."
Damit drückte er einem jeden die Hand. Der alte Beppo caunre chm zu:
»Mein Herzblatt, meine Angiolinetta soll keine solche werden, wie ihre Mutier."
Einen Augenblick stutzte Karl, daun drückte er dem Alte» fest d>e Hand.
„Nein, Beppo. so lange wir beide leben, nicht. Sie so> glücklich werden."
Damit ging er. Francesco trat zu dem Alten.
„Na, wer bat reckt gehabt?"
„Ich", sagte der Alte ernst. „Es ist nicht jeder ein Schurke wie Du."
Dann wandrrte er beim Schein des Mondes, der durch zerrissene Wolken schäme, mit seinem Enkelkinde nach Nonchis. Karl stand auf der kleinen Anhöhe am alten Wartturm und blickte den schweigsam in Gedanken versunkenen Dahinwandelnden nach. Und noch einmal wiederholte er:
„Sie soll glücklich sein."
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Sechstes Kapitel.
Angiolina saß im Gärtchen unter hsm Rosenstrauch, den Karl gepflanzt hatte und blickte sehnend hinaus auf die Straße nach Aquileja. Sie erwartete sein Kommen, es war ja nicht anders möglich, er mußte kommen, nach dem, was gestern geschehen. Ein paar Mal tünchten Gestalten auf, er war es nicht,
eine Zentralisation des Nachrichtendienstes für die den deutschen Export betreffenden Fragen unter Benutzung des den» Reichsamt des Innern und dem Auswärtigen Amt zufließenden Materials wäre, ist an sich sehr gut und auch nicht neu. Schon im Jahre 1901 sprach sich der Handelstag für das Projekt aus, wobei er anregte, daß die Reichsverwaltung selbst die Auskunftsstelle errichte und verwalte. In demselben Jahr nahm der Reichstag eine Resolution Münch-Ferber an, in der die Subventionierung einer Zentralauskunftsstelle für Fragen der Landwirtschaft, der Industrie, des Handels und des Gewerbes durch das Reich empfohlen wurde. Die Regierung gab dem Antrag keine Folge, in erster Linie deshalb, weil sie die mit einer solchen Organisation verbundene Verwaltung nicht übernehmen wollte. Sie gab den Jnteressentkreisen anheim, die Begründung der Aus- kmrftsstelle selbst in die Hand zu nehmen, und stellte amtliche lsnterstützunZ für den Fall in Aussicht, daß ein klares Programm und ein ausreichendes Interesse aller beteiligten Kreise vorliege. Die „Deutsche Wirtschafts- Ztg." macht auf diese Entwicklung des Projekts aufmerksam, um daraus mit Recht den Schluß zu ziehen, daß nach dem Sinn der damaligen Verhandlungen die Aus- kunftstclle nur von einer absolut zentralen und neutralen Stelle verwaltet werden sollte, nicht aber, wie es jetzt geplant wird, von einer rein industriellen Interessenvertretung von ausgeprägtem wirtschaftlichen Charakter. Man sollte meinen, es sei selbstverständlich, daß eine Reichshandelsstelle nur dann Anspruch auf die Unterstützung des Reiches erheben könne, wenn sie auf breitester Basis aufgebaut ist und wenn all die verschiedenen großen industriellen, kommerziellen und landwirtschaftlichen Gruppen an ihr beteiligt sind. Eine Außenhandelsstelle der Interessengemeinschaft, in der naturgemäß der hochschutz- zöllnerische Zentralvorstand durchaus dominiert, entspricht diesen Bedingungen in keiner Weise, und es- ist begreiflich, daß gegen eine eventuelle amtliche Unterstützung einer solchen einseitigen Organisation von verschiedenen Seiten Widerspruch erhoben wird. Es wird notwendig sein, schreibt die „Fr. Ztg.", diesen Widerspruch an maßgebender Stelle möglichst nachdrücklich zur Geltung zu bringen, zumal ein Erfolg in dieser Frage den Organisationsdrang der Interessengemeinschaft leicht ermutigen und sie veranlassen könnte, weitere Versuche in ähnlicher Richtung, etwa auf dem Gebiete der Sozialpolitik, zu macheu.
Deutscher Reichstag.
Berlin, 27. Februar.
Präsident v. Stolberg eröffnet die Sitzung um 1 Uhr 20 Min. Am Bundesratstisch: Staatssekretär v. Beth- maun-Hollweg. Auf der Tagesordnung steht der Gesetzesentwurf betr. Abänderung der Gewerbeordnung (kleiner Befähigungsnachweis).
Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg führte zur Begründung der Vorlage aus: Die Vorlage stelle den Grundsatz ans, daß nur diejenigen lehren sollen, die selbst gelernt haben und dies Nachweisen können. Er hoffe, daß diejenigen Bestimmungen des Entwurfs, die solche Fälle regeln, wo der Bildungsgang anders zurückgelegt wurde, den vorhandenen Bedürfnissen genügend Rechnung tragen. Mit zünftlerischen Bestrebungen habe die ganze Frage nichts zu tun. Sie liege lediglich auf erzieherischem Gebiet. Wenn er die Bestrebungen des Handwerkerstandes, aus denen diese Vorlage herausgewachsen sei, richtig verstehe, so werde das Ergebnis ihrer Einführung eine weitere Hebung und Kräftigung des Standesbewußtseins der Handwerker sein.
es waren Fischer, die ihre Waren zur Bahn brachten. Enttäuscht ließ sie dann dev Kopf sinken und ein eigenes Wehgefühl durchzog ihre Brust. Sie war allein. Der Großvater war schon früh hinauf auf den Karst gestiegen, „um Kräuter zu suchen", wie er vorgab. Angiolina wußte wohl, er wollte mit sich allein sein, wollte sie mit sich allein lassen. Nur wenige Worte batte er gellem abend ans dem Heiniwege mit ihr gesprochen.
„Er ist ein ehrlicher Mensch, mein Kind — und doch, meide hin. Hüte Dich Lernet-. — hüte Dich seinetwegen."
Und ür-rr di.-fi Worte rann sie jetzt nach Ihrethalben sollte sie sich hüten, ihn meidcn, warum? Das verstand sie nicht. Sie wußte ja nicht emmct, daß sie ihn liebte, sie wußte nur, daß es ihr weh ihat, wenn er hart war, daß sie glücklich war, wenn er freundlich und mild mit ihr sprach. Daß sie litt, wenn er litt und daß sie sterben würde, wenn er stürbe, das wußte sie; daß es Liebe war. wutzle sie nickt, denn es kam ihr nicht in den Sinn, daß ein armes Fischcrkind, wie sie, einen solchen Mann, wie er war, nicht lieben dürre. Warum sollte sie sich da hüten ihrethalben — sie sann und grübelte, und doch begriff sie es nicht. Aber scinethalben? Ja, das war schon etwas anderes, das begriff sie eher. Seinethalben sollte sie ihn meiden, — es mochte wohl despektierlich für ihn sein, wenn sie dummes Ding so oft mit ihm sprach. Das mochte wohl der Großvater meinen. Ja, das — und nun begriff sie auf einmal, daß Karl so hart und unfreundlich gegen sie war
— er wollte sie eben los sein. Und doch sprach wieder eine Stimm« in ihr, daß es nicht so sein könne, daß es unendlich traurig sei für sie, wäre rs so. Und darum wollte sie ihn selbst fragen War es so, wollte er sie nicht mehr sehen — ganz verstohlen nui in seiner Nähe wollte sie sein, denn sie fürchtete Francesco. Er
- und kein anderer hatte die Ruder angesägt, das wußte sie Er wollte ihn morden, heimlich, tückisch, hinterlistig, weil er ihr haßte — ihrethalben. Bei dem Gedanken fuhr sie auf. Ob das wohl die Warnung des Großvaters deuten sollte? Ob sie ihn deshalb meiden sollte, um den Haß Francescos nicht immer von neuem zu nähren? Dann hätte sie ja freundlich mit Francescr
v. Malkewih lkons.) erklärte, seine Partei werde in der einznsetzendcn Kommission sich aus das Gebiet beschränken, da? die Vorlage reqelen solle. Der Redner bedauert, daß die Einführung des allgemeinen Befähigungsnachweises vorläufig ein frommer Wunsch bleibe. Nicht nur die Lehrlinge und die Öffentlichkeit würden Vorteile von dem neuen Gesetz haben.
Euler (Z.) spricht sich ebenfalls für die Vorlage aus.
Linck (natl.) hebt hervor, seine Partei erblicke in der Vorlage ein geeignetes Mittel, die Lage des Handwerks zu verbessern.
Albrecht (Soz.) führt ans, die Vorlage werde dem Handwerk nicht den erhofften Segen bringen.
Carstens (freis. Vp.s betont, daß seine politischen Freunde für die Vorlage seien.
Linz (Rp.s legt dar, seine Partei sehe in der Vorlage eine 1. Stufe zur Erringung weiterer Zugeständnisse für das Handwerk.
Ricseberg (wirtsch. Vgg.) bezeichnet es als sehr erfreulich, daß nun auch die Linke dem Handwerk das znkommen lassen wolle, was ihm gehöre.
Wieland (Deutsche Vvlkspartei) hebt hervor, daß für den Handwerker die erste Voraussetzung des Vorwärtskommens persönliche Tüchtigkeit sei, und daß er einen allgemeinen Befähigungsnachweis entschieden bekämpfen würde, da ein solcher die Tatkraft der Handwerker lähmen würde. Mit dem kleinen Befähigungsnachweis könne er sich dagegen vollkommen einverstanden erklären. Die Wünsche, die da2 Handwerk an diese Vorlage knüpfe, möchten nun in Erfüllung gehen. — Nachdem noch einige weitere Redner gesprochen hatten wurde abgebrochen. Fortsetzung morgen.
Landesnachrichten.
-n. Rohrdorf, 27. Februar. In voriger Woche wurde von den hiesigen bürgerlichen Kollegien die Erstellung einer Wasserleitung für das Dorf beschlossen. Da es an guten Quellen auf hiesiger Markung nicht fehlt, die ziemlich hoch liegen, ist eine Wasserleitung mit natürlichem Hochdruck möglich. Mit der Ausführung des Projekts wird noch im Laufe des Sommers begonnen werden.
Der Bezirksobstbauvereiu hielt im Gasthaus z. „Hirsch" in Efsringen eine sehr zahlreich besuchte Versammlung ab. Herr Gärtner Raas aus Nagold sprach über den Anbau von Formobst und forderte zum Kampf gegen die Baumschädlinge auf. Unsere gefiederten Sänger leisten dem Landwirt die besten Dienste im Kampf gegen das Ungeziefer. Anschließend hieran teilte Schullehrer Grieb mit, daß in unserer Gegend im vergangenen Herbst erstmals ein Anfang auf dem Gebiet des Vogelschutzes gemacht worden wäre. Durch Verteilung von etwa 100 Nistkästchen für Meisen.
Martinsmoos, 26. Feb. (Korr.) Gestern feierteder Kriegerverein das Geburtsfest Seiner Majestät des Königs. Morgens war gemeinschaftlicher Kirchgang nach Zwerenberg, wobei sich der Verein fast vollzählig beteiligte; nach der Kirche Frühschoppen im „Ochsen" in Zwerenberg. Abends fand man sich zu einer geselligen Unterhaltung bei K. Hanse l- mann z. „Krone" in Martinsmoos zusammen, bei welcher ein Mitglied des Vereins eine zündende Ansprache hielt, welche mit einem dreimaligen Hoch auf Se. Majestät den König schloß. Gemeinschaftlich gesungene Lieder verschönten die Feier. Die Teilnehmer gingen mit dem Bewußtsein nach Hause, einen schönen genußreichen Abend verlebt zu haben.
jf Tübingen, 27. Febr. In der Wörnerschen Brauerei in Dußlingen sind am Hellen Tage die Schränke der Bierführer erbrochen und daS Geld, Uhren und Kleider zum Teil in größerem Wert gestohlen worden. Als Täter wird
,cm muncii — uns oas ronnre ne nicht, leit sie wußte, welch schlechter Mensch er war, denn sie batte es nicht gelernt, sich zu verstellen.
Es waren wobl schwere Konflikte auf sie bereingebrochen. Nur einer konnte sie davon befreien — ec. Karl. Aber er kam nicht.
Er saß in seinem Atelier vor ihrem Bilde und dachte an den Brief, den er seiner alten Mutter dort oben in Deutschland geschrieben, den Brief, in dem er von seiner Liebe gesprochen und sie angcflehl Halle, den Schwur zu lösen, seine Liebe zu segnen. Auf seinem Schoß ruhte eine Landkarte — oft und oft zeigte er mit dem Finger darauf, jetzt mußte der Brief hier sein, in Laibach, dann in Marburg, und nun hier in Graz — und dann dort oben in Prag, dann in Berlin — und daun bald dort oben in seiner Heimat. O, wenn er doch erst bald bei ihr wäre, ihre Antwort doch erb bei ihm. Bis dahin wollte er sich abschließev von den Menschen, aber kam die Antwort, die er ersehnte, dann — dann sollte die ganze Halbinsel Heller Jubel erfüllen, der doch nicht dem Jubel seiner Seele gleichsam.
Und wenn eine andere Antwort kam? Er strich mit da Hand über die Surn und seufzte schwer ans. Nein, nein, daS wäre unmöglich. Es wäre ein Spiel mit Menschenleben — und dazu war seine Mutter nicht fähig. —
Deshalb kam ec nicht zu Angiolina. Aber seine Gedmckn weilten bei ihr, wie die ihren bei ihm.
Das junge Mädchen sann noch immer darüber nach, ob sich die Warnungen des Großvaters wohl auf Francesco bezögen, als dieser die Gartenthür öffnete und eintrat.
Angiolina sprang auf.
„Was willst Du hier. Gehe hinaus, Francesco, Du weißt, der Großvater —" .. ^ ^
„Der Alte ist auf den Bergen", lachte der junge Mann, „da kann ich ruhig eiutreten und mit Dir plaudern, mein Täubchen."
(Fsrtsctzimg folgi.)