KrscHsint täglich mit Ausnahme der Bonn- und Festtage.
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außerhalb Mk. 1.35.
Unparteiische Tageszeitung und Anzeigeblatt, verbreitet in den Oberamtsbezirken Nagold, Freudenstadt, Talw u. Neuenbürg.
Gegründet 1877.
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MMbtütt für
Reklamen 15 Pfg. die Textzeile.
Rr. 50.
AusgaLeort Altensteig-Stadt.
Samstag, de« SS. Februar
Amtsblatt für Pfalzgrafenweiler.
1908 .
Amtliches.
Die Bekämpfung der pflanzlichen Schädlinge der Obftbäume.
Da die Aepfel- und Birnbäume in: Bezirk im verflossenen Jahr in hohem Grade von Fufieladium befallen waren, einem Pilz, der auf den Blättern und Früchten rundliche schwarze Flecken hervorruft und das gedeihliche Wachstum der Früchte sehr schädigt und besonders deren Haltbarkeit beeinträchtigt, werden die Obstbaumbesitzer seitens des Kgl. Oberamts aufgefordert, ihre Bäume im Frühjahr dreimal mit Kupserkalkbrühe bespritzen zu lassen und zwar erstmals im März vor dem Austreiben, das zweitemal nach der Blüte und das drittemal nach der Heuernte. Das Spritzen soll morgens und abends erfolgen. Die Brühe wird dadurch hergestellt, daß man zunächst in 50 Liter- Wasser 2 Kilo Kupfervitriol auflöst und in besonderem Gesäß ebenfalls auf 50 Liter Wasser 2 Kilo Aetzkalk, pulverig gelöscht, sich auflösen läßt, hierauf die fertige Kupfervitriollösung zu der Kalkbrühe unter stetem Umrühren gießt. Sehr zu empfehlen ist auch die Verwendung des schon gemischten Kupferzuckerkalkpulvers, welches der Obstbauverein für seine Mitglieder auch in diesem Jahre wieder beschaffen wird. Zum Spritzen sind die Holder'schen Baumspritzen zu verwenden.
Mannschaften aller Waffengattungen der Reserve, welche geeignet sind, in die Schutztruppe für S ü d w e st a f r i k a einzutreten, können sich umgehend beim Bezirkskommando Calw Wochenvormittags 9 Uhr melden.
DernbuVgS KolonialpoMik.
Mer Staatssekretär des Kolonialamts hat am 18. Februar in der Haushaltkommission des Reichstags eine Rede gehalten, die einen sehr großen Eindruck gemacht hat und vermutlich bei der Beratung der Kolonialfragen noch sehr viel besprochen werden wird. Er stellt sich auf den Standpunkt, daß der Eingeborene das wichtigste Gut ist, welches wir in unseren afrikanischen Kolonien besitzen, und daß infolgedessen unsere ganze Politik darauf gerichtet sein muß, den Eingeborenen zu schützen und seine Arbeitskraft dadurch anzuregen, daß man ihm selbst höhere Gewinne in Aussicht stellt. Dernburg tritt damit in bewußten Gegensatz zu der Praxis derjenigen Plantagenbesitzer, die in Ostafrika den Neger nur als Ausbeutungsobjekt betrachten. Was er über die Kontrakte berichtet, ist eine volle und — wie uns scheint — wohl begründete Anklage gegen ein System, welches, zwar den
Namen der Sklaverei vermeidet, sachlich aber nicht sehr viel besser und anders ist, als es die Sklaverei in portugiesischen Gebieten oder im Kongostaat gewesen-ist. Für die Gesundheit der Neger geschieht gar nichts. Es gibt wenig alte Neger und die Sterblichkeit bei ihnen ist größer als bei den Weißen. Dazu kommt die völlig unbefriedigende Rechtslage der Neger, wenn sie in einen Rechtsstreit mit einem Weißen eintreten. Dernburg sagt:
„Dagegen ist bei einem Streit zwischen einem Schwarzen und einem Weißen die Lage des Schwarzen ungünstig. Hat ein Weißer gegen einen Schwarzen etwas vorzubringen, so schreibt er einen Zettel, und die Sache wird durch einen Schaum. abgemacht. Hat ein Schwarzer eine Klage gegen einen Weißen, so muß er hingehen zum Gericht, muß Vorschuß zahlen, er wird mit den in der Heimat üblichen Formalitäten belastet, er bekommt schließlich ein Urteil oder einen vollstreckbaren Titel in die Hand, mit dem er nichts anzufangen weiß, mit laufenden Terminen
und Fristen.Sie dürfen nicht vergessen, in dem
ganzen Schutzgebiet — es ist zweimal so groß wie Deutschland — gibt es drei Gerichte, wo der Schwarze gegen den Weißen etwas Vorbringen kann. Wenn ein Schwarzer eine Klage gegen einen Weißen in Tabora hat, so muß er sich in 17 Tagereisen nach Muansa begeben, und wenn einer in Mrogoro oder in Mombo oder im Hinterlande, da zu dem Dars es Salemer oder Tangagebiet gehört, dieses tun will, muß er mit der Eisenbahn ein Tag lang fahren."
Seine Vorschläge gehen dahin, daß die Beschwerden der Schwarzen, wenn der Regierungskommissar sie für begründet erachtet, ohne Kostenvorschuß ausgenommen werden müssen, und daß das Züchtigungsrecht der Karawanenführer und der Plantagcnleiter gesetzlich eingeschränkt werden müssen. Vor allem aber werde es notwendig sein, daß die weißen Gerichte in ihren Rechtsurteilen gegen Weiße ebenso unnachsichtlich Vorgehen, wenn sie sich Grausamkeiten haben zu Schulden kommen lassen, wie es gerechtfertigt ist, daß gegen Schwarze in ähnlichen Fällen vorgegangen wird. Er schließt: „Ich mache den weißen Gerichten keine Vorwürfe, aber die Emsindung, was recht und was unrecht ist, ist bei den Schwarzen vielleicht die einzig ausgebildete moralische Empfindung." Es versteht sich von selbst, daß diese Ausführungen Dern- burgs im Kreise der bisherigen Vertreter des Kolonialgedankens keineswegs auf allgemeine Zustimmung rechnen dürfen. Dernburg hat sich mit vollem Bewußtsein in Gegensatz gesetzt zu denjenigen Kolomalfreunden, die das Recht des Schwarzen überhaupt als ein svrmulierbares
Recht nicht anerkennen wollen. Es wird abzuwarten sein, wie sich die Parteien auf der rechten Seite zu dem kühnen Vorgehen des neuen Kolonialdirektors stellen werden.
Tagespolitik.
Dem bayerischen Landtag ging eine Vorlage zur Erbauung von 26 Lokalbahnen zu, die einen
Gesamtaufwand von 33 728 300 Mk. erfordern.
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Fürst Bülow hat im preußischen Herrenhaus bei Gelegenheit der Polenvorlage eine bemerkenswerte Rede gehalten. Er sagte: Wir haben keine Veranlassung, unsere innere Politik uns vom Auslande diktieren zu lassen, sie von seinem Urteil abhängig zu machen. Fürst Bismarck hat mehrfach erklärt, Rücksichten der auswärtigen Politik dürsten die innere Bewegungsfreiheit eines Staates nie beeinträchtigen. Früher bestand bei den Völkern eine Neigung, sich in die inneren Verhältnisse anderer Nationen einzumischen. Die französische Revolution und die heilige Allianz beging denselben Fehler. Heute überwiegt die Ansicht, daß jeder Staat Herr im eigenen Hause sein muß, aber sich auch um die häuslichen Angelegenheiten der anderen nicht kümmern dars. Nur uns Deutschen gegenüber verletzt man hier und da noch diesen Grundsatz. (Sehr richtig!) Andere Länder haben in den letzten Jcchr- zenten Maßnahmen ergriffen, die der übrigen Welt nicht gefielen, aber niemand hat sie so angegriffen und zur Rechenschaft gezogen, wie man es sich mit uns erlaubt. Das ist vieleicht noch eine Folge unserer Geschichte, die dem Auslande leider so oft Anlaß zur Einmischung in unsere Angelegenheiteu gegeben hat. Fremde Dichter und Politiker haben sich solche Kritik unsers Vorgehens erdreistet. Wir sind an dieser Anmaßlichkeit des Auslandes selbst mit schuld, weil wir alles Fremde so bewundern, vor Allem Fremden platt auf den Bauch liegen und alle Unbill uns gegenüber demütig hinnehmen. Nicht nur jedes Wetter- Zeichen, namentlich auch jedes Wetterleuchten am Horizont der auswärtigen Politik muß man beachten. Aber vor jedem Stirnrunzeln des Auslandes zu erbeben, das ist nicht die Art großer Völker. (Beifall.) Unsere Pflicht ist, uns durch eine ruhige und richtige Auslandspolitik Vertrauen und Achtung zu gewinnen, andererseits tut uns mehr ruhiges Nationalgefühl not! — Bemerkenswert ist, daß selbst Feldmarschall Graf Häseler sich gegen die Vorlage aussprach, da sie der Verfassung widerspreche.
^ L-f-frircht. A
Fühlt auch das Herz sich im Verlust Gespalten und geteilt.
Gib willig, was du geben mußt,
Und jede Wunde heilt.
Angiolina
Novelle von Hans von Basedow.
Fortsetzung.
Draußen war es still geworden. Die Fischer hatten di« Weinlaube verlassen und waren au das Meer geeilt. Wenn auch Strandgut nur selten anspült, so mochte der Sturm doch Boote losgerissen oder die ausgesvannten Netze zerstört haben. Man wollte nachforschen und retten, was noch zu retten war. Der alte Coppo, seit mehr denn fünfzig Jahren am Strande ansässig, schritt allen voran, zu der von den bochaufgespritzten Wogen durchnäßten Landzunge. Sorglich schritt er bis zur Spitze vor, von der aus man ganz hinten am Horizont das Licht des Leuchtturms zu Triest schimmern sah. Trotz seines hohen Alters und seiner gebeugten Gestalt hatte Coppo ein scharfes Auge, er spähte hinaus — in weiter Feme schwankte ein Boot auf dem Wasser — es war nicht zu retten — aber da, unmittelbar zu seinen Füßen, halb schon ans Land gespült, lag da nicht ein Ruder.
„He, Pippo", rief der Alte einem geschmeidigen Jungen zu. „steig mal da runter — ein Ruder."
Pippo kletterte gewandt die Böschung hinab und brachte ein halbes Ruder herauf — es zeigte einen ganz merkwürdig glatten Ring, ani Griff war „C. E." eingebrannt.
..Hm" — bmmmte Coppo — „es ist vom Pittore". Nachdenklich sah er die Bruchfläche an, dann rief er dem Bootsbauer und Zimmerer des Ortes zu: „Du. Creole, komm mal her. wie — wie ist das da mit dem Ruder."
„Hm" das ist angesägt."
„Und warum ist es angesägt?"
„Warum?" Creole zuckte die Achseln, Pippo rief:
„Damit einer ersaufen sollt."
Coppo und Creole steckten die Köpfe zusammen, dann winkten sie den tauben Fazio heran und schrieen ihm ins Ohr, er möge aufpassen, bis sie zurück kämen, sie hätten eben nur etwas Wichtiges zu thun.
„Halt, halt", rief Tometto, ein junger Fischer — „da — noch zwei Stück."
Und er fischte das fehlende Stück des Ruders heraus und die Hälfte eines anderen. Auch das war angesägt und trug den Brandstempel „C. E."
„Haltet Eure Mäuler", meinte Coppo, „vor allem dem Weibsvolk nichts gejagt, weiß es das erst, weiß es auch der ganze Strand."
Dann nahm er die drei Stücke nnd wandte sich mit Creole
der Osteria zu.
Karl wollte sich eben verabschieden. Beppo drückte ihm fest die Hand. Mochte es nun sein, wie es wollte, der Pittore hatte seinem Enkelkind das Leben gerettet und das verdiente Dank. Und dann war er auch so ernst, daß sich der alte Beppo nicht denken konnte, daß der seine Angiolina unglücklich machen könne.
Karl war zu dem jungen Mädchen getreten.
„Leben Sie wohl, liebes Kind. — Angiolinetta", setzte er halblaut hinzu, „auf baldiges Wiedersehen." Und ein Zug von Freude glitt bei dem Gedanken über sein Gesicht, denn das Wiedersehen, was er meinte, war begleitet vom Segen der Mutter.
Francesco sah durch das Fenster nnd lachte höhnisch auf, da legte sich eine Hand auf seine Schulter. Er knickte fast vor Schreck zusammen.
„Na. was machst Du denn da", brummte ihm Coppo zu, der eben mit Creole angckommen war.
„Ich — behebe — ich freue mich, wie Ihr, daß die Kleine gerettet ist. Was sollte ich sonst wohl". — als er ihre wichtigen
Mienen sah. setzte erfragend hinzu: „Ra — und was wollt Ihr denn, Vater Coppo?"
„Ach — kuriose Geschichte — die Ruder hier."
Francesco wechselte kaum merkbar die Farbe, dann rief «r aus:
„Zerbrochen, was ist denn da Besonderes dran?"
„Ja", nickte Creole, „zerbrochen, aber vorher angesägt."
„Unsinn", brummte Francesco, „wem seine Ruder find es denn?"
«Na, die vom Pittore."
„So, woher wißt Ihr denn das?"
„Na, weil es eingebrannt steht."
„Und was wollt Ihr denn damit?"
„Zeigen wollen wir es ihm."
Francesco nagte an seinen Lippen. Dann lächelte er
freundlich.
„Ihr habt recht, das muß dem Pittore gesagt werden — freilich, lange wird er nicht mehr hier bleiben, wmn er erst weiß, daß man nach seinem Leben trachtet."
„Nach seinem Leben — i, wieso denn." Coppo warf, indem er das murmelte, einen scharfen Blick auf Francesco.
„Na. ich meine nur so. Warum sollte man es denn sonst gethan haben?"
Die beiden traten in das Zimmer. Coppo fetzte Karl den Fall auseinander. Ein Erbleichen huschte über Angiolinas Züge. Sie preßte die Hand aufs Herz. Karl schüttelte den Kopf.
„Zufall, wer sollte mir wohl schaden wollen? Ich hoffe, ich habe hier keine Feinde."
„Nur einen", dachte Angiolina und warf einen schnellen Blick auf den in der Tbür stehenden Francesco, der ihr freundlich zuuickte.
„Hm", meinte Coppo. „Ihr seid einer großen Gefahr entronnen. Mit zerbrochenen Rüdem bei der Bora auf offener See — eS war sicherer Tod. Hm — wunderbar, wunderbar — Wie konntet Ihr nur die Kleine rette«, so ohne Ruder?"