südlich vorgedrungen. Für Freitag und Samstag ist daher wieder zeitweilig trübes, windiges und strichweise auch mit Niederschlägen verbundenes Wetter zu erwarten.
8. Vom Osterfest. Zum ersten Mal wurde das Osterfest nach dem verbesserten Kalender im Jahre 1724 in Württemberg gefeiert. Am 5. März 1724 wurde ein hochfürstlicher Befehl wegen Haltung des Osterfestes von den Kanzeln verlesen und angezeigt, daß solches nicht nach dem „ohnrichtig und fehlsamen gregorianischen Cyklo, den 16. April, sondern nach dem genauen astronomischen Kalküls, wie Anno 1699 von allen reichsevangelischen Churfllrsten und Ständen einhellig beschlossen und solcher einmüthige Schluß unter den 30. Januar 1723 wiederholet worden, den 9. April solle und werde gefeyert werden." Nach dem alten Kalender wäre das Osterfest Heuer auf den 25. März gefallen.
8t. Die Schwurgerichtssitzungen des 2. Vierteljahres beginnen in Tübingen am Montag, 22. April, vormittags 9 Uhr. Zum Vorsitzenden wurde ernannt Landgerichtsdirektor Dr. Kapff.
IlO. Furcht vor Strafe? Der wegen Brandstiftung verhaftete Bauer L., der hier schon schwer zu behandeln war, machte im Gefängnis in Tübingen einen Selbstmordversuch, der aber vereitelt werden konnte.
-o Berkehrseinnahmen. Im Monat Februar d. I. vereinnahmten die Württ. Staatseisenbahnen aus dem Personen- und Güterverkehr 5 672 000 Mk. (gegen das Vorjahr mehr 485 286 Mk.). Vom 1. April bis 29. Februar wurden vereinnahmt 76176 000 Mk. (plus 5 091068 Mk.).
-ii- Ziehung. Bei der heutigen Ziehung der Feuerbacher Kirchenbaulotterie fielen die Hauptgewinne auf folgende Nummern: 15 000 Mk. auf Nr. 8262, 5000 Mk. auf 30356, 2000 Mk. auf 12681, je 1000 Mk. auf 8562, 57516, je 500 Mk. auf 83620, 4366, 107913, 53127. (Ohne Gewähr.)
8. Wie man die Bäume schröpft. Nun kommt die Zeit des Baumschröpfens. Im Obstgarten trifft man nicht selten Aeste und Zweige mit aufgesprungener Rinde, mit Borkenschuppen. Dies kommt vom Rindendruck her, wenn der Zweig zum Ast wird. Nun will ihm sein natürliches Kleid zu eng werden. Da mutz nachgeholfen werden, was durch das Schröpfen geschieht. Dies nimmt man jetzt vor der Laubentwickelu'ng vor. Mit einem scharfen Gartenmesser fährt man unterhalb der Baumkrone mit der Spitze durch die Rinde bis aufs Holz und führt den Schnitt den Stamm entlang bis auf den Boden. Ob der Schnitt längsseitig oder wellenförmig gezogen wird, bleibt sich gleich. Das Schröpfen bewirkt ein besseres Wachstum und Gedeihen der Bäume, wirkt als Gegengewicht gegen den Rindendruck und dient auch als Heilmittel bei Brandwunden der Bäume. Wenn ein Baum zu mast wird, so datz die Rinde aufspringt, sagt der Bauer, dem mutz man zur Ader lassen. Damit meint er eben das alterprobte Mittel des Baumschröpfens.
Birkenfeld, 27. März. Letzten Sonntag wurde der ledige Goldarbeiter Otto Wolfinger hier verhaftet,
und zwar im Zusammenhang mit dem letzten großen Brand hier vor 14 Tagen, der zweifellos angelegt war. Wolfinger soll sich des Versicherungsbetrugs schuldig gemacht haben, indem er mehr Mobiliar für verbrannt angab, als richtig war. Auch soll er Scheinverträge gemacht haben.
Weilderstadt» 27. März. Das Würmtalbahnprojekt nach Pforzheim ist wieder auf der Tagesordnung. Letzten Montag bereiste eine Abordnung des badischen Landtags die Strecke und hielt hier und in Tiefenbronn Konferenzen mit den Vertretern der Gemeinden ab.
Württemberg.
Stuttgart. 2K./27. März 1912.
Evangelische Landessynode.
In der heutigen Nachmittagssitzung wurde zunächst dem Gesetzentwurf betr. die neue Ausgabe des dritten Teils des Kirchenbuches nach dem Anträge des Berichterstatters Herzog zugestimmt. Es folgte die Beratung über den Bericht der kirchenrechtlichen Kommission betr. das kirchliche Stimmrecht der Frauen, der vom Abg. Des- selberger erstattet wurde. Auf Grund seiner Ausführungen sollte die Synode die eingereichten Eingaben der Oberkirchenbehörde zur Kenntnisnahme übergeben. Die kirchenrechtliche Kommission hat nun beantragt: Die eingelaufenen Eingaben betreffend die Gewährung des kirchlicher Wahlrechts an die evangelischen Frauen für geergnet zur Behandlung durch die Landessynode zu erklären, aber zu beantragen, die 7. Landessynode wolle angesiasts der Geschäftslage ihrerseits von einer materiellen Behandlung der Frage absehen und die Eingaben der Oberkirchenbehörde zur Kenntnisnahme übergeben. Diesen Anträgen stimmte die Synode zu. — ZumSchluß kam nachstehender Antrag von Lechler l! und 9 anderen Abgeordneten zur Besprechung: „Die hohe Oberkirchenbehörde zu ersuchen, dis Eeschäftseinteilung in den Städten, in denen zwei und mehr Pfarrer an einer Kirche zu predigen haben, grundsätzlich (und soweit nicht besondere Umstände es untunlich erscheinen lassen) in der Art zu ordnen, datz mit den Vormittagspredigten regelmäßig abgewechselt werde, abgesehen von den Fällen, wo der eine oder andere in einem Filial oder sonstwo regelmäßig zu predigen hat." Angenommen wurde dann ein kombinierter Antrag Gauger-O. Wurster, worin dem 2. und 3. Geistlichen einer Parochie eine größere Beteiligung am Vormittagsgottesdienst der Sonn- und Festtage im Sinne des Antrags Hieber v. I. 1901 zugestanden wird und weiter die Oberkirchenbehörde gebeten wird, die Zuweisung des Abendgottesdienstes an die ersten Geistlichen in Erwägung zu ziehen.
In der heutigen letzten Sitzung nahm die Synode nachstehenden Antrag der Kommission für Lehre und Kultus zu der Eingabe des Stadtpfarrers Paul Lechler in Ludwigsburg an die Landessynode, betreffend den staatlichen Eideszwang, worüber die Abgg. von Nestle und V. von Häring Bericht erstattet hatten, einstimmig an: „zu erklären: Die Landessynode, durchdrungen von dem Ernst und der Schwierigkeit der Eidesfrage in der Gegenwart, wünscht eine möglichst weitgehende Beschränkung des Eides und begrüßt alle Bestrebungen, die darauf gerichtet sind, die Entwürdigung des Namens Gottes zu verhüten und die religiöse Freiheit des Einzelnen zu sichern. Sie bittet das Evangelische Konsistorium, in der bezeichnten Richtung bei den zuständigen Behörden tätig zu sein." Hiergegen hatte die Obcrkirchenbehörde keine Einwendungen zu erheben. Damit hatte die Synode ihre Beratungen bendigt. Hierauf schloß der Kultminister v. Fleischhauer im
Auftrag des Königs die außerordentliche Tagung der 7. Landessynode und betonte den Geist der Versöhnlichkeit. von dem die Verhandlungen getragen worden seien. Präsident v. Zeller dankte mit den innersten Segenswünschen für den König. Nach dem Schlutzgebet wurde das Reformationslied: „Ein feste Burg ist unser Gott" gesungen.
Aus den Kommissionen.
Der Ausschuß für innere Verwaltung hielt heute eine Sitzung ad zur Beratung einiger ihm überwiesener Angelegenheiten. Zunächst kam der Antrag Dr. Eisele betr. landesgesetzliche Regelung zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zur Beratung. Abg. Mattutat berichtete eingehend über die seitherige Behandlung des Gegenstandes. Der Berichterstatter beantragt, die Regierung zu ersuchen, die Angelegenheit durch Gesetz zu regeln. Abg. Keilbach erstattete hierauf über die Eingabe des Homöopathen Privatier Zöppritz Bericht, die dahin geht: 1) Eine Potenz zu bestimmen, von welcher ab jeder Stoff dem Verkehr freigegeben wird, 2) Auf der Universität dafür zu sorgen, daß der zukünftige Richter oder Arzt so unterrichtet werde, daß sie sich ein richtiges Bild von der Homöopathie zu machen vermögen. Der Berichterstatter beantragt zu Ziffer 1) Berücksichtigung, zu Ziffer 2) Kenntnisnahme. Der Berichterstatter ändert dann seinen Antrag zu 1) dahin, daß die Regierung ersucht werden soll, im Bundesrat ! dafür einzutreten, daß dem Wunsche zu Ziffer 1) entsprochen werden möge. Die Anträge des Berichterstatters werden angenommen.
Das württ. Handwerk und die neuen Submissions-Vorschriften.
-Z. Die neuen Bestimmungen, nach denen das staatliche Submissionswesen in Württemberg künftig gehandhabt werden soll, sind nun da. Sie sind derart plötzlich erschienen, daß in den zunächst beteiligten Kreisen nicht geringe Verwunderung laut wird. Weder die großen Landesverbände der Eewerbe- vereine und der Fachorganisationen des Handwerks, noch die offiziellen Handwerkvertretungen, die Handwerkskammern, hatten von dem bevorstehenden Erlaß dieser neuen Bestimmungen die geringste Ahnung. Sie alle glaubten mit Recht erwarten zu dürfen, daß ihnen Gelegenheit geboten würde, zu dem Regierungsentwurf Stellung zu nehmen. Noch im Herbst vorigen Jahres arbeitete eine Kommission der sämtlichen gewerblichen Verbände unter Aufwendung ganz erheblicher Kosten eine umfangreiche Denkschrift aus und überreichte diese an die Regierung sowohl wie an die Vertreter der Abgeordneten- und der Ersten Kammer. Es war das erste Mal, daß Handwerkerwünsche in solcher Einmütigkeit geltend gemacht wurden, und niemand glaubte anders, als daß nunmehr auch die Abgeordnetenkammer im Plenum Gelegenheit erhalten würde, zu dieser Lebensfrage des gesamten Handwerks Stellung zu nehmen. Auch aus parlamentarischen Kreisen ist bekannt, daß diese Erwartung dort durchaus geteilt wurde. Es sollte anders kommen. Kurz vor Zusammentritt des Landtags erscheinen nun die neuen Bestimmungen und schaffen damit eine fertige Tatsache, an der leider nicht mehr viel zu ändern sein wird. Wenn nun das Handwerk aufs neue mit seinen Wünschen und Forderungen kommt, so wird es wahrscheinlich dahin verwiesen werden, daß man nicht schon wieder zur Aenderung der kaum geschaffenen Vorschriften greifen könne, nachdem ja einige der Handwerkerwünsche wenigstens teilweise erfüllt worden sind. Das ist kein erfreulicher Zustand. Er wird viel Erbitterung schaffen im württembergischen Handwerk, und man darf
Tyrann Ehre.
8) Roman von K. Luborvski.
(Fortsetzung.)
„Höre auf, Mutter," flehte Hans Weddo in Todesangst.
Sie schüttelte matt den Kopf.
„Ich — bin nun — ja — bald — am Ende. Wo war ich stehen geblieben? Ach so — das Testament. Hier — unter meinem Kopfkissen ruht es schon zehn Tage, damit es zum Lesen bereit wäre, wenn ich dich rufen mutzte. Lies es, mein Kind!"
Hans Weddo faltete den großen, etwas vergilbten Bogen auseinander und überflog den Inhalt mit den Augen:
Schloß Hohen-Litzen, 1. Dez. 1885.
Ich bestimme:
Mein gesamtes Vermögen — bestehend aus dem Hauptgut Hohen-Litzen und den Nebenglltern Tratten und Linde — fällt zu gleichen Teilen meiner Ehefrau Hildegard geb. von Keltern und meinem rechtmäßigen Sohne Hans Weddo zu. Die Güter Tratten und Linde sollen nach meinem Ableben verkauft werden. Sie haben kalten, moorigen Boden und rentieren sich nicht. Hohen-Litzen soll der Familie erhalten bleiben.
Im Falle mein Sohn vor seiner Mutter sterb.en sollte und meine Schwester Agnes verehel. Gräfin Beeskow oder deren Kinder am Leben sind, bestimme ich, daß einhunderttausend Mark an diese fallen. Ueberlebt mein Sohn seine Mutter, so soll er den uneingeschränkten Besitz meines ganzen Vermögens haben. Geht meine Ehefrau nach meinem Tode eine
neue Ehe ein, so sollen die eben zum Ausdruck gebrachten Bestimmungen Platz greifen. Ausgenommen — sie heiratet den (hier war ein Name sorgfältig ausgekratzt). In diesem Falle setze ich meinen Sohn auf das Pflichtteil und meine Ehefrau enterbe ich. Sie kann hiergegen den Schutz des Gerichts anrufen. Das übrige Vermögen fällt dann sofort meiner Schwester zll oder deren Erben.
Ich weiß, daß ich damit sehr hart bin. Aber ich will es auch sein. Ich habe zu viel in der Ehe unter diesem Mann gelitten, als daß ich ihm ein Glück gönnen könnte. Ich weiß, daß sie ihm nicht begegnet ist. Aber wenn es so gewesen wäre — dann weiß ich auch, daß ich abseits bei dem Mahl, das für mich bereitet wurde, stehen und hungern hätte müssen. Sie hat nicht aufgehört, an ihn zu denken. Und dafür will ich mich rächen. Ebenso für all das, was ich entbehren mutzte und gelitten habe, trotz ihres Besitzes.
Mit meiner Verfügung appelliere ich an die Mutterliebe, die dem Sohn das nicht nehmen wird, was ihm von Gottes und Rechts wegen zukommt. Damit hoffe ich sie zu zwingen.
Wenn mein Sohn dereinst zum Manne gereift sein und hiervon Kenntnis erlangen wird, versteht er mich sicher in diesem Gefühl des Hasses. Verzeihen wird er mir erst dann vollständig können, wenn er eine Frau findet, die er mehr liebt wie sein Leben und seine Seligkeit — die ihm gehört und doch nicht mit dem Innersten sein ist. Daß er vor diesem „Verzeihenmüssen" bewahrt bleiben möge, ist das Einzige, was ich jemals von meinem Gott erbeten habe.
Gezeichnet
Eckerhart Freiherr von Tarenberg.
Das Blatt sank aus Hans Weddos Händen zu Boden. Ein Schluchzen kam aus seiner Brust.
„Arme, geliebte Mutter — was magst du damals gelitten haben."
Ihre matte, weiche Stimme begann wieder zu sprechen:
„Jetzt kennst du den Inhalt. Noch am nämlichen Abend, als ich von ihm wußte, habe ich — unter Klarlegung des zwingenden Grundes — mein Jawort zurückgefordert. Dein Vater hat recht behalten, als er an meine Mutterliebe glaubte. Ueber die Tage, die nun für mich hereinbrachen, laß mich schweigen. Ich erhielt keine Antwort auf meinen Brief. Der Empfänger erwies sich als feiner Diplomat, der einen systematischen Plan mit seinem Schweigen verfolgte. Ich mußte erst verzweifelt — des Willens beraubt — haltlos und mürbe sein, ehe er kam. Und das war ich denn auch.
Er hat gebeten und gefleht, daß ich mich besinnen möge — ich bin hart geblieben.
Er hat geweint wie ein Kind. Ich habe den Kopf geschüttelt und ihn von mir gewiesen.
Da hat er es mit dem letzten, verzweifelten Mittel versucht! Ich war ja so schwach und so willenlos nach dem allen. Und — siehst du, Hans Weddo — da verlor ich meine Frauenehre und Würde."
Sie schlug die Hände in heißer Scham vor das Gesicht. Er verstand sie nicht.
„Warum, Mutter?"
Sie ächzte leise. Ihr Atem flog und ihre Wangen brannten.
„Ich — gab ihm — nach. Ein kurzer Rausch! Ich — ich — verstehst du mich nun, Hans Weddo? Und diese Stunde ist die Sühne für meine Sünde!"