wohl sagen, daß die Regierung schlecht beraten war, als sie zu diesem Auskunftsmittel gegriffen hat. Was den materiellen Inhalt der neuen Bestimmungen anbelangt, so ist zu sagen, daß er nur in geringem Grade den berechtigten Wünschen des Handwerks entgegenkommt. So vermissen wir zunächst die Anerkennung eines Beschwerderechts für die Bewerber in solchen Fällen, denen die vergebenden Behörden sich an die Bestim­mungen nicht kehren. Es fehlt eine Anordnung in der Richtung, daß den Handwerkern jeweils die Arbeiten einschließlich der Materiallieferung übertragen werde. Der Handwerker ist also nach wie vor in vielen Fällen lediglich der Taglöhner der Staatsverwaltung. Auch die volkswirt­schaftliche Kommission der Abgeordnetenkammer hatte die Aenderung dieses Zustandes gewünscht. Die Streik­klausel fehlt vollständig. Von dem Ausschluß kommu­naler Regiebetriebe ist nirgends die Rede. Die Be­stimmungen über Ueberwachung und Abnahme der Arbeiten sind in der Hauptsache die alten. Was aber -ie größte Enttäuschung unter den Handwerkern ver­ursachen wird, das ist das völlige Fehlen der vom gesamten Handwerk einmütig geforderten Heranziehung von Sachverständigen bei Ausstellung der Voranschläge. In dieser Beziehung ist auch über das Verlangen des volkswirtschaftlichen Ausschusses chne weiteres hinweg gegangen morden, der am 30. Mai 19l0 einstimmig beschlossen hatte, daß bei der Feststellung der allgemeinen Normen, die für die Aufstellung von Voranschlägen und für die Bedingungen bei Vergebung der öffentlichen Arbeiten und Lieferungen maßgebend sein sollen, dem organisierten Handwerk Gelegenheit zur Abgabe einer Aeußerung zu geben sei. Und gerade diese Forderung, die übrigens schon vom volkswirtschaftlichen Ausschuß aus das denkbar bescheidenste Maß zurückgesührt worden ist, bedeutet einen der wichtigsten Punkte in der ganzen Submissionsfrage. Daß auch ein anderer Wunsch des volkswirtschaftlichen Ausschusses, nämlich das Verlangen nach einer übersichtlichen Fassung der neuen Vorschriften keine Berücksichtigung fand, sei nur nebenbei bemerkt. Alles in allem: die neuen Bestimmungen sind nicht annähernd das, was das Handwerk zu fordern ein Recht hat. Sie werden beispielsweise von den bayerischen Submissionsvorschriften an Handwerkerfreundlichkeit weit überrrofsen. Vom württembergischen Landtage aber wird man erwarten können, daß er in dieser Lebensfrage des Handwerks nicht versagt und der Regierung seine Meinung nicht vorenthält; auch wenn sie wie anscheinend nicht gewünscht wird.

Vom württembergischen Heer. Aus Württem­berg wird derKöln. Ztg." geschrieben: Im ganzen sind jetzt fünf Divisionen mit württembergischen Generalen besetzt bei nur zwei eigenen etatsmäßiaen. Diesen fünf gegenüber steht ein preußischer General­leutnant in Ulm. Ferner werden bei vier Infan­terie-Brigaden aus württembergischem Etat sechs von Schwaben kommandiert, sämtliche vier württember- giscbe und zwei preußische. Ebenso sind die beiden Artillerie-Brigaden in Ludwigsburg und Ulm mit württembergischen Offizieren besetzt und drei weitere schwäbische Artilleristen kommandieren preußische Brigaden. Im ganzen steht somitz den vier württem­bergischen Divisions- und fünf Brigade-Kommandeu­ren auf preußischem Etat ein preußischer Generalleut­nant auf württembergischem gegenüber. Wirklich, wir Schwaben kommen nicht zu kurz. Angesichts dieser Tatsachen ist es albern und einsichtslos, von

einer Zurücksetzung der württembergischen Offiziere oder gar einer Verpreußung unseres Heeres zu spre­chen. Käme vielmehr umgekehrt Preußen den gewiß sehr tüchtigen schwäbischen Offizieren nicht in so von Partikularismus freier Politik entgegen, dann müß­ten sofort mit einem einzigen Federstrich von 23 würt­tembergischen Generalen nicht weniger als 8 pen­sioniert werden.

Stuttgart, 27. März. Wie verlautet, tritt der Präsident des Wllrtt. Kriegerbundes, General von Greifs, aus Gesundheitsrücksichten von der Leitung zurück.

Neresheim, 26. März. Einem mit Rekruten von Demmingen von der Musterung heimfahrenden mit Bändern und Blumen geschmückten Wagen lief eine Anzahl Kinder nach. Plötzlich scheute ein Pferd, das nebenher geführt wurde, und traf ein siebenjähriges Mädchen derart an den Kopf, daß es einen Schädel­bruch erlitt und tot zu Boden fiel.

Buchau, 27. März. Den 6 lebenden Mädchen des Kaufmanns I. E. Lutz in Dürnau brachte Ge­vatter Storch das siebente Schwesterlein. Die Königin ist um Uebernahme der Patenstelle gebeten worden. Mögen die sechs lebenden Buben desselben Ehepaars nun bald mit dem siebenten Brllderlein erfreut werden.__

Aus Welt und Zeit.

Wien, 27. März. Auch die letzten beiden neuer­dings noch vermißten Touristen sind aus dem Schnee­berg als Leichen geborgen worden.

Korfu, 27. März. DieHohenzollern" mit dem Kaiser an Bord und das Begleitschiff sind heute gegen 6 Uhr nach herrlicher Fahrt bei schönstem Wetter vor Korfu eingetrofsen. Die Forts feuerten Salut. Die Hohenzollern" und der KreuzerKolberg" gingen im Hafen vor Anker. Der Kaiser blieb an Bord.

l .L. Die Flotte des Norddeutschen Lloyd. Die Flotte des Norddeutschen Lloyd besteht zur Zeit aus 463 Fahr­zeugen mit e'nem Eesamt-Raumgehalt von 787 762 Br.- R.-T. und einer Maschinenstärke von 681 243 Pferde- krüften. Darunter befinden sich einschließlich des im Frühjahr d. I. erworbenen bisher an die Rolandlinie verchartert gewesenen DampfersHolstein" und sechs im Bau befindlicher Dampfer für den La Plata-Dienst sowie für die australische Frachtdampferlinie 126 See­dampfer mit 717 282 Br.-R.-T. Raumgehalt und 664 550 Pferdekrästen, ferner zwei Schulschiffe, 64 Nordsee-, Flußdampfer und Barkassen, 7 Dampfleichter in Ostasien, 237 Leichter und Kohlenprähme im In- und Auslande, einschließlich der im Bau befindlichen, sowie 17 Spezial­fahrzeuge im In- und Auslande. Um die P a s s a g i e r - einrichtungen auf der Höhe der Zeit zu halten, sind umfangreiche Umbauten auf einer Reihe von Dampfern teils durchgeführt, teils in Angriff genom­men. So sind auf mehreren Dampfern der Newyork- Mittelmeerfahrt, vor allem für Zwischendecker, große Promenadendecks und sonstige geschützte Aufenthalts­räume geschaffen worden. Auf den meisten der Reichs­postdampfer ist das Speisen an einzelnen runden Tischen bereits eingeführt. Binnen kurzem wird es aus sämt­liche übrigen ausgedehnt sein. Die Kajüts-Einrichtungen der SchnelldampferKaiser Wilhelm II." undKron­prinzessin Cecilie" haben während der diesjährigen Winter-Liegezeit weitere wesentliche Verbesserungen er­

fahren. Die allmähliche Einführung einer besonderen 3. Klaffe in Kammern, wie sie bereits auf den Reichs­postdampfern, dem DampferGeorge Washington" und einigen anderen Dampfern des Norddeutschen Lloyd besteht, ist für sämtliche Schiffe, die für die amerikanische Auswanderung in Frage kommen, in Aussicht genommen worden. Außer den DampfernDarmstadt",Olden­burg",Roland" undTringganu" sind noch die DampferBangkok",Korat" undShantung" im ab­gelaufenen Jahre aus der Flotte des Norddeutschen Lloyd ausgeschieden. Auch bei dem Verkauf der letztgenannten Dampfer sind befriedigende Gewinne gegenüber dem Buchwert erzielt worden. Der Anschaf­fungswert von 119 Seedampfern und 2 Schulschiffen betrug 314 760 600 Mark. Auf diese Schiffe sind bis Ende 1911 im ganzen 147 694 600 Mark abgeschrieben, so daß ihr Buchwert Ende 1911 noch 167 066 000 Mark betrug. 32 Nordsee- und Flußdampfer, 178 Leichter­fahrzeuge etc. des Norddeutschen Lloyd hatten nach der Bilanz Ende 1911 nach Abschreibung von 7 805 834 Mk. vom Änschaffungswert in Höhe von 11725 0000 Mark einen Buchwert von 3 919 166 Mark, während die Hilfs­fahrzeuge in ausländischen Häfen mit 2 260 511 Mark zu Buch standen. Der Eesamtbuchwert aller Fahrzeuge des Norddeutschen Lloyd beziffert sich demnach zur Zeit auf 173 235 677 Mark. Die Sicherheitseinrichtun­gen an Bord der Lloyddampfer sind auch im letzten Jahre wieder weiter ausgestaltet worden. Von den Schiffen des Norddeutschen Lloyd sind u. a. jetzt versehen: 27 Dampfer mit Patentschottenschließvorrichtungen, 17 Dampfer mit Feuerlösch- und Desinfektionsapparaten nach dem System Llayton, 64 Dampfer mit Empfangs­apparaten für Unterwasserglockensignale, 49 Dampfer mit Apparaten für drahtlose Telegraphie. Die Paffa­gierdampfer des Norddeutschen Lloyd nach Nord- und Südamerika, die Neichspostdampfer nach Ostasien und Australien und die Dampfer der Alexandrien-Linien sind nunmehr sämtlich mit drahtloser Telegraphie aus­gerüstet.

Landwirtschaft und Märkte.

Stuttgart, 27. März. Die Etatspreise der Früchte sind von dem Finanzministerium wie folgt bestimmt worden: Für einen Zentner Kernen 11 Mk., Roggen 9.50 Mk., Dinkel 8 Mk. und Haber 9 Mk.

Die Maul- und Klauenseuche ist in Heimerdin­gen, O.-A. Leonberg, und in der Stadt Wangen i. A. (hier von neuem) ausgebrochen. Erloschen ist die Seuche in Dettingen, O.-A. Kirchheim, in Aldingen, O.-A. Spaichingen, in Sigmarshofen, Gde. Erün- kraut, in Bernhofen und in Hagenbach, Gde. Schmal­egg, O.-A. Ravensburg.

Für die Schriftleitung verantwortlich: Paul Kirchner. Druck und Verlag der A. Oelschläger'schen Buchdruckerei.

Rellameteil.

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Er war aufgesprungen und packte sie bei den Schultern.

Mutter nimms zurück sag, daß du dich geirrt hast Mutter gute, einzige Mutter besinne dich doch das Fieber spricht aus dir es kann ja nicht wahr sein."

Doch ists wahr tausendmal wahr!"

Dann will ich den Namen wissen."

Den Namen, mein Kind den nehme ich mit mir ins Grab! Was soll er dir? Wozu hassen, wo ich doch nur lieben konte? Aber ich bin noch nicht zu Ende. Es kommt noch schlimmer. Ich war dem Wahnsinn nahe ich ging auf Reisen ich mußte vergessen. Aber ich konnte es nicht. Die Folgen stellten sich ein! Ich wurde Mutter eines Mäd­chens. Er hat es niemals erfahren. Einen Augen­blick gab es, wo die zertretene Frauenehre nach ihrem Rechte schrie! Ein Wort und ich wäre sein Weib gewesen. Das Wort blieb ungesprochen. Es war der Wille des Toten, der mich drohend und bittend zwang. Hatte ich ihn auch niemals mit der tiefen Frauenliebe geliebt er war doch dein Vater ge­wesen! Die Macht des Toten und die Macht des Lebenden die deine, mein Sohn verbündeten sich miteinander und wurden zu dem starken Willen, der mein Herz bezwang. Wäre es anders gewesen, würde mir diese Stunde erspart geblieben sein.

Ich übergab das Kind der Obhut meiner treuen Dienerin Dorette Fiedler die Einzige, die um mein Leid wußte. Es wurde auf ihren Namen ge­tauft und heißtNora". Sie lebte mit ihm in München, bis sie vor drei Monaten starb. Da über­nahm eine andere Frau Annette Hüssinger die ich bei meinen alljährlichen Besuchen als eine brave Frau kennen gelernt hatte, Noras Pflege. Ich hoffte

immer noch, daß ich mich selbst von ihrer Tauglichkeit überzeugen könnte aber es hat nicht sein sollen. Nun mußt du es für mich tun, Hans Weddo denn sie ist mein geliebtes Kind, wie du es bist und deine Schwester. Sorge für sie. Für ihr geistiges und leibliches Wohl. Das ist meine erste und letzte Bitte an dich. Nein doch nicht aber willst du mich, bevor ich weiter spreche nicht einmal an- sehen?"

»Ich ^ kann noch nicht! Laß mir Zeit."

Viel Zeit hast du nicht mehr, mein Kind. Nun wohl ich bitte dich trotzdem um das Köstlichste und Größte, was ein Mann zu vergeben hat um dein Ehrenwort, Hans Weddo!"

Was soll dir das?"

Es soll mir zum ruhigen Sterben verhelfen! Ich fordere von dir, daß niemand aus deinem Munde erfährt, daß du eine Schwester hast. Von Nora habe ich dies Versprechen. Ich weiß wohl, warum ich das tue. Kein Schein der Verachtung barf jemals auf meinen Namen fallen um deinetwillen! Denn deine Ehre wurzelt in der meinen!"

Sie suchte mit dem alten, zwingenden Blick seine Augen. Sehnsüchtig streckten ihre Arme sich nach ihm aus.

Er aber sah starr gerade aus.

Dein Ehrenwort will ich Hans Weddo," gurgelte sie,ich fühle es ichsterbe."

Das Wort zerrt an ihm, es reißt ihn aus seiner Betäubung heraus.

Wenn du es verlangst gut so gebe ich dir mein Ehrenwort, daß es so sein soll, wie du es willst."

Ich danke dir, Hans Weddo aber warum gibst du mir nicht mehr den Mutternamen, seitdem du weißt?"

Du hast ihn wohl nur überhört."

Vielleicht! Aber wenn es mich doch ruhig macht, so wiederhole ihn noch einmal."

Er antwortet nicht. Sein Gesicht ist sehr blaß, nur seine Augen flammen. Ob sie denn nicht ahnt, was sie ihm zerbrochen hat? Seinen Glauben an die Reinheit, seine Kindheit, sein Paradies."

Wird dir das Wort so schwer, mein Kind? Meinst du, die Opfer, die ich dir gebracht habe, sind nicht doch noch schwerer gewesen?"

Es würgt in ihm! Es packt ihn an der Kehle und preßt ihm die Brust zusammen. Er kann das Wort nicht aussprechen, wenn er selbst wollte. Da geht ein Zucken durch ihren Körper. Die Augen werden starr!

So sags doch!" keucht sie mit hörbarer Anstrengung.

Da stürzt er auf die Knie wirft die Arme über ihr Lager und krampst seine Finger in ihr langes, schweres Haar. Er beißt in die Zipfel der seidenen Kissen.

Du du mein Junge."

Da schreit er es heraus, wild, halb wahnsinnig von dem Kampf, der zwischen seinem Schmerz und dem gemißhandelten Glauben war.

Mutter! Meine geliebte Mutter!"

Sie richtet sich mühsam auf und lächelt ihn an.

Mein guter Sohn."

Und er legte seinen Kopf an ihre Brust.

So blieben sie eine lange Zeit. Als Hans Weddo endlich emportaumelte liegt sie still und weiß in den Kissen sie ist tot!

Von seiner Liebe zu Adda hat er ihr nun doch nicht gesprochen.

(Fortsetzung folgt.)