Die Polouyt-Affäre wird immer .interessanter"; auch das ewig Weibliche spielt seine Rolle. Wie man dem N. Tagblatt aus Wien meldet, enthüllte der Abgeordnete Zoltau Leugyrl, der die Angriffe gegen den Justizmivißrr in scharfer Weise wieder aufnahm und sich zugleich die Beschuldigungen HalmoS' zu eigen machte, die Verbindung Polonyis mit der Baronin Schönberger, durch die er die politische Auffassung in Wiener Hofkreisen au-spionieren ließ. Das Honorar von 50 000 Kronen, das hervorragende Parteimitglieder für die Baronin sammelten. soll Polovyi unterschlagen haben. Der Skandal erreichte den Höhepunkt, als am DievStag mittag die Baronin Schönberger in Budapest einen Selbstmordversuch machte, nachdem fir vorher mit Polonyi eine längere Besprechung gehabt hatte. Die Gerüchte von einer bevorstehenden Demission des Kabinett- Wekerle erhalten sich. Man glaubt aber in Wien, der Kaiser werde den Rücktritt der Koalitionsregierung nicht annehmen, und dieses Werde daun Polonyi veranlassen, seinen Platz zu räumen; doch find einige andere Minister dagegen, da sie fürchte», > Polonyi werde der Regierung dann große Uoannehmlich- ! feiten bereiten und als Oppositionsführer den Zerfall der ! Koalition beschleunigen. Die Stimmung unter den Herren ! Magyaren ist infolge dieser Gkandalgeschichte, die auf die ? Politische Moral in den Ländern der Stephan? kröne rin ! eigentümliches Licht wirft, etwas gedrückt und die Budcpester - Blätter beurteilen, wie der Telegraph von dort meldet, die i Lage überwiegend Pessimistisch.
* He
Die wachsende japanische Einwanderung in Kalifornien beginnt jetzt auch in Washington, wo mau dem gelben Jnselvolk nicht gern auf dir Zehen treten will, zu verstimmen. Wie auS Sau Francisco gemeldet wird, hat der dortige Etnwanderungskommissär auf Grand von Anweisungen aus Washington 2 00 japanischen Arbeitern die aus Honolulu eiutrafeu die Erlaubnis zum Landen verweigert.
Jur WeichsLagswaht.
Der AeichslagswaMampf hat alle wahlberechtigten Glieder des großen deutschen Volkes auf die Beine gebracht. Selten hat mau in einer Wahlschlacht ein so starkes Ringen aller Klassen und BernfSstände erblickt. Das große Heer der Beamten und die inaktiven Offiziere, die Professoren und die Studenten, die Kaufleute und die Handwerker, die Landwirte, die Lehrer, und mit besonders dröhnende« Schritt die Bataillone der Arbeiter, sie alle stud mit fliegenden Fahnen in den Wahlfeldzog eingerückt, um an der Entscheidungsschlacht am Freitag dieser Woche teilzunehmeu. Die Partei der Nichtwähler, die in früheren Jahren auf 3V, Millionen Köpfe avgeschwoÜrn war, scheint biS auf spärliche Reste geschwunden zu sein. Wir dürfen auf eine ungewöhnlich starke Wahlbeteiligung rechnen, aber eS beherzige auch jeder Wähler die Mahnung, daß eS auch auf seine und gerade auf seine Stimme aukommt. Bei den Reichstagswahlen muß mit dem Schlage 7 llhr abends die Abstimmung geschlossen werden. Nach 7 Uhr dürfen bei Gefahr der Nichtig- keit des ganzen Wahlakt- keine Stimmzettel auch nicht von s olcheu Wählern, welche längst vor 7 Uhr das Wahllokal betreten haben, mehr angenommen werden. Es empfiehlt sich daher für die Wähler dringend, möglichst frühzeitig zur Abstimmung zu gehen. Nicht minder wichtig ist es für den Wähler zu wissen, daß nach § IS Abs. 1 des Wahlreglemeuts der Wähler nicht selbst den Umschlag mit dem Stimmzettel in die Urne legen darf, sondern daß er den Umschlag dem Wahlvorsteher oder dessen Vertreter zu übergeben hat, welcher ihn in die Wahlurne legt.
M L.f.frucht. M
Wenn leise dein Gewissen spricht,
Zum Lassen oder Tun dich mahnt,
Dann überhör die Stimme nicht,
In Demut folge und in Treue;
Denn sicher, ehe du,S geahnt,
Erfaßt zu spät dich birtre Reue.
Das Forfthaus im Teusclsgrmid.
Detektiv-Roman von F. EdnardPflüger.
(Fortsetzung.)
RechrubachS auffallendes Verstummen und die düstere Falte, die sich tief in seine Stirn grub, daS jähe Erbleichen lockte Hertha rin holdes Lächeln aufs Gesicht und als er die Augen wieder hob und sie ausah, riß es ihn an ihre Brust, denn in diesen Augen lag die ganze Antwort. Nein, nein, dieses süße einzige Geschöpf konnte nicht mit finsteren Mordgedavkeu zu ihm gekommen sein oder die ganze Natur log um ihn her, der Sonnenschein log, die Holztaube, die ihren Lirbrsgrsaug in dem Eichenhain erklingen ließ, log, der Bach log, der lustig seinem größeren Genossen in die Arme schäumte, sein eigenes Herz hatte ihn belogen, daS ihn mit unwiderstehlicher Kraft zu diesem Mädchen hin- gezogen hatte.
Und nun öffnete sie ihre Lippen und sprach:
.Siehst da, mein Teuerster, ich kam nicht, weil ich dich am Rat fragen wollte, ich kam, weil sich mein Gefühl gegen eine dunkle Tat empörte, die böse Menschen, verblendete Menschen will ich sagen, gegen dich im Schilde führten. Ich wollte dich warnen und als ich dich gesehen hatte, als zum ersten Male rin nie gekanntes Gefühl in mir empor wallte, als ich in dir nicht mehr den fremden Manu sah, sondern den Herrn meines Herzens, den ich lieben mußte oder den Tod erleiden, da konnte ich es nicht über mich gewinnen, weil du mich gefragt hättest, von wem
* Ztteusteig, 24. Jan. Die Ortsgruppe der Deutschen Partei tu Nagold faßte gestern den Beschluß, bet der morgen Freitag stattfiadenden Reichstag-Wahl für die Kandidatur Schweickhardt einzutreten.
* Ifreudeustadt, 24. Jan. Der AaSschüß der Deutschen Partei deS Bezirks Freodeustadt bittet die Freunde der Partei und alle Baterlaudsfreuode dringend, am Wahltage ihre Stimme für den Kandidaten der Volk-Partei Hermann Wagner, Fabrikant und Ge- meiuderat auS Calw abzugeben.
* Kal«, 24. Jan. Der Jangliberale Verein hat sich für die Kandidatur Schweickhardt entschieden. — Der Ausschuß der Deutschen Partei Calw fordert die Parteigenossen von Stadt und Land auf, am 25. Januar für die Wahl des Herrn Oekouomierat Adlung einzutreten.
Kandidatenliste für die Reichstagswahl in Württemberg.
(* — bisheriger Abgeordneter. Die in Klammer gesetzten Buchstaben bedeuten die unterstützenden Parteien.)
1. Wahlkreis:
Bauwerkmeister Haußer D. (K), LandtagSabg. Hilden- braod* S., LandtagSabg. Gröber Z.
2. Wahlkreis:
LandtagSabg. Professor Dr. Hieber* D. (B. B.), LandtagSabg. Keil S., Redakteur Erzberger Z.
3. Wahlkreis:
LandtagSabg. Redakteur Dr. Wolfs* B., Pfarrer a. D. Naumann-Berlin V. (L.), LandtagSabg. Hanser Z., LandtagSabg. Feuerstein S.
4. Wahlkreis:
Fabrikant Leo-Dürrmenz V., RechtSanwalt Roth-Leouberg KB., (D.), Gemeiaderat Sperka*-Stuttgart S.
5. Wahlkreis:
Prof. Dr. Wetzel-Eßlinqen D. (V. B.), Kaudtagsabg. Schlegel* S.
6. Wahlkreis:
LandtagSabg. RechtSanwalt v. Payer* B. (D.), LandtagSabg. Körner B, Schlicke, Vors, des Metallarbeiterverbands, S.
7. Wahlkreis:
Kaufmann Schweickhardt*-Tübi»gen B, Oekouomierat Ad- lung-Siudlingen B., Goldarbeitcr Oster-Stuttgart S.
8. Wahlkreis:
Fabrikant Wagner-Calw B. (D.), Gatsbes. Treiber-Hopfau B., LandtagSabg. Andre Z, Schriftsetzer Kowald-Stuttgart S. (Bisheriger Abg.: RatSschreiber Wagner-Stuttgart B.)
9. Wahlkreis.
LandtagSabg. C. Haußmann* V. (D.), RechtSanwalt Schell- Horu-Rottweil Z., LandtagSabg. Mattutat S.
10. Wahlkreis.
Schreinermeister Wieland-Göppingen B. (D. B), LandtagSabg. Dr. Liudemann* S., LandtagSabg. Gtöber Z.
11. Wahlkreis:
LandtagSabg. Vogt*-Gochseu B. (D.). LandtagSabg. Betz B. Kassevbeawter Krüger-Hall S.
12. Wahlkreis:
Landwirt Vogt*-Büttelbrvnn B (D.), Kupferschmied Angst- Gerabroun B, G. G. Wuth-Langenburg S.
13. Wahlkreis:
Professor Dr. Schveider-Ellwavgen Z., Apotheker Reihlen- Stuttgart D. (Zähl!.), LandtagSabg. Fischer-Stuttgart S.
14. Wahlkreis:
LandtagSabg. Rechtsanwalt Storz*-Heidenheim B. (D.) LandtagSabg. Redakteur Körner B., Prof. Sporer-Ehingen Z., LandtagSabg. Dietrich S.
15. Wahlkreis:
LandtagSabg. Lavdgerichtsrat Gröber* Z, LandtagSabg. Mairr-Schmiecheu D. (B. B.), Maler Göhriug-Ulm S.
kommt der Anschlag, wer ist der Träger deS Gedankens, wer die auSführevde Macht? Und hätte ich Antwort geben wollen, so hätte ich riuen andern ins Verderben reißen müsse», der meinem Herzen teuer war. In dem furchtbaren Kampf zwischen zwei geliebten Menschen, von denen ich einen durch mein Sprechen verwichten mußte, den andern durch mein Schweige», fand ich keinen Ausweg und ich eilte von dannen."
.Du armer Liebling!'
.AIS aber dann die Zeit immer näher heraurückte, , alS sich daS Unheil immer näher au dich drängte, jagte mich mein Gewissen wieder zu dir hin und daun kam alleS so, wie eS gekommen ist. Jetzt aber kann ich nicht mehr schweigen, ich habe die Tage her gesessen und meinen armen Kopf zermartert nach einem Ausweg und ich glaube, ich habe einen gefunden. Der Tag steht bevor, wo der Anschlag gegen dich ausgeführt werden soll, ich bitte dich, Weiche nicht von meiner Seite, verlasse das Haus nicht mehr, bis ich's dir sage. Und weun das erste Unglück vorüber ist, dann wollen wir flüchten, fort, weit fort. Ich nehme mein Vermögen mit, wenn es sein muß in die Wüste. Ich habe ein großes Vermögen . . . aber sei mir darum nicht böse, daß ich es dir zu Füßen legen will."
Er sah sie mit einem halb zweifelnden, halb glückseligen Lächeln au und verschloß ihr den Mund, der weiter reden wollte, mit einem laugen Kuß.
„Sorge dich nicht, mein Liebling, wir wissen ja alles, wir wissen, daß der 27. September der Tag ist, au dem der Schlag fallen soll."
Hertha erschrak heftig.
.So wißt Ihr auch vielleicht wer es ist?"
.Nein."
.So versprich mir, daß du nie erfahren willst, von wem du bedroht bist, du würdest daS tiefste Unglück über
16. Wahlkreis.
Redakteur Erzbergrr* Z., Fabrikant Güntter-Biberach D.
(Zählk.), LaudtagSabgeordo. Hildeubrand S.
17. Wahlkreis:
Pfarrer Kamerer Leser* Z, Kommerzienrat Schwarz-RavenS-
burg D. (Zählk.), Schreiner Kraus-Raveosburg S.
Hieuach hat die BolkSpartei 10 Kandidaten aufge- stellt. Die Deutsche Partei hat sich auf 4 Kandidaturen beschränkt. Der Bund der Landwirte (mit den Konservativen) hat 7 Kandidaturen. Das Zentrum bringt 7 Kandidaten, sowie eine nicht genau zu bestimmende Zahl von Zählkandidaturen auf die Namen Gröber oder Erzberger. Die Sozialdemokratie hat für alle Wahlkreise Kandidaturen bereit.
* Die Zahl der Rrichstagskaudi d aturen beträgt diesmal über tausend. Die Sozialdemokraten habe» io jedem Wahlkreise Kandidaten aufgestellt.
LandesnachrichLen.
* Nestlinge», 23. Januar. Die Aerzte Reutlingens haben, dem Vorgehen ihrer Kollegen in anderen Städten folgend, beschlossen, nuumehr auch Sonntagsruhe eivzu- führen. Es soll in Z .kauft jeden Sonn- und Festtag nur ein Arzt zur Hilfeleistung bereit sein. Ja ganz driugeuden Fällen wtrd etne Ausnahme gemacht.
* Stuttgart, 22. Jan. Generalmajor v. Ringler, der Nestor der württ. Offiziere, hat gestern seinen 90. Geburtstag feiern können. Bon den noch übrigen Angehörigen des im letzten Krieg von Ringler geführten Infanterie- Regiments erschien eine Abordnung, die eine festliche Gabe überreichte.
* Stuttgart, 23. Januar. Zn Mitgliedern der Ersteu Kammer je für die Dauer der nächsten Wahlperiode hat der König auS der Reihe der Bor- geschlagenen ernannt: als Vertreter desHaudelS und der Industrie den Kommerzienrat Albert Melchior in Nürtingen und den Geh. Hofrat Dr. Julias v. Jobst in Stuttgart, als Vertreter der Landwirtschaft den Oekouomierat Karl Mayer in Heilbroon und den Gatspächter Rudolf Schmtd auf dem Platzhof OA. Oehringen, und als Vertreter deS Handwerks den Malermeister Karl Schindler in Göppingen. (Die königliche Entschließung ist demnach auf diejenigen der von den einzelnen ErwerbSgruppen präsentierten Herren gefallen, welche bei den Wahlen die höchste Stimmevzahl auf sich vereinigten.)
* Stuttgart, 23. Jan. Als Termin für die Eröffnung des Landtags wird von verschiedenen Seiten 7. Februar genannt.
Verschiedenes. Im Ebing er Bahnhof stürzte ein Manu aus Kirchheim aus einem in Bewegung befindlichen Wagen nud erlitt so schwere Verletzungen am Kopfe, daß au seinem Aufkommen gezweifelt wird. — Ja Bietigheim wurde der Elsrubahabedieustete Krauß beim Wasserfassen auf dem Bahnhof von einer Maschine erfaßt und schwer verletzt.
js Aadeu Aade«, 23. Jan. Der deS Mordes an der Frau Molitor verdächtige Rechtsanwalt Hau wurde hier mehreren Zeugen mit und ohne falschem Bart und Perücke gegenübergestellt. Am Tatorte konnten die Töchter Olga und Fanny Molitor kaum ihre Schmerzgefühle be- meisterv. Die Zeugenaussagen bezügl. der Identität des Hau mit dem vor ihnen damals gesehenen Individuum gehen auseinander. Hau stellte die Tat in Abrede, obwohl er einzelne Zugeständnisse macht und sagte vor dem Untersuchungsrichter auS, daß er seinen bisherigen Aussagen nichts mehr hinzuzufügeo habe.
* MamrHei«, 23. Jan. Die Staatsanwaltschaft nahm heute in den Geschäftsräumen der sozial-
mich bringen, es wäre das Ende meines Lebens. Laß uns den Schlag verhindern und daun flüchten."
.Ich tue ja alles waS du willst und tue eS gern, aber sage mir eins: wie ist dein wahrer Name?"
.Mein Vater war der Freiherr von Holzhäuser,.'
„Was, der berühmte General, der alS Hauptmann durch jenen tollkühnen Patrouilleuritt die Schlacht von Braamont entschied?"
.Derselbe."
.Und dessen Sohn ein Anarchist?"
„Dessen Stiefsohn."
Und er heißt wirklich Wiokelmann?"
„Er heißt wirklich so. Ich habe jetzt kein Geheimnis mehr vor dir, da kannst mich und meinen Bruder verderben."
.Aber ichZwill dich retten, retten für mich."
Er schloß sie mit heftiger Leidenschaft in seine Arme und hielt sie lange umschlungen. Dann zog er sie den Berg hinunter, nach Hause, weil er etwas tan wollte, er wußte nicht was. Sein Herz war so voll deS GlückeS, so voll der Seligkeit, daß das Mädchen, dem sein ganzes Sein gehörte, endlich das verhängnisvolle Schweigen gebrochen hatte, daß sie endlich nun ganz sein eigen geworden war, kein Geheimnis mehr zwischen ihr und ihm bestand. Sie hatte ihm jetzt den höchsten Beweis ihrer Liebe gegeben und nun mochte kommen WaS da wollte, allem konnte er die Stirn bieten, allem . . . selbst dem Tod.
Als beide in dem Forsthause aokamev, eilte ihnen Kluge entgegen und erging sich in heftigen Vorwürfen, so weit seine gutmütige Natur eS überhaupt zu Vorwürfen bringen konnte, daß der Herr Staatsanwalt so unvorsichtig gewesen und allein in die Berge gestiegen sei, er wisse doch ganz genau, wie außerordentlich gefährlich die Lage sei.
Rechenbach lächelte blos. (F. f.)