Minister des Innern im allerhöchsten Auftrag die Session für eröffnet. Die erste Sitzung der Kammer wird morgen vormittag (410 Uhr stattfinden. Auf der Tagesordnung steht die Wahl des Präsidiums und die Budgetrede des Finanzministers.

Stadt und Bezirk.

Calw, den 28. Februar 1912.

»Jetzt hebts Frühjahr an." Davon überzeugte uns gestern nachmittag ein Freund unseres Blattes, indem er durch Ueberbringung eines richtigen Mai- k ä f e r s in die prosaische Redaktionsstube etwas von der bald lichtgrünen Welt und ihren Kindern vor­setzte. Munter krabbelte der braune Frühlingsbote auf dem Tisch herum, und obgleich sein Erscheinen kalendermäßig ziemlich verfrüht ist, so machte ihm das Tageslicht, das ihn zur Erde emporrief, doch wohl behagliches Vergnügen sogar in der Um­gebung einer Redaktion. Uebrigens blühen in den Gärten die Schneeglöckchen massenhaft und auf den Bürgersteigen überrennt der Fußgänger jetzt an jedem Eck Trupps von Knaben, die ihr geliebtes Balättles" wieder für würdig genug halten, ihnen die Zeit zu vertreiben,' doch auch ein Zeichen dafür, daß man mit dem Winter abgeschlossen hat.

? Prüfungen. Bei der am 23. und 24. Februar in Heilbronn abgehaltenen Prüfung wurde in die Lehrerbildungsanstalt Lichtenstern u. a. ausgenom­men Niethammer Eotthilf von Holzbronn.

Verkehrseinnahmen. Die Einnahmen aus dem Verkehr auf den württembergischen Staatseisenbah­nen beliefen sich im Monat Januar d. I. auf 5 817 000 Mark (gegen Januar 1911 mehr 376 384 Mark). Vom 1. April bis letzten Januar wurden 70 514 000 (plus 4 617 782) Mark erlöst.

X An die Zentralleitung des Wohltätigkeits­vereins sind an freiwilligen Beiträgen vom 1. April 1910 bis zum 1. April 1911 aus dem Oberamt Calw abgeliefert worden: Stammheim 31.65, Althengstett 30, Zwerenberg 27.62, Calw 42, Ostelsheim 4,85, Teinach 21, Zavelstein 9.77, Sommenhardt 6.23, Rötenbach 6.55, Hirsau 10, Aichelberg 54, Altburg 59.72 u. 3, Neubulach 19.05 Mark; aus dem Ober­amt Nagold : Jselshausen 10.18 u. 10.80, Beihin­gen 5, Bösingen 9.30, Eültlingen 27.11 u. 34.26, Effringen 19.63, Schönbrunn 10.37 u. 12, Sulz 64, Walddors 23 u. 35.50, Oberschwandorf 12.45 u. 10.64, Haiterbach 28, Wildberg 40, Nagold 88.07, Simmers­feld 18.90, Emmingen 13.10, Schietingen 12.79, Berneck 4.80, Rohrdorf 13.07 Mark.

Nagold, 27. Febr. Die bürgerlichen Kollegien haben beschlossen, in dem neuen Schulhaus ein Schülerbad einzurichten. Für die Einrichtung sind 10 Wasserbrausen vorgesehen. Die Kosten der Ein­richtung belaufen sich auf rund 1000 Mark.

Pforzheim, 27. Februar. In dem benachbarten Jspringen brannten gestern abend drei Wohnhäuser, drei Scheuern und eine Bäckerei nieder. Die Be­schädigten sind Bäcker Digel, Eoldarbeiter Christian Schickle und Wwe. Sofie Bauer. Gestern nach­mittag ist ein 12jähriger Schüler in die Enz ge­sprungen, wurde aber von Passanten beobachtet und noch rechtzeitig gerettet. Die Ursache ist, daß er zu Hause Näschereien und Veruntreuungen begangen und eine größere Züchtigung zu erwarten hatte. Ein richtiges Milchfälschernest ist Dürrn bei Pforzheim. Kürzlich hatte das Schöffengericht eine Fälscherin verurteilt. Das hielt jedoch 6 andere nicht ab, in unverschämter Weise zu wässern, und zwar bis zu 21 A! Sie brauchten vor Gericht die lächerliche Ausrede, es habe so stark in ihre Kannen geregnet, und beim Ausschwenken der Milchkübel sei so viel Wasser zurückgeblieben. Die erfindungsreichen Wei­ber erhielten je 50 Mark Geldstrafe oder 10 Tage

war ihm der Boden in Tschenstochau zu heiß geworden. Seine Verhaftung erfolgte in Krakau (österreichisch Polen), und die Behörden gewannen sofort die Ueber- zeugung, daß das Motiv des Verbrechens in der eroti­schen Natur Maczochs zu suchen sei. Maczoch, der aus Lipiny, einem kleinen Orte bei Tschenstochau, stammt, hatte 1897 bei den Paulansrn Aufnahme gefunden. Dis Strenge und Rauheit des Klosterlebens hatten ihn als jungen Menschen nicht abgeschreckt. Aber später hatte sich seine Natur geändert. Er verfiel in ein lockeres Leben und knüpfte Liebesverhältnisse an. Zu seiner Geliebten erkor er die Helene Krzyanowska, eine Tele­phonistin aus seinem Heimatort. Vier Jahre lang dauerte die Liebschaft, ohne daß im Kloster etwas davon gemerkt wurde. Dann verheiratete Damasius Helena mit seinem Vetter, der jedoch drei Wochen nach der Trauung starb. Nach Gerüchten soll ihn Damasius im Zorn erschlagen haben nach einem heftigen Wortwechsel, in dem sein Vetter ihm wegen der Verheiratung mit dieser leichtfertigen Person Vorhaltungen gemacht hatte. Helena wurde nun von Damasius an seinen leiblichen Bruder Waclaw abermals verheiratet, und die Trauung wurde von ihm selbst in der Muttergotteskapelle in Tschenstochau vollzogen. Das Motiv für die Ermordung Waclaws durch Damasius und die Mitangeklagten wird darin gesehen, daß Waclaw Mitwisser des von Damasius und mehreren Gehilfen verübten Kirchenraubs war.

Gefängnis. Es ist schon wieder ein neuer Fall an-

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Württemberg.

Aus den Kommissionen.

Stuttgart, 27. Februar 1912.

Im Finanzausschuß der Zweiten Kammer wurde heute eine Mitteilung des Finanzministers über die Anschaffung einer neuen großen Schleif­maschine für Hartgußwalzen im Hüttenwerke Königs- ronn, die im Etat nicht vorgesehen war, zur Kenntnis genommen, ebenso gegen die geplante Ausführung von Wohlfahrtseinrichtungen im Hüttenwerk Fried­richstal keine Erinnerung erhoben. Bei der ange­schlossenen Beratung der Staatsverein­fachungsdenkschrift im Departement der Finanzen wurde dem Vorschlag, den Bergrat als selbständiges Kollegium aufzuheben und dessen Ge­schäfte im Finanzministerium zu übernehmen, all­seitig beigetreten und eine entsprechende Resolution einstimmig angenommen. Bei eventueller Aufhebung von Vorstandsstellen einzelner Hüttenwerke wurde angeregt, bei einem kleinen Hüttenwerk und voraus­sichtlich bei der Saline Sulz nur einen Werkführer als Betriebsleiter anzustellen und die Verwaltung und den Verkauf einem naheliegenden größeren Werk anzugliedern. Vom Referenten v. Balz wurde eine Resolution beantragt, die Regierung zu ersuchen, 1) die Frage einer eingehenden Prüfung zu unter­ziehen, ob Vereinfachungen und Ersparnisse sich durch die Vereinigung des gesamten staatlichen Hochbau­wesens in einem Departement erzielen lassen, 2) die Aufhebung der Domänendirektion als Kollegium im Auge zu behalten, jedenfalls eine Einschränkung des Veamtenpersonals der Domänendirektion und die möglichste Erweiterung der Zuständigkeit der Kame- ralämter und Bezirksbauämter durchzufllhren. Der Antrag fand einstimmige Annahme. Bei der Forst­verwaltung wurde die weitere Einschränkung der Zahl der Forstinspektoren wenigstens um eine Stelle vom Referenten v. B a lz angeregt und diese Frage der Regierung zur Erwägung übergeben. Ein weite­res Herabgehen in der Zahl unter 10 wurde von Präsident v. Er an er als unmöglich erklärt. Der weitere Antrag v. Balz, zu erwägen, ob nicht eine Anzahl von 10 bis 12 minder bedeutendere Forst­ämter durch Beamte in der Dienststellung von Forst­amtmännern verwaltet werden könnte, wurde mit 12 Stimmen gegen eine Enthaltung angenommen.

DerSchwäbische Merkur" bezeichnet die dem Deutschen Volksblatt" von sonst gut informierter Seite zugegangene Nachricht, daß der Eroßblock für die württembergischen Landtagswahlen zwischen Nationalliberalen, Volkspartei und Sozialdemokra­tie bereits so gut wie abgeschlossen sei, als falsch. Die sonst gut informierte Seite sei in diesem Falle denk­bar schlecht informiert. Es sei kein Wort an der Behauptung wahr.

Das Euguform.

Der Staatsanzeiger ist in der Lage, die Schluß­sätze zu veröffentlichen, in die die zur Prüfung des Hoffmannschen Verfahrens zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche eingesetzte Kommission ihr Urteil zusammengefaßt hat. Auf Grund der in der Zeit vom 2. Januar bis Ende Februar d. I. in 10 Gehöften mit insgesamt 404 Tieren angestellten Versuche gelangt die Kommission zu folgenden zusam­menfassenden Schlußsätzen: Heilung im Sinne Hoff- manns ist keine Heilung. Heilungen selbst im Sinne Hoffmanns sind in der von ihm als Regel angegebe­nen Frist von zweimal 24 Stunden nur bei ganz mildem Krankheitsverlauf beobachtet worden, außer­dem nur soweit die Behandlung erst nach mehrtägiger Dauer der Erkrankung einsetzt, sonst brauchten die

Dem Drucke des gegen ihn vorliegenden Belastungs­materials konnte Maczoch nicht Widerstand leisten, und so gestand er den Mord bald ein und gab auch zu, das Liebesverhältnis mit Helena auch nach deren Ver­heiratung an seinen Bruder fortgesetzt zu haben. Sein Geständnis beschränkte sich nicht auf die Mordtat selbst, sondern er gab den Behörden eine Schilderung vom Klosterleben der Paulanermönche in Tschenstochau, die in der gesamten gesitteten Welt Abscheu erregte. Danach haben Mitglieder des heiligen Klosterkonvents gestohlen und die Schatzkammer der Mutter Gottes geplündert. Mit dem Erlös ihrer Passionen haben sie ihre Liebespassionen bezahlt. Die Verhältnisse sollen so gewesen sein, daß sie die weitestgehende Phantasie nicht auszudenken vermag. Im einzelnen wird die bevorstehende Verhandlung ja Aufklärung darüber bringen, wie weit Maczochs Angaben zutresfen. Daß er nicht frei erfunden hat, geht schon daraus hervor, daß das Kloster auf Anordnung der Verwaltungs­behörden geschlossen wurde. Auch die römische Kurie griff ein und reformierte den gesamten Paulaner- konvent und verschärfte die Ordensregeln. Eine Anzahl Paulanermönche erließen einen öffentlichen Aufruf, in dem sie erklärten, daß sie mit dem verbrecherischen Trei­ben der kompromittierten Mönche nichts zu tun hätten, und die gläubige Bevölkerung veranstaltete große Bußgottesdienste.

Tiere erheblich länger, nicht selten 610 Tage. Bei der bösartigen Seuchenform waren Todesfälle durch das Hofsmannsche Heilverfahren nicht zu verhüten. Von 92 diesem Verfahren unterzogenen Kühen eines von der bösartigen Seuche befallenen Viehbestandes gingen 17 an Maul- und Klauenseuche ein, darunter 10 in einer von Hoffmann selbst von Anfang an behandelten und ausschließlich seinem Verfahren unterstellten Stallabteilung mit 78 Köpfen. Das Hoffmannsche Verfahren zur Bekämpfung der Maul­und Klauenseuche hat hiernach in jeder Hin­sich t v e r s a g t. Jede weitere Anwendung des sehr kostspieligen Verfahrens ist somit zu widerraten. Die von Hoffmann berichteten Heilerfolge dürften auf einer Selbsttäuschung beruhen, indem er jede bei den von ihm behandelten Tieren eingetretene Besserung seinem Verfahren zuschreibt und nicht genügend be­achtet, daß auch bei scheinbar schweren Krankheits­fällen in der gleichen Zeit ohne Behandlung Besse­rung einzutreten pflegt. Das Gesamtergebnis der angestellten Versuche geht dahin, daß ein in der Hauptsache diätetisches Verfahren auch heute noch das beste ist. Insbesondere ist eine Behandlung des Maules mit Arzneimittel nicht zu empfehlen, häufi­ges Anbieten frischen Wassers, Verabreichung von weichem Futter und nötigenfalls von Mehltränken und dergleichen reichen aus, dagegen sind an den Klauen die losen Hornteile zu entfernen, die wunden Stellen mit trocknenden Mitteln (Holzteer, Eichen­rindenpulver, Pyoktanin usw. zu behandeln und erforderlichenfalls durch Verbinden gegen Be­schmutzung zu schützen, auch ist von Anfang an für einen reinen Stand der Tiere und für trockene weiche Streu zu sorgen. Bei Erkrankung des Euters genügt in der Regel mäßiges Einfetten. Endlich ist reich­liche Lüftung der Ställe und fortlaufende Desinfek­tion mit Kalkmilch (1:20), Formalinlösung (3:100) oder dergleichen angezeigt.

Stuttgart, 26. Febr. Aus Anlaß des Ablebens des Eroßherzogs von Luxemburg ist von heute an auf drei Wochen Hoftrauer, die i. Hälfte in dritter, die 2. Hälfte in vierter Abstufung der Hoftrauer­ordnung, angeordnet worden.

Vaihingen a. E., 27. Febr. Welche Verhältnisse die Seuchennot unter der ländlichen Bevölkerung geschaffen und welche Erbitterung sie allmählich her­vorgerufen hat, ergibt sich aus folgendem, im Enz- boten von einem Kleinbauern veröffentlichten Not­schrei, dem wir entnehmen: Der 1. April, an dem die Steuerabrechnung vorgenommen werden soll, rückt immer näher. Wovon zahlen, wenn der Bauer kein Vieh verkaufen kann? Fast jeden Tag werden Schweine von Norddeutschland in die Schlachthäuser nach Ludwigsburg und Stuttgart eingeführt, und alle paar Tage bricht die Seuche wieder von neuem aus. Vor einigen Wochen hatten Händler von Hochberg, O.-A. Waiblingen, in unserer Stadt drei Paar stär­kere Läuferschweine gekauft, ließen sie per Fuhrwerk auf die nächste Station bringen, um sie dort einzu­laden, wurden aber abgewiesen. Die Schweine wur­den den Verkäufern wieder zugefllhrt. So könnten wir noch viele Fälle anführen. Wenn ein Metzger in den Ort kommt, so fragt er gewöhnlich:Was isch, Vetter, nex Fetts, koi Kälble?" Die Antwort ist gewöhnlich:Noa, a Sau hätte." Dann aber:Ja, loa Sau brauch i net, dia kauf i em Schlachthaus en Ludwigsburg oder en Stuagert billiger." Wir raten den Bauern : Behaltet eure Kälber! Auch die sollen die Metzger aus dem Preußischen beziehen. Wann wird es anders werden? Wann werden die den ganzen Bauernstand und das ganze Eeschäftsleben schädigenden Sperrmaßregeln, die doch nichts nützen, erleichtert oder aufgehoben?

Oberndorf a. N., 26. Febr. Auf dem hiesigen Rathaus herrscht gegenwärtig Konfliktsstimmung. Die Gemeinde steht vor einem Schulhausneubau, der bedeutenden Kostenaufwand erfordert. Es mußten dazu u. a. mehrere im Wege stehende kleinere Ge­bäude angekauft werden. Wegen seines Verhaltens bei einem dieser Hausankäufe wurde dem Orts­vorstand vom Oberamt eine Rüge erteilt, worüber sich dieser wiederum beschwerte. Nun sollte der Ge­meinderat in dieser Sache eine Aeußerung abgeben. Der Stadtvorstand aber verweigerte dem Eemeinde- rat den Sitzungssaal zu der Sitzung, bei der er nicht anwesend sein sollte. Die Eemeinderäte wußten sich aber zu helfen, sie hielten gestern ihre Sitzung auf dem Oberamt, im Zimmer des Bezirksrates ab. Auf den Ausgang des Konflikts ist man in der Bürger­schaft sehr gespannt. Die Luft auf dem Rathaus wird immer schwüler.

Balingen, 28. Februar. Bei der Wahl dreier Vürgerausschußmitglieder wurden die drei Kandi­daten des sozialdemokratischen Wahlzettels glatt ge­wählt. Von 897 Wahlberechtigten haben 581 ab­gestimmt. Gewählt wurden Schreiner Reinhold Mauthe mit 275, Trikotweber Eottlieb Conzelmann mit 269 und Trikotweber Johannes Conzelmann mit 264 Stimmen. Die nächsthöchste Stimmenzahl er­hielten die drei Kandidaten der Volkspartei.