Anzeigenpreis: 3m Oberamtsbezirk Calw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg., außerhalb desselben 12 Pfg., Re­klamen 25 Pfg.

Schluß für die Znseratannahme 10 Uhr vormittags.

Fernsprechnummer 9.

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

.M 4 g. ^ Mittwoch, den 28. Februar 1912. 87. Jahrgang.

Deutsches Reich.

Erscheinungsweise: 6mal wöchentlich.

Bezugspreis: 3n der Stadt incl. Trägerlohn Mk. 1.25 viertel­jährlich, Postbezugspreis für den Orts- und Nachbarorts­verkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfa.. in Bayern und Reich 42 Pfg.

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Amtliche Bekanntmachungen.

Bekanntmachung.

Die Maul- und Klauenseuche ist in Liebelsberg erloschen und sind die Schutzmaßregeln aufgehoben worden.

Im Bezirk Calw sind noch verseucht die Orte Mött- lingen und Ottenbronn.

Im Bezirk Neuenbürg: Neuenbürg, Birkenfeld, Oberlengenhardt.

Im Bezirk Leonberg: Weil im Dorf, Ditringen, Heimsheim und Höfingen.

Im Bezirk Böblingen: Böblingen und Aidlingen.

Im Bezirk Herrenberg: Kuppingen, Kog, Gültstein.

Im bad. Bezirk Pforzheim: 5 Orte.

Calw, den 27. Februar 1912.

K. Oberamt:

Amtmann Nippmann.

Lehrwerkstätte für das Gerbereigewerbe in Metzingen.

Diese Lehrwerkstätte ist eine staatliche Unterrichts- anstalt, die der k. Zentralstelle für Gewerbe und Handel unterstellt und in den Betrieb des Gerbermeisters Robert Brauchte in Metzingen eingegliedert ist. Die Anstalt soll brauchbare Gesellen und Arbeiter, weiterhin Handwerksmeister, Fabrikvorarbeiter und Werkmeister im Rahmen einer tüchtigen Handwerkslehre heranziehen. Das neue Schuljahr beginnt am 1. Mai d. I.

Näheres im Eewerbeblatt Nr. 8.

Das Eewerbeblatt kann u. a. bei den Herren Orts­vorstehern eingesehen werden, welche zu diesem Zwecke hiermit angewiesen werden, den Gewerbetreibenden aus Wunsch Einsicht in das ihnen mit dem Staatsanzeiger zugehende Eewerbeblatt zu gewähren.

Calw, den 26. Februar 1912.

Reg.-Rat Binder.

Aus dem Reichstag.

Berlin, 27. Februar 1912.

Am Bundesratstisch Staatssekretär Delbrück. Der Präsident eröffnet die Sitzung um 1 Uhr 20. Ein schleuniger Antrag der Sozialdemokraten auf Einstel­lung eines Disziplinarverfahrens gegen den Abg. Lieb­knecht für die Dauer der Session wird angenommen. Es folgt die dritte Lesung des Entwurfs zum internatio­nalen Uebereinkommen zur Bekämpfung des Mädchenhandels.

Liszt (F. V.): Nach der Vorlage ist die An­werbung eines Mädchens oder einer Frau zu unsittlichen Zwecken strafbar. Von einer Strafbarkeit kann aber nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts nur die Rede sein, wenn das Mädchen oder die Frau in ein Bordell ausgenommen worden ist. Die Anwerbung ist eine straflose Vorbereitung. Diese Lücke könnte gleich durch ein besonderes Gesetz oder durch eine Ergänzung des Strafgesetzbuches ausgefüllt werden. Ministerialdirek­tor Dr. Kriege: Das Reichsjustizamt ist nicht der Meinung, daß hier eine Lücke besteht. Sollte sich aber ergeben, daß die Praxis einen anderen Standpunkt ein­nimmt, so würde die Regierung einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen. Die Vorlage wird in dritter Lesung angenommen. Auch die Vorlage betr. Ver­längerung des Handelsvertrages mit der Türkei wird ohne Debatte in dritter Lesung angenommen.

Es folgt die Fortsetzung der Beratung über das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz. Liebert (Reichsp.): Der Entwurf sei geeignet, die Deutschen im Ausland fester ans Heimatland zu ketten. Herzog (wirtsch. Vgg.): Das Gesetz kommt etwas reichlich spät, entspricht aber im allgemeinen unseren Wünschen. Hansen (Däne) wünscht mit Rücksicht auf die nordschleswigschen Verhältnisse eine Bestimmung, daß Kinder von Ausländern, die in Deutschland geboren sind, unter gewissen Bedingungen als Deutsche angesehen werden. Lands berg (Soz.) betont, es sei eine große Uebertreibung, zu sagen, daß Millionen von Deutschen durch das alte Gesetz dem Reiche entzogen worden seien. Das allerbeste Mittel, die deutsche Nation kräftig zu erhalten, ist, zur Auswanderung keinen Anlaß zu geben, innere Kolonisation treiben und freiheitliche Einrich­tungen zu schaffen. Wer in Deutschland seiner Wehr­pflicht genügt, muß dadurch ganz von selbst die Reichs­angehörigkeit erwerben, v. Richthofen (natl.): Wir halten es für richtig, daß die Frauen durch Heirat die Nationalität des Mannes erlangen. Wir halten es für richtig, da alle Bundesstaaten bei der Naturalisierung von Ausländern gehört werden müssen. Die Vorlage geht hierauf an eine Kommission von 21 Mitgliedern.

Es folgt die erste Beratung des Entwurfs eines Schutztruppengesetzes. Staatssekretär Dr. Solfs: Der Entwurf beseitigt veraltete Rechtsver­hältnisse und macht Vorschriften, die heute schon in Uebung sind, zum Gesetz. Das ist besonders der Fall hinsichtlich der Befugnis des Gouverneurs, Personen des Beurlaubtenstandes zur Dienstleistung heranzuziehen. Wir wollen für die Zeiten der Gefahr einen besonderen Beurlaubenstand in den Schutzgebieten schaffen. Die Vorschriften über die Handhabung der Kontrollversamm- lungen sollen sich möglichst den speziellen Verhältnissen anpassen. Den Gouverneuren wird deshalb ein mög­lichst weiter Spielraum gegeben. Die Farmer fallen hierbei aus, weil sie unabkömmlich sind, ebenso die An­gehörigen der Polizeitruppen. Noske (Soz.): Die gesetzliche Regelung der Materie entspricht den Wünschen des Hauses, die Vorlage enthält aber außerordentlich viel Mängel, die von neuem beweisen, daß sich die Regierungen nicht freimachen können vom Schemati­sieren. Eine Herabsetzung der Kosten für die Schutz­truppen wird , durch die Vorlage nicht erreicht. Erz­berger (Zenir.): So harmlos, wie der Staatssekretär es hingestellt, ist die Vorlage nicht. Die Einrichtung der Kontrollversammlungen schematisch auf die Schutzgebiete zu übertragen, ist höchst bedenklich wegen der großen Reisekosten. Wenn in dem Gesetz die wesentlichsten Punkte kaiserlicher Verordnung Vorbehalten werden, so begibt sich der Reichstag des Vudgetrechts. Die Pen­sionierung der Schutztruppenoffiziere wächst erschreckend, und man ist vielfach der Meinung, daß dabei nicht der strenge Maßstab angelegt wird wie bei den Beamten. Götti ng (natl.): Ob es schon Zeit ist, die Schutz- Lruppen zu vermindern, muß sorgfältig geprüft werden, v. Böhlendorff-Kölpin (deutsch-kons.): Ich be­antrage Verweisung des Entwurfs an die Budget­kommission. Nachdem Saatssekretär Dr. Solfs ver­sprochen hat, den Anregungen nachzugehen, wird die Vorlage an die Budgetkommission verwiesen.

Das Haus vertagt sich sodann auf Mittwoch 1 Uhr. Etat des Innern. Schluß 6 Uhr.

München, 27. Febr. Heute mittag fand im Thronsaal der Residenz unter dem üblichen Zere­moniell die feierliche Eröffnung des Landtages statt. Der Prinzregent verlas die Eingangs- und Schlußworte der Thronrede, während den übrigen Teil der Ministerpräsident Frhr. v. Hertling verlas. Nachdem der Regent den Thronsaal verlassen hatte, nahm der Justizminister die Vereidigung der neueingetretenen Mitglieder der Kammer der Reichs­räte und sämtlicher Mitglieder der Kammer der Ab­geordneten vor. Nach der Eidesleistung erklärte der

Die Verbrechen im Kloster Tschenstochau.

Der Mord im Paulanerkloster Tschenstochau, dessen Entdeckung imHerbst 1910 in der ganzen zivilisierten Welt berechtigtes Aufsehen erregte, wird vom kommen­den Dienstag ab das Petrikauer Kreisgericht beschäfti­gen. Der Mord steht im engsten Zusammenhang mit dem Kirchenraub in der Wallfahrtskapelle zu Tschen­stochau, diesem weltberühmten Heiligtum der Polen, und vor allem mit der Beraubung des wundertätigen Muttergottesbildes, dessen Juwelenwert auf etwa 15 Millionen Kronen geschätzt wird. Die bevorstehende Verhandlung, die auch volle Aufklärung bringen wird über das Leben und Treiben der Mönche im Kloster, wird auf eine Verfügung des russischen Iustizministers hin in voller Öffentlichkeit durchgeführt werden. Auf der Anklagebank nehmen Platz der Klostergeistliche Damasius Maczoch wegen Ermordung seines Stief­bruders Waclaw Maczoch aus Eranica, wegen Fälschung einer Trauungsurkunde, eines Pfarrstempels, wegen Diebstahls von 9000 Rubel aus dem Klosterschatz und von 5000 Rubel aus dem Nachlaß des verstorbenen Klostergeistlichen Paweliczyk, der Klostergeistliche Isidor Storzawski wegen Geheimhal­tung der Maczochschen Mordtat, wegen Begünstigung der Flucht Maczochs und seines Dieners Zaloga und wegen Geheimhaltung des Aufenthalts beider, der Klosterdiener Basilius Olesinski wegen Diebstahls, verübt am Klostervermögen und an dem Nachlaß des Geistlichen Paweliczyk und schließlich die verwitwete Helene Maczoch wegen Verbergung ihres Geliebten, des

Damasius Maczoch, wegen Nutznießung gestohlener Güter und wegen Gebrauchs gefälschter Dokumente. Außerdem sind angeklagt zwei Kutscher und zwei ehe­malige Klosterdiener wegen Beihilfe zum Mord und Anfertigung falscher Schlüssel. Der Ort aller unter Anklage gestellten Verbrechen ist Tschenstochau, eine Fabrikstadt von ungefähr 120 000 Einwohnern, an der Warthe, unweit der deutschen Grenze in Russisch-Polen. Tschenstochau, zum russischen Gouvernement Petrikau gehörig, ist aber weniger berühmt durch seinen schwung­haften Handel und durch seine aufblühende Industrie, als durch seine Klosterkirche, ein polnisches National­heiligtum, zu dem jährlich über 250 000 Mäner und Frauen pilgern. Die Kirche birgt das wundertätige Marienbildnis, die Schwarze Madonna, die König Wladislaw vor langer zeit aus Galizien wegführte und sie dem von ihm gestifteten Kloster Tschenstochau schenkte. Ueber die wunderbaren Heilungen der Schwarzen Madonna bestehen unter der gläubigen Bevölkerung Russisch-Polens zahllose Schilderungen, und jahraus, jahrein flössen daher reiche Spenden nach Tschenstochau. Zum ersten Male machte der Ort durch einen verwege­nen Iuwelendiebstahl von sich reden, der an diesem so sehr vergötterten Enadenbild begangen war. Aus der Krone der Maria und des Kindes waren eines Nachts die Diamanten und Brillanten herausgebrochen worden. Die Diebe blieben unentdeckt, und die Mönche sammel­ten um so eifriger, um Maria mit einem neuen Schmuck zu umgeben. Auch der Papst stiftete dafür eine Summe von 10 000 Rubel und die neue Krönung der Mutter Gottes ging unter großen Feierlichkeiten vor sich. Aber der Räuber, der vor dem Heiligsten nicht zurückgeschreckt

war, blieb im geheimnisvollen Dunkel verborgen, und der Diebstahl wäre bald vergessen worden, wenn nicht Tschenstochau bald darauf wiederum durch ein Ver­brechen aufgerührt worden wäre, das zu neuen Unter­suchungen Veranlassung gab. Man fand nämlich in einer Ausbuchtung der Warthe bei Klomnice, ganz in der Nähe von Tschenstochau, ein Sofa, das bei näherer Durchsuchung eine verstümmelte Leiche männ­lichen Geschlechts enthielt. Nach großen Schwierigkeiten gelang es, die Leiche als die des seit Juli 1910 ver­mißten Postbeamten Waclaw Maczoch aus Eranica zu erkennen. Und nun sollten auch die Nachforschungen nach dem Mörder von Erfolg gekrönt sein. Die Polizei­behörde in Tschenstochau konnte einen Droschkenkutscher ermitteln, der gesehen hatte, wie einer seiner Kollegen in einer Droschke eine Ladung an die Warthe befördert hatte, die einem Sofa ähnelte. Dieser Droschkenkutscher verriet, daß er im Aufträge eines Klosterdieners vor das Hintere Tor des Klosters gefahren wäre, wo zwei Männer in Begleitung eines Mönchs das schwere Sofa auf die Droschke geladen hätten. Einige Werst von Tschenstochau hätten diese Personen die schwere Last in die Warthe geworfen. Der Kutscher gab ferner an, daß der Mönch ihn in eine nahe Schonung geführt und ihn vor einem Kruzifix habe schwören lassen, den Vorgang unter keinen Um­ständen zu verraten. Für 30 Rubel leistete der Kutscher den Schwur. Die unmittelbare Folge dieser Aufklärungen war die Verhaftung Damasius Maczochs. Er war aus dem Kloster geflohen, angeblich, um in einer Parochie in der Nähe von Warschau eine Stellung als weltlicher Priester anzunehmen. In Wirklichkeit