Bülow tritt zunächst der gestrigen Aeußerung des ASg. Spahn gegenüber, daß er, der Reichskanzler, bei seinen Ausführungen über die Vertretung von Elsaß-Lothringen im Buudesrat mehr als preußischer Ministerpräsident wie als deutscher Reichskanzler gesprochen habe. An den gest­rige« Ausführungen des Abg. v. Chrzanowski habe ihn vor allem interessiert, daß diese hier überhaupt unmöglich waren. Wir geben den Polen viel Freiheit, wir sind eben welt- bürgerlich ; wir haben uns für polnische Inspirationen ins Zeug geworfen, für unsere Vorteile nicht. Ich kann nicht zugeben, daß die Offensive von uns ausgegaogen sein soll. Die großpolnische Agitation macht die Kluft immer tiefer und weiter. Unsere Ostmarkenpolitik ist eine defensive. (Bei­fall und Widerspruch.) Das Anfiedlungsgesetz verstößt nicht gegen die Verfassung. Wir werden die ganze Kraft des preußischen Staates ersetzen, damit im Osten die deutsche Existenzfähigst erhalten bleibt und die Ostprovivzen ver­bunden bleiben mit Preußen und dem Reich. Bezüglich der vom Abg. Bebel erwähnten Schiffsoermietuug bemerkt der Reichskanzler, daß diese Transportschiffe nach einer Auskunft der Hamburg-Amerika-Linie die russische Flotte nicht begleiten, sondern nur Kohlen u. s. w. nach bestimm­ten neutralen Häfen zu bringen haben. Davon, daß auf die Matrosen ein rechtswidriger Zwang ausgeübt worden sei, ist nicht das allermiudeste bekannt. Was den Königs­berger Prozeß betrifft, so muß ich auf das allerentschiedentste die unberechtigten Angriffe gegen den preußische« Justiz­minister zurückweisen. Materiell war gar keine Veranlassung vorhanden, auf den Fall nochmals einzugehen. Abg. Be­bel behauptete, die Deserteure würden nach Rußland aus­geliefert. Das ist nicht der Fall. Das Auslieferungskar­tell lief im Jahre 1870 ab und wurde nicht mehr erneuert. Gegenüber den Ausführungen des Abg. Bebel über die in­neren russischen Verhältnisse weise er nochmals darauf hin, daß solche Einmischungen die Beziehungen zu fremden Län­dern stören und die auswärtige Lage schwieriger machen. Er frage, mit welchem Recht der Abg. Bebel sich in das innere Recht anderer Länder einmische. Mit dem Worte .Entrüstung", das der Abg. Bebel gebrauchte, müsse man sparsam umgehen. Wenn der Abg. Bebel andeutrte, wir wollen der russischen Regierung zu Hilfe kommen, so habe er zu erwidern, daserwartet niemand von uns. Wir denken nicht daran. Ob wir mit der rassischen Politik einver­standen sind und ob wir deren Entwicklung erstreben, kommt nicht in Frage. Frhr. Hehl zu Hernsheim (natl.) betont, die bisherigen Redner zeigten, daß die ftaatserhal- tendeu Parteien volles Vertrauen zu der Politik der Re­gierung haben. Er spreche im Aufträge seiner Partei dem Reichskanzler die Zustimmung za dieser Politik aus und erkenne die loyale Neutralität der Regierung im rassisch- japanischen Krieg an. Heine (Soz.) erklärt, er habe das Wort verlangt, um die Resolution Auer zu begründen. Der ganze Streit um die Indemnität in der Budgetkom- mission war pro nibilo, denn es fehlt an einem Verant­wortlichkeitsgesetz. Wir wünschen die Verantwortlichkeit des Reichskanzlers auszudehnen auf die Handlungen des Mon­archen, die er nicht kontrasigniert; lehnt er dafür dir Ver­antwortung nicht ab, so soll er sie tragen. Die Verant­wortlichkeit müsse aber beschränkt werden auf die wirklich politischen Handlungen des Monarchen. Nach weiteren Bemerkungen mehrerer Abgeordneter vertagt das Haus die Weiterberatung auf morgen 1 Uhr.

LandesnachrichLsn.

* Aktensteig, 18. März. Aus Zavelstein erhielten wir die Nachricht, daß dort die Krokus- und Sch nee- glöckchenblüten sich nun voll entwickelt haben. Lauer Wind und Regen haben den Schnee zum Schmelzen gebracht und die Blüten in Massen hervorgelockt. Viele Natur­freunde finden sich dort ein, um sich an dem schönen Bilde

zu erfreuen. Warum uns Wohl diese schlichten Blüten so lieb sind? Sicher nicht wegen ihrer berauschenden Düfte oder ihrer verwirrenden Farbenpracht. Beides fehlt ihnen. Nein, weil sie die ersten Frühlingsboten nach lavger Winters­zeit find, weil mit ihrem Emporschießen auch in unserem Herzen Frühlingshoffen emporkeimt, darum sind sie uns so lieb. Gibt es doch kaum ein schöneres Bild als ein Gärt­chen mit dem letzten schmelzenden Schnee und in und neben demselben jene zarten Weißen Glöckchen oder rötlichgelbeu und blauen Kelche des Schneeglöckchens oder des Krokus. Seit urdenklichen Zeiten pflegt sie der Hausvater in seinem Gärtchen und dankbar für diese Pflege erscheinen sie alle Jahre trotz Schnee und Eis und Winterstürmen. Schnee­glöckchen läuten den Frühling ein und diesem lieblichen Ge­läute muß der starke Winter weichen. Seine Macht ist ge­brochen, wenn er auch noch so sehr dräut. Und unseren kleinen Frühlingsboten ist auch nimmer bange. Sie denken au das Dichterwort:

Blast nur ihr Stürme, blast mit Macht,

Uns soll darob nicht bangen.

Auf leisen Sohlen über Nacht Kommt doch der Lenz gegangen.

Dann wacht die Erde grünend auf,

Weiß nicht, wie ihr geschehen,

Und lacht in den blauen Himmel hinauf Und möchte vor Lust vergehen.

* Wakddorf, 18. März. Bei der am Mittwoch statt­gefundenen Verpachtung der hiesigen Gemeindejagd wurden 160 Mark Pacht erzielt. Der seitherige Preis war 122 Mark. Pächter ist G. Kirn, Bauer in Walddorf, Teilhaber Kaufmann Keßler von Ebhausen.

ff ßakw, 17. März. Wegen eines mit einer Schlägerei verübten Raubes wurden gestern 2 junge Leute ausLiebeu- zell dem Amtsgericht übergeben.

* WAisgen, 17. März. (Strafkammer.) Wege« Be­leidigung des Gemcinderats in Loffenau mittels anonymen Briefes verurteilte das Schöffengericht Neuenbürg die Kronen­wirtswitwe Pauline Seeger in Loffenau zu 50 Mark Geld­strafe. Infolge Berufung wurde sie freigesprochen.

* Stuttgart, 17. März. Die Finanzkommisston des Abgeordnetenhauses erledigte in ihrer Donnerstags-Sitzung den Etat des Kultdepartements. Sie bewilligte die vorge- schlcgene Gehaltsaufbesserung der Oberlehrer an den Schul- lehrerseminareu und Lehreriunenseminaren. Ebenso an den Präparandeuanstalten mit der Modifikation, daß der Gehalt bis zu 3000 Mk. nach den Vorrückungsfristen um je 200 Mk. statt der vorgeschlagenen 300 Mk., von 3000 Mark an um 300 Mark bis zum Höchstgehalt von 3900 Mark ansteigen soll. Den Oberlehrern an den Waisenhäusern wurde die Gehaltserhöhung mit der Modifikation bewilligt, daß die beiden letzten Stufen 3000 Mk. dis 3300 Mark statt der vorgeschlagenen 31003400 Mark betragen sollen. Die Gehaltserhöhung der Unterlehrer an den

Waisenhäusern wurde der. Vorlage entsprechend be­willigt. *

* Stuttgart, 18. März. Gestern Vormittag begab sich demSchwab. Merk." zufolge der König in Begleitung eines Flügelodjutactrn nach Friedrichshofen, um dem frühe­ren Miuisteipräsidenten v. Mittnacht zu dessen 80. Ge­burtstage persönlich seine Glückwünsche za überbringen.

* Stuttgart 18. März. In der Berrfungssachr des Frhru. Oskar von Münch gegen den kömgl. wärt t. Fiskus verkündete heute vormittag der erste Zivilsenat des kgl. Ober- landesgerichtS sein Urteil, das folgendermaßen lautet: Das Versäumnisurteil dieses Senats vom 11 . November v. I. wird aufgehoben. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der zweiten Zivilkammer des kgl. Landgerichts vom 11 . Juli 1902 abgeändert und die Einrede mangelnder Prozeßfähigkeit des Klägers verworfen. Die Sache wird zur weiteren Behandlung an die erste Instanz zu-

M Lef-fru cht. K» Wetter, Wind und Regen Sind mir oft entgegen;

Ducke Dich! Laß vorüber gähn, Wetter will seinen Willen Han!

Jugrudsturme.

Roman von A. Andrea.

(Fortsetzung.)

Die Kinder warteten im Speisesaal ans das Erscheinen ihrer Erzieherin. Sie hatten Hunger, und das Frühstück war aufgetragen.

Da brachte Las Stubenmädchen die Nachricht,Fräu­lein wäre krank."

Der Rittmeister kam ans seinem Zimmer.

Wie? WaS? Fräulein Norman» krank?"

Die elektrische Glocke schnurrte durch das Haus. Un­willkürlich fuhr der Rittmeister zusammen.Gehen Sie hinein", sagte er zu dem Stubenmädchen.Die gnädige Frau ist wach. Ich werde mit den Kindern zusammen frühstücken."

Die elektrische Glocke gellte in einem fort. Die Kinder hasteten, fertig zu werden, um ins Freie zu kommen. Der Rittmeister begab sich zu seiner Frau.

Fräulein Normann ist uns erkrankt", sagte er nervös. Ich lasse sofort den Arzt holen. Wir können sie indes bis dahin nicht hilflos liegen lasse». Habe die Güte, zu ihr hinauf zu gehen."

Ich muß tagelang allein liegen," versetzte die Dame weinerlich verdrießlich,und niemand kümmert sich darum..."

Du willst nicht?" unterbrach er sie kurz.

Nein."

Er drückte auf die elektrische Glocke. Das Stuben- ! mädchen stürzte herein.

Kommen Sie mit mir hinauf zu Fräulein Normann," befahl er,und sorgen Sie dafür, daß Ihre etwaigen Wünsche pünktlich ausgrsührt werden."

Bei dem Anblick des jungen, bleichen Gesichtes, das stch im Fieber in die Kissen gewühlt hatte, empfand der Rittmeister etwas wie Reue. Der Sturm war zu heftig für diese Mädchenblnme gewesen. Er, der erfahrene Mann hätte vorsichtiger sein sollen.

Jda erkannte ihn. Ihr Gestchichen stammte auf. Sie machte eine flehende Gebärde:Nach Hause!"

Holen Sie ein Becken mit Eis und Tücher zu Um­schlägen," befahl er, die Stimme dämpfend dem Mädchen. Er wollte mit der Kranken allein bleiben.

Jda, mein Liebling," flüsterte er dann auf sie ein, wie konntest Dn mir dies antuu? Man wird doch nicht krank, wenn mau geliebt wird und beglücken will."

Nach Hause!" ächzte sie, und ihr Blick, der starr auf ihm ruhte, verwirrte sich.Mutter! Doris."

Er nahm ihre heißen Händchen und preßte seine Lippen darauf, so lange, bis sie lächelte.

Es tut nicht weh, Eberhard!" murmelte sie . . .

In der Frühe des nächsten Tages fuhr eine Droschke vor. Eine junge Dame sprang heraus.

Wie geht es Fräulein Normann?" Der hivzueilende Diener knöpfte noch wütend an seiner Livree.

Ich bi« die Schwester," fuhr die junge Dame kurz fort.Bitte mich den Herrschaften zu melden."

Die wären noch nicht auf. Er würde das Stuben­mädchen mal heransschicken . .

Später, in der Küche, wo die beiden ersten Mädchen mit der Wirtschafterin ihren Kaffer schlürften, sagte der Diener:Hübsches Fräulein, die Schwester! Tritt janz anders auf als die Jufernaute.

Oben, in dem stillen Krankenzimmer kniete Doris am Bette ihrer Schwester.

rückverwies en. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens wird dem Endurteil Vorbehalten.

* ßarmstatt, 17. März. Infolge der milden Witterung der letzten Tage, die ein rasches Abschmelzen der auf der Alb und dem Schwarzwald noch liegenden Schneemasseu veranlaßt, führt der Neckar Hochwasser.

* Aöölivge», 17. März. In verschiedenen Gemeinde« des hiesigen Oberamts, so in Aidlingen, Ehningen, Holzger­lingen, Altdorf, und des Oberamts Herrenberg, machte stch in letzter Zeit der Wunsch nach Anschaffung elektrischer Kraft und elektrischen Lichtes geltend. Bereits habe» stch auch in allen Gemeinden zahlreiche Stromabnehmer ge­meldet, so daß die Sache zur Ausführung kommen dürfte.

ff AuterHavsen, 17. März In Oberhausen fiel gestern ein 3jähriges Kind in die stark angeschwolleue Echatz und wurde bis hierher getrieben. Dem Weichenwärter Schweitzer gelang es, das Kind zu retten. Die Wiederbelebungs­versuche hatte» Erfolg.

* Karlsruhe, 17. März. Eine vom Etsenbahn-Rrform- verein einberufene Versammlung nahm uach einem Referat von Professor Böthlingk eine Resolution an, die gegen die Einführung der 4. Wagenklasse energisch protestiert.

ff ZLerli«, 17. März. DerReichs-Anzeiger" meldet: Der Präsident des Reichsgerichts, Löwenstein, ist zum Wirk­lichen Geheimen Rat mit dem PrädikatExzellenz" ernannt worden.

* Aerli«, im März. In der sehr wichtigen Frage der automatischen Kuppelung der Eisenbahnwagen ist die Tat­sache zu verzeichne», daß auf Grund vor? Versuchen der Firma de Dietrich u. Co. in Niederbronn (Elsaß) die retchs- ländische Eisenbahn-Verwaltung einen Probeauftrag auf Wageokuppelungen nach dem in Frankreich gleichfalls in der Erprobung stehenden System Boirault erteilt hat. Es ist beabsichtigt, mit diesem Kuppelungssystem zunächst Dauer­versuche anznstelleu in gleicher Weise, wie es bereits seit längerer Zeit mit dem durch die Firma Krupp in Essen veränderten System der in Nord-Amerika üblichen auto­matischen Wagenkuppelungen auf den preußischen Staats­bahnen geschieht. Die baldige Durchführung und Beendig­ung dieser Dauerversuche ist zu wünschen, und zwar zunächst wegen der noch immer zahlreichen Unfälle bei dem ver­alteten System unserer Schraubenkuppeluugen.

ff Hlelroitz, 17. März. Durch Umfallen einer Kohlen­wand m der Concordiagrube wurden, wie der Oberschlestsche Wanderer meldet, heute mittag 4 Bergleute verschüttet; 3 find tot; die andere« beiden find mit schweren Verletzungen zu Tag« gebracht worden.

Ausländisches.

ff Hlon», 17. März. Heute nachmittag wurden i» Be- nevent und Neapel Erdstöße verspürt, die jedoch keinen Scheden anrichteten.

ff Saris, 17 . März. Die Vorlage betr. die zwei­jährige militärische Dienstzeit wurde in der Deputiertenkammer mit 519 gegen 32 Stimmen in der vom Senat beschlossenen Fassung angenommen.

* London, 17. März. Das Gesetz betr. die Einführ­ung des Achtstundentages für die in Kohlenbergwerken be­schäftigten Personen unter 18 Jahren wurde in 2 . Lesung mit 190 gegen 132 Stimmen angenommen.

ff London, 17. März. WieDaily Chronicle" aus Alexandrien von gestern meldet, verließ der russische Marine- attachs Port Said, um stch uach Dschibuti zu begeben. Die Abreise wurde veranlaßt infolge Weigerung der Kohlen­schiffe, weiterhin der Flotte Roschdjeztwenskys Kohlen zu liefern. Der Marineattachs hofft, ein neues Uebereiukomme» mit den Kohlenschiffen abzuschließen.

Jddie, Teuerste! Kennst Du Deine alte Doris nicht?

Die Kranke öffnete mechanisch die Augen. Diese freundliche Wirklichkeit floß zusammen mit wüsten, quälenden Traumbildern: sie verrieten kein Erkennen. Aber Doris sprach zu ihr, leise, mit Hellem Wohlklang da kam das Erwachen.

Aufschluchzend griff Jda mit beiden Händen nach ihr. Doris ! Ach, wie gut, daß Du da bist I Es schmerzt furcht­bar, dies Leben und Lieben" . . .

Dem Rittmeister von Möhriug war nicht gerade be­haglich, als er hörte, daß die Schwester der Erzieherin ge­kommen wäre. Dennoch, als er sie in seinem Amtszimmer empfing, merkte man nichts davon. Mit liebenswürdiger Höflichkeit bot er der jungen Dame die Hand, während sei» Blick blitzschnell ihre ganze Erscheinung überlief.

Ich danke Ihnen, Fräulein Normann, daß Sie ge­kommen find, uns in der Pflege Ihrer Fräulein Schwester zu unterstützen!

Der Rittmeister war immer noch ein schöner Manu mit seiner schlanken, sehnigen Gestalt und der elegante», militärischen Haltung. Er wußte, daß er mit seinem Lächel» bezaubern, und daß das Feuer seines Blickes mit dem des schwärmeristischen Jünglings wetteifern konnte.

Doris sah ihn forschend an. Sie verstand daun, wie gefährlich er einem unerfahrenen jungen Mädchen von JdaS Veranlagung werden konnte.

Ich möchte meine Schwester nach Hause bringen, Herr von Möhring," entgegnet« sie mit einer Ruhe und Sicher­heit, die den Rittmeister fast Peinlich berührte.Ihre Krank­heit scheint mir eher langwieriger als gefährlicher Art z» sein. Würde» Sie uns nötigenfalls noch heute einen Wage» zur Verfügung stellen, der uns zur Bahnstation fährt?"

Aber ja gewiß, mein gnädiges Fräulein!" Er wußte in diesem Augenblick nicht, ob er sich dagegen anf- lehnen oder es besser geschehen lassen sollte. (F. f.)