Jervfprecher Ar. 11.

Erscheint Dienstag Donnerst., Samstag und Sonntag mit der wöch. Beilage Der Sonntags- Gast".

Bestellpreis für das Vierteljahr im Bezirk u. Nachbarortsverkehr Mk. 1.15, außerhalb Mk. 1LS.

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Sonntag, 19. März.

Bekanntmachungen aller Art finden die er­folgreichste Verbreitung.

Verwendbare Bei­träge werden dankbar angmommen.

> 1906.

Amtliches.

Die Frühjahrskontrollversammlungen im Jahre 1905 finden im Ko«trollbrzirk Calw wie folgt statt: Kontroll- station Neubulach am 4. April, 9V» Uhr vormittags; Konirollstatiou Neu Weiler am 4. April, 1^/2 Uhr nach­mittags ; Kontrollstation Gechiugen am 7. April, 2 Uhr nachmittags; Kontrollstatiou Calw am 8 . April von 8 Uhr vormittags au ; Kontrollstation Liebenzell am 10 . April, 8^/4 Uhr vormittags.

Unter den Predigtamtskandidaten, die die 1. theol. Dienst­prüfung erstanden haben, find: Schwegelvauer, Hermann von Giengen a. Brenz und Schweitzer, Paul von Fachsenfeld (Sohn des kürzlich verstarb. Stadtpf. Schweitzer in Haiterbach).

Zwei drohende Gefahre«.

Während im fernen Osten das kleine Japan dem gro­ßen Rußland gegenüber auf dem Kriegspfade immer gewal­tigere Fortschritte macht und auf dem besten Wege ist, sich iu dem Rate der Völker eine Großmachtsstellung zu erringen, während also da draußen das Prestige der abendländischen Kultur einen erschütternden Stoß erhält und die gelbe Ge­fahr für die Kulturstaaten einen immer größeren Umfang annimmt, zu derselben Zeit find auf dem europäischen Fest­lands noch zwei weitere drohende Gefahren vorhanden, welche die Lenker der Großmächte nicht zur Ruhe kommen lasse», und eine beständige Beunruhigung für ganz Europa bilden, das sind die Balkauwirreu uad die großpolnischen Selbständigkeitsgelüste nach einem polnischen Königreiche.

Alljährlich, wen» der Lenz im Begriffe steht, seinen Einzug zu halten, wenn neues Hoffen auf eine bessere Zu­kunft die Herzen der Menschen erfüllt und wenn draußen beim Schwellen der Knospen und beim Sange der Vöglein die Sonne Wieder wärmer von dem klaren blauenden Himmel lacht, da umzieht sich der politische Himmel über dem euro­päischen Wetterwinkel Balkan mit einer düsteren schweren Gewitterwolke und droht den mit so großen Opfern den Völkern erhaltenen Frieden über Nacht zu brechen. So ist es auch wieder in diesem Jahre, denn schon trafen die ersten Nachrichten ein, daß von neuem in Makedonien der Aufruhr begonnen hat und daß dort Banden von Komitatschis brennend und mordend von Ort zu Ort ziehen. Trotz der Bemühungen der Entente-Mächte Rußland und Oesterreich durch geeignete Reformvorschläge die wilden Flammen der Revolution zu ersticken will es nicht gelingen, den für den Balkan notwendigen Frieden wieder herzuftellen. Eine un­heimliche Macht schürt das glimmende Feuer des Aufruhrs immer wieder von neuem an und reichlich fließen die Geld­mittel für die Unternehmungen des makedonischen Revolutions­komitees. Es ist schon längst kein Geheimnis mehr, daß es einzig undallein englisches Gold ist, welches diese Aufruhrs- bewegung unterstützt, denn nur Albion kann es daran liegen, die Balkanftage wieder zum Aufrollen zu bringen und die Festlandsmächte in einen Konflikt, noch lieber aber zu einem blutigen Kriege z 1 verhetzen, um dann seine beliebte Politik desIm Trüben-Fischevs" nach Kräften auszunützen. Das durch den jvpanis heu Krieg und durch seine inneren Wirren so schwer heimgesuchte Rußland in einen Balkankrieg zu drängen und damit Oesterreich und seine Bundesgenossen, sowie Frankreich hineinzuzieheu, das wäre so recht nachdem Herzen Englands und es könnte dann seine indische Vor­stoßpolitik auf Afghanistan ohne große Gefahr mit noch stärkeren Machtmitteln ins Werk setzen. Deshalb sein Beiae- stelleu den Reformen der Ententemächte gegenüber, und sein geheimes Schüren unter den Balkanstaateu zum Kriege. Ob es ihm gelingen wird? Die nach Freiheit strebenden Klein­staaten des Balkans find wohl damit einverstanden, obwohl Bulgarien seit dem Besuche des Fürsten Ferdinand iu Ber­lin jetzt eine auffallende Zurückhaltung an den Tag legt; auch Italien hat England verstanden au seine Seite zu be­kommen, indem es dort Mißtraue» gegen die österreichische Orientpolitik zu säen verstand. Anders ist es mit dem direkt beteiligten O sterreich und Rußland selbst, welchen beiden durchaus nichts an einer blutigen Entscheidung der Balkanfragen liege» kann. Dasselbe gilt vou deren dadurch iu Mitleidenschaft gezogenen beiden Bundesgenossen Deutsch­land und Frankreich, und so steht den englischen Orient- Jntriguen eine starke Friedeuspartei gegenüber. Wie dem aber auch sei, die fortgesetzten Verhetzungen Englands unter den Balkanvölkern bilden eine ständige drohende Gefahr für die Festlandsmächte und eine von diesen vereinbarte gemein­same energische Protestnote nach London gerichtet wäre für

die hinterlistige Handlungsweise Albious jetzt recht Wohl am Platze.

Eine weitere große Gefahr bildet wie schon vorher gesagt, speziell für Deutschland, Rußland und Oesterreich die großpoluische Bewegung. Es wird immer klarer, daß die jetzt in Russisch-Polen in Stadt und Land wütende Revo­lution auf mehr als die Erreichung einer Verfassung abzielt, daß derselben vielmehr großpolnische Gelüste zur Errichtung eines eigenen Königreichs zu Grunde liegen. Diesen Ideale schwärmen aber nicht nur die Russisch-Polen nach, sondern auch diejenigen, welche iu deutschen und österreichischen Provinzen leben. Deshalb auch die großen Geldunter­stützungen von diesen Stellen aus an die polnischen Re­volutionäre in Rußland. Mögen sich die Polen in Deutsch­land und Oesterreich noch so zahm stellen, im innersten Her- zen hängt jeder Einzelne von ihnen dem Ideale nach der- eiustens noch einmal ein geeintes großes Königreich Polen erstehen zu sehen. Das bildet eine ständige Gefahr für die drei genannten Staaten und nur eine zielbewußte, kräftige Politik derselben ist im Stande, diesen polnischen Großmachts­schwärmern klar zu machen, daß ihre Träume für alle Zeiten nur Schäume find. Deutschland tat es bereits, in­dem es mit gepanzerter Faust nach anfänglicher Versöhnungs- Politik, welche nicht anerkannt wurde, in das polnische Wespennest hineingriff, Rußland tut es jetzt durch blutige Niederwerfung des polnischen Aufstandes und nur Oester­reich hätschelt nach wie vor feine getreuen polnischen Unter­tanen. Bon hier aus geht auch die großpolnische Agitation ! Mag sie unserem Bundesgenossen an der Donau baldigst die Augen öffnen, damit auch er recht bald energische Maß­nahmen dagegen ergreift und auch die zweite drohende Ge­fahr für den Frieden auf dem europäischen Festlande ist dann beseitigt.

Tagespolitik.

Ueber die Fortführung der Arbeiterver- sichrrung und des Ar beite rs ch u tz es^ schreiben die Berl. Polit. Nachrichten: Soweit die Gutachten der Einzel­regierungen zu den im Reichsamt des Innern vorläufig fest­gestellten Grundzügen der Witwen- und Waisenoer­sicherung vorliege u, werden die letzteren einer Um­arbeitung unterzogen werden. Zur Ausarbeitung eines end­gültigen Gesetzentwurfs wird mau erst daun schreiten können, wenn Klarheit über die Summen geschaffen sein wird, die infolge der Festlegung der Mehreinnahmen ans den neuen landwirtschaftlichen Zöllen für diesen Zweck zur Verfügung gestellt sind. Danach dürfte sich ein solcher Gesetzentwurf erst im nächsten Jahr ermöglichen lassen. Ferner teilt die genannte Korrespondenz mit, daß die Ausdehnung der Kran­kenversicherung auf die Landwirtschaft in Angriff genommen ist und der Erlaß einer Verordnung über die Heimarbeit der Zigarren-Arbeiter in naher Zeit bevorfteht.

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Als Bismarck den Kulturkampf gegen Roms Macht begann, standen die deutschen Katholiken als Schutztruppe des Papstes auf; das Zentrum bildete sich. Ja Frank­reich widerfuhr der katholischen Kirche viel Schlimmeres, als Bismarck jemals geplant hat. Sie ist aus der Schule vertrieben worden, und der Staat lehnt cs ab, noch weiter Gehälter an die Geistlichen zu zahlen. Aber das katholische Volk bleibt teilnahmslos, an ein französisches Zentrum ist nicht zu denken. Das ist eine große Enttäuschung für Rom. Der Bischof von Tareataise ist so ehrlich, den Grund offen auszusprechen. Er schreibt: Die erleuchtetsten Geister find der Ansicht, daß mau vielleicht auf falschem Wege war, als wir mit außerordentlicher Nachsicht in unseren Registern als wirkliche Gläubige alle jene Halbchristen aufführteu, die außer der Taufe, der Erstkommunion und der Trauung, denen sich zu unterziehen noch zum guten Ton gehört, keine Kirche mehr kenaen und von ihrer Lehre, ihrem Gottes­dienste, ihren Sakramenten, mit einem Worte allen Kund­gebungen des katholischen Lebens sich durchaus fernhalteu. So ist es gekommen, daß der Katholizismus an Festigkeit und Kraft verloren hat, was er an Ausdehnung und Ober­fläche gewonnen zu haben schien. Mau glaubte fortwährend, man sei in der Majorität und man sprach immer von 36 Millionen französischer Katholiken, während iu Wirklichkeit die arbeitenden Klassen unsere Kirchen in Massen verließen und die Kreise der Intelligenz, die allein die öffentliche Mei­nung machen, unsere Dogmen als der Wissenschaft wider­

sprechend zurückstießen und die Reihen des Freideukertums vergrößerten/ Der Bischof warnt seine Amtsbrüder, irgend welche Alarmierung der Katholiken zu versuchen. Es

werde ein klägliches Fiasko herauskommen.

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Ueber die Hereros in Transvaal bringt die März-Nummer der Rheinischen Misfionsberichte interessante Mitteilungen. Der durch den Hereroaufstand zur Untätig­keit verurteilte Missionar Berosmanu von Omburo reiste Ende vorigen Jahres nach Transvaal, um seine Kinder zu besuchen. Er suchte bei dieser Gelegenheit auch die aus Deutsch-Südwestafrika stammenden Arbeiter auf, die vor einige» Jahren für die Goldminen augeworben wurden. Wie er in Pretoria erfuhr, sind seinerzeit 910 Südwest- afrikauer dahin gebracht worden. Er fand in fünf von ihm besuchten Minen jetzt noch 721 vor, ungefähr zu glei­chen Teilen Hereros und Ovambos, darunter 62 Christen. Die Aufseher sprachen sich lobend über sie aus, doch glaubt der Missionar, daß sie nicht über ihre Kontraktzeit iu den , Minen bleiben werden. Ob sie in unser Gebiet zurückkehreu, wird von der Regelung der Zustände in ihrer Heimat ab- hängen. Berusmaun hielt sich 6 Wochen in ihrer Nähe auf und veranstaltete an den Sonntagen Gottesdienste in ihrer Muttersprache, was ihnen sehr gefiel. Er seinerseits freute sich über ihre vierstimmigen Gesänge, die sie nicht verlernt hatten. Biele waren sehr dankbar für sein Er­scheinen; einzelne drückten ihm Geld als Zeichen der Freude in die Hand. Er konnte ihnen dafür Bücher in Aussicht stellen. Doch fiel dem Missionar bet den Hereros auch eine gewisse Zurückhaltung, um nicht zu sagen, Mißtrauen auf, was offenbar mit dem Aufstand ihrer Landsleute und den zu ihnen gedrungenen Gerüchten zusammenhing. Manche der iu Transvaal arbeitenden Hereros hatten sich beim Be­ginn des Aufstandes aufgemacht und waren nach Durch­querung der Kalahari schon im März oder April bei ihren Volksgenossen eiugetroffeu, um an ihrer Seite zu kämpfen. Von diesen kamen hernach aufregende Briefe nach Pretoria au die dort zurückgebliebenen Landsleute. Bernsmanu warnte diese eindringlich vor der Teilnahme am Aufstand, wodurch sie nur in Elend und Verderben geraten würden.

Deutscher Neichstug.

Aerli«, 16. März.

Das Haus setzt die Beratung des Etats des Reichskanzlers fort. Bebel (Soz.) tritt den gestern ausgesprochenen Ansichten des Abg. Grafen Reveutlow ent­gegen, der verlangte, eine Vermischung der weißen mit der schwarzen Riffe mit Feuer und Schwert zu verhindern. Mit dem Aastedlnngsgesetz habe der Staat, der in erster Linie als Hüter der Reichsverfasfuug anzusehen sei, diese zum zweitenmale gebrochen. Reichskanzler Graf Bülow sei auf die Ausführungen des Abg. v. Vollmar nicht eiu- gegangeu, der bewiesen habe, daß Fürst Bismarck nicht nach dem stolzen Wort gehandelt habe:Wir fürchte« Gott und sonst niemand auf der Welt!" Die von dem Reichskanzler gestern zitierte Schwäbische Tagwacht" habe ganz recht; wären die Sozialdemokraten die Herren iu Deutschland, wären die Zustände in Rußland längst andere. Erhebe sich Polen heute uad Rußland könnte seiner nicht Herr werden, so wäre der Reichskanzler auf den Befehl seines kaiserlichen Herrn der erste, der deutsche Hilfe anböte. Nach dem preu­ßisch-russischen Vertrag ist wegen eines Vergehens auszu- lieferu, ob politisch oder nicht. Das ist eine Schmach für einen Kulturstaat. (Redner wird zurOrduunggerufen.) Bebel fragt dann, wie es mit dem Vermieten von Schiffen stehe. 10 Dampfer deutscher Nationalität begleiten die rus­sische Flotte; die deutsche Mannschaft dieser Flotte befinde sich in der Gefangenschaft eines russischen Admirals. Er fragt dann weiter, wie es mit der Ausweisung militärpflich­tiger Russen und russischer Deserteure aus Oberschlesteu nach Rußland stehe. Wie könne mau heute noch nach Ruß­land ausliefern, wo solche Grausamkeiten herrschen, wie sie nur im Mittelalter vorkamen. (Zuruf:Kommune!") Er kommt daun auf den Königsberger Prozeß zurück und er­klärt, der preußische Justizminister habe das Recht schwer gebeugt. (Bravo !" bei den Sozialdemokraten, Zischen rechts, Glocke des Präsidenten. Redner wird zum zweitenmal zur Ordnung gerufen.) Der Minister müsse von seinem Platz herunter. Seiner Partei mache es kein Ver­gnügen, immer wieder schmutzige Wäsche waschen zu müsse». (Beifall bei den Sozialdemokraten.) Reichskanzler Graf

Unsere verehelichen Postabonnenten Litten wir höflichst, die Bestellung aufAns den Tannen" für das II. Quartal 1905 (April, Mai und Juni) möglichst sofort aufgeben zu wollen. Sämtliche Postanstaltsn, Briefträger und Postboten nehmen Bestellungen für das neue Quartal entgegen. NW" Zu Neubestellungen wird freundlichst eingeladen.