Kabbala und das Traumbuch haben, wie man der „Köln. Ztg." schreibt, Lei der Ziehung in Neapel einen glänzenden Erfolg gege'? den Racker Staat davongetragcn, der mit gewohnter Selbstsucht das Lottospiel nur als eine fiskalische Einnahmequelle und sicht als eine gütige Vorsehung für den armen Mann betrachtet. Ab und zu aber rächt sich das neapolitanische Volk, das wie kein anderer Teil der Bevölkerung Italiens vom Höchsten bis zum Niedrigsten für das Lotto eine schwärmerische Verehrung empfindet, an dem habgierigen Staat und nimmt ihm, wie diesmal, an einem einzig- : Tage ein paar Millionen ab. Das ist nur möglich dmcq die unter deu Neapolitanern allgemein verbreitete Ken.ruis der geheimen Wissenschaften, infolge deren die gesamte lottospielende Bevölkerung einige bestimmte Nummern zeitweilig als glückbringend aufieht und wie nach einer wohlvordereiteten Verschwörung einmütig auf diese setzt. Diesmctt waren es di« Nummern 6 und 22, die man, wer weiß mit welchen tiefsinnige» Berechnungen, als Gewinn-Nummern für die Neapeler Ziehung erkannt hatte, und alle Welt setzte darauf. Sie kamen heraus, und nun muß der Staat au mehrere tausend Gewinne: im ganzen über zwei Millionen Lire auszahleu.
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Der Petersburger Generalgouverneur Trepow hielt sich bei seinem Aufenthalt in Moskau anläßlich des Leichenbegängnisses des Großfürsten Sergius möglichst unauffällig, um deu Revolutionären zu entgehen, die immer hinter ihm her waren, weshalb er auch Zivil- kleidung trug. Jedoch bereits kurz nach seinem Eintreffen in Moskau, so wird der „Daily Chron." gemeldet, hatten ihn die Agenten des geheimen revolutionären Ausschusses herausgefunden. Er bemerkte, daß er überallhin verfolgt wurde, und hielt deshalb streng geheim, wenn er nach Petersburg zurückzureisen gedenke. Einen gewöhnlichen Weg zur Fahrt zum Bahnhof zu benützen, hatte er Furcht, deshalb griff er zu dem Ausweg, sich in einem Krankenwagen zum Bahnhof bringen zu lassen. Er traf auch Wohl- - behalten in Petersburg ein. Aber bereits am folgenden - Tage erhielt er, wie jetzt bekannt wird, folgenden Brief iu > sein Amtszimmer im Winterpalais geschickt: „Herr General! j Wir bedauern, daß Sie sich so viel Mühe machen mußten, ! ein Mittel zu finden, um Moskau lebend verlassen zu können. Wir wünschen Sie in dieser Hinsicht zu beruhigen, i
Sie haben io keiner Straße, in keinem Theater und auf s keinem öffentlichen Platz etwas zu fürchten. Sie werden in s ihrem Schlafzimmer getötet werden." s
Friedensgerüchte sind wieder erwacht. England s und Fraukreich solle» die Hand zur Vermittlung geboten § haben. — Als der Krieg zwischen Serbien und der Türkei ! ausbrach, sagte Fürst Bismarck einem Tischgenossen, der ; zur Vermittlung riet, zu einer solchen sei cs noch nicht i
Zeit. Aber wenn erst der eine der beiden Gegner ein Bein ,
und der andere ein Auge verloren haben würde, dann würde ! die Vermittlung schon leichter sein. Rußland hat ganz i gewiß beides verloren, aber Japan hält sich nach seinen s gewaltigen Erfolgen für stark genug, den Krieg noch eine ! ganze Weile fortzusetzen, und wird daher ganz gehörige > Forderungen als Friedensbediogung stellen. Dieser Um- > stand beeinträchtigt die Friedensausfichte«. ^
Deutscher Hieichstag.
Perlt«, 10. März. , Heute nahm die Beratung des Etats des Reichsamts ^ des Innern ihren Fortgang. Aus der ganze«, sechsstün- j digen Erörterung ist eigentlich nur die Erklärung des ? Staatssekretärs Grafen Posadowskh hervorzuheben, daß die ! Frage des Bauarbeiterschutzes mit Nachdruck behandelt > werde. -
M Les«frucht. U»
Das böse Geld! Die böse Welt! Traut keiner Außenseite!
Die Leute machen falsches Geld, Das Geld macht falsche Leute.
Augendstürme.
Roman von A. Andrea.
(Fortsetzung.)
Doris müdes Gefichtcheu verlängerte sich trotzig ; aber sie schwieg still.
„Was hattest Du für Gründe? untersuchte Norman» weiter. „Einen gebildeten, achtbaren Mann aus ihren eigenen Kreisen weist ein gesittetes Mädchen doch nicht ohne weiteres ab."
„Sie ist noch so jung, Woldemar, gerade erst achtzehn," warf hier die Mutter beschwichtigend ein.
„Du warst auch nicht älter, als ich Dich heiratete."
Frau Traute unterdrückte einen Seufzer. Sie hätte ihre Töchter gern vor einem Los wie das ihre bewahrt.
„Ich mag nicht heiraten," gestand Doris kurz und bündig."
Normanu zog die Brauen in die Höhe.
„Das ist mir ganz neu! Was für bessere Chancen hätte eia anständiges Mädchen sonst?"
„Bon den anderen weiß ich es nicht; aber ich ziehe vor, tüchtige Kenntnisse zu sammeln und einst auf meinen Platz im Leben auf eigenen Füßen zu stehen, ganz gleich, ob ich heiräte oder nicht."
„Das kannst Du yls Lehrerin oder Erzieherin."
„Freilich. Mir fehlt nur die Lust und auch wohl die Veranlagung zum Unterrichte«. Ich wäre Dir so dankbar,
Berlin, 11. März.
Heute Sam?taq nahmen die zwanzig versammelten Abgeordneten die Vorlagen betreffend Vermehrung der Handelsrichterstellen und betreffend Schließung der Standesämter an Sonn- und Festtagen endciltig an. Dann ging es in der Beratung des Etats des Reichsamts des Innern munter oder auch nickt munter, wie man will, weiter. Abgeordneter Kulerski (Pole) sprach über das preußische An- stedlungsgesetz. Unlerstaatssekretär Wermuth bestritt, obwohl, wie er selbst sagte, das Ansiedlungsgesetz mit dem vorliegenden Etat nichts zu tun hat, daß dieses Gesetz unter Bruch der preußischen Verfassung zustande gekommeu sei. Es folgten persönliche Auseinandersetzungen zwischen den Abgg. Zubeil (Soz.) und Mugdan (frs. Volksp.), wobei elfterer sich eines Tones bediente, der ihm zwei Ordnungsrufe eintruq. Auch Abgeordneter Stadthagen (Soz.) trat noch als Rufer in dem Streit auf. Abg. von Dirksen (frkons.) äußerte seine Genugtuung über die internationalen Abmachungen gegen den Mädcheiihandel. Der Titel „Staatssekretär" wurde endlich erledigt. In der fortgesetzten Erörterung erklärte Staatssekretär Graf Posadowsky, er werde das Reichsmariueamt um verstärkten Schutz unserer Hochseefischerei in der Nordsee bitten. Weiterberatung Montag.
iandesnelchricHLen.
* Altensteig, 13. März. Ein Unglücksmonat für den Eisenbahnbetrieb war der Januar. In ihm fanden auf deu deutschen Bahnen, mit Ausnahme der bayerischen, 40 Entgleisungen (davon 18 in Stationen) und 30 Zusammenstöße (28 in Stationen) statt. Hierbei wurden 5 Bahubedienstete getötet, 30 Reisende, 29 Beamte verletzt.
js Alm, 11. März. Wegen einer Anzahl von Fällen des Mißbrauchs der Dienstgewalt stand gestern der Sergeant G. Pfeifer der 2. Eskadron des 19. Ülanenregiments vor dem hiesigen Divisiousgericht. Er hatte einen Rekruten zwei mal einen Lumpen genannt, die Leute angefaßt, geschüttelt und zuräckgedräagt, in einem Fall einen Rekruten gestoßen, daß er zu Boden fiel und auch bis zum 15. mal Laufschritt die Stallgasse auf und ab machen lassen. Die Fälle gingen schon 2—3 Jahre zurück und sind durch den Ulanen Clemont, der fahnenflüchtig geworden war und in einem Brief an seine Eltern als Grund für sein Handeln das Vorgehen des Sergeanten angegeben hatte, zur Keruunis des Gerichts gekommen. Pfeifer wurde zu 25 Tagen Mittelarrest verurteilt.
* (Perschiedeues.) Verunglückt ist der 60 Jahre alte Bahnwärter Altvater in Ludwigsüurg auf seinem Posten beim Bahnübergang an der Franzcsevstraße. Als er am Freitag abend nach 8 Uhr noch eine Schranke schließen wollte, wurde er vom Bruchsaler Schnellzug überfahren und getötet. — Ein schwerer Unglücksfaü hat de» vom Brett beimer Viehmarkt etwa um 3 Uhr heimkehrenden 48 Jahre alten Schäfer Georg Schlagbauer von Wiesenbach betroffen. Derselbe war von einem Fuhrwerk eingeladen worden, mitzufahren, stürzte aber infolge eines unerwarteten raschen Anziehens des Pferdes rücklings vom Wagen, ohne daß es die in lebhaftem Gespräch begriffenen Fuhrleute gleich merkten. Der schwer verletzte Verunglückte wurde ins Krankenhaus gebracht, wo er gestorben ist.
* Wiesbaden, 11. März. Gestern nachmittag stürzte infolge des Sturmes das zum Neubau des Laudeshauses aufgestellte Gerüst zusampwn und erschlug zwei vorübergehende Herren. Beide sind tot.
* In Gvertiefeuvach (Rgb. Wiesbaden) spielte ein 13jähriger Knabe, namens Georg Koch, in der Küche einer Nachbarwohnung mit einem Gewehr. Plötzlich ging ein Schuß los, der der in der Küche befindlichen 17 Jahre alten Margareta Pötz in den Kopf drang, so daß der Tod sofort eintrat.
* Merlin, 11. März. Wie die Tägl. Rundschau meldet, wird Generalkonsul v. Lindequist das Gouvernement von Deutsch-Südwcstafrika iu etwa einem Vierteljahr übernehmen.
* Bei 4 Grad Kälte herrschte im Güertzarz ein orkanartiger Scyneesturm. Der Schnee liegt dis zu 3 Meter hoch. — Das Hospiz auf dem St. Gotthard ist durch Feuer zerstört worden, das im Kamin entstanden war.
Ausländisches.
st Zürich, 12. März. Bei einem Brande in Altersvil sind ein 70;ähriger Mann und ein Knabe, die in einer Dachkammer schliefen, in den Flammen umgekommen.
js Budapest, 12. März. Franz Kossuth veröffentlicht in einem Blatte einen Artikel, wonach eine wirtschaftliche Trennung Ungarns von Oesterreich in der Weise durchzu- führeu wäre, daß iu dem zwischen beiden Ländern abzn- schlüßenden Zollvertrag nur bezüglich einiger Jndustrieartikel Schutzzölle aufgestellt werden, daß hingegen bezüglich der übrigen, sowie für die Einfuhr der hauptsächlichsten ungarischen Rohprodukte nach Oesterreich auch weiterhin Zollfreiheit bestehen soll. Bezüglich der Einwendung, daß dieser Lösung die Meistbegüustigungsklausel fremder Verträge e«t- gegenstehe, bemerkt Kossuth, die übrigen Staaten Wörden unbedingt einsehen, daß die Identität des Monarchen zwischen Oesterreich und Ungarn eine besondere Lage schaffe.
* Kattowitz, 11. März. In Sosnowitze ist auf dem Gemeindeamt den Frauen der vor Monaten nach der Mandschurei geschickten Reservisten mitgeteilt worden, daß das ga«ze Megimertt ihrer Männer bis ans den letzie« Man« gefallen sei und daß ihnen als Witwen die bisherige amtliche Unterstützung von 5 Mk. monatlich nunmehr entzogen würde. Witwen hätten nichts zu beanspruchen.
" Betersvnrg, 11. März. Die Pariser Ausgabe des „ New-Aork Herold" läßt sich melde«, es sei gestern ein großer Kreegsrat abgehalten und die Rückberufung des Generals Kuropatkin beschlossen worden.
' Petersburg, 11. März. Die Bahnhöfe sind von abreisendcn Arbeitern übeifüllt. Die Regierung weist alle Feiernden auS. Die Nachrichten von Unruhen iu der Provinz mehren sich erschreckend. An der Wolga ist angeblich die schwäbische Kolonie Zaritzin überfallen worden.
* Petersburg, 11. März. Im Hotel „garai Bristol", gegenüber der Jsnakkathedrale, in der Nähe der deutschen Botschaft, fand heute früh eine Dynamit-Explosion statt.
* Petersburg, 11. März. (IM /2 Uhr vorm.) Die Explosion im Hotel „garni Bristol" verursachte sowohl im 2. Stockwerk, wo sie früh 4 Uhr erfolgte, als auch in anderen Stockwerken bedeutende Beschädigungen. Mehrere Fensterrahmen wurden zertrümmert, die Fensterscheiben zersprengt und der Stnck von der Decke heruntergerissen. Das Haus, in welchem gegenwärtig Gerichtspersonen den Tatbestand fiststellen, ist von der Polizei umgebe».
* Petersburg, 11. März. Nach der Explosion in dem Hotel garr.i „Bristol" wurde sofort die Feuerwehr gerufen und ein Sanitätswagen verlangt. In dem Zimmer, in dem die Explosion stattfand, war alles zerschlagen. Die Dielen und Wände waren zerstört und verbogene Fensterrahmen wurden auf der anderen Seite der Isaaks-Square- Straße gefunden. Zwei vorübergehende Studenten wurden niedergeworfen. In dem Nachbarzimmer wurden zwei Frauen durch die Holzstücke einer abgerissenen Wand verwundet ; beide wurden ins Hospital befördert. Der im Ex- plostonszimmer wohnende Mann wurde in kleineStücke zerrissen; nur ein Bein wurde gefunden. Die Wände waren mit Mur und Gehirn bespritzt. Der Name des Mannes ist laut englischem Paß Koullon ; er sprach schlecht russisch.
lieber Vater, wenn Du mich Medizin studieren oder auch nur zur Pharmazistin ausbilden lassen wolltest."
Sie war ganz weich geworden, jetzt, da sie als Bittende vor ihrem Vater stand, und so bewegt, daß ihre Argen feucht schimmerten.
Normann, in der ersten Verblüffung, wäre fast aus der Rolle des Untersuchungsrichters gefallen.
„Ich habe kein Geld an meine Töchter fortznwerfen," brummte er. „Ihr habt Eure Staatsprüfung gemacht und bekommt, wenn ihr Euch verheiratet, Eure anständige Aussteuer ; mehr.könnt ihr nicht verlangen."
„Aber, liebster Vater, dann verwende doch einfach, was du für meine Aussteller bestimmt hast, für meine phar- mazistische Ausbildung," bat Doris unschuldig, während die Hoffnung aus ihrem hübschen Gestchtche« strahlte.
„Nein, auf keinen Fall! Wer bürgt mir, daß dein verrücktes Vorhaben glückt ? Nachher wird es mir um so schwerer, dich an deu Mann zu bringen. Aber — wozu überhaupt solchen Unsinn erörtern? Ich täte dir den Willen nicht, auch wenn ich Geld im Ueberfluß hätte. Ich will nicht, daß meine Töchter sich in Berufstätigkeiten drängen, die nur dem Manne offen sein sollten. Willst Du durchaus fort, gut! Wir nehmen Jda nach Hause, und Du magst bei dem Rittmeister emtreten — vorausgesetzt, daß die Leute Dich haben wollen."
Doris, die ihrer Mutter beim AuSbessern der Wäsche geholfen hatte, legte die Arbeit beiseite. Sie sah nicht mehr, wohin sie stach — außerdem mahnte eine geheime Stimme, daß sie diesen Augenblick festhalten müsse, denn er entschiede über ihr Schicksal.
„Ich bitte dich, Vater! Richard hat doch auch einen Beruf nach seiner Neigung erwählen dürfen, obgleich du lieber gesehen hättest, daß er studierte. Warum nicht das gleiche Recht für mich ? Ich fordere doch nichts Unbilliges."
Das war die Kühnheit ans die Spitze getrieben. Herr
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Normann begriff, daß, wenn er diesmal nicht energisch Hand auf seine Tochter legte, sie sich ihm ein für allemal entziehen würde.
„Genug," sagte er mit kalter Ueberlegenheit. „Es wird nichts daraus. Ich ziehe vor, unter diesen Umständen dich an Herrn Schwaber zu verheirate», mit der Verpflichtung meinetwegen, euch jährlich eine Kleinigkeit zuzuschießen, bis er fest an gestellt."
Doch Doris, blaß vor Erregung, stand funkelnden Auges vor ihrem Vater.
„Das kann dein Ernst nicht sein, Papa! Dieser Mensch ist mir lächerlich zuwider. Ich verzichte auf jede Unterstützung von Hause. Laß mich aber wenigstens in eine Frauenklinik eiutrete«, wo ich als Krankenpflegerin oder Wärterin aufangen und mich heraufarbeiten kann."
Sie maßen einander mit blitzenden Augen. Normann schien zu schwanken — unter dem Eindruck dieses jungen, schönen, Willensstärken Mädchens. Plötzlich drehte er sich weg und ließ die geballte Hand zornig auf deu Tisch fallen.
„Meinetwegen scher Dich zum Henker! Werde was Du willst ! Nnr komm mir nie mehr vor die Augen. Wer sich iu meinem Hause meiner Autorität widersetzt, der gehört nicht hinein und mag sehen, wo er bleibt."
Eine Pause. Doris, mitten im Zimmer, stand mit gehobenem Haupt, den Blick in die Weite gerichtet, wo das Leben sich ihr auftat.
Da berührte jemand ihre Schulter. Ihre Mutter war an ihre Seite getreten.
„Es ist picht recht, Doris, daß Dn dem Vater Trotz bietest. Er will doch nur das Beste für seine Kinder. Geh' in Deine Stube. Ich werde mit dem Vater erwägen, was sich gegenwärtig für Dich tun läßt."
Als sie dann allein mit ihrem Gatten war, näherte sie sich diese«, ohne Herausforderung, aber entschlossen, die Sache ihrer Tochter zu führen.