WM Eine Bekanntmachung der Regierung besagt: Im vergangenen Herbst fanden in St> Petersburg Bersammlunge« von Abgesandten der Semstwos statt, die verschiedene Wünsche in Bezug auf die Reform bei der inneren Verwaltung des Reichs äußerten. Es fanden in verschiedenen Städten stürmisch verlaufene Versammlungen statt. Da es die gesetzliche Pflicht der Regierung ist, die Staatsordnung und die öffentliche Sicherheit zu beschützen, so müssen und werden alle Versuche, die Ordnung umzukehreu und alle regierungsfeindlichen Ansammlungen mit allen g ese tzl i ch e n M it t e In unterdrück t werden, während die Schuldigen, hauptsächlich die Beamten, gerichtlich belangt werden. Den Zeitungen kommt es ebenso zu, zur Beruhigung des öffentliche» Lebens beizutragen.
LandesnachT ichten.
-s- Atteufieig, 28. Dez. Das liebliche Weihnachtsfest liegt hinter uns, verschwunden stad die erfehnten und von der Kindheit bejubelten festlichen Tage ins Zeiteumeer. Doch nicht verschwunden ist der gewaltige Eindruck, den die Botschaft von der Geburt des Welterlösers auf alle Herzen im ganzen Erdenrund, überall wo Christen wohnen, erneut hinterlassen hat. Der Segen, der hieraus für die Menschheit erwächst, darf nicht verkannt werden. — Hier war am Hauptfesttage der Vormittagsgottesdienst ungewöhnlich zahlreich besucht, die vielen Zuhörer lauschten den Ausführungen des Geistlichen über die alte Heilswahrheit mit sichtlicher Andacht. — Einer alten schönen Sitte wurde auch am heiligen Abend wieder gehuldigt. Am Hällesberg loderten nach Eiutritt der Dunkelheit 3 mächtige Freudenfeuer hinauf gegen das Sternenzelt und die Schuljugend führte unter Absingen von Weihnachtsliedern einen Fackelzug aus, der sich wunderhübsch ausnahm und eine erbebende Einleitung für das Weihnachtsfest bildete. — Die Christbaumfeiern in den Vereinen finden immer größeren Zuspruch. Sehr zahlreich besucht war am Stcphansfeiertag abend die Vereinigung des Turnvereins um den Weihnachtsbaum im Saale des Gafthofes zur .Traube". Für die Unterhaltung war reichlich gesorgt. Den gesanglichen Teil hatte hierbei in freundlicher Weise der Liederkravz übernommen. Seitens des Vereins kamen mit Präzision durchgeführte Langstabübungen sowie ergötzliche theatralische Stücke zur Aufführung. Schade war nur, daß nicht alle Teilnehmer wegen Raummangel die Spiele in erwünschter Weise besichtigen konnte». Die Verlosung übte ihr bekannt neckisches Spiel aus: während die Einen leer allsginge», schienen die Anderen das Glück allein gepachtet zu haben. Fortuna ist eben eine recht launenhafte Göttin. Die gelungene Veranstaltung endete mit einer Tanzunterhaltung. M» Weihnachtsfeiern folgen noch der Kriegerverein, der Raofahrerverein und der evang. Arbeiterverein, so daß dem Unterhaltungsbedürfnis hinlänglich Rechnung getragen wird.
* Aktenstetg, 28. Dezbr. Anläßlich des zu erwartenden stärkeren Anfalls von Briefsendungeu über Neujahr wird darauf aufmerksam gemacht, daß eine genaue und deutliche Aufschrift wesentlich zur Beschleunigung der Abfertigung, Beförderung und Bestellung der Briefsevdungen und. zur Fernhaltung von Verzögerungen und Fehlleitungen beiträgt. Bei Postsendungen nach Orten ohne Postanstalt sollte in der Aufschrift außer dem Bestimmungsort auch die Postanstalt angegeben sein, von welcher die Sendung zu bestellen ist. Wenn der Ort der Bestimmungspostanstalt nicht zu den bekannteren Orten zählt, so sollte seine Lage in der Aufschrift näher bezeichnet werden. — Bei Briefen nach größeren Orten sollte dem Namen des Empfängers die i Angabe der Wohnung (Straße und Hausnummer Stock- s werk) beigefügt werden; bei dem Fehlen solcher Angaben i wird für das nicht ganz eingeübte Hilfspersonal der Post- >
ich Ihr Haus sofort verlassen." — „Sie sollen mein Haus nicht verlassen," erwiderte er, „ehe meine Frau Sie um Verzeihung gebeten hat, und sie wird es bereitwillig tun, wenn sie den Sachverhalt begriffen hat". — „Ich werde nicht allein hier bleiben." versetzte das Mädchen, „und ich muß darauf bestehen, daß Sie unser Engagement als aufgehoben betrachten."
„Dies Letztere überlasse ich ganz Ihrem Belieben, Miß Burtou, aber ich bitte Sie, daß Sie vor der Hand verweilen. Ich werde eine Freundin meiner Frau rufen, die Ihnen Gesellschaft leisten wird, bis die Damen zurückkehren."
Das Mädchen gefiel mir.
Ich trat aus dem Salon io das Vestibül. „Mr. Jer- myn," sagte ich, „ich werde bei der Dame bleiben, dis Mrs. Jermyn nach Hause kommt." Und so geschah es. Als Elles heimkehrte, ließ ihr Herr und Meister sie in seine Studierstube bitten. Man sah keine Träne, hörte keinen Seufzer, aber als Ellen wieder herauskam, suchte sie uns sofort auf, bat Miß Burtou um Verzeihung und sagte, es habe ein Irrtum Vorgelegen."
„Gnädige Frau," erwiderte Miß Burtou nicht ohne Spott, „ich kann selbstverständlich nichts anderes tun, als Ihren Irrtum zu verzeihen. Ich bin eine Waise und hoffte, Schutz und Beschäftigung in Ihrem Hause zu finden. Ich brauche beides sehr, aber ich will lieber Hungers sterben, als mich der Gefahr aussetzen, noch einmal eine ähnliche Beleidigung zu erfahren." Sie machte eine flüchtige Verbeugung und ging schnurstracks auf die Treppe zu. Als sie am Studierzimmer vorbeikam, trat Mr. Jermyn aus der Tür und begleitete sie hinab, dann stiegen sie in Ellens Landauer und fuhren zusammen davon.
Du meine Güte — welch endloser Brief! Und ich wollte dir noch erzählen, daß Ellen darauf versessen ist, ihren Halbbruder zu finden, der schon gegen zwölf Jahre in der Welt umherstrolcht. Mr. Jermyn tut. als läge ihm
anstalten, welches über Neujahr herangezogen werden muß, ei» zeitraubendes Nachschlagen erforderlich, was Verzögerungen in der Weitergabe oder in der Bestellung der Briefsendungen mit sich bringt.
8. Wende», 28. Dezbr. Am Johannesfeiertag hielt bei einer zahlreich besuchten Versammlung von Obstbaumfreunden Herr OberamtSbaumwart Bihler einen Vortrag über Obstbau im Gasthaus zur „Krone" hier ab. Zuerst hieß er die Versammlung herzlich willkommen und dankte für ihr zahlreiches Erscheinen. Dann sprach er in ausführlicher Weise über den Nutzen des Obstes, über Banmsatz nnd richtige Sortenauswahl, über den Schnitt der jungen Bäume und über die Behandlung derselben in späteren Jahren, ferner über das Umpfropfen unfruchtbarer Obstbäume eventl. von gewissen Sorten, Welche in der Veredlung aufeinander passen. Daß sein Vortrag allerseits anerkannt wurde, und viel Lust und Liebe zum Obstbau hier ist, ist daraus zu ersehen, daß sich den seitherigen hiesigen Mitgliedern des Bezirksobstbauvereins sofort »och weitere 13 anschlossen. Wir fühlen uns verpflichtet Herrn Bihler unfern besten Dank auszu- spreche»' und hoffe», daß er uns auch später wieder mit einem derartigen Vortrag beehren werde.
* Tübingen, 27. Dez. (Strafkammer.) Wegen Vergehens gegen das Wein- und das Nahrungsmittelgesetz stand der verheiratete Küfermeister und Weinhändler Christian Rothfuß in Neuenbürg vor Gericht. Rothfuß verwendete zur Weiubereituug bloß Wasser, Zucker, Obstmost und getrocknete Früchte. Rothfuß fabrizierte speziell „roten Dürk- heimer" hielt solchen auf Lager und brachte ihn in den Handel. Einem Quantum von 4600 Liter Dürkheimer setzte er 1000 Liter Wasser vermengt mit 8 Zentner Kristallzucker zu und verkaufte davon als reinen ungezuckerten Naturwein. Ebenso vermischte er weißen Kaiserstühler mit übermäßiger Menge Zuckerwasfer. Der Angeklagte behauptete, er habe seinen Weinen nur die notwendige Kellerbehandlung zuteil werden lassen. Nach dem Sachverständigen Gutachten ist der gefälschte Wein, weinähnlich aber gezuckert und übermäßig gewässert. Rothfuß wurde zu 200 Mk. und zu den Kosten verurteilt. Der gefälschte Wein ist zu vernichten und das Urteil im Amtsblatt für Neuenbürg zu veröffentlichen.
ff MSinges, 27. Dez. In Ulm wurde der Hausknecht Josef Keutner von Heidenheim, welcher in Urach seinem Gastwirt im Schlafe das Geld gestohlen hatte, verhaftet. Derselbe hatte sich schon neu requiriert und in lustiger Gesellschaft in Stuttgart nnd Göppingen den größten Teil des Geldes verjubelt, auch 80 Mark einer Freundin geschenkt.
ff Hlevtkinge«, 27. Dez. Vom Bureau der Handwerkskammer erhalten wir folgenden Bericht über die letzte Sitzung des Vorstands. Eine längere Aussprache veranlaßt« die Tatsache, daß gegen eine größere Anzahl Lehrmeister wegen Unterlassung der Anmeldung mit Strafanträgen hatte eingeschritteu werden müssen. Das Ergebnis war, daß man — obwohl die Vorschrift bereits seit drei Jahren in Kraft steht nnd,mehrfach bekannt gemacht, über das Anmeldewesen sehr viel gesprochen und geschrieben worden ist — im allgemeinen noch Milde walten lassen und auch in jedem einzelnen Falle die Zustellung eines besonderen Mahnschreibens (nach erfolgloser persönlicher Belehrung durch den Beauftragten) beibehalten wolle. Die Strafanträge sollen für diesmal noch, wenn sie die Anmeldung bewirkt haben und die Versäumnis nicht auf bösen Willen zurückzuführe« ist oder nicht ein Rückfall vorliegt, zurückgezogen werden (vorausgesetzt, daß das Oberamt oder der Gemeinderat nicht schon eine Strafe verfügt hat).
ff München, 27. Dez. Der erbliche Reichsrat Graf Karl von Arco Valley ist heute abend im Garderoberaum des Hoftheaters tötlich vom Schlage getroffen worden.
auch etwas daran — aber das ist alles Heuchelei. Ich halte es nicht für wahrscheinlich, daß er Charlie Jermyngham aufstöbert, damit ihm dieser einen großen Teil der Erbschaft fortschnappt, wenn Ellen sterben sollte!
Ken Baring ist nun also Doktor? Ich halte ihn für einen tüchtigen Menschen. Und Renee Brian will er heiraten ?
Glaubst Du, daß ich noch zu Ende komme? — Wann hörtest Du zuletzt von Sutherlauds? Wie gehts Linette? Was macht Charly Brian? Du erwähnst ihn nie, das scheint mir sehr verdächtig.
O, Liebste, Adeline kommt! Ich muß mich anziehen. Amen, amen! Schreibe bald, bald, bald ! Für immer deine
Gracia Roseveldt."
Sechsundzwanzigstes Kapitel.
Zur Zeit der Fastnacht überläßt sich jeder Bürger New-Orleans, der ein Zehncentstück übrig hat, der Tollheit und Freude.
König Carnewal regiert die Stadt und der Gott des Witzes in Person vermöchte es nicht, die Narren von den Weisen zu unterscheiden. Wie sollte er auch. Der Weise trägt die Schellenkappe und der Narr spielt zur Abwechslung mit Behagen den Weisen.
Musik und Lachen, Freude und Vergnügen, wohin man sieht. König Carnewal ist in den Mauern : Die Sorgen sind vergessen, die Gesichter glänzen und Mummenschanz und Maskenscherz bilden die Beschäftigung des Tages. Die Organe der öffentlichen Ordnung und Ruhe tragen eine Blume im Knopfloch und legen ihre strenge Miene ab. Justiz und Polizei verhüllen die Gesichter, stecken die Finger ! in die Ohren und versuchen, einander weißzumachen, daß die Faschingszeit eine gesegnete Zeit der Erholung, und j König Carnewal Weiser ist als es scheint. >
Am Morgen nach dem großen Tage, au dem das
* Dresden, 27. Dez. Aus der Gesellschaft bildete sich ein privates Komitee, das an Reichstag und Bundesrat wegen der Zwangsentfernung der deutschen Reichsaugehörigeu Gräfin Montignoso aus Sachsen eine Petition richten will.
ff ßobnrg, 27. Dez. Die Beisetzung der Herzoginwitwe Alexaudrina von Sachsen-Coburg-Gotha fand heute nachm, in der Moritz-Kirche statt.
* Werkln, 27. Dez. Der Reichsanzeiger meldet: Dem Direktor des Auswärtigen Amtes von Körner wurde der Charakter als Wirklicher Geheimer Rat mit dem Prädikat Exzellenz verliehen.
ff Aerli«, 27. Dez. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Ein hiesiges Blatt ließ sich vor Weihnachten aus Wohl unterrichteten Kreisen mitteilcn, man rechne dort mit der Möglichkeit, daß die neuen Handelsverträge erst Ende Januar oder Anfang Februar dem Reichstage vorgelegt werden. Wir möchten demgegenüber feststelleu, daß für diese Ausstreuungen über eine solche Einbringung der Handelsverträge im Reichstag kein Anlaß vorliegt.
Wie berichtet wird, ist ganz Aierkiv in Aufregung wegen dem Urteil der Geschworenen im Prozeß Berger. Freispruch wurde allgemein erwartet; auch mit einer Verurteilung zum Tode hätte mau sich nach dem Spruch in dem Walther'schen Gattenmordprozesfe ohne weiteres abgefunden ; den Mittelweg aber, der wie ein Verlegenheitsurteil anmutet, das die Geschworenen fällten, um ihr Gewissen nicht mit Zweifeln zu belasten, diesen Mittelweg hatte niemand erwartet und niemand kann ihn begreifen. Es ist müßig, ein Geschworenenvotum zu kritisieren; in diesem Falle ganz besonders, weil ja ein Revisionsverfahren folgen wird. Das aber ist gewiß, daß bei einer Zusammensetzung des Gerichts analog derjenigen einer Strafkammer ein solcher Spruch niemals hätte gefällt werden können ... Es kann kein Zweifel herrschen, daß bei der üblichen Zusammensetzung solcher Geschworenengerichte auch heute noch die Wahrheit des alten Juristenwortes zu recht besteht: „wenn Einer schuldig ist, dann hat er uur bei den Geschworenen Chance, für unschuldig erklärt zu werden; wenn Einer aber unschuldig ist, dann bewahre ihn Gott vor den Geschworenes."
* WagdeSnrg, 27. Dezbr. Zehn Minuten vor Beginn des Kadeldurgschen Lustspiels „Der Familientag" im Stadttheater Hierselbst stürzte vom 3. Rang ein Logenschließer ins Parkett. Er war sofort tot.
* Ksnnover, 27. Dez. Am ersten Weihnachtsfriertag fand sich abends in einem Hause der Schiffsgrabeustraße eine Privatgesellschaft zusammen. Ein Bulgare, der mit zu den Gästen zählte, geriet bei einem Gespräch über de» rus- sisch-japauischen Krieg berat in Aufregung, daß er zum Revolver griff, auf den Gastgeber einen Schuß abfeuerte uud ihn so am Halse verletzte, daß der Betreffende in eine Privatklinik gebracht werden mußte. Nachdem der Bulgare noch einen 2. Schuß auf die Frau des Gastgebers abgefeuert hatte, der aber nicht traf, tötete er sich selbst durch einen Stich in die Lunge.
Ausländisches.
ff Wie«, 27. Dez. Hier ist heute abend ein Gerücht im Umlauf, nach welchem die Demission des Ministerpräsidenten v. Körber als unmittelbar bevorstehend gilt. Es wird behauptet, Dr. v. Körber wolle unter keinen Umständen im Amte bleiben. Diese Gerüchte find jedoch mit Zurückhaltung aufzunrhmen. Nach der „N. Fr. Pr." will der Ministerpräsident nur für seine Person, nicht für das Kabinett, die Demission cinreichen. Als Ursache werde» sein leidender Zustand und die trostlosen Verhältnisse im Parlament bezeichnet.
* Saris, 26. Dez. Bei einem Eiseubahnunfall der Nordbahn find 13 Personen ums Leben gekommen, außerdem Wurdem 50 Personen zum Teil lebensgefährlich verletzt.
Fest seinen Anfang genommen, wurde Dame Justiz indessen durch ein kräftiges Klopfen an ihrer Tür zu ihrer Pflicht zurückgeführt.
Ein großes Hotel in New-Orleans, dem wir deu Namen „Hotel Viktor" geben wollen, war zu dieser Zeit mit Gästen überfüllt. Die Zimmer waren schon vor Wochen durch Brief und Telegraph, durch Agenten und Freunde vorausbestellt, und jetzt waren die Gäste alle angekommen — so sagte der stattliche Kellner zu einem jungen Mann, der ein Zimmer verlangte.
Ein Kellner, der dies hörte, rief ihm za: „Nummer 99 war gestern abend noch frei!"
„99 ?" Der Oberkellner runzelte die Stirn, wandte sich aber doch um und überflog das Zimmerregister.
„Es war zu gestern bestellt, es ist aber uiemaud gekommen", sagte der Andere.
„99? Sie irren sich, Ackert, da steht ja: 99 — W. R. Jones und Frau, gestern abend angekommeu. Wahrscheinlich trafen sie ein, als Sie schon fort waren. Haben die Herrschaften denn noch nicht gefrühstückt?"
Eiue Nachfrage ergab, daß sie noch nicht gefrühstückt hatten.
(Fortsetzung folgt.)
Vermischtes.
Für Hausbesitzer.
Vor deinem Hause Liegt Eis.
Streu — 's ist kein Kunststück — Mit Fleiß Asche darauf!
Sonst purzeln Junge und Alte Und warte nur, balde Purzelst du auch I