Stuttgart» 21. Jan. DieSchwab. Tagwacht" erklärt gegenüber der entgegengesetzten Meldung des Deutschen Volksblatts", daß die Kandidatur Mat- tutat unter allen Umständen aufrecht erhalten bleibe und daß die Wähler am Montag die Entscheidung darüber zu treffen hätten, wem sie das Mandat übertragen wollten. Im übrigen müsse gesagt wer­den, daß die Volkspartei ganz besonders im 9. Wahl­kreis auch den Stichwahlkampf in geradezu unerhör­ter Weise führe. In einem an der Spitze des Blat­tes erscheinenden Aufruf zur Stichwahl wird noch­mals daran erinnert, daß die Wähler im 8., 11. und 14. Wahlkreis den volksparteilichen Kandidaten zu wählen haben,, in allen übrigen Wahlkreisen aber es als Ehrensache betrachten müssen, für die sozial­demokratischen Kandidaten einzutreten, also auch im 9. Wahlkreis.

Stuttgart, 21. Jan. Beachtenswerte Ausführun­gen, die insbesondere auch für die Stellungnahme der bauernbündlerischen und konservativen Wähler bei der Stichwahl im 4., 6. und in gewissem Sinne auch im 7. Wahlkreis von Bedeutung sind, gibt die Deutsche Reichspost" gelegentlich einer Besprechung der Lage im Heilbronner Wahlkreis. Nachdem zur Wahl des bürgerlichen Kandidaten ausgefordert und betont worden ist, daß auch die Stimmenthaltung den Sieg des Sozialdemokraten befördern würde, wird gesagt:Daß ein Anhänger einer bürgerli­chen Partei zu einem solchen Ergebnis nicht Mitwir­ken kann, ohne den Ast abzusägen, auf dem er sitzt, sollte jedem klar sein. Wer also nicht ganz vom Verstand verlassen ist, muß in der Stichwahl seine Stimme für den bürgerlichen Kandidaten abgeben."

Stadt und Bezirk.

" Zur Stichwahl. Die Aufforderung an die Wahlberechtigten von Stadt und Land, zu wählen, wird wohl, als am heutigen Entscheidungstage, mit allem Nachdruck befolgt werden. Es soll keiner den­ken: Meine Stimme macht es nicht aus, sondern jeder soll sich ins Bewußtsein rufen, daß es Ehre und Pflicht des Staatsbürgers erheischen, wenn das Volk, wenn der Staat an ihn appellieren, seine Stimme und seine Auffassung durch Abgabe des Stimmzettels zu äußern. Bürger, wählet!

Vom Frauenstudium. In allen 21 deutschen Universitäten studieren dieses Semester 2795 Frauen, gegen das Vorjahr mehr 383. Dazu kommen noch 1737 Gasthörerinnen, sodaß die Gesamtzahl aller die Universität besuchenden Frauen 4532 beträgt, gegen 4184 im Vorjahr. In Tübingen studieren 40 Frauen, 31 aus Württemberg, die übrigen aus den Bundesstaaten, keine Ausländerinnen. Die Frauen sind hier am zahlreichsten in der medizinischen Fakultät, 15; noch nicht eingedrungen sind sie allein in die beiden theologischen und in die juristische Fa­kultät. Auch Forstwissenschaft und Pharmacie sind noch frei.

O. ll. Zu der Verhaftung des Einbrechers und Mörders Pfrommer von Teinach ist noch, so wird uns geschrieben, nachzutragen, daß es einem Kame­raden des von Pfrommer erschossenen Forstwarts, dem K. Forstwart Bozenhardt von Hirsau, ge­lang, den Mörder dingfest zu machen. Von einem aus Teinach gebürtigen Hausierer wurde dem auf einem Dienstgang befindlichen Forstwart mitgeteilt, daß er den Pfrommer in Ottenbronn gesehen habe. Nachdem dem Forstwart die Gestalt des Mörders beschrieben wurde, begab sich Bozenhardt auf die Suche. Er fand denn auch bald die bezeichneten

Feinden in Umlauf gesetzt worden war. Indem ich hier und dort einen Brocken aufschnappte und die einzelnen Teile zusammensetzte, gelang es mir all­mählich, folgendes Gesamtbild zu erhalten:

Die geheimnisvolle Dame eine verheiratete Frau natürlich die unter eigentümlichen Umstän­den in meinem Hause gelebt hätte, wäre allem An­scheine nach plötzlich zur Besinnung gekommen und hätte erkannt, daß sie sich in der Gewalt vollkommen fremder Personen befände. Dies, wie die Besorgnis, welch großen Kummer sie ihrem Manne verursacht haben müßte, habe den Entschluß in ihr wachgerufen, bei der ersten besten Gelegenheit unbemerkt zu ent­wischen. Sie habe sich daher im Dunkel der Nacht heimlich entfernt und sei unverzüglich in das Hotel Cecil zu ihrem Gatten zurückgekehrt.

Das war ungefähr die mysteriöse Geschichte, die sich alle Welt zuraunte. Gleichzeitig bemerkte ich, daß mich fast alle meine Patienten mit einer auffal­lenden Kühle empfingen. Die frühere Sympathie hatte sich infolge dieser Darstellung rasch in ihr Gegenteil verwandelt, und es unterlag für mich kei­nem Zweifel, daß, wenn sich die Sache nicht bald aufklärte, meine Praxis binnen kurzer Zeit ruiniert sein würde.

Was mich jedoch am meisten überraschte, war die Bezugnahme auf das Hotel ^ecil. Daraus ging deutlich hervor, daß man Marcellas Bewegungen seit ihrer Ankunft in London genau kennen mußte. Die-

Fußspuren im Schnee, welche von Ottenbronn aus in den Staatswall» und von diesem heraus wieder nach Ottenbronn führten. Als der Forstwart auf anderem Wege dort ankam, verständigte er sich als­bald mit dem Ortsvorsteher, worauf sich die beiden Männer in dasRößle" begaben, von wo aus in­zwischen durch Vermittlung des imRößle" zufäl­lig anwesenden Accisers Stoll der Verbrecher als dort befindlich gemeldet wurde. Nach Verschluß sämtlicher Türen ging der Forstwart schußbereit in die Wirtschaft und direkt auf Pfrommer zu, wo er mit vorgehaltenem geladenen Gewehr die Verneh­mung, Entwaffnung und Festnahme des Mörders mit Hilfe des Schultheißen Erlenmaier und Accisers Stoll bewirkte. Die telephonisch herbeigerufene Landjägermannschaft fand nach ihrem Eintreten fertige Arbeit vor, fesselte den Perbrecher und führte ihn ab.

Bad Teinach, 21. Jan. Es ist zu bedauern, daß der Zuchthäusler Pfrommer nach dem Lieben­zeller Diebstahl nicht sofort gefaßt wurde, obwohl die Möglichkeit hierzu nicht nur hier in Teinach, sondern auch in Liebelsberg, Schmieh, Rötenbach und Stammheim mehrmals geboten war. U. a. hatten Pfrommer 4 stämmige Holzhauer bereits gefaßt, ließen ihn aber an einer Wegkreuzung nach einer leeren Drohung davonspringen! Wären der­artige unliebsame Sachen nicht vorgekommen, so wäre es Pfrommer unmöglich gewesen, auf den Fildern die Diebstähle und den Doppelmord zu be­gehen. Bei der am Dienstag stattgefundenen Streife nach Pfrommer, die seitens der Landjägermannschaft unter Beihilfe von Privatpersonen geschah, lag Pfrommer, laut eigenem Geständnis, 3 Meter von der suchenden Truppe in einem Straßengraben und hörte die Gespräche über die zu treffenden Maß­nahmen mit an. Wäre hier ein Hund als Begleiter beigezogen gewesen, so wäre die Verhaftung einen Tag früher geschehen. Vielleicht gibt dieses Vor­kommnis Veranlassung, daß, wie den Schutzleuten in Städten, auch den Landjägern auf dem platten Lande Hunde beigegeben werden.

Bad Liebenzell, 21. Jan. Eine lustige Wette, die einigermaßen an den Wettlauf zwischen Hase und Swinegel erinnert, ist von hier zu melden. Der Hansjörg von Unterhaugstett und der Michel von Maisenbach saßen Montag abend 9 Uhr im Gasthaus z. Schwanen in Unterhaugstett in Mon­tagsstimmung und besprachen den langen Weg, den Michel mit seinem Fuhrwerk noch bis Maisenbach hatte. Dabei wettete Hansjörg, daß er in Strümpfen früher nach Maisenbach laufen wolle, als Michel fahre. Es galt und jeder hinterlegte 15 ^ beim Wirt. Alsbald gings durch die Dunkelheit flott voran. Hansjörg kürzte den Weg ab, indem er die Fußwege einschlug, aber die Steine richteten ihn bald so übel zu, daß er die Taktik zu ändern be­schloß. Da er voraus war, erwartete er in Lieben­zell den Wagen und schwang sich in der Dunkelheit hinten hinauf, um kurz vor Maisenbach abzuspringen und auf einem Fußweg dem Wagen noch zuvorzu­kommen. Aber als der schlaue Fuchs abspringen wollte, da erscholl plötzlich vom Michel her:Bleib numme liege, Hansjörgle, du hosch doch verlaura!" Und so war es, denn der schlaue Michel hatte ihn wohl gesehen, aber geschwiegen.

Pforzheim, 21. Jan. Beim Schlittschuhlaufen stürzte hier ein Schulknabe so unglücklich in einen Glasscherben, daß dieser die Pulsader der Hand

ser Umstand deutete auf nichts Gutes hin, und ich muß gestehen, daß mich auf dem Heimwege an jenem Nachmittage sehr gemischte Gefühle durchzogen.

Während meiner Abwesenheit war zwar nichts von größerer Bedeutung vorgefallen, aber es sollte noch kommen. Die Dunkelheit brach mit Macht herein, und ich wunderte mich schon, wo Helen so lange bleibe, als ich durch das Fenster hindurch zwei Frauengestalten den Gartenweg heraufkommen sah. Die eine war meine Schwester mit einem sehr ern­sten Gesicht, das nichts Gutes ahnen ließ, und die andere meine Tante Maria, steif, wie ein Stock, und, ihrem Gesichtsausdruck nach, zur endgiltigen Abrech­nung entschlossen.

Beim Eintreten warf mir meine Schwester einen warnenden Blick zu, wodurch meine schlimmsten Be­fürchtungen bestätigt wurden.

Meine Tante war zwar nicht ganz so eisig, wie bei unserem letzten Beisammensein; immerhin war unser Wiedersehen doch kühl genug, denn ohne alle Begrüßung begann sie gleich mit einem entschiedenen Ton:

In erster Linie, Edward, bin ich hierhergekom­men, um deiner Schwester einen Gefallen zu tun, zweitens wollte ich aber auch, um meine Pflicht bis zuletzt zu erfüllen und später keinerlei Vorwürfe zu bekommen, nochmals mit dir über die Sache spre­chen, die für deine Zukunft von der größten Wich­

durchschnitt. Der Verunglückte wurde in das Kinder­spital gebracht, wo er inzwischen seinen Verletzungen erlegen ist.

Württemberg.

Lehrerschaft und Stuttgarter Stadtverwaltung.

Wie bestimmt verlautet, hat die Oberschulbehörde den Antrag der Stuttgarter Stadtgemeinde bezüg­lich des Mitwirkungsrechts bei der An­stellung der Lehrer abgelehnt. Diese Bedingung war seitens der Stadt mit der Gewäh­rung der Ortszulage der Lehrer verknüpft. Die bürgerlichen Kollegien werden sich morgen mit die­ser Angelegenheit in der öffentlichen Sitzung be­schäftigen und es verlautet, daß bei dieser Gelegen­heit die Ortszulage der Lehrer einstimmig abge- (ehnt werden wird. Die Stadt lehnt die Verant­wortung für diese Maßnahme ab. Die Lehrer wer­den sich an die Ortsschulbehörde zu wenden haben.

Stuttgart, 18. Jan. In der heutigen gemein- saftlichen Sitzung der bürgerlichen Kollegien wurde, wie wir bereits oben angekllndigt haben, die Ge­währung der Otrszulage für die Volksschullehrer ab­gelehnt, nachdem die Öberschulbehörde der Stadtver­waltung das Mitwirkungsrecht bei der Anstellung der Lehrer nicht zugestanden hat. Der Beschluß er­folgte einstimmig. Eine Debatte darüber hat nicht stattgefunden. Diese Form der Erledigung der An­gelegenheit ist insofern von Interesse, als der Be­schluß gerade in der letzten Sitzung vor Einführung der neugewählten Mitglieder der Kollegien erfolgt und auf diese Weise der neue Gemeinderat Löchner als Führer der Volksschullehrer nicht mehr zu Wort gekommen ist.

Möhringen a. F., 20. Jan. Vorgestern fanden in Steinenbronn und Rohr die Bestattungen der von Mörderhand erschossenen Opfer statt. Die Beliebt­heit beider kam an ihrem Grabe in reichem Maße zum Ausdruck durch zahlreiche Beteiligung und warmes Mitgefühl an dem großen Unglück. In Steinenbronn hielt bei der Beerdigung des Maurers Otto Grob Pfarrer Weitbrecht eine zu Herzen gehende Grabrede. Kränze mit Ansprachen wurden niedergelegt von den Arbeitskollegen, den Schul­kameraden und von dem Vauarbeiterverband (Zahl­stelle Stuttgart). In Rohr wurde der Sarg des Forstwarts Rees vom Trauerhause bis zum Friedhof von Kollegen getragen. Der Männergesangverein Rohr sang einen Choral. Kränze legten nieder: Oberförster Keller von Böblingen, ein Vertreter des Herzogs Robert, Hauptmann Frhr. v. Hügel im Namen des Offiziers-Jagdvereins des 1. Regi­ments, Hauptmann Sprösser im Auftrag des Offi- ziers-Jagdvereins des 7. Regiments, von den Forst­warten des Bezirks Böblingen, vom Landesforst­wartverein, vom Fremdenverkehrs-Verein Rohr, vom Schwäb. Albverein Vaihingen, sowie von den Holzhauern.

Metzingen, 19. Jan. Was ein unbedachter Scherz für schlimme Folgen haben kann, haben in einer nachbarlichen Gemeinde die zwei Mädchen einer Witwe erfahren. Letztere ging täglich in ein Geschäft und ließ die Kinder allein zu Hause. Diese erhielten nun kürzlich eines Abends Besuch von ver­kleideten Buben und gerieten so in Schrecken, daß eines der Mädchen vor Angst den Verstand verlor und nach Tübingen verbracht werden mußte. Man vermutet, daß der Bubenstreich von jungen Leuten, die die Nachtschule besuchten, ausgeführt wurde.

tigkeit ist. Du wirst dir denken können, welche ich meine.

Ich merkte an ihrem Tone, daß die Kluft zwischen uns beiden bis jetzt noch keineswegs überbrückt war, und antwortete kühl:

Jawohl, ich kann es mir vorstellen.

Nun, fuhr sie fort, dann wollen wir uns nicht lange bei der Porrede aufhalten. Ich bin mit dei­ner Schwester hergekommen, um mit dir endgiltig über das Weib zu verhandeln, das du hier gegen seinen Willen festgehalten hast.

Die Keckheit, mit der sie diese Behauptung auf­stellte, versetzte mich gleich wieder in hochgradige Er­regung.

Gegen ihren Willen! rief ich aus. Hörst du die Beschuldigung, Helen?

Ich habe ihr schon gesagt, daß das ein Irrtum ist, bemerkte meine Schwester, die sehr unglücklich und trostlos dreinschaute; aber sie glaubt es mir ja nicht.

Nein, ging meine Tante weiter. Ich irre mich ganz und gar nicht. Warum hat sie euch denn sonst gestern abend heimlich verlaßen?

Aus ihrem ganzen Wesen und der Betonung des letzten Satzes merkte ich, daß sie noch etwas auf dem Herzen hatte, und ich hielt es für das beste, gleich alles zu erfahren. Daher ging ich scheinbar auf ihre Frage ein.

Wie kann ich das wissen, antwortete ich ziemlich gleichgültig.