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Montag, den 22. Januar 1912

87. Jahrgang.

Der erste Stichwahltag.

Wenn die folgenden beiden Stichwahltage eben­so ausfallen, wie der erste am vergangenen Sams­tag, dann wäre es möglich, daß der von den liberalen Parteien erhoffte Mandatszuwachs, der bei den Hauptwahlen ausblieb, sich noch einstellt. Jeden­falls ist der Stichwahlsamstag sehr günstig für die Liberalen ausgefallen im Gesamtbild. Einzelne Ergebnisse natürlich enttäuschen wieder. Der Füh­rer der Nationalliberalen, Bassermann, ist in Saar­brücken gewählt worden. In Baden hat der Libe­ralismus Freiburg und Kehl vom Zentrum, Karls­ruhe von den Sozialdemokraten gewonnen. Schmerz­lich ist dagegen die Niederlage des Nationalliberalen Schmid, in dem erst bei der Nachwahl im Novem­ber eroberten Konstanz-Ueberlingen, das vom Zen­trum mit 300 Stimmen Mehrheit zurückerobert wurde. Die Sozialdemokratie hat Coburg-Landau an die Liberalen, Bielefeld an den Grafen Posa- dowsky verloren, sie hat dagegen Würzburg dem Zentrum, Kassel und Eschwege den Mittelständlern abgenommen. Im Osten haben die Fortschrittler 4 konservative Sitze erobert, dagegen Labiau-Wehlau nicht mehr halten können.

Eine Uebersicht der Parteiverluste ergibt: Das Zentrum verlor an die Sozialdemokratie Würzburg, an die Nationalliberalen Kehl und Zweibrücken, an die Volkspartei Freiburg. Die Volkspartei verlor Labiau an die Konservativen. Die Nationallibera­len verloren an die Sozialdemokraten Hameln,- bau, Dresden-Altstadt, an das Zentrum Konstanz und Ottweiler, an die Welfen Melle, an die Reichs­partei Rothenburg-Hoyerswerda. Die Konservati­ven verloren an die Nationalliberalen Ottendorf, Schwerin, an die Sozialdemokraten Freiberg, an die Volkspartei Königsberg-Land, Gumbinnen, Malchin und Minden. Die Sozialdemokraten verloren an die Nationalliberalen Wiesbaden, Landau, Koburg, und an die Konservativen Usedom, an die Volks­partei Karlsruhe und mutzten außerdem Bielefeld an den Grafen Posadowsky abgeben. Die wirtschaft­liche Vereinigung verlor an die Sozialdemokraten Kassel und Eschwege, an die Nationalliberalen Fritz­lar. Die konservative Partei mutzte Tilsit an die Volkspartei abgeben, die Reichspartei Strelitz an die Nationalliberalen. Dagegen gewonnen haben das Zentrum Konstanz und Ottweiler, die

es von den Nationalliberalen abnahm, die Volks­partei von den Nationalliberalen Flensburg-Apen­rade, von den Konservativen Königsberg, Gumbin­nen, Malchin und Minden, von den Sozialdemokra­ten Karlsruhe und von der Reichspartei Tilsit. Die Sozialdemokraten von den Nationalliberalen Ha­meln, Löbau, Dresden-Altstadt, von den Konservati­ven Freiberg, vom Zentrum Würzburg, von der Wirtsch. Vereinigung Kassel. Die Nationalliberalen von den Sozialdemokraten Landau, Koburg und Wiesbaden, von der Reichspartei Strelitz, vomZen- trum Kehl und Zweibrücken, von der Wirtschaftlichen Vereinigung Fritzlar, Neuhaus von den Konservati­ven. Die Konservativen Labiau von der Volkspar­tei, Usedom von den Sozialdemokraten. Die Wel­fen Melle von den Nationalliberalen und Harburg von der Reichspartei. Die Reichspartei Rothen­burg-Hoyerswerda von den Nationalliberalen. Darnach sind gewählt worden: 9 Konservative, 6 Reichspartei, 2 Deutsche Reformpartei, 4 Wirtsch. Vereinigung, 20 Nationalliberale, 16 Fortschritt!. Volkspartei, 7 Zentrum, 8 Sozialdemokraten, 2 Wel­fen, 1 Bauernbund, 2 Wilde. Die Konservativen gewinnen 3, verlieren 5, die Reichspartei gewinnt 1, verliert 1, die Wirtsch. Vereinigung gewinnt 1, ver­liert 2, die Nationalliberalen gewinnen 10, verlie­ren 6, die Fortschritt!. Volkspartei gewinnt 8, ver­liert 1, das Zentrum gewinnt 2, verliert 5, die So­zialdemokraten gewinnen 8 und verlieren 5, die Wel­fen gewinnen 2, der Bauernbund gewinnt 1.

Bis jetzt sind 284 Reichstagsmandate besetzt. Und nach den bisherigen Ergebnissen ist die stärkste Par­tei das Zentrum mit 88 Sitzen, dann folgen mit 72 Sitzen die Sozialdemokratie, mit 36 die Konserva­tiven, mit 24 die Nationalliberalen, mit 16 die Fort­schrittliche Volkspartei, mit 14 die Polen, mit 11 die Reichspartei, mit 7 die Wirtschaftliche Vereinigung, mit 6 Vertretern die Elsässer-Partei, Wilde (3) usw.

An den 77 Stichwahlen waren beteiligt: Na­tionalliberale 32, Fortschr. Volkspartei 19, Sozial­demokraten 45, Konservative 18, Reichspartei 7, Zentrum 15, Wirtsch. Vereinigung 3, Christl.-Soziale 1, Deutsch-Soziale 2, Reformpartei 2, Bund der Landwirte 5, Demokr, Vereinigung 1, Welfen 3, Wilde 3. Von den bekannten Parlamentariern sind wiedergewählt der Abg. Bastermann in Saar­

brücken, Bartling-Wiesbaden, Paasche-Kreuznach, Junck-Leipzig, Müller-Meinigen, Pachnicke und Dr. Thoma in Jmmenstadt. Die interessanteste Neuge­staltung im Reichstag ist Graf Posadowsky, der in Bielefeld durchgedrungen ist. Neugewählt ist der be­kannte Professor Schulze-Gaevernitz in Freiburg und Talker-Landau. Unterlegen sind Fürst Dohna Schlo- bitten, der in Königsberg-Land dem Volksparteiler weichen mutzte, der Antisemit Raab, der in Eschwege dem Sozialisten unterlag, General v. Schubert, der in Ottweiler von dem Zentrumsmann besiegt wurde, der Nationalliberale Heinze, der in Dresden dem Sozialdemokraten unterlag, der Sozialdemokrat Geck in Karlsruhe und der Demokrat v. Gerlach in Mar­burg.

InBaden,

unserm Nachbarland, sind die Mandate nun wie folgt verteilt: Nationalliberale 4 (bisher mit Kon­stanz 3), Fortschr. Volkspartei 2 (bisher 0), Bund der Landwirte 1 (bisher 1), Zentrum 6 (bisher ohne Konstanz 7), Sozialdemokraten 1 (bisher 3). Gegen­über dem Schluß des letzten Reichstags gewinnen die Nationalliberalen Offenburg und Pforzheim und verlieren Konstanz, die Fortschr. Volkspartei ge­winnt Freiburg (v. Schultze-Eaevernitz) und Karls­ruhe, das Zentrum gewinnt Konstanz wieder, ver­liert Freiburg und Öffenburg, die Sozialdemokratie verliert Karlsruhe und Pforzheim. Derschwarz­blaue Block" wurde in Baden um ein Mandat ver­mindert. Die Verschiebung besteht darin, daß die Sozialdemokraten 2 Mandate einbüßten; das Zen­trum eines, die Volkspartei 2, die Nationalliberalen eines gewannen. Derschwarzblaue Block" kehrt in Baden in einer um ein Mandat verminderter Stärke zurück.

Sachsen

hat seinen wohlbegründeten Ruf als rotes König­reich wiederum bewährt. Gewählt sind: 18 Sozial­demokraten, je 1 Reformparteiler, Konservativer, Reichsparteiler und Nationalliberaler.

Bon der Wahlbewegung in Württem­berg.

Rottweil, 21. Jan. Die Zentrumspartei des 9. Reichstagswahlkreises hat heute in ihren Bezirks­blättern die Wahlparole ausgegeben: Keine Stimme für Hautzmann, aber auch keine Stimme für Mat- tutat.

Me Dame im Peh.

27) Kriminalroman von G. W. Appleton.

(Fortsetzung.)

Ich danke dir und will dir gleichzeitig versichern, daß es nun, nachdem ich wirklich zu deiner Familie gehöre, mein eifrigster Wunsch ist, dir einen Dienst zu erweisen, der dieser Erhebung würdig ist. Du liebst Marcella ich in gewissem Sinne gleichfalls, und Helen ebenso. In diesem Punkte sind wir uns alle einig, und nun wollen wir den Kampf mit aller Energie bis zu einem glücklichen Ende durchfechten.

Gut! antwortete ich gerührt, aber zuversichtlich. Das wollen wir, und falls Marcella nicht abgeneigt ist, werde ich deinem Beispiel folgen, sodatz es in der Familie Williams in Kürze zwei Neuvermählte Paare geben soll.

Recht so, versetzte er. Ich habe schon so was ge­ahnt, aber zu diesem Zwecke mutzt du deine Marcella erst wieder fangen.

Das habe ich mir fest vorgenommen, erwiderte ich. Ohne Zweifel hat sie der Baron fortgezaubert aber ich werde sie ausfindig machen, und sollte ich die ganze Erde nach ihr absuchen müssen.

Sehr schön, mein Lieber, aber bedenke, daß die alte Mutter Erde ziemlich groß ist.

Hm allerdings, sagte ich. Meine Praxis kann

ich auf diese Wanderung nicht mitnehmen, und die biedere Tante Maria würde mir zu einer solchen Reise schwerlich Geld geben, selbst wenn ich sie auf den Knien darum bäte und demütig ihre Füße küßte.

Das bleibt noch abzuwarten, meinte er, ich habe Helen bereits den guten Rat gegeben, sofort heute noch nach Putney hinauszufahren und die Tante zu besänftigen, wenn es auch nur vorübergehend ist. Es gibt immer Mittel und Wege, so ne alte Dame wieder umzustimmen.

Ja, wenn sie nicht so eigensinnig wäre, aber sie ist ein herrschsüchtiges altes Weib.

Das bildest du dir jetzt nur ein, antwortete er. Helen hat mir den Vorgang bei eurem letzten Inter­view genau erzählt. Ihr habt eben alle beide die Fassung verloren und euer Temperament ist mit euch durchgegangen. Zum Diplomaten eignest du dich nicht, mein Junge. Du hättest ihr ruhig alles ver­sprechen sollen und

Sie hinterher betrügen, warf ich erregt ein. Ihr sagen, ich würde Marcella aus dem Hause weisen, wo du doch selbst weißt, daß mich keine Macht der Welt dazu hätte veranlassen können, das hätte ich einem hysterischen alten Weib zuliebe tun sollen? Ein netter Rat, das!

Da trat Helen gerade wieder herein und schnitt mir das Wort ab.

Was ist das für eine Geschichte mit dem netten Rat? fragte ste.

Nun, Charley hier meinte eben, ich hätte der Tante Maria versprechen sollen, Marcella auf die Straße zu werfen. <?o eine Zumutung, einfach wahn­sinnig!

Pst! pst! sagte sie. Nicht so aufgeregt und gerade heute!

Da kam mir meine Taktlosigkeit wieder zum Be­wußtsein. Ich ging zu ihr hin, küßte sie zärtlich und sagte ihr, daß ihr Freudentag auch der meinige sein solle, und bat sie um Verzeihung wegen meiner har­ten Wwrte gegen ihren zukünftigen Gatten und mei­nen besten Freund, und willigte gern ein, daß sie gleich nach Putney fahre und in meinem Namen einen Waffenstillstand abschlösse, falls es ihr nicht gelingen sollte, einen dauernden Frieden zwischen uns zustande zu bringen.

Ein paar Minuten später wanderte das neuge­backene Brautpaar nach der Station.

Diese Gelegenheit wird sich Mary Ann wohl nicht emgehen lassen wollen, dachte ich bei mir selbst und gab daher, ehe ich meine Visite antrat, Gregory den ausdrücklichen Befehl, das Mädchen strengstens zu bewachen. Ich merkte draußen sofort, daß die Kunde von Marcellas Verschwinden schon auf irgend eine Weise bekannt geworden war, und zwar kolportierte man in der Stadt zu meinem größten Staunen ein ganz merkwürdiges Gerücht, von dem ich heutigen Tages noch nicht weiß, wie oder wo es entstanden ist; nur soviel war mir klar, daß es von meinen