Jervfprrcher M. LI.

Erscheint Dienstag LonnerSt., Samstag und Sonntag «tl der wöch. Beilage »Der Sonntags- Gast".

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Nr. 88

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. Sonntag. 12. Juni.

Bekanntmachungen aller Art finden die er­folgreichste Verbreitung.

1904

««iliche-

Uebertragen wurde dem Amtsverweser Dr. Leibius an der Lateinschule in Freudenstadt die Stelle des Präzeptors an der Lateinschule in Urach.

Verliehen wurde der Vorsteherin der Hermhilfe in Wildbad,

Fräulein Hochstettcr, die Karl-Olga-Medaille in Silber.

Zum württembergifchen Schulkampf.

Ein geistlicher Bczirksschuliusprktor, also «wer, der die Ver­hältnisse cienau kennt, urteilt: Wieder einmal hat sich diewürttem- dergische Kammer der Standeshcrrn als ein Hemmschub für jede gesunde fortschrittliche Entwicklung erwiese«. Ueberrascheud ist ja daS freilich keinem Kundigen gekommen; bewies schon die Rücksichtslosigkeit, mit der die erste Kammer die Be­ratung eines Entwurfs, der auf 1. Oktober 1903 ins Leben treten sollte, auf Juni 1904 verschob, daß es diesem hohen Hause am guten Willen fehle, die Schulfrage um einen Schritt weiter zu führen, so hat vollends das, was aus den Kommisftonsberatuugeu in die Oeffevtlichkeit durchfickerte und die erste Beratung des strittigen Artikels 4 die Hoff­nungen aller Freunde der Vorlage auf den Gefrierpunkt heradgedrückt. Es konnte nur noch die Frage sein, ob sich nicht vielleicht doch noch eine kleine Mehrheit für den Ent­wurf finden werde, etwa durch Heraustreten der Prinzen der königlichen Häuser aus ihrer mehr diplomatischen als mannhaften Reserve? Aber die Würfel find nun in ver­neinendem Sinne gefallen: der evangelische Graf Bentinck- Waldeck hat seinem katholischen Standesgenossen vollends zum Siege verholfeu, und die Regierung hat die Vor­lage zurückgezogen. Ob es Wohl Politisch klug war, daß die Kammer der Standesherren sich auch in diesem Punkte, wie schon so oft, als Hemmschuh zeitgemäßer Entwicklung ge­zeigt hat? Wir glauben nickt; je häufiger dies vorkommi, umso unerträglicher wird der Mehrheit des Volkes der leidige Zustand sein, daß über Wohl oder Wehe des Volkes nicht nach sachlichen, sondern nach konfessionellen Gesichtspunkten entschieden wird von ein paar Herren, die der konfessionellen Minderheit angehören, die zum Teil nicht einmal in Württem­berg wohnen, und zum Teil nicht einmal soviel Interesse an der Sache an den Tag legen, daß sie sich persönlich an der Beratung beteiligen; um so stürmischer wird das Ver­langen im Volk sich regen nach einer Abschaffung oder Um­gestaltung der ersten Kammer. Wie letztere zu machen sei, das ist freilich die große Frage: ein Pairsschnb ist in der Verfassung ausgeschlossen ; eine Verfassungsrevision ist wieder von der Zustimmung der ersten Kammer abhängig. Aber schließlich muß es doch «inen Weg geben, ob mit oder ohne Verfassung, dergleichen unnatürlichen Zuständen ein Ende zu machen und es wäre nur der, daß die Kammer der Staudesherren sich genötigt sieht, endlich vor dem allgemeinen Unwillen der erdrückenden Mehrheit des Volkes selbst das Feld zu räumen. Je häufiger derartige Abstimmungen sich wiederholen, um so näher ist auch diese Möglichkeit gerückt. So hat den» am 8. Juni die Kammer der Standesherreu sich wieder einmal bemüht, sich selbst das Grab zu graben, und von diesem Gesichtspunkte ans brauchen wir mit

ihrer Abstimmung erst nicht so unzufriedenzu sein.

* * *

Folgende Aeußerungen der Presse find noch be­merkenswert :

DasSchw. Wocheobi." schreibt in einer Sonder­ausgabe:Klar und deutlich hat sich hier gezeigt, daß die Erste Kammer jedem, auch dem bescheidensten und berech- tigften Wunsch der liberal und fortsckrittlich gesinnten württ. Bevölkerung, des weitaus größeren Teiles des Volkes, ab­lehnend gegenübersteht. Jetzt ist die Regierung vor die Frage gestellt, ob sie auch fernerhin gewillt sein wird, ihre Arbeit durch eine durch und durch reaktionär und ultra­montan gesinnte kleine Minderheit lahm legen zu lassen, oder ob sie sich entschließen wird, gestützt a»k die breite Masse des freiheitlich gesinnten württ. Volkes den Kampf gegen eine Handvoll Leute aufzunehmen, die jeden Fort­schritt verhindert und damit gezeigt hat, daß die Erste Kammer in ihrer heutigen Zusammensetzung keine Daseins­berechtigung mehr hat. Auch der protestantische Teil des Volkes hat ein Recht auf eine gerechte Vertretung in der Verfassung, auf Parität, das Volk hat ein Recht auf die Möglichkeit zeitgemäßen Fortschritts und der Staat hat ein Recht, sich die Priesterschaft vom Halse zu halten, deren Verteidiger unsere heutige Kammer der Staudesherren ist.

DasDeutsche Volksblatt" ist sehr erfreut über den Ausgang des Kampfes; es hebt hervor, daß nicht das ganze evangelische Volk auf dem Boden des Entwurfs stehe. Das katholische Volk, welches durch 80000 Teil­nehmer an dem Ulmer Tag und durch 90000 Unter­schriften seiner Petition unzweideutig für die ungeschmälerte Erhaltung der geistlichen Schulaufsicht Zeugnis abgelegt

hat, weiß sich im Geiste eins mit seine» edelste« Ver­treter» in der Kammer der Standesherren. Dem weite­ren kann es in dem Bewußtsein, daß es sich um die Ver­teidigung eines uralten Rechtes der Kirche auf die Jagend handelte, wie in dem Bewußtsein seiner geschlossenen Ein­mütigkeit entgegensetzen!

Tagespolitik.

An die gelbe Gefahr glaubt der Berliner National­ökonom Dr. Bosberg nicht. Weder werde unser chinesischer und japanischer Handel an Japan übergehen, noch sei ein großes Mongolenreich durch Vereinigung von Japanern und Chinesen zu fürchten oder eine Überschwemmung durch vom Osten auswavdernde gewaltige Arbeitermassen. Der japanische und chinesische Kuli könne nicht mit dem euro­päischen Arbeiter konkurrieren, ebenso wenig könne Japan oder China mit der Produktion Europas in Konkurrenz treten. Eine gewisse Konkurrenz sei nur mit Schundwareu Japans bei den ostasiatischen Völkern möglich. Dagegen werde eS in absehbarer Zeit nicht gelingen, Europa den chinesischen oder japanischen Markt anfzndrängen. Aber auch die wirtschaftliche Eroberung Chinas durch Japan er­scheine unmöglich. Beide Völker seien sich grundsätzlich feindlich gefiunt, und Japans europäische Kultur nur eine scheinbare, eine oberflächliche Politur. Somit seien vom Kriege keine großen wirtschaftlichen Veränderungen zu er­warten. Wohl aber werden ungeheure Werte durch ihn vernichtet, so daß große Bedürfnisse dort entstehen werden, die von der europäischen Produktion zu befriedigen seien. Namentlich werde für Rußland ein riesiges Geldbedürfnis entstehen, zu dessen Deckung nach der gegenwärtigen Lage nur Deutschland in Frage kommt. Diese Verhältnisse aber bieten für Deutschland sehr günstige Aussichten hinsichtlich

eines vorteilhaften Handelsvertrags mit Rußland.

»

Korea, über dem jetzt die Kriegsfackel lodert, ist ein eigenartiges Land. Das erste, was den Fremden seltsam berührt, ist, daß die gesamte Bevölkerung in weißer Kleid­ung herumläuft; dann bemerkt man die seltsamen Hüte, die die Männer tragen, und schließlich fallen einem die kraft­vollen Gestalten und die eigenartigen Gesichter auf. Durch­weg wohlgestaltete Männer, vielfach geradezu klassisch schöne und dabei intelligente Gesichter, die an biblische Gestalten, an Egypten und Arabien gemahnen, in deren Zügen aber dicht neben Resten barbarischer Wildheit der Hang zur Schwermut deutlich geschrieben steht. Es liegt in diesen Augen mit den langen schwarzen Wimpern etwas wie Welt­schmerz. Diese Augen scheinen dem Fremden zu sagen, man möge ihre Besitzer doch in Ruhr lassen, sie in ihren Lehm­häusern unter ihren Strohdächern liegen und ihre langen, dünnen Bambuspfeifen in Frieden rauchen lassen. Aber es tummelt sich ein anderer Völkerstamm um sie herum, der ihnen die ersehnte Ruhe durchaus nicht läßt. Denn in Wahrheit haben die Japaner Korea schon vor dem Krieg in der Tasche gehabt und halten jetzt fest die Hand darauf. Neben den koreanischen Anfiedlungen haben sich, besonders an der Küste, längst Niederlassungen eiugewanderter Japa­ner aufgetan und eine japanische Eisenbahn soll jetzt von der Südspitze Koreas, dem Japan am nächsten liegenden Fasan, nach der koreanischen Hauptstadt Söul ziehen. Trotz der Nachbarschaft können aber die Koreaner die Japaner nicht ausstehen. Es besteht zwischen den beiden Völkern ein Haß. der nicht auszulöschen ist. Seit Jahrhunderten sucht Japan den Koreanern den Fuß auf den Nacken zu setzen, und ebensolange schon währt der Haß, den die Ko­reaner gegen die Japaner hegen. Doch die letzteren ver­gelten dies Gefühl auch nicht durch Freundlichkeit. Mit finsterer, verbissener Entschlossenheit stehen sie den Korea­nern gegenüber. Sie fühlen nur zu gut, daß sie die Mäch­tigeren find. Die Eisenbahn allein schon gibt ihnen die Uebermacht, und Meile an Meile gewinnen sie damit a« Boden.

Deutscher Werchstag.

* Zterki«, 9. Juni. In seiner heutigen Sitzung be­schäftigte sich der Reichstag mit dem Gesetzentwurf betreff. Bekämpfung der Reblaus. Das ganze Gesetz wurde ein­stimmig angenommen. Hierauf trat das HauS in die zweite Lesung des Gesetzes über die Kausmannsgerichte. Die Be­ratung gedieh bis zu tz 9a.

Kammer der Abgeordneten.

* Stuttgart, 9. Juni. Die Abgeordnetenkammer hat nach dreistündiger Beratung die Anträge der Soziaidrmokratru

auf Abschaffung der Akkordarbeit in sämtlichen staatliche« Betrieben und Einführung des Neuustundentags wenigstens in den staatlichen Eiseabahuwerkstätten abgelehnt und die von der volkswirtschaftlichen Kommission gestelltes Anträge angenommen. Durch die letzteren wird der Regierung nahe gelegt, auf weitere Verbesserungen bei dem in de» staatlichen Betrieben herrschenden Akkordsystem bedacht zu sein und außerdem die Frage der Herabsetzung der Arbeitszeit in den Staatswerkstätten im Auge zu behalten und in wohlwollende Erwägung zu ziehen. Für den weiter gehenden Antrag der Sozialdemokraten, die Abschaffung der Akkordarbeit und die Einführung des Neuustuudeutages der Regierung zur Berücksichtigung zu übergeben, stimmten nur diese selbst. Ja der Debatte wa»dte sich der Generaldirektor der Staats- eiseubahnen, Staatsrat v. Balz, mit viel bemerkter Schärfe gegen den Abg. Tauscher, der das Ergebnis der Beratung seiner Anträge als ein für die Arbeiter durchaus negatives bezeichnet und auf die Möglichkeit »der Wahrscheinlichkeit hingewiesen hatte, daß die staatlichen Werkftättearbeiter in­folge mangelnden Entgegenkommens ihre bisher harmlose Organisation zu einer Kampforgauisation machen werden. Demgegenüber wies Staatsrat v. Balz wiederholt auf die bestimmten Zusicherungen der Regierung bin, daß die Reste eines veralteten, übrigens zum größten Teil bereits abge- schafften Akkordsystems in den staatlichen Eisenbahnwerksiälteu beseitigt werden sollen, und daß die Verwaltung einer Ver­kürzung der Arbeitszeit nicht nur wohlwollend gegeuüber- stehe, sondern zu derselben auch übergehen werde, sobald die geplante Verbesserung und Vermehrung der Betriebsmittel in deu Eiseubahnwerkstätteu dies gestatte. Weniger zuver­sichtlich und entgegenkommend klangen die Ausführungen, die Oberbergrat Klüpfel bezügl. der staatlichen Hütten­werke und Salinen gab. Zwar sicherte auch er eine wohl­wollende Prüfung dieser Fragen zu, er meinte aber, daß es sich hier nicht sowohl um eine Prinzipien-, als vielmehr um eine Konkurrenzfrage handle, in welcher die der Berg- werksdirektiou unterstehenden Betriebe umsoweniger einseitig vorgehe« können, als dieselbe» nur einen verhältnismäßig kleinen Prozentsatz der württ. Industrie ausmachen und außerdem meist ältere Betriebe seien. Der Abg. Rembold- Aalen (Z.) bezeichnet unter Hinweis auf die Krisis, die das Hüttenwerk in den letzten Jahren durchzumacheu hatte, die Einbringung eines Antrages auf Herabsetzung der Arbeits­zeit als recht unangebracht zu einer Zeit, wo aus deu Kreisen dieser Arbeiter eine solche Forderung gar nicht ge­stellt worden sei und wo die Hauptsorge der Arbeiter dahin gehe, ob der große Wasseralfiager Betrieb sich auf die Dauer werde überhaupt aufrecht erhalten lassen. Nachdem noch die Abgg. v. Geß und M a i e r - Blaubeuren den Standpunkt der Deutschen Partei in dieser Frage gekenn­zeichnet und »ach längeren, größtenteils polemischen Aus­führungen zwischen dem Berichterstatter Hildenbrand (Soz.) und dem Mitberichterstatter Henning (Vp.), wurde die Be­ratung mit dem eingangs erwähnten Ergebnis geschlossen. Um der Finanzkommisfiou Zeit zur Beratung der Hoftheater­vorlage zu geben, vertagte sich das Haus bis Dienstag oder Mittwoch.

LandesnachrichLen.

* Klteusteig, 11. Juni. Die Farbenpracht in der Natur erreicht in diesem Monat ihren Höhepunkt. Jetzt blühen auch die Rosen, die Akazien, sowie die bescheidene und doch so schöae Kornblume, einst der Liebling unseres alten Kaisers. Wohin das Auge blickt, leuchtet es in den herrlichsten Farben, und ein berauschender Duft von all den prächtigen Kindern der Blnmengöttin Flora umfängt uns. Juuizeit, Rosenzeit schönste Zeit! Das Wetter ist nickt zu warm und ziem­lich beständig. Der Städter schmiedet Reisepläne, auf dem Laude rühren sich die Arme kräftig, um das draußen stehende Futter abzumähen, das eine reiche Heuernte verspricht. Sonnige Tage vorausgesetzt, dürfte nächste Woche allent­halben die Einheimsuug des Futters beginnen.

* Alteusteig, 11. Juni. Die Anschlüsse an das Fern- sPrech-Netz nehmen hier fortwährend zu. In letzter Zeit haben das Telephon erhalten Albert Luz, Metzger und Wirt in der oberen Stadt Nr. 14; G. Strobel, Kauf­mann Nr. 41; Fr. Schex, zum Löwen Nr. 42; Fr. Adrion, Bazar. Putz- und Klridergeschäft Nr. 43 und LouiS Maier, Privatier Nr. 44.

* Kriöiuger Strafkammer, 9. Juni. Der 20jährige Taglöhner Ferdinand Bauer von Alzeuberg, Oberamt Calw, ist kein Freund der Arbeit. Er treibt sich lieber in den Wirtshäusern herum und stiehlt das dazu nötige Geld seiner Großmutter. Schon des öfter» hat er diese bestohlen, ohne daß sie das Gericht angerufeu hätte. Neuerdings er­brach er wieder ihren Kleiderkasten und stahl daraus 6 Mk.