Aerusprecher Ar. LI.
Erscheint Dienstag Donnerst., Samstag und Sonntag mit der wöch. Beilage „Der Sonntags-
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Samstag. 9. April'.
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1904.
Tagespolitik.
Seit Jahren strebt man darnach, den Strafvollzug zu reformieren, d. h. für die Behandlung der Sträflinge in den Gefängnissen und Zuchthäusern bessere, einheitliche Vorschriften aufzustellen. Wie notwendig dies ist, beleuchtet ein besonders krasser Fall, den der ^Vorwärts" mitteilt. Es handelt sich um einen Zuchthaussträfling in der Strafanstalt Lichtenburg. Vor mehr als 20 Jahren hatte er beim Militär Schneiderarbeit gemacht. Seitdem hatte er freilich Steine gebrochen. Aber das machte nichts, er wurde als Sträfling wieder als Schneider beschäftigt. Er lieferte das Pensum nicht, und nun begann für ihn eine Leidenszeit. Im Februar 1894 wird die erste Anzeige wegen Miuder- arbeit gegen ihn gemacht — er erhält einen Verweis. In der ersten Hälfte des Februars ist die Sache dieselbe. Der Direktor verfügt unter der Begründung: „Trotzdem er schon beim Militär Schneiderarbeit gemacht hat, wird er doch jetzt fauler," 7 Tage Dunkelarrest. So geht es weiter. Regelmäßig erfolgt die Meldung, daß Kreiser das Pensum nicht geliefert hat, und regelmäßig erhält er 7 Tage Dunkelarrest, die im Mai auf 11 Tage, im August auf 14 Tage Dunkelarrest erhöht werden. Ueber ein Jahr hin geht es so. Im Juni 1895 verfügt der Direktor: „Wird immer fauler. Wer.» er Pro Juli nicht das Pensum liefert, hat er Peitschenhiebe zu erwarten." Der Unglückliche liefert wieder nicht das Pensum, nun wird er, wie das vor Verhängung der Peitfchevstrafe zu geschehen hat, zu Protokoll vernommen, und dabei gibt er an : infolge der vielen Arreststrafen, die ich wegen Unterpensum verbüßt habe, haben meine Augen gelitten und ich kann deshalb auf schwarzem Tuche die Naht nicht mehr sehen. Wegen schlechter Arbeit erhalte ich einen großen Teil zurück und nehmen dann die Nachbesserungen so viel Zeit in Anspruch, daß ich daneben mein Pensum nicht leisten kann. Der Aufseher bestätigt das und bemerkt dabei, daß Kreiser bei Hemdenarbeit das Pensum liefert. Nun muß der Anstaltsarzt den Sträfling untersuchen, er findet kein besonderes Augenleiden und erklärt auf besondere Nachfrage, Kreiser sei weitsüchtig, aber die Sehstörung sei durch die Brille korrigiert. Der Direktor verordnete aber doch, daß dem K. zur Prüfung nur Hemdeu- oder Drillicharbeit gegeben werden soll, und das Ergebnis ist, daß K. anstandslos sein Pensum liefert. An dem Unglücklichen, der sich sonst tadelsfrei führte, waren im ganzen über 200 Tage Dunkelarrest vollstreckt worden, das heißt, gleichzeitig Entziehung jedes Lagers, und daneben bedeutet
diese Strafe Hunger und Kälte.
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In zahlreichen Berichten aus Deutsch-Südwestafrika wurden die Missionare beschuldigt, die Eingeborenen verwöhnt und direkt zum Aufstande veranlaßt zu haben. Gegen diesen Vorwurf wendet sich im „Reichsboten" der Inspektor der Rheinischen Missionsgesellschaft, P. Haußleiter. Er schreibt, daß allerdings Missionare Anzeige bei der Behörde machten, wenn an Eingeborenen Ungerechtigkeiten verübt wurden, aber kleinere Zwischenfälle legten sie unzähligemale durch persönliche Vermittlung bei. „Wenn jetzt allerhand heidnische Grausamkeiten verübt werden, so ist das sehr zu beklagen. Es darf aber nicht allen Hereros zur Last gelegt werden. Die Hinschlachtuug wehrloser Frauen ist bis jetzt noch in keinem einzigen Fall nachgewiesen; Wohl aber verdankte eine ganze Reihe der armen Farmerswitwen ihre Rettung einzelnen Hereros und den Missionaren. Wäre die Mission nicht im Lande gewesen, wie ganz anders noch hätten die verblendeten Wilden gehaust I Man denke nur an ihre ftüheren Kriege gegen die Namas! Es kann nicht scharf genug betont werde«, daß es sich heute nicht um einen Rassenkampf zwischen Schwarz und Weiß, sondern um einen nationalen Aufstand und Rachekrieg handelt, bei welchem, so schrecklich er geführt wird, doch immer noch gewisse Rücksichten bestehen und jedenfalls auf unserer Seite aufrecht erhalten werden müssen . . . Wenn wir es vermeiden, bei Andeutung einzelner typischer Fälle Namen zu nennen, so geschieht dies lediglich aus Rücksicht für die betreffenden Landsleute, von welchen sich einige nicht mehr unter den Lebenden befinden. Den Behörden werden wir gerne auf alle Fragen Rede und Antwort stehen. Ebenso verzichte» wir darauf, vor der Oeffevtlichkeit Anklage zu erheben gegen diejenigen Scharfschützen der Festung Okahandja, welche wiederholt die Fenster des Missionshauses zur Zielscheibe
ihrer Gewehre gemacht haben.
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Nicht bloß unsere Armee, souderu alle Bevölkerungs- schichteu sollen zur Einfachheit zurückkehren, mahnt dfe „Köln. Volkszeitung". Das Prozentum der Hochfinanz färbt auf den Mittelstand ab, man strebt nach äußerem Glanze, will mehr, besonders reicher scheinen, als man ist,
und lebt wie im Taumel. Ein Fest und ein Essen jagt das andere, im Sommer müssen große Badereisen gemacht werden, wozu das Geld geliehen wird, und wenn erst die Verhältnisse so geworden sind, daß man sie nicht wieder eiureukeu kann, denkt man: „Nach uns die Sintflut." Oftmals kommt sie aber nicht „nach" uns, das heißt es gelingt nicht, bis zum Tode in Saus und Braus zu leben, sondern die Katastrophe bricht früher herein, und dann ist der Abschluß wie neulich bei der Familie Beseke in Berlin! — die Lebenslaufbahn endet mit Blausäure in Sekt. In dieser Beziehung ist allen, die es angeht, ob sie nun der
Armee oder dem Zivil angehören, ein „Halt!" zuzurufen. * *
He
Auf die öffentliche Meinung in Rußland wirkt Englands Vorgehen in Tibet höchst beunruhigend. Der Köln. Ztg. wird darüber aus St. Petersburg gemeldet: Im Gegensatz zu der beruhigenden Versicherung des Vizekönigs Lord Curzon, England verfolge in Tibet blos Verteidigungszwecke, ist man hier der Ueberzeugung, daß es sich um einen wichtigen aggressiven Schritt Englands gegen Rußland handle. Das gehe klar aus der Tatsache hervor, daß England im Besitze Tibets auch die ganze mongolische Welt beherrschen müsse. Tibet und die Hauptstadt besetzend, dringe England tatsächlich in die russischen Grenzen ein und werde sicherlich nicht verfehlen, Rußland auf dem an die Mongolei grenzenden weiten Gebiet mit einer nach Lhafsa neigenden Bevölkerung unzählige Schwierigkeiten zu bereiten. Nur das Blatt Nowosti läßt sich durch die Vorgänge in Tibet nicht von dem Gedanken der Annäherung an England abbringen. Das Blatt stellt für eine Verständigung mit England nachstehende Bedingungen: Oeffnung der Dardanellen und ebenso Unterstützung der Engländer beim Wettbewerb mit Deutschland. Was die Bagdadbahn betreffe, seien die Interessen Englands und Rußlands so ziemlich dieselben, und das bilde eine günstige Grundlage für ein Programm der Herstellung guter Beziehungen zwischen beiden Staaten. Im Stille» Ozean beanspruche Rußland blos Anerkennung seiner Rechte auf das, was es bereits erworben habe. Rußland seinerseits werde England den ruhigen Besitz Indiens, Afrikas und auch Nord-Kanadas verbürgen.
LanbesnachrichLen.
* AfuLiugen, 6. April. Privatier Louis Laiblin hier, der unsere Stadt schon mehrfach mit schönen Stiftungen bedachte, hat ein Kapital von 100 000 Mk. zur mustergültigen Herstellung unserer 2 Kilometer langen Hauptstraße gestiftet und wird ferner in der Nähe des städtischen, ebenfalls von ihm angelegten Fest- und Erholungsplatzes ein stilvolles Gesellschaftshaus (Fest- und Turnhalle) zum allgemeinen Besten errichten lassen. Groß ist die Freude in unserer Stadt über diese edle Stiftung. Die Stadtzemeinde wird ihrem Wohltäter, der zur Verbesserung der städtischen Einrichtungen zur Verschönerung der Stadt schon so große Opfer gebracht hat, den gebührenden Dank durch Ueber- reichung einer Adresse ausdrücken.
* Aeutkiugen, 6. April. Die bürgerlichen Kollegien haben auf Vorschlag des Oberbürgermeisters die Gehälter der unständigen Lehrer von 1000 Mark auf 1100 Mark und das Wohnungsgeld von 150 Mark auf 200 Mark erhöht.
* Stuttgart, 7. April. Bei der hiesigen Stadtpflege war heute Submission auf 1800 000 Mk. neue 3'/.//aige Stuttgarter Stadtobligationen, bei welcher 5 Gebote ein- liefeu. Das höchste wurde abgegeben von der deutschen Genossenschaftsbank vor«. Sörgel, Parifius u. Comp, in Frankfurt und Berlin gemeinsam mit der Heilbronner Bankfirma I. Gumbel am Markt mit 98^/,°/g.
* Die Einnahmen aus dem württembergifchen Post-, Telegraphen- und Fernsprechbetrieb erreichten im Monat Februar d. I. die Höhe von 1 114224 Mk., d. i. 87 206 Mk. mehr als im gleichen Monat des Vorjahres. In den ersten 11 Monaten des abgelaufenen Etatsjahres betrugen die Einnahmen 14 780362 Mk., gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres ein Mehr von 667 621 Mk.
* Eine Neuerung, die für das eisenbahufahrende Publikum von Interesse ist, ist vor kurzem vom Buudesrat beschlossen worden. Danach ist mit Wirkung vom 1. April an die für das ganze deutsche Reich giltige Eisenbahnverkehrsordnung dahin abgeändert worden, daß ein Reisender ohne giltige Fahrkarte für die ganze von ihm zurückgelegte Strecke und, wenn die Zugangsstation nicht unzweifelhaft nachgewiesen wird, für die ganze vom Zug zurückgelegte Strecke das Doppelte des gewöhnlichen Fahrpreises, mindestens aber den Betrag von 6 Mark zu entrichten hat.
Wer jedoch unaufgefordert dem Schaffner oder Zugführer meldet, daß er wegen Verspätung keine Fahrkarte habe lösen könne», hat nur den gewöhnlichen Fahrpreis mit einem Zuschlag von 1 Mk.. keinesfalls jedoch mehr als den doppelten Fahrpreis zu bezahlen. Ein Reisender, der die sofortige Zahlung verweigert, kann ausgesetzt werden. Wer ohne giltige Fahrkarte in einem zur Abfahrt bereitstehenden Zug Platz nimmt, hat den Betrag von 6 Mk. zu entrichte». Wer auf Stationen mit Bahnsteigsperre unbefugter Weise die abgesperrten Teile des Bahnhofs betritt, hat den Betrag von 1 Mk. zu bezahlen.
* Ludwigsöurg, 7. April. Heute vormittag fand hier auf dem neuen Friedhofe die feierliche Beisetzung des Prinzen Max von Schaumburg-Lippe statt. Es wohnte ihr die gesamte königliche Familie bei. Als Vertreter des Kaisers war der kommandierende General von Lindequist aus Frankfurt a. M. erschienen. Ferner waren der Großherzog von Oldenburg, der Erbgroßherzog und die Erbgroßherzogin von Baden, Prinz und Prinzessin von Sachsen- Altenburg, der Fürst und die Fürstin von Waldeck, der Erbprinz von Wied, zahlreiche Standesherrn, die Minister und die Gesandten anwesend. Den Trauergottesdienst im Marmorsaale des königlichen Schlosses hielt der frühere Oberhofprediger Prälat Schmid.
* Alm, 5. April. Der „Schw. Merkur" läßt sich melden : Die Bestrebungen der Handwerkergenossenschaften, durch einheitliches Vorgehen bei Submissionen höhere Preise für ihre Arbeit herauszuschlagen, stoßen bereits auf Schwierigkeiten. Bei der Vergebung von Arbeiten zur neuen Serie der Arbeiterwohnhäuser find die Ringhandwerker „durchgefallen". Vom Stadtvorstaud wurde darauf hingewieseu, daß man die Bestrebungen der Handwerker zwar als begründete erachte, daß man sich ihnen aber nicht ohne weiteres ausliefern könne, besonders wenn in den Forderungen so bedeutende Unterschiede nachzuweise« find. Die Dach- deckerarbeiten, für die von der Vereinigung 17 Prozent mehr verlangt wurden, find deshalb an einen Neu-Ulmer Meister vergeben worden. Bei den Gipserarbeiten war ein Unterschied von 16,5 Prozent, bei den Glaserarbeiten ein solcher von 12 Prozent vorhanden. Wenn man die Bestrebungen der Handwerker als begründete erachtet, so kann von einer Auslieferung an sie gar nicht die Rede sein, selbst wenn in den Forderungen Unterschiede auftreten, die ebenso gut von Unterbietungen herrühren können. Man rät den Handwerkern immer, sich zu korporieren, man begrüßt es, daß sich in den Städten dadurch ein steuerzah- leuder Mittelstand erhält — und nachher fällt man, wenn die Handwerker Forderungen stellen, die den Stand lebensfähig machen sollen, ihnen in den Rücken.
* (Vom Zeppelinscheu Luftschiff.) Aus Iriedrichshafe«, 6. April, wird geschrieben: Die neue Ballonhülle, die das neue Luftschiff des Grafen Zeppelin aufnehmen soll, geht ihrer Vollendung entgegen. Nach der Fertigstellung der Halle soll sofort mit dem Bau des neuen Luftschiffes begonnen werden. Die Bestandteile desselben find in den letzten Tagen hier eingetroffen; das nötige Material ist in der Hauptsache von der bekannten Augsburger Ballonfabrik geliefert worden. Der Transport der Utensilien, der Ballonwände, der Motoren usw. erfolgte in mehreren Eisenbahnwaggons, die dann mittels Trajektbootes an die Baustelle befördert wurden. Die Monteure werden in der nächsten Zeit hier wieder eiutreffen, um den Luftschiffbau in Angriff zu nehmen. Günstige Bauverhältnisse vorausgesetzt, dürfte es möglich sein, noch in diesem Herbst an einen Aufstieg zu denken. In den Kreisen der Aeronauten sieht man dem zweiten Versuch des Grafen Zeppelin mit höchstem Interesse entgegen. Was die Unterscheidungsmerkmale des alten und neuen Luftschiffes aubelangt, so sei in erster Linie erwähnt, daß das neue Luftschiff leistungsfähigere Motoren von möglichst reduziertem Eigengewicht erhalten wird; bei dem alten Luftschiff hat sich das Gewicht der Motoren als flughemmend erwiesen; auch hätte die durch die Motoren hervorgebrachte Antriebskraft stärker sein können. Diesen Uebelständen will Graf Zeppelin jetzt durch eine Gewichtsverringerung und eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit seiner Ballonmotoren abhelfen. Sodann ist eine Verringerung der Länge des Luftschiffes geplant; weitere Aenderuugen betreffen die Anordnung der Gondeln, die Anbringung des Steuers usw. Das neue Luftschiff soll weniger schwerfällig, dafür aber leistungsfähiger wie das alte werden. In der äußeren Form sowie im Material treten keine durchgreifenden Aen- derungen ein. Der Ballon wird in der Halle vollständig montiert und mit den Motoren ausgerüstet. Ist er einmal so weit, daß er zum Aufstiege fertig ist, so wird er von der Halle ins Freie geschoben. Der Aufstieg erfolgt wieder von der Wasserfläche aus.
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