Josef Reichert aus Karlsruhe und dessen Ehefrau Luise Reichert, geb. Katz, vor der Karlsruher Strafkammer. Das Ehepaar hatte im vorigen Jahre das drei Jahre alte unehelicke Kind Elise einer Dirnstwagd, dessen Vater Reichert war, zu sich genommen. Beide vernachlässigten aber ihre Erzieherpflichten in gröblichster Weise, sie ließen dem Kinde nicht einmal die notwendige Pflege augedeiheu und in der Zeit vom 15. November v. I. bis anfangs Februar d. I. sperrten sie es täglich während ihrer Abwesenheit in der Fabrik ohne geeignete Nahrung und Aufsicht in eine Mansarde ein, obwohl das Mädchen am blauen Husten erkrankt war und längere Zeit hindurch empfindliche Kälte herrschte. Um das Maß der Leiden des kleinen Geschöpfes voll zu machen, mißhandelte Reichert dasselbe wiederholt durch Schläge mit einem Lederriemen, durch Püffe und Stöße in rohester Weise. Die Peiniger des armen kranken Kindes bekamen für ihr liebloses Handeln einen gehörigen Denkzettel. Reichert wurde mit 6 Monaten, die Ehefrau mit 6 Wochen Gefängnis bestraft.
* HLerki«, 25. März. Nach einem Telegramm des Gouverneurs Leutwein von heute hat Major von Estorff ab Wasserstelle Okamita unter dem 23. d. M. gemeldet, das er am 24. März in Okahandja eintreffe. Am 16. März find am Omatako-Berge die Herero mit einem diesseitigen Verluste von zwei Toten und zwei Verwundeten zurückgeworfen worden. Der Verlust des Feindes betrug etwa 10 Tote. Am 19. März wurde eine Hererowerft überrascht; es wurden 355 Rinder und 530 Stück Kleinvieh erbeutet. Die Gegend nördlich von Okahandja bis zum Omuramba ist frei vom Feinde. Große Massen desselben befinden sich am Waterberg, am unteren Omuramba und am oberen Swakop. In dem Gefechte am Omatakoberge find gefallen: Gefreiter Franz Kaiser und Gefreiter Otto Schultka; schwer verwundet: Reiter Johann Weidner, zwei Oberschentelbrüche; leicht verwundet: Unteroffizier Karl Hiege, dritte Kompagnie des Seebataillons aus Kreuzberg in Ostpreußen, Streifschuß am rechten Arm. Beide Verwundete sind im Lazarett von Okahandja. Nach einer weiteren Meldung ist die Kolonne von Estorff am 24. März in Okahandja eingetroffen.
* Berlin, 25. März. Ueber weitere Verstärkungstrans- porte für Deutsch-Südwestafrika werden folgende Einzelheiten bekannt: Am 30. d. Mis. vormittags treffen 1200 Pferde mit entsprechendem Begleitkommando im Petersenkai in Hamburg ein. Dampfer „Markgraf" nimmt 7 Offiziere, 125 Manu und 500 Pferde an Bord »nd verläßt am selben Tage nachmittags 2 Uhr den Hamburger Hafen. Dampfer „Entrerios" nimmt 8 Offiziere, 175 Mann und 700 Pferde au Bord und geht am 31. d. Mts. nachts 2 Uhr in See. Transportführer auf „Markgraf" ist Hauptmann Stahl, auf „Entrerios" Hauptmann Rembe, beide Batteriechefs in der südwestafrikanischen Schutztruppe. Der Postdawpfer „Luzie Wörmaun" wird am 7. April abends 7 Uhr mit 11 Offizieren und 373 Mann unter Führung des Hauptmanns und Kompaniechefs Wilhelmi ebenfalls den Hamburger Hafen verlassen, um gleich den vorgenannten Dumpfem nach Swakopmund zu gehen.
* Zu dem unglücklichen Gefecht bei Hrvikokorer» schreibt Gouvernementssekretär Max Hilzbecher in Windhuk, der sich gegenwärtig in Deutschland aufhält, in der „Ostdeutschen Rundschau" über die Kampfesweise mit Eingeborenen: Die Katastrophe, der 28 junge Deutsche zum Opfer fielen, ist ohne Zweifel durch zu große Sorglosigkeit des Führers und durch die Unterschätzung des Gegners herbeigeführt worden. Krieg führen gegen Eingeborene erfordert aber mehr als schneidiges, unentwegtes Draufmarschieren «nd schematisch exakte Manöver. Die operierende Truppe muß es in erster Linie verstehen, sich der eigentümlichen Kampfesweise der Eingeborenen avznpasfeu, vorsichtig anfchleichen, jede Deckung benutzen und de« Feind so dicht vor die Mündungen der Gewehre kommen lassen, daß für jeden Schuß garantiert
werden kann. So macht es nämlich der Herero, so sollten auch unsere Soldaten Vorgehen. Am 6. Mai sah ich die mit uns verbündeten Witboi-Krieger gegen die das Gehölz bei Otjunda besetzt haltenden Ost-Hereros, rastlos sicher schießend Vordringen, aber nicht wie Menschen, sondern wie Panther, von Busch zu Busch kriechend. Jeden Baum, jede Bodenerhebung und Klippe benutzend, so warfen fie blitzschnell den Gegner aus seiner Position, und zwar ohne auch nur einen Mann zu verlieren, während bei uns Tote und Verwundete in verhältnismäßig großer Anzahl deutlich genug dartaten, daß unser tapferes Draufmarschieren in breiter Front, wenn auch in großen Abständen, jenem Anschleichen in Deckungen wie bei unserem Witboi-Hilfskorps in Bezug auf den Erfolg entschieden nachstand. Die alten Schutztrüppler fechten heute wie alle Eingeborene, fie haben das praktisch erlernt; so oft junge, 'mit der Kampfesweise der Eingeborenen noch nicht vertraute Soldaten ins Feuer kommen, pflegen stets schwere Verluste einzutreten. Ein weiterer Fehler hat bei Owikokorero seine verhängnisvolle Rolle gespielt: man ist, ohne das Vorgeläude durch Kundschafter oder Patrouillen abgesucht zu haben, losgeritten; anders wäre ein derartig überraschender Zusammenstoß mit der Nachhut des Geguers Wohl ausgeschlossen gewesen. Gouverneur Leutwein war stets durch Spione über den Standort des Feindes vorzüglich unterrichtet, er spielte meist und mit großem Geschick Eingeborene gegen Eingeborene aus. Sollte Major von Glasenapp wirklich keinen käuflichen Spion haben finden können? Wo blieb seine „Spitze", wo seine „Verbindungsleute"? Sein Borreiten ohne Sicherung mag von berufener Seite kritisiert werden, jedenfalls bleibt es ein schwerer mit unnützen Opfern bezahlter Fehler. Ich kenne das Gelände dort; 1899 stam
'sondern mit Steinen angen nun genötigt, dem Mann den Leichnam seines Vaters zu zeigen, und man fand diesen auf Eis in dem Keller des Krankenhauses liegend. In diesem Keller sollen sich auf Eis liegend noch zwei weitere Leichen befunden haben.
* Die Fische werden billig, ungeheure Fischfänge find in der vergangenen Woche von Island nach Geestemünde gebracht worden. So kehrten sieben Dampfer der Dampf-
fischerei-Gesellschaft „Nordsee" mit einem Gesamtfange vou 900 000 Pfund zurück. Die Kapitäne berichten, daß sich bei Island riesige Fischschwärme aufhalten, welche häufig schon nach einviertelstündiger Fangzeit das große Schleppnetz bis zum Bersten anfüllten, während die gewöhnliche Schleppzeit gegen 3 Stunden beträgt. Für die bevorstehende Karwoche, die den größten Fischkonsum des ganzen Jahres bringt, bieten dieie Meldungen günstige Aussichten.
Ausländisches.
* Graf Krapnist, der russische Botschafter in Wien, hat sich gegenüber einem Mitarbeiter des „Petit Parifien" sehr scharf über die Bulgaren ausgesprochen: Bulgarien ist sehr ehrgeizig, aber es muß sich zu mäßigen wissen und sich Wohl hüten, auf die Ratschläge von Üeberspannten oder von falschen Freunden zu hören. Ich finde keinen besseren Vergleich für Serbien, Bulgarien, Griechenland, Rumänien rc. als den mit Neffen, die in fieberhafter Ungeduld die Teilung der Erbschaft einer kranken alten Tante erwarten. Sie werden aber da Wohl noch etwas Geduld haben müssen. Denn die alteTante mag Wohl krank sein, aber sie liegt noch lange nicht im Sterben. Sie hat überdies zwei gute Aerzte, Oesterreich und Rußland, die sich mit allen Kräften bemühen, fie am Leben zu erhalten. — Die Autonomie Mazedoniens ist eine lächerliche Phantasie, die nur von Leuten gehegt werden kann, die sich von Wahnvorstellungen blenden lassen oder die böse Hintergedanken haben. Mit der Autonomie würde allen Machenschaften und allen Gelüsten der Zügel genommen nnd durch fie würde die tätigste, unverschämteste und unduldsamste Rasse in den Stand gesetzt werden, die schwächeren Nationalitäten auszusaugen; die Autonomie Mazedoniens wäre mit einem Worte gleichbedeutend mit der Annektierung Mazedoniens durch Bulgarien im Verlaufe einiger Monate oder höchstens einiger Jahre. Und das wird Rußland nie zugeben. Die Bulgaren dürfen nie ganz Mazedonien besitzen und ein allmächtiger Staat auf der Balkanhalb- insel werden.
* Vom Bodevsee, 24. März. Wie verlautet, ist der Gräfin Luise Montignoso, ehemaligen Kronprinzessin vou Sachsen, von ihrem Onkel, dem Herzog vou Parma, ein Landhaus bei Rorschach (Schweiz) zu dauerndem Aufenthalt überwiesen worden. Die Uebersiedelung findet Anfang Mai statt.
* Hlom, 24. März. Gestern abend richtete der König folgendes Telegramm an den Kaiser: Im Augenblick, wo Du als hochwillkommener Gast italienischen Boden berührst, wünsche ich, indem ich mich freue, Dich bald wiederzusehen, daß einstweilen der erste Gruß Dir von mir, Deinem ergebenen Freund und treuen Bundesgenossen, zugehe. Viktor Emanuel. Kaiser Wilhelm hat durch einen vou Neapel entsandten deutschen Offizier einen mit einem Bande in den deutschen Farben geschmückten Lorbeerkranz an der Gruft des Königs Humbert im Pantheon zu Rom niederlegeu lassen. Der deutsche Kaiser depeschierte an den König Viktor Emanuel: Empfange meinen lebhaftesten Dank für Deine herzliche Depesche, die mich erreichte, als ich in den Hafen des schönen Neapel einfuhr. In Erinnerung an die liebenswürdige Gastfreundschaft, die mir im Vorjahr in Rom vou Dir, der Königin und dem italienischen Volk zu teil wurde, bin ich glücklich, Dich wiederzusehen. Dein ergebener Freund und treuer Bundesgenosse Wilhelm.
ff Hlom, 24. März. Die „Italic", die heute auf ihrer ersten Seite das Bild Kaiser Wilhelms bringt, schreibt in einem Begrüßungsartikel, die Stadt Neapel und das ganze italienische Volk sehen mit besonderem Vergnügen die Ankunft eines befreundeten und verbündeten Souveräns, von der Bedeutung Kaiser Wilhelms II. Wir schließen uns dem vom Präfekten von Neapel ausgesprochenen Willkomm umso mehr an, als diese Reise in der jetzigen Lage ebenso wie die angekündigte Reise des Präsidenten Loubet ein Unterpfand des europäischen Friedens ist.
Derzunge Kerr.
Von Leopold Sturm.
(Fortsetzung.)
Werner Greif unterdrückte mit Mühe ein überlegenes Lächeln. Sein einst so lebenslustiger und flotter Prinz durfte denn doch nicht denken, daß sein früherer Mentor nun geradezu ein unbeholfener Duckmäuser war: Zwischen Werner und Trude bestand schon seit einiger Zeit ein, freilich noch ziemlich zurückhaltend geführter Briefwechsel, aber wer da zwischen den Zeilen zu lesen verstand, der mochte schon manches erkennen. Den Aulaß zu dieser Bricfschrei- berri hatte eine harmlose Ansichts-Postkarte gegeben, die Trude, nur mit dem Anfangsbuchstaben ihres Vornamens unterzeichnend, aus Freudau au den gelehrten Doktor gesandt hatte, wahrscheinlich in der Hoffnung, daß dessen Gescheitheit ihn auf die rechte Spur der Absenderin bringen werde. Und da hatte fie sich nicht getäuscht. Seitdem schrieben die Beiden einander, gleichgiltige Dinge zumeist, aber Dr. Greif hatte doch schon erfahren, daß ihm dies kleine, sym- patische Wesen von ganzer Seele geneigt sei. Und er war längst nicht mehr im Zweifel, was er dereinst werde tun müssen . . . Eigentlich war es seinem trotz aller äußeren Gelassenheit doch recht romantischem Gemüt gar nicht recht, daß sich seine Lebensglückgeschichte so ganz prosaisch, ohne jeden Zwischenfall, ohne jede Störung abspiele — und die kleine Trude hatte, wie verraten werden kann, etwa dieselben Gedanken, aber am Ende war es doch auch recht gut, daß sich ihrer Neignng keine ernstlichen Hindernisse in den Weg stellten. Des Doktors materielle Verhältnisse gestatteten ihm durchaus, eine Frau zu ernähren, und er war bereits so gut unterrichtet, daß er wußte, Trude's wenig bemittelte . Angehörige würden einen Freier, wie ihn, herzlich gern j willkommen heißen. Das Hofrats-Töchterlein wäre auch am liebsten wie eine Prinzessin umworben, wie ein seltenes
Kleinod verherrlicht worden, aber sie war so vernünftig, einzusehen, daß das rechte Bersteheu von zwei Liebesleuteu doch wichtiger, für die Zukunft bedeutsamer sei, als die phantastischen Aeußerlichkerten, die in Romanen so hinreißend geschildert werden, aber für den Ernst des Lebens so wenig bedeuten wollen. Trude, das sonnige, muntere Geschöpfchen, hatte in früheren Jahren zu Hause auch schon merken gelernt, was für einen, zu weitgehenden gesellschaftlichen Verpflichtungen genötigten Haushalt gewisse Sorgen bedeuten. So waren denn Wemer und Trude vollauf einig und im Stillen selig, ohne daß sie doch Beide bis zur Stunde ein festes bindendes Wort gesprochen, resp. geschrieben hätten.
Diese Empfindung verlieh jetzt dem Doktor einen gewissen freudigen Stolz, der so deutlich aus seinem offenen, männlichen Antlitz leuchtete, daß der Privz ganz überrascht ausrief: „Du, was machst Du für ein Gesicht, hast Du Dir Deine Grüße, und Wohl noch mehr, schon selbst geholt?"
„Ja, Hoheit!" war die feste Antwort. „Ich will nicht leugnen, was Hoheit schon erkannt haben. Ich hoffe, in Jahresfrist etwa, wenn sich meine Zukunft völlig gesichert haben wird, um die Hand des Fräulein Gertrud von Gernsheim anhalten zu können und ..."
„Du weißt Deine Antwort schon im Voraus, natürlich," fiel Georg Eberhard ein; „und ich möchte wetten, bei dem Menschen, dem Freilingen, steht es mit der schwarzen Gustel von Braudfels ebenso, wenn er sich auch neulich sehr eifrig mit der Hofdame der Fürstin Elisabeth unterhielt und mir bei einer Frage eine sehr ausweichende Antwort gab. Blos ich, ich sitze fest und kann nicht von der Stelle. Aber es soll nun mit dem Abwarten ein Ende werden, ich will auch handeln, geradeso, wie Ihr!"
Unmutig warf er seine Zigarre in den Aschbecher und i zündete sich aufgeregt eine neue au, während vr. Werner ! Greif den prinzlichen Freund mit ernsten, prüfenden Blicken betrachtete.
„Du schaust mich so seltsam an!" fuhr Georg Eberhard auf.
„Hoheit wollen verzeihen, wenn ich etwas verwundert über die soeben gehörten Worte bin. Ich meine, Hoheit hätten bereits gehandelt!"
„Meso? Wie meinst Du das?"
„Hoheit wollen, soviel ich weiß, aus Anlaß des Manövers der alten Durchlaucht in Goldenberg und ihrer Enkelin einen Besuch abstatten. Dieser Entschluß bedeutet gewiß eine Handlung, denn man wird keine Minute darüber im Zweifel sein, wem dieser Besuch gilt!"
Der ernste Mahner hatte so ruhig und nachdrücklich gesprochen, daß der Prinz leicht verlegen wurdc» Dann aber gewann er schnell seine Geistesgegenwart zurück.
„Um Ernestine von Goldevberg handelt es sich nicht mehr, sondern um die durchlauchtigste Base Katharine oder, Du sollst alles wissen, — um Tini Grimm!"
„Die Tochter des Goldenbcrger Oberförsters?"
„Ja!" Und Georg Eberhard erzählte nun schnell, in abgerissenen Worten, vor welche voraussichtliche Entscheidung ihn der Herzog Dagobert gestellt hatte.
„Armer Prinz!" entfuhr es Greif unwillkürlich, der aber sofort hinzufügte: „Ich bitte Hoheit wegen meines unpassenden Ausrufes um Verzeihung."
„Hast Du nicht nötig!" war die erregte Antwort. „Die Wahrheit ist Dir selbst unbewußt auf die Lippen ge- kommen, und die wollte ich hören. „Armer Prinz I" hast Du gesagt. Ja, das war das rechte Wort. Mich für immer in diese engen Verhältnisse einsperreu zu lassen, — ich denke nicht daran. Darnach habe ich mein Leben nicht eingerichtet. Ich weiß nun, was ich wisse wollte, ich werde dem Herzog meine Antwort sagen, wenn er die bestimmte Frage an mich stellt. Der Erbprinz hat sich nicht in diese Zukunst finden können, mit der er sich doch so früh vertraut gemacht. Wie soll ich das sofort tun?"
artillerieabtettung."" Me 'BesiitzsM" VS«"