LanöesnachrichLen.
* Älteukeig, 24. Februar. Se. Majestät König Wilhelm II., unser erhabener Landesvater, legt heute sein 56. Lebensjahr zurück und begeht morgen seinen 57. Geburtstag. Stadt und die früheren Orte des Amts Altensteig, die vor 300 Jahren der Krone Württembergs einverleibt wurden, haben allen Anlaß sich dieser geschichtlichen Begebenheit zu erinnern und deshalb soll diesmal in Verbindung mit der Geburtstagsfeier eine besonders feierliche Veranstaltung durch sämtliche hiesige Vereine stattfindcn. — Nicht nur hier, sondern überall im Laude, überhaupt überall wo Schwaben wohnen nimmt man innigen Anteil an dem Geburtsfeste des Königs, weiß doch das Volk, was es diesem edlen und gerechten Fürsten Alles zu verdanken hat. Das allgemeine Wohl geht dem König sehr zu Herze», sein Denken und Tun ist darauf gerichtet, auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens fördernd einzugreife». Wo es Not zu lindern gibt, da ist Se. Majestät im Vereine mit Ihrer Majestät der Königin stets zuerst auf dem Plan, auch in der Buudestreue zum großen deutschen Vaterlande, das uns die Segnungen des Friedens sichert, zeichnet sich Seine Majestät besonders aus. So haben wir und das ganze württembergische Volk jeden Grund, mit Dankbarkeit zum württembergische» Königstronr aufzublicken und an dem für uns doppelt bedeutungsvollen Tage zu rufen:
.Hott segne unser« gekieöte« König!"
* ßalw, 21. Febr. Der Sommerfahrplanentwurf bringt dem Nagoldtal ganz bedeutende Fortschritte in den Zugs- Verbindungen und verwirklicht die Wünsche, die vou hier aus bei der Generaldirektion zum Ausdruck gebracht wurden. Insbesondere wurde die Ablassuug eines Eilzugs von Stuttgart nach Calw erreicht. Der geplante Eilzug, der hauptsächlich dem Ausflugsverkehr dient und daher nur Sonntags fährt, braucht zu der Strecke Stuttgart—Calw nur dreiviertel Stunden. Weitere Zugsverbesserungen sind auch auf der Strecke Pforzheim—Horb geplant. Unsere Badeorte Teinach und Liebevzell haben nun sehr gute Zugsverbindungen sowohl in der Richtung Stuttgart wie Pforzheim—Karlsruhe. Die neuen und guten Verbindungen werden dem Nagoldtal sicher eine größere Zahl von Touristen bringen; es wird deshalb allgemein der Fahrplanentwurf mit großer Freude begrüßt.
* Der 23 Jahre alte Stein hauergeselle Gottlieb Spiegel von Hräfenhause», Oberamt Neuenbürg, hatte am Sonn- tag, den 27. Dezbr. v. I. sein letztes Geld vertrunken. Um nun in den Besitz von Geld zu kommen, entschloß er sich, am 1. Januar bei dem Kirchenpfleger Gottfried Wol- finger in Gräfenhausen einzubrechen. Spiegel stellte sich auf die Lauer. Ms er dann die Gewißheit hatte, daß Wolfinger mit seiner Frau und der Dicnstmagd zur Kirche gegangen war, schlich er sich an das Wölfin gerfiche Wohnhaus heran, drückte eine Scheibe des Küchenfensters ein, öffnete hernach dieses Fenster, stieg ein und begab sich in das Wohnzimmer. Dort lagen auf der Kommode 4 Mark 65 Pfennig. Diese nahm Spiegel an sich und verschwand. Von dem so gestohlenen Gelde kaufte er der Marie Wünsch in Feldrennach, seiner Geliebten, einen Shawl für 1 Mk. 30 Pfg. als Geschenk. Den Rest verbrauchte Spiegel für sich. Spiegel, der die Tat einräumte, wurde dafür soeben von der Tübinger Strafkammer wegen eines Verbrechens des schweren Diebstahls zu der Gefängnisstrafe von drei Monaten und fünfzehn Tagen verurteilt.
* Wie in anderen Städte», so wurde auch in Ment-
kinge« auf Antrag einer Geestemünder Seefischgroßhaudlung beschlossen, einen städtischen Seefischmarkt zu errichten. Die Stadtverwaltung hat nur für die Verkaufshalle zu sorgen und die öffentliche Versteigerung der Fische durch einen städtischen Beamten vornehmen zu lassen. Als Entschädigung fallen ihr dafür 12^'z pCt. der Berkaufssumme zu. Das Risiko trägt die genannte Firma. Durch dieses Unternehmen hofft man, auch den unbemittelten Volksklassen ei» billiges Nahrungsmittel zu verschaffen, da nach den Erfahrungen in anderen Städten die so versteigerten Seefische 40"/o billiger zu stehen kommen als in den Fischhandlungen. Die Einrichtung wurde zunächst Probeweise auf 1 Jahr genehmigt.
* Stuttgart, 23. Februar. Ueber den in Omaruru seinen Wunden erlegenen Leutnant der Schutztruppe Freiherrn von Wöllwarth telegraphierte Oberst Leutwein laut dem „Schwäbischen Merkur" nach Stuttgart: Knochenschuß im linken Oberschenkel, Blutvergiftung, erfordere zweimalige Operation, vor der dritten in Narkose gestorben, hatte wenig gelitten.
* AerUchkvge«, 22. Febr. (Verbrannt.) Gestern nacht etwa um 9 Uhr ist in dem Wohnhause des Bernhard Rückert und Joseph Keppler Feuer ausgebrochen, welches das Doppelwohnhaus vollständig in Asche legte. Leider ist auch ein Menschenleben zu beklagen. Der Vater des Rückert, ein 61 Jahre alter Mann, hatte die Gewohnheit, beim Schlafengehen ein Kerzenlicht anzuzünden. Dies war auch gestern wieder der Fall, doch hat er offenbar vergessen, das Licht auszulöschen. Das Bett fing Feuer und Rückert ist, bevor er sich retten konnte, erstickt. Rettungsversuche waren infolge des starken Rauchs und Feuers erfolglos. Erst gegen 1 Uhr konnte die stark verbrannte Leiche unter dem Schutt hervorgezogen werden. Die Abgebrannten sind nicht versichert und werden deshalb allgemein bedauert.
*- Hlkm, 20. Febr. Heute fand vor dem Landgericht die erste Verhandlung im Bebel'schen Erbschastsprozeß statt. Kläger ist Frau Rosa Hauer, Oberstengaltin in Augsburg, Beklagte Reichstagsabg. Bebel und die Oberingenienrsgattin Walburga Kollmann in Augsburg. Der im letzten Jahr verstorbene ehemalige Leutnant Kollmoun hat die beiden Beklagten zu Erben seines 800 000 Mk. betragenden Vermögens je zur Hälfte eingesetzt und die übrigen gesetzlichen Erben 2 Brüder, 1 Schwester (Frau Hauer) und die Kinder von 2 verstorbenen Schwestern enterbt.
' (Verschiedenes.) Der Gesamtkirchenrat in Stuttgart beschloß den Ankauf zweier Bauplätze zum Neubau zweier weiterer evangelischer Kirchen. — Schutzmann Schneider in Ulm, der am 25. Oktober v. I. den Mörder des Wirts Kohn, den Schlosser Krumm, festgenommen hat, erhielt vom Staat eine Belohnung von 60 Mk. und von der Stadt eine solche von 100 Mk. — Im Laufe dieses Winters wurde der Polizeidiener Schlotter in Vollmaringen von einigen Burschen aus Gündringen so schwer mißhandelt, daß seine Ueberführung in die Klinik zu Tübingen Notwendig wurde. Dem Vernehmen nach ist Schlotter in den letzten Tagen an den Folgen der erlittenen Mißhandlung in Tübinaen gestorben.
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* Brötzingen, 20. Februar. Der Taglöhner Julius Jost hat am Freitag einen Lehrer während der Unterrichts- erteilung im Schulhause vor 15—20 Schülern mit einem Werkzeuge, wahrscheinlich einem geschlossenen Taschenmesser, mißhandelt. Der Lehrer hatre ein Kind des Genannten,
das längere Zeit krank gewesen und deshalb im Unterricht zurückgeblieben war, nach Schluß der Schulstunde zurückbehalten, um mit ihm das Versäumte nachzuholen. Jost drang deshalb in das Schulzimmer ein und schlug ohne weiteres den Lehrer, so daß dieser blutende Verletzungen davontrug. Der rohe Mensch wurde zur Anzeige gebracht.
* Mannheim. Ueber den Selbstmord des Getreideagenteu Seemann wird berichtet: Seemann hat stark in amerikanischem Getreide spekuliert. Die Spekulationen schlugen aber sehl, und Seemann erlitt große Verluste. Er schloß sich am Freitag nachmittag in sein Privatkontor ein. Gegen halb 4 Uhr hörten die in dem an das Privatzimmer anstoßende» Bureau fitzenden jungen Leute einen Schuß. Als sie herbeieilten, fanden sie Seemann im Lehnstuhl sitzend. Der Revolver war seiner Hand entfallen und lag auf dem Boden. Seemann gab schon nach wenigen Augenblicken seinen Geist auf. Auf seinem Schreibtische lag ein Zettel, auf dem geschrieben stand: „Lebt wohl! Ich bin verzweifelt!" Seemann stand erst im 33. Lebensjahre. Seemann hatte auch in seinem Privatkontor die sämtlichen Gashahnen aufgedreht und ferner eine Gaslöhre durchschnitten, sodaß binnen kurzer Zeit das ganze Zimmer mit Gas ««gefüllt war. Seemann war ein äußerst liebenswürdiger Mensch, der einen großen Freundes- und Bekanntenkreis besaß. Auch in geschäftlicher Beziehung galt er als sehr umsichtig und strebsam. —
* Berlin, 22. Febr. Der Lok.-Anz. meldet aus Tokio: Die japanischen Zeimngeu drücken warmen Dank für das Anerbieten des deutschen Kaisers, betreffend die Hospitäler, aus. Der demsche Graf v. Arco-Valley spendete 1000 Ae» für die Zwecke des Roten Kreuzes.
ss Berlin, 23. Febr. Vou Gouverneur Leutwein find folgende zwei Telegramme von heute eingegangen : „Gegenwärtige Kriegslage ist folgende: Ostabteilung unter Gla- senapp marschiert über Gvbabis gegen Häuptling Tjotjo und sperrt Grenze; Nordabteilung sammelt sich bei Okohandja und beschränkt sich bis zum Eintreffen der Verstärkungen auf kleinere Vorstöße gegen den anscheinend bei Otjosongati und Waterberg in erwartender Stellung befindlichen Feind. Die Westabteilung unter Estorff geht auf Outjo und entwaffnet Omarurustamm. Vom Süden des Schutzgebietes ist eine Kompagnie und eine Gebirgsbattene im Anmarsch; zum Schutz des Südens bleiben eine Kompagnie und zwei Geschütze." Das zweite Telegramm lautet: „Eine Abteilung unter Oberleutnant Schnitze erbeutete am 8. Februar im Gefecht südlich von Thumanas 300 Stück Großvieh, 400 Stück Kleinvieh. Der Feind hatte 10 Tote; diesseits keine Verluste. Am 2. Februar haben Owambos des Kapitäns Nehale Polizeiposten in Amatoni angegriffen, wurden aber mit Verlust abgeschlagen und die Posten später eingezozen. Die Owambos des Kapitäns Kambonds sind bisher friedlich. Estorff hat die Verbindung mit Outjo hergestellt.
ss Berlin, 23. Febr. In einem Hotel in der Breslauer Straße brachten ein Mädchen und ein Kaufmann einander mehrere Schüsse bei. Das Mädchen ist tot, der Mann schwer verletzt. Der Grund ist unglückliche Liebe. I
* Berlin, 23. Febr. Nach Meldungen aus Tokio, die über London übermittelt werden, zerstörten mehrere hundert Mann russischer Kavallerie in Andichu auf Korea die telegraphische Leitung.
* Berlin, 23. Febr. Einem Telegramm des „Berl. Tagebl." aus Kiel zufolge ist das Linienschiff Kaiser Wilhelm II gestern abend nach Wilhelmshafen abgedampst, um den Kaiser für die Helgolandfahrt aufzunehmen. Für die Mittelmeerreise wünscht der Kaiser die Begleitung des neuesten Panzerkreuzers Friedrich Karl, falls dessen Bereitstellung durchführbar ist.
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Alles auf Erden hat seine Zeit:
Sommer und Winter, Freude und Leid, Hoffen und Fürchten, Ruh'n und Sich-mühn, Kommen und Scheiden, Wellen und Blüh'n.
Der ;unge Kerr.
Von Leopold Sturm.
(Fortsetzung.)
„Pst, lieber Freilingen, hier nichts von Hoheit. Sie find vorhin draußen informiert, bitte streng daran festzuhalten, was Ihnen als Freundes-Pflicht auferlegt ist. Ich hab'S versprochen, ja; aber ob es eine Gescheitheit war neben der Kette von Nicht-Gescheidtheiten, welche dieser Tag bereits gebracht, das wage ich nicht zu behaupten. Wenn Sie das alles mit erlebt hätten, lieber Freilingen!"
Der junge Offizier lächelte: „Ew. . . . Verzeihung! Ich bitte Herrn Georg Eberhard, doch einmal an die schöne rheinische Zeit zurückzudenken."
„Ja, damals!' seufzte der Prinz. „Und bis heute »och ! Aber glauben Sie wohl, Freilingen, dieser Mixmreu- Mischer, der Greif, hat mich total aus dem Konzept gebracht mit seinen verwünschten Vernunft-Geschichten. Recht hat er, sonst hätte ich ihn vor die Pistole gefordert, aber — es war ein bitterer Trank."
Dr. Werner Greif und Herr von Freilingen, der auf der rheinischen Universität demselben Korps, wie Georg Eberhard von Hohenburg angehört hatte, und dessen ganz zufälliges Erscheinen in der Waldhalle von dem Prinzen, wie von seinem Begleiter mit aufrichtiger Freude begrüßt worden war, wechselten einen schnellen, verständnisinnigen Blick. Kurt von Freilingen kannte die Schwärmereien des Prinzen aus der frohen Studentenzeit zur Genüge, schon damals hatte Greif mit solchem bitteren Trank daun und wann
kommen müssen. Der junge Offizier, der die anfänglich geplante juristische Laufbahn aufgegeden und sich dem Kriegsgotte gewidmet hatte, zweifelte gar nicht daran, daß es sich heute um einen ähnlichen Fall, wie früher handele, und nahm also die Dinge leicht.
„Wie wäre es, wenn Hoheit den bitteren Trank versüße» würden und der Einladung unsres würd-gen Wirtes folgten?" sagte Kart von Freilingen halblaut. „Das wäre zugleich eine Strafe für den Apotheker, der diesen Trank gebraut hat I" scploß er, mit leichter Verbeugung gegen Dr. Greif.
„Von der Seite aus betrachtet, ist der Gedanke nicht übel", gab der Prinz zu. „Nun, mein Herr Reisemarschall, Geheimer Rat und getreuer Eckart, nehmen Sie die Strafe auf sich?' Der Gedanke, Ernestine noch einmal wiederzusehen, mußte doch viel Verlockendes für ihn haben, daß seine Stimmung so jäh umschlug, und er sich zu einem munteren Tone aufzuraffcn vermochte.
„Ich bin bereit, Hoheit zu folgen," warWerners Antwort.
„Natürlich!" spöttelte der Prinz leise. Glauben Sie denn, Freilingen, daß der Herr diese Wanderung durch jene Tür als eine Strafe betracdtet? Erfreut sich einfach, seine interessanten Untersuchungen über das tiefe Braun in den Augen einer gewissen jungen Dame fortsetzen zu können. Aber nun vorwärts, meine Herren!"
Der Wirt, der sich respektvoll in einiger Entfernung gehalten, öffnete die Tür zu dem reservierten Zimmer, rückte den drei jungen Herren, welche die Damen durch eine Verneigung begrüßten, den Tisch zurecht, brachte ihren Wein und die Gläser nach und empfahl sich wieder.
Draußen rauschte der Regen, aber drinnen im Zimmer herrschte eine Weile eine wahre Totenstille, daß man das Summen einer Fliege hätte hören können.
Fräulein Lemme hatte sich mii ihren jungen Damen, in die äußerste Zimmerecke gesetzt; die d:ei Herren hatten
ihren Tisch in die entgegengesetzte Ecke gerückt erhalten. Ernestine las, oder schien zu lesen, das Gleiche tat die Lehrerin, aber Trude und Gustel waren gar zu hart von der Neugier geplagt, als daß sie es lange ausgehalten hätten den Herren den Rücken zu drehen. Eine geringe Wendung ihrer Stühle und sie halten einen halben Ausblick nach dem Tisch drüben. ^
Gustel's lebhafte schwarze Augen musterten den statt- i lichen jungen Offizier, neben dem für sie die beiden Zivilisten völlig verschwanden. „Er sieht gut aus!" flüsterte sie ganz heimlich Trude zu. Aber die hatte nur Augen für ihren Doktor. Und so genoß Gustel von Brandfels daS Entzücken allein, daß Leutnant von Freilingen seine Aufmerksamkeit ausschließlich ihr zuwandte. So war sie doch die Siegerin unter ihnen Dreien! Denn dieser Doktor und nun gar dieser CommiS Voyageur, so elegant sie auch beide auftraten, — was waren die?
Die drei Herren drüben waren bisher mit ihren Gedanken beschäftigt gewesen; allmählich empfanden sie aber die Situation doch als eine solche, die den Beigeschmack einer gewissen Lächerlichkeit hatte, und Dr. Greif, der besonnene Gelehrte, war der erste, der sich entschloß, den lastenden Bann zu brechen. j
Er schritt langsam zu dem großen Berandafenfter hinüber, wie um in das Wetter za sehen, und kam dabei in ziemliche Nähe von Fräulein Lemme, so daß diese aufblickte. Und als der Doktor die Gelegenheit zu der höf- licyen Frage benützte, ob man die Damen nicht gestört habe, empfing er eine freundliche Antwort.
„Wir hattteu ein wenig getanzt!" warf Trude mutig dazwischen.
„So haben wir doch eine Störung gebracht!" bedauerte der Doktor.
„Die brachte schon das Gewitter!" berichtete Gustel von Brandfels.