Maier sen., mitteilte, dürste der letzte Bericht an die Calwer Handelskammer beraten worden sein, da infolge des neuen Handwerkergesetzes demnächst Handwerkerkammern ins Leben treten werden.
Alten steig, 19. Febr. Heute nachmittag hatten die Oberstädter das erste Frühlingskonzert. Die Staaren sind da und musizierten vom Kirchturm- krruz lustig herab.
? Altensteig, 20. Februar. Wie wir unfern Lesern bereits mitgeteilt, ist den Landständen der Entwurf eines Gesetzes zugegangen, wonach in Württemberg neue Eisenbahnen gebaut werden sollen, und zwar: zwischen Kircbheim u. Teck und Oberlenningen- Blaufelden und Langenburg; Freudenstadt und Reichenbach; Biberach und Ochsenhausen — ferner Möckmühl und Dörzbach. Unsere Württembergische Tagespresse beschränkt sich daraus, diese Projekte aufzuzählen und aus der dem Gesetzentwurf beigegebenen Begründung die Details bezüglich der Anlage, der Trace, der Kosten rc. darzustellen. Es liegen noch Dutzend andere Projekte unerledigt bei den Akten, und auch sie wollen einst zum Gesetzentwurf herauskristalisieren. Der Betrag von ca. 4 Millionen Mark, welcher nach dem vorliegenden Gesetzentwurf für die fünf Bahnen aus- gegeben werden soll, und zwar aus Staatsmitteln, kann bei den heutigen Geldwerts-Verhältnissen, bei den dermalen sehr günstigen Verhältnissen in der Großindustrie ein unüberwindliches Hindernis nicht bieten, wenn es gilt, den vom Verkehr abgelegenen Gegenden ein so wichtiges Verkehrs- oder Transportmittel, wie die Eisenbahn es ist, zu verschaffen. So ist es gegangen bei dem Postwesen; dort hat man erst in dem letzten Jahrzehnt in Württemberg seine Fühlhörner überallhin, auch in das letzte, entfernteste, einzeln stehende Haus so ausgestreckt, daß auch an jenem abgelegenen Ort eine regelmäßige tägliche Verbindung besteht, und beim Telegraphen- und Tele- Phonwesen wird die Zeit gar nicht mehr ferne sein, wo in jeder einigermaßen bedeutenden Gemeinde eine Telegraphenanstalt besteht. Alle diese Verkehrsmittel sind natürlich, soweit die Kosten in Betracht kommen, mit Eisenbahnen nicht in Vergleich zu bringen. Wenn schon die Postvecwaltung oder die Telegraphenverwaltung draußen in den ländlichen Verhältnissen vielfach nicht auf ihre Kosten kommen wird, so ist es bei fast allen württembergische» Bahnbauten der Neuzeit von vornherein feststehende Thatsache, daß eine Verzinsung des Anlagekapitals gar nickt oder nur in sehr geringem Umfang zu erzielen ist, daß häufig nickt einmal die Betriebskosten herauskommen. Wir sehen darin allerdings kein Unglück, weil diese Bahnen, wenn sie auch dierekt keine Rente abwerfen, wenigstens insofern produktiv sind, als sie den bäuerlichen und industriellen Betrieben draußen auf dem Lande wesentliche Dienste leisten. Nur dürfen wir nachher, wenn noch eine Anzahl solcher Nebenbahnen gebaut ist, nickt enttäuscht sein, wenn die Württ.
Eisenbahnrente, die jetzt — also unter sehr günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen — etwa 3°/« oder etwas wehr beträgt, eines Tages, d. h. wenn wirtschaftliche Rückschläge eintreten, erheblich unter jenen Satz zurückgeht, und der Steuerzahler drauflegen muß. Nahezu die ganze Württ. Staatsschuld, ist eine Eisenbahnschuld, und eigentlich sollte das Erträgnis der Eisenbahn die Verzinsung jener Schuld nahezu decken. Bei dem sinkenden Zinsfuß kann das ja vielleicht in absehbarer Zeit auch möglich sein, vorausgesetzt, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse sich auch weiter günstig entwickeln, und der allgemeine Zinsfuß sich nicht wieder so weit hebt, daß die nieder verzinslichen Staatspapiere vom Markte nicht mehr ausgenommen werden. In Preußen z. B. da ist die Sache etwas anders; der preuß. Minister zieht aus seinen Bahnen eine Rente von vielleicht 6°/g oder noch mehr; es ist aber auch nicht daran zu denken, daß die Nebenbahnen, die bei uns in Württemberg der Staat baut, dort vom Staat gebaut würden. Auf dem Lande draußen ist man also in dieser Beziehung bei uns zweifellos besser daran als bei unser» Brüdern im Norden.
* Altensteig, 20. Febr. In den letzten Tagen hat die Kölnische Unfallversicherung im Verein mit der Wil- helma in Magdeburg veranlaßt durch die im letzten Jahre in'ganz erschreckender Weise sich mehrenden Eisenbahn- Unfälle eine neue Versicherungsart, „die Eisenbahnunfallversicherung auf Lebenszeit" giltig für die ganze Welt, eingeführt, die gegen sehr mäßige einmalige Prämien beim Todesfall des Versicherten durch ein Eisenbahnunglück Anspruch auf sofortige Auszahlung der vollen Versicherungssumme gewährt, bei völliger Erwerbsunfähigkeit Anspruch auf 10 Prozent der Versicherungssumme als lebenslängliche Jahresrente, für Kurkosten innerhalb 200 Tagen Vz der Versicherungssumme, die zwischen Mk. 3000 bis Mk. 200000 betragen kann. Die einmalige Prämie für eine Versicherung auf Lebenszeit beträgt pro 3000 Mk. 10 Mk., pro 6000 Mk. 20 Mk..' pro 12 000 Mk. 40 Mk.. pro 25000 Mk. 80 Mk. u. s. w. bis pro Mk. 200000 Versicherungssumme Mk. 640 einmalige Prämie. Da in der letzten Zeit sehr viele Eisenbahn- unfälle passierten und da die Gesellschaften, welche diese Versicherung einführen, im besten Rufe stehen, auch der Schadenersatzanspruch Verletzter gegen die Bahnverwaltung rc. durch die Versicherung nicht berührt wird, so ist nicht zu zweifeln, daß diese zeitgemäße Versicherungsform angesichts der billigen Prämiensätze sich rasch beim reisenden Publikum einbürgern wird.
-n. Ebhausen, 21. Febr. Im Gasthaus zum Waldhorn hier versammelten sich sämtliche Vorstände der einzelnen Ortskriegervereine unseres Bezirks bebufs Besprechung verschiedener Vereinsangeleqenheiten. Die Verhandlungen leitete der Bezirksobmann, Hr. Stephan Scdaible von Nagold. Der Antrag, die Ortskriegervereine sollen sich vereinigen zu einem Bezirkskrieger-
Preßcampagne gegen ihn geführt, die noch heute fortdauere. Man habe namentlich im „Petit Journal" und in der „Libre Parole" absolut falsche Mitteilungen über feine Person und sein Privatleben gemacht. Als er feine Vorgesetzten bat, ihn gegen diese Angriffe zu schützen, gegen die er selbst nichts unternehmen konnte, habe er eine abschlägige Antwort erhalten. Später habe der Untersuchungsrichter Ravary in seinem Bericht in der Affaire Esterhazy ehrenrührige Dinge über ihn gesagt. General Pellieux habe sogar hier behauptet, Picquart habe Hulot, den Sekretär Esterhazy bestechen wollen. Pellieux kenne Picquart aus drei Unterredungen, die er mit ihm gehabt, aber es gebe militärische Chefs, welche Picquart besser gekannt haben, da er unter ihnen diente. Das sei namentlich General Galliffet, der sein Blut auf den Schlachtfeldern vergossen und dessen Name« mit der Geschichte Frankreichs verbunden sei. Picquart bittet also, daß General Galliffet hergerufen werde, um zu sagen, was er von Picquart wisse. Labori bittet den Präsidenten um Vorladung Galliffets. Das sei ein Mann, der hier nicht vom Recht sprechen werde wie die Verteidiger, sondern der die Uniform trage, mit der man hier so sehr bemüht sei, Eindruck hervorzubringen. Der Präsident sagt, der Gerichtshof werde später darüber beschließen. Picquart fährt fort: In keiner Weise habe ich den guten Glauben meiner Vorgesetzten be- zweifeln wollen. Ich glaube, es handelt sich um eine sehr gut angefertigte Fälschung. Ich erinnere nur an die Norton-Papiere, die selbst hochgestellte Personen getäuscht haben. Labori erinnert daran, daß auch er stets versichert habe, die Generäle seien in gutem Glauben und gerade das sei schrecklich. (Geheul.) Labori, sehr nervös, wendet sich zum Publikum und sagt, man werde ihn nicht einschüchtern, trotz aller Versuche, die man mache; täglich laufen bei ihm Drohbriefe au ihn und sogar an seine Frau ein! Labori fragt Picquart, ob während seiner Aussage vor dem
Esterhazy-Kriegsgericht nicht General Pellieux mehrfach interveniert habe. Picquart verweigert die Antwort; man solle den General Pellieux selbst fragen. General Pellieux, vorgerufen, bittet die Geschworenen um Entschuldigung, daß er nicht in Uniform erscheine, aber er betrachte seine Rolle in dieser Angelegenheit, die ihm seine Pflicht diktiert habe, als absolut beende. Ec werde nur noch aus Fragen antworten, die sich auf die Affaire Zola beziehen. (Beifall.) Pellieux wendet sich hierauf zu Picquart und sagt: „Alles ist sonderbar in dieser Angelegenheit, aber sonderbar vor Allem ist die Rolle, die ein Mensch (,un monsisur") spielt, der noch mit der französischen Uniform bekleidet ist und der gestern drei Generäle angeklagt hat, daß sie eine Fälschung begangen und sich derselben bedient hätten." Picquart antwortet ruhig und bestimmt: Man hat den Sinn meiner gestrigen Worte mißverstanden. Labori befragt den General Pellieux, ob es wahr sei, daß er während der Aussage Esterhazy's vor dem Kriegsgericht intervenierte. Pellieux sagt, er werde nicht antworten, da die Frage nicht auf die Affaire Zola, sondern auf die Affaire Esterhazy sich beziehe. Labori will antworten, der Präsident entzieht ihm aber das Wort. Es entspinnt sich eine heftige Diskussion zwischen dem Präsidenten und Labori, welcher immer blässer und erregter wird. Der Präsident sagt: Sie haben nicht das Recht, den Prozeß zu leiten! Labori: Ich habe das Recht, meine Verteidigung zu leiten! Sie entziehen der Verterdigung das Wort, lassen aber den Prozeß von den militärischen Zeugen dirigieren! Der Präsident bedroht Labori mit einer Disziplinarstrafe. (Beifall.) Dieselben Szenen wiederholen sich noch mehrmals bei jeder Frage,die Labori stellen will; derPräsident sagt sogar einmal: Ihre Fragen sind nicht ernst zu nehmen! Labori verlangt die Zurücknahme dieser Beleidigung. (Das Publikum johlt vor Freude.) Labori zum Publikum: Hier wird das Recht gemordet! (Rufe aus dem Publikum: Das ist falsch!) Labori
verband, wurde mit Stimmenmehrheit angenommeA. Dagegen erfolgte über einen weiteren Antrag, tzetr. die Gründung einer Sterbekasse für den Bezirkskriegerverband noch kein endgültiger Beschluß. Eine Abstimmung über diesen Gegenstand soll beim nächsten Bezirkskricgertag erfolgen, der im Lauf deS kommenden Sommers in Spielberg abgehalten werden wird. Nach Schluß der Verhandlungen wurden Toaste ausqebracht : von Hrn. Stephan Schaible auf den hohen Protektor des Württ. Kriegerbundes, S. Maj. den König Wilhelm II., von Hrn. Oberförster Weith auf den greisen Präsidenten de« W. Kriegerbundes, S. K. Hoheit den Prinzen von Weimar. Die Versammlung war außer von den Vereinsvorständen auch noch von weiteren Kameraden der Vereine zahlreich besucht. Nach den Verhandlungen erfolgte noch der gemütliche kameradschaftliche Austausch der Gedanken der Teilnehmer bei der Versammlung. — Ueber die ebenfalls gestern im Gasthaus z. Waldhorn stattgefundenen Versammlung des Obstbauvereins, wobei Hr. Gartenbauinspektor Held von Hohenheim einen Vortrag über Obstbaumpflege hielt, wird im nächsten Blatt berichtet werden.
* Cannstatt, 19. Febr. Großes Aufsehen erregt die gestern veröffentlichte Konkurseröffnung gegen den als flüchtig bezeichneten Goldwarenhändler Karl Holl. Der jetzt Flüchtige wurde vor 2 Tage« noch hier gesehen. Er hinterläßt neben 4 Kindern aus zwei Ehen eine Braut und einen betagten Vater, der nun schon den zweiten Sohn auf gleiche Weise scheiden sehen mußte. Holl spielte in Sportskreisen eine Rolle. Die Passiva sollen die Aktiva recht bedeutend übersteigen.
* (V e r s ch i e d e n e s.) Im Jahre 1897 sind 16 Rekruten aus dem Oberamtsbezirk Gmünd infolge hoher Losnummer vom aktiven Dienst befreit und der Ersatz-Reserve zugewiesen worden. Man sieht hieraus, daß das Losen für die Militärpflichtigen immer noch einen Wert hat. — JnEllwangen stand der Dienstknecht Franz Laver Schuhmacher von Pfahlbronn, welcher in der Strafkammerverhaudlung vom 8. Januar unter Schimpfen und (Tobe» eine» Stuhl nach dcn Richtern geworfen hat. wieder vor Gericht. Diesmal war kein Wort aus ihm herauszubringen, nur am Schluß der Verhandlung bat er um Gefängnis- statt Zuchthausstrafe. Wegen Beleidigung und Widerstands gegen die Staatsgewalt wurde er einschließlich der lOmonatl. Strafe wegen Diebstahls im Rückfall von der Strafkammer zu 1 Jahr und 5 Monaten Gefängnis verurteilt. — Ein junger verheirateter Holzhauer in Hepsisau wurde bei seiner Arbeit im Walde von einem herabstürzenden Aste so schwer am Kopf verletzt, daß er während deS Transports nach seiner Wohnung starb. — In Heilbronn sprang eine auswärtige Krankenpflegerin in den Neckar und ertrank. Außer einer Uhr und einem Körbchen ließ die Unglückliche ihre Kopfbedeckung, die die Nummer 20 trägt, am Ufer zurück. Der Leichnam ist noch nicht aufgefunden.
zum Präsidenten: Ich hätte Lust, die Verteidigung niederzulegen und diesen Saal zu verlassen, wo man uns knebelt! Nachdem Labori sich mühsam beruhigt, fragt er Picquart, wcnum er gesagt, das geheime Dokument mit den Worten ,estts oanaills äs v." beziehe sich mehr auf Esterhazy als auf Dreyfus. Picquart sagt, er könne nur Genaueres über dieses Dokument mitteilen, wenn ihn der Kriegsminister seines Amtsgeheimnisses entbinde. Er könne nur sagen, der Inhalt des Dokuments zeige, daß es sich auf einen Truppen-Offizier, nicht auf einen Offizier des Generalstabs beziehe. Man könne das Dokument ohne irgend welche Gefahr für die nationale Verteidigung hier diskutieren. Labori fragt Picquart, ob ihm, als er die Leitung des Informationsdienstes übernahm, nicht General Boisdeffre gesagt habe, der Dossier Dreyfus enthalte nicht viel; man müsse fortfahren zu suchen. Picquart verweigert die Antwort. Labori fragt, ob Picquart nicht zu General Gonse gesagt habe, er werde sein Geheimnis nicht mit ins Grab nehmen? Picquart verweigert die Antwort. Picquart wiederholt ferner auf Befragen Labori's, daß er erst im Verlauf seiner Untersuchung über Esterhazy darauf verfallen sei, dieser könne auch der Verfasser des Dreh- sus zugeschriebenen Bordereaus sein, daß er die Verhaftung Esterhazys zweimal angeraten habe, daß er aber davon habe abstehen müssen, weil seine Vorgesetzten seine Ansicht nicht teilten. Picquart teilt ferner mit, voriges Jahr habe im Kriegsministerium niemand die Aechtheit des Esterhazy zugeschriebcnen Kartenbriefes bezweifelt. Nach kurzen unwesentlichen Aussagen einigerZeugen, worunter derfrührere elsässische Reichstaqsabgeordnete Lalance, ferner Duclaux und Anatole France, wird die Verhandlung auf den Montag vertagt. Am Faschings-Dienstag findet auf ausdrückliches Verlangen des Polizeipräfekten keine Sitzung statt. Der Prozeß endet voraussichtlich am nächsten Mittwoch.
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