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Deutscher Reichstag.

* Berlin. 18. Febr. Tages-Ordnung: Zweite Beratung des Etats der Verwaltung des Reichsheeres, fortdauernde Ausgaben. Kapitel 14Kricgsministerium", Titel 1Kriegsminister". Abg. Graf Roon (kons.) als Referent berichtet über die Kommissionsverhandluug. Abg. Dr. LingenS (Zentr.) tritt für die Ver- mehrung der Sonntagsruhe und der Sonntagsheiligung im Heere ein. Redner giebt seiner Freude darüber Ausdruck, daß die Erbauung von Simultankirchen ein­gestellt sei. KriegSwinister v. Goßler bemerkt auf eine Anregung des Vorredners:Es ist richtig, daß in Köln an einem katholischen Feiertag (Mariä Verkündigung) eine Abteilung Artillerie ausmarschierte, und daß von Mannschaften des 8. Kürassierregiments Dünger gefahren worden sei. DerRhein. Merkur" hat diese Dinge in sehr scharfen Ausdrücken kritisiert und als skandalös bezeichnet. Ich habe Klage erhoben und das Blatt ist mit 50 Mark bestraft worden. Die Artillerie wußte ausrücken wegen Garnisonswechsels. Die Katholiken des Kürassierregiments wurden morgens zur Kirche geführt. Daß die Dttngerwagcn an Prozes­sionen vorbeigekommen sind, ist richtig, aber das ge­schah nicht mit Absicht. Daß sie überhaupt gefahren sind, beruhte auf einer Anordnung des Wachtmeisters. Es lagen Bestellungen vor. Hiegeqen ist Remedur eingetreten." Abg. Bebel (Soz.): Mir sind wiederum eine große Anzahl Zuschriften zugcgangen mit den detailliertesten Angaben und Namensunter- schriften, natürlich bitten olle, die Namen ja nicht be­kannt zu geben, da sie noch Soldaten seien und sonst darunter schwer zu leiden hätten. Redner bringt darauf zwei Fälle zur Sprache, in denen Soldaten infolge von Mißhandlungen gestorben seien, der eine in Königs­berg, der andere in Wesel. Redner wendet sich gegen die Ausführungen des Generalauditeurs Ittenbach bei der ersten Lesung der Militärstrafprozeßordnung über die Schwere der Strafen in der amerikanischen Armee. Redner bringt Fälle vor von der Beschimpfung jüdi­scher Soldaten seitens der Vorgesetzten, von Erlassen, die sich gegen die Sozialdemokratie richteten u. s. w. Wenn man die Sozialdemokraten zur Ableistung der Wehrpflicht zwinge, so müsse man auch ihre Anschau­ungen in den Kauf nehmen. Redner bringt die Maß-

Der Prozeß Zola.

* Paris. 18. Febr. Aus der heutigen Verhand­lung ist noch nachzutragen: Der Staatsanwalt er­klärte, trotzdem er zu Anfang des Prozesses verlangt habe, daß die Revision des Prozesses Dreyfus aus den Debatten ausgeschlossen werde, Hube der Gerichts­hof sich von der Verteidigung auf dieses Gebiet fort­reißen lassen. Der Staatsanwalt verlangte, der Ge­richtshof solle die Debatten zum eigentlichen Gegen­stand des Prozesses, näml ch zur Anklage gegen Zola zurückführen. Labori bittet, dem Staatsanwalt ant­worten zu dürfen. Nachdem der Präsident dies er­laubt hat, dankt Labori dafür, daß man idm wenigstens einmal das Wort gebe (Geheul und Hohngelächter.) Labori spricht sein Erstaunen aus, daß der Präsident diese für die Justiz unpassenden Manifestation dulde; er sagt dies zum Publikum gewendet, das mit neuem Geheul antwortet. Labori fragt dann den Staatsan­walt. ob er denn nicht verstanden habe, was seit zehn Tagen vorgegangen sei. Die Macht der Thatsachen habe die juristischen Spitzfindigkeiten zerstört. Man konnte den Prozeß Zola nicht verhandeln, ohne auf die Affaire Dreyfus einzugehen. Man könne sich dem eben entfesselten Strome nicht Widerschein Nicht die Verteidigung habe übrigens diese Frage aufgeworfen, sondern die Generäle. Man denke nur an die un­glaublichen Erklärungen von gestern, die einer Prüfung von auch nur zehn Minuten nicht widerstehen können. (Geheul.) Die Generäle kommen hierher und Midieren. Sie Midieren nicht allein mit ihrem Talent, sie plaidieren mit ihren Uniformen, ihren Tressen, ihren

Dienstag, 22. Jebruar

Bekanntmachungen aller Art finden die erfolg- I 4 00L reichste Verbreitung.

regelung eines national-sozialen Reserveoffiziers zur Sprache, nur ein guter Christ solle ein guter Soldat sein können. Nun dann solle man die Nicht-Christen von der Wehrpflicht befreien. Solche Anschauungen seien bedenklich. Es gebe doch viele, welche gut monarchisch seien, ohne sich gute Christen nennen zu können. (Der Präsident bittet, eine Kritik der höch­sten Stelle zu unterlassen.) Bebel fährt fort: Die Ausgaben für das Heer werden immer mehr vermehrt. Die Vermehrung der Artillerie sei ja beschlossen. Möge der Gedanke der allgemeinen Wehrpflicht voll zur Aus­führung kommen, aber in einer Weise, die dem deut­schen Volk seine Opfer erträglich mache. Redner geht auf das Wesen und die Kosten des Milizsystems ein. Kriegsminister v. G 0 ßler: Es empfiehlt sich, Be­schwerden der Regierung vorher vorzulegen, sonst kann letztere die Richtigkeit oder Unrichtigkeit nicht feststellen. Das System des Abg. Bebel ist: Er klagt an, er ver­urteilt, er macht seine Schlüffe. Vielleicht scheuen sich die Leute sich zu beschweren. In der alten Armee haben wir solche Scheu nicht gekannt. Das ist ein Mangel an Mut. Wenn die Sozialdemokraten das Vertrauen zu den Vorgesetzten erschüttern, so werden schwache Naturen nicht den moralischen Mut haben, sich zu beschweren. Ein Unteroffizier ist wegen Miß­handlung degradiert worden und hat sechs Monate Festung erbalten. Ich gönne ihm die Strafe von Herzen. Der Unteroffizier in Wesel erhielt zehn Monate Festung. Bedauerlich ist es nur, daß die Mannschaft nicht den Mut hatte, sich zu beschweren. Eine all- gemeine Unzufriedenheit mit der Behandlung der Sol­daten -besteht bei uns nicht. Wenn jjemandJudenitzig" genannt worden ist, so ist das eine einfache Beleidigung, die bestraft werden muß. Die Politik wird von der Armee fern gebalten und es ist auch gut, wenn die Irrlehre der Sozialdemokratie dort nicht Platz greift (Oho! links), denn die Herren leben von Versprechungen, die sie nicht erfüllen und von Behauptungen, die sie nicht beweisen können. Die Protokolle des sozial­demokratischen Parteitages waren einfach langweilig. (Heiterkeit.) Eine Milizarmee wäre nicht fähig zu so­fortigen Operationen und das ist für uns nötig. Die vom Abg. Bebel angeführten militärischen Verbältnisie der Schweiz passen nicht für uns. lehren sollte, das System Bebel

Daß uns die Zeit anzunehmen, glaube

Ordeu. (Wildes Geheul. Der Anblick des Publi­kums wipü unheimlich; es sieht aus, als wolle es jeden Augenblick in den Saal einbrechen und sich aus Labori stürzen. Auf der Straße heulen Tausende von Manifestanten.) Labori fäbrt unerschrocken fort und wiederhock seine Worte. Ueber Generäle, sagt er, dürfe man nicht die Liebe, welche dieses Land für seine Fahne habe, im Interesse einzelner ausbeulen. (Wildes Geheul.) Die Generäle sind es, nicht wir, welche hierher sogenannte entscheidende Dokumente bringen, mit denen man die sogenannte Schuld des Dreyfus und die sogenannte Unschuld Esterhazy's be­weisen will: nein, sie bringen sie nicht einmal, sie beschränken sich ans Versicherungen und verlangen da­für unbedingten Glauben. Wie darf man aber dann uns verhindern, ihnen Fragen zu stellen, die aus ihrer Intervention selbst hervorgehen? Man verbietet uns, die Revision des Dreyfus-Prozesses hier zu versuchen, aber man erlaubt den Generälen seit mehreren Tagen hier die Gegenrevision zu machen, und will uns so­gar das Recht nehmen, daraus zu antworten! Die Debatte wächst weit hinaus über die Personen von Dreyfus und Esterbazy. Esterhazy ist freigesprochen worden; um so besser für ihn. Diejenigen, die ihn sreigejprochen haben, mögen die Verantwortung dafür tragen. (Ungeheurer Lärm; aus der Zeugenbank springt ein Kavallerieoberst auf, als wolle er sich ans Labori stürzen.) Der Präsident fordert Labori auf, seine Ausdrücke zu mäßigen. Labori: Von mir ver­langt man Mäßigung; aber Diejenigen, die dahinten schreien, bringt man nicht zur Ordnung. Das sind

ich nicht. Im Gegenteil, nehmen wir es an, so kommen wir bald in Not. (Beifall.) Generalauditeur Jtteu- bach kann von seinen früheren Aeußerungen nichts zurücknehmen. Die amerikanische Militärstrafprozeß­ordnung habe die unselige heute noch nicht an Humanität erreicht. Die Strafe des Kettenschleppens besteht in Amerika noch heutzutage. Abg. Kuhnert (Soz.) verlangt ein ausreichendes Beschwerderecht und das Recht der Notwehr für den Soldaten. Redner tadelt die mangelhaften Schutzvorrichtungen und die Nicht­einhaltung der Sonntagsruhe in den Militärwerkstätten.

Kriegsminister v. Goßler verweist auf die aus­führliche Behandlung der Frage der Sonntagsruhe in der Kommission für den Etat des vorigen Jahres und verweist auf einen kaiserlichen Erlaß vom Jahre 1896 hierüber. Was für die Arbeiter in Spandau geschehen kann, geschieht. Was den einen vom Vorredner an­geführten Fall in Deutsch-Eylau angeht, so bitte ich den Herrn Vorredner, mir das Material zu überlassen, sonst sind solche Anschuldigungen sehr leicht gemacht.

Nach einer kurzen Bemerkung des Generalauditeurs Ittenbach widerspricht Generalmajor von der Böck nochmals den Bemerkungen des Abg. Kuhnert über die Spandauer Verhältnisse.

Landesnachrichten.

* Alten steig, 21. Febr. Der Gewerbeverein hielt gestern nachmittag eine öffentliche Ausschußsitzung imAnker" ab, zwecks Beratung des Jahresberichts an die Handels- und Gewcrbekammer Calw. Aus den angestellten Umfragen ist zu entnehmen, daß der Geschäftsgang im Jahre 1897 mit wenigen Ausnahmen ein befriedigender war, dagegen wurde geklagt über den schleckten Eingang der Äusstände, welche That- sacke beweist, daß bei der ländlichen Bevölkerung sich ein großer Geldmangel fühlbar macht. Der Wunsch nach einer billigeren Portotaxe für Packete im Nahverkehr und Gleichstellung des Personen- und Gütertarifs unserer Bahn mit demjenigen der Normalbahnen wurde aufs neue nachdrücklichst ausgesprochen. Die zugesicherte verdeckte Verladerampe aus dem hieß Bahnhof läßt, trotzdem sie ein dringendes Bedürfnis ist, ebenfalls noch ans sich warten. In dem Bericht an die Handelskammer wird diese gebeten für die Berücksichtigung genannter Wünsche cinzutreten. Wie der Vorstand, Hr. Phil.

wahrscheinlich die Freunde der Justiz! Ich wiederhole: die Frage ist weit über den Prozeß hinausgewachsen. Es handelt sich nicht um jenen Unglücklichen der auf der Teufrlsinsel leidet; es handelt sich darum, daß er rechtswidrig leidet, und daß das Urteil, das im Namen des Volkes gegen ihn ergangen ist, unter Bruch des Gesetzes gefällt ist. Es handelt sich um die höchsten Fragen der Freiheit, der Gesetzlichkeit und Menschlichkeit; es hanvelt sich darum, zu wissen, ob auch das, was wir heute gesehen haben, zu den neuen Formen der Justiz gehört, die man in diesem Lande emMren will. Lassen Sie sich, hoher Gerichtshof, bei der Entscheidung über meine Anträge nicht vom Tumult der Menge beeinflussen, die irregcfütnt ist und nicht versteht, was vorgebt (Geheul.) Bedenken Sie, daß wir vielleicht am Wendepunkt unserer Ge­schickte stehen und daß Ihr Beschluß unberechenbare Konsequenzen haben kann (tiefe Bewegung, Lärm.) Die Sitzung wird suspendiert.

* Paris, 19. Febr. Heute scheint nach dem gestrigen Sturm Ruhe herrschen zu wollen. Zola sieht leidend und sorgenvoll aus; auch das Aussehen der Advokaten verrät Ermüdung. General Pellieux erscheint heute in Civil. Der Präsident ist heute mehr als jemals entschlossen, die Debatten so viel wie möglich zu beschränken. Auch die militärischen Zeugen außer Picquart sind plötzlich stumm, Picquart er­langt mit Mühe vom Präsidenten die Erlaubnis, etwas zu seiner persönlichen Rechtfertigung zu sagen. Pic­quart sagt: Bevor er aus Tunis kam, um Zeugnis in der Affaire Esterhazy abzulegm, wurde eine heftige