weniger al» zweckmäßig sei, gerade gegenwärtig die Zuckerzollfrage Amerika gegenüber aufzurollen. Nach weiterer unwesentlicher Debatte wurde der Rest des Etats bis auf das Kapitel „Kolonialverwaltung" be- willigt. ,
Lanoes,rachrichten.
* Tuttlingen, 11. Febr. Die ganz enorme Preissteigerung unserer Wirtschaften, die in ähnlicher Weise auch an andern Plätzen, vornehmlich Industrie, und Verkehrsplätzen beobachtet wird, wird überall leb- hast erörtert. Kaum hat ein unternehmungslustiger Geschäftsmann zu einem Preis, den jedermann für hoch hält, eine Wirtschaft erworben und ist nach kurzer Zeit geneigt, sie wieder zu verkaufen, so fehlt es nicht an Liebhabern, die den von ihm gezahlten Preis noch überbieten. Eine jede erteilte Wirtschaftskonzession ist heutzutage einem Geschenk von mehreren Tausenden von Mark gleich zu achten, kein Wunder, daß es an Gesuchen um solche nicht fehlt.
* Stuttgart, 11. Februar. Der Vorstand der Vereinigten Gewerkschaften Stuttgarts hatte vor einigen Tagen die dritte Konferenz der von den inWücttem- berg bestehenden Gewerkschaften ernannten Vertrauens- Männer für die Fabrikinspektion einberufen. Es hatten sich dazu viele Delegierte aus den meisten Jndustrie- orten des Landes eingefunden; auf ergangene Ein- ladung waren auch die Gewerbeinspektoren des 1. und 3. Bezirks erschienen. Der Inspektor des 2. Bezirks hatte sich wegen Krankheit entschuldigen lassen. Rsdak- teur Keil von der „Schwab. Tagwacht" sprach über das Thema: Die Fabrikinspektion und die Arbeiter. Redner beleuchtete die Mängel dieser Institution und gab praktische Winke für das Verhalten der Arbeit- nehmer. Sodann wandte er sich gegen die Verwendung von Diakonissen und barmherzigen Schwestern für das Amt einer Vertrauensperson. Schließlich nahm die Versammlung folgende Resolution an: „Die Konferenz erblickt in dem Institut für die Gewerbeaufsicht den wesentlichsten Bestandteil eines wirksamen Arbeiter- fchutzes, ist aber der Ueberzeugung, daß diese Aussicht nur dann allen berechtigten Anforderungen entsprechen kann, wenn die Zahl der Aufsichtsbeamten vermehrt und wenn Assistenten aus den Kreisen der Arbeiter und Arbeiterinnen gewonnen werden. Die Konferenz erachtet ferner die Ausdehnung der Aufsicht auf die Hausindustrie als unbedingt notwendige Bedingung, wenn die Inspektion den Zweck: die krassesten Auswüchse der Ausbeutung des Arbeiters unmöglich zu machen, erreichen soll." Die beiden Gewerbeinspektoren griffen gleichfalls, in die Debatte ein. Herr Hardegg faßte seine Wahrnehmungen dahin zusammen, daß es den Arbeitern an Erziehung fehle; sie schimpfen lieber beim Nachbar und im Wirtshaus über den Arbeitgeber, anstatt sich an die Vertrauensmänner zu wenden. Diese Auffassung wurde von verschiedenen Seiten bestätigt. Herr Berner erklärte, daß ihm die
ich, daß er sich viel mehr dafür interessierte, was ich gethan als dafür, was Esterhazy gethan. Ich hatte m Tunis vom Oberst Buche erfahren, daß Esterhazy Unterschlagungen begangen habe. In Constantine erzählten mir Offiziere, daß Esterhazy vor ein Kriegs- gericht hätte gestellt werden sollen und daß ihm dies nur durch die Nachsicht von Kameraden erspart geblieben sei. Ich nannte Ravary diejenigen Offiziere, welche er als Zeugen zur Bekundung dieser Thatsachen vorladen könnte. Er lud keinen Einzigen vor. Er beachtete in keiner Weise meine Aussagen in Betreff Esterhazys und im Kriegsgericht sah ich dann, daß alles gegen mich gerichtet war. Nach Beendigung der Aussagen Picquarts wuroe die Sitzung suspendiert. Picquart brachte man eme Ovation dar.
* Paris, 12. Febr. Deputierter Jaurös über den guten Glauben Zolas befragt, beginnt eine lange Rede. Seine mächtige Stimme macht den Saal erdröhnen. Er spricht mit solcher Gewalt, mit so hinreißender Wärme, daß das den Saal füllende, Zola feindliche Publikum in atemlosem Schweigen znhört. Ich habe dem Prozesse Esterhazy beigewohnt, sagt Jaurös, darum komme ich hierher, nicht nur um den guten Glauben Zolas zu verkünden, sondern die hohe soziale Bedeutung seiner Lhat. Zola hat die Billigung aller derer, die die Gerechtigkeit lieben und die nicht wollen, daß die Militärgewalt sich über alle Kontrolle und Gesetze erhebe. Alles, was sich ereignet, ist verschuldet durch die Schwäche der Regierung und des Parlaments, wodurch die Bürger genötigt sind, selbst einzugreifen und sich zur Verteidigung des Rechts an die Stelle der öffentlichen Gewalten zu setzen, die ihre Pflicht nicht thun wollen. Jaurös bespricht die seltsame Art, wie der Esterhazy-Prozeß geführt wurde. Man hat das Interesse der nationalen Verteidigung vorgeschützt, um die Oeffentlichkeit über das Gutachten der Schreibsachverständigen auszuschließen, um nicht zugestehen zu müssen, daß das Bordereau von Ester-
VertrauenSmänner der christlichen Arbeitervereine ebenso lieb seien, als diejenigen der Sozialdemokratie.
* Stuttgart, 12. Febr. Für den Bau mehrerer durch das Eisenbahngesetz von 1896 bewilligten Bahnen werden in dem Bahnbau-Gesetz-Entwurf Mk. 6740000 gefordert. Hiervon sind rund 2 Millionen durch verfügbare Restmittel der Finanzverwaltung aufzubringen, das Uebrige ist durch Anleihe zu beschaffen.
* (Württe m b er g i s ch e Staatsschuld.) Nach der neuesten Darstellung der Rechnungsergebniffe der Staatsschuldenkaffe bezifferte sich am 31. März 1897 die württ. Staatsschuld auf 476 502 028 Mark; sie ist gegen das Vorjahr um 7 735 785 Mark gewachsen.
* (Verschiedenes.) Mit Genehmigung der Generaldirektion der Staatsbahnen wurden am Bahnhof in L a u f f e n a.- N. 7 Spiritus-Gasglühlampen, „System Monopol", mit je 40 Kerzenlichtstärke angebracht. Der Preis soll 3 Pfg. pro Lampe und Licht- stunde nicht überschreiten. — In Schlath feierten der 76 Jahre alte Schäfer Wilhelm Leonhardt und seine 77 Jahre alte Ehefrau das Fest der goldenen Hochzeit in guter Gesundheit. — In Riedlingen wurde ein Bauer, der blos zur Hälfte gereinigte Frucht auf der dortigen Schranne in Säcken verkaufte, zu sechs Tagen Gefängnis und Tragung aller Kosten verurteilt. — Die Konzession zum Bau der elektrischen Bahn zwischen Eisenbahnstation und Ort Trossingen ist erteilt worden. — Im Steinbrnch beim Jägerhaus in Heilbronn fiel bei Lösung eines Spreng- schusses einem älteren Arbeiter ein Stück Sinn aui den Kopf, wodurch der Unglückliche augenblicklich getötet wurde.
* (Konkurse.) Johann Leitz, Ausdinger in Unterhöfen, Gde. Harsberg. — Jakob Schwöbel, Hirschwirt in Ohrnberg. — Margarete Gröner, Webers Ehefrau in Gerstetten. — Johannes Dangel, Bierbrauereibesitzer z. deutschen Haus in Ulm.
* Karlsruhe, 12. Febr. Die Kellnerin Rosa Münch aus Steinbach und der Trompeter Schmidt vom hiesigen Artillerieregiment haben sich heute gemeinsam das Leben genommen.
* Der Backofen eines Geschäftes in B. bei Bonn- dorf war schadhaft geworden. Ein Maurer ging bereitwilligst an die Operation, und da von außen solche nicht vorgenommen werden konnte, mußte derselbe in den Ofen hineinschlupfen. Hier ging die Sache auch ganz gut und der Operateur hantierte an seinem Patienten, daß es eine wahre Freude war. Die Ofen- befitzerin ging, als sie den raschen Fortschritt der Ofenkur sah, wieder ihrer Tagesbeschäftigung nach. Als sie nach einiger Zeit wieder Nachsehen wollte, war es! in und um den Ofen herum vollständig Ruhe, und war sie dann der Ansicht, daß der Maurersepp seine Arbeit gethan habe und nach Hause gegangen sei. Am andern Tage sollte der Backofen wieder in Thätig- keit treten und wurde zu diesem Behufe recht tüchtig
hazy ist. Jaurös glaubt entschieden, daß das Borderau von Esterhazy herrührt und erzählt zum Beweise dafür dre bereits gemeldeten Mitteilungen Papillauds, des Redakteurs der „Libre Parole". Jaurss nennt als weiteren Grund, weshalb man sich über die Führung des Esterhazy-Prozesses entrüsten müsse, die Art, wie Picquart dabei behandelt worden war. Nachdem man ihn öffentlich angeklagt hatte, schloß man die Oeffentlichkeit aus, sobald er kam, um sich zu verteidigen. Niemand hat ferner daran gedacht, eine Untersuchung anzustellen über die „verschleierte Dame", durch die Esterhazy das geheime Dokument aus dem Kriegsministerium erhalten haben will. Diese Untersuchung wurde nicht gemacht, weil es klar ist, daß das geheime Dokument an Esterhazy durch den Generalstab übermittelt worden war. Der Generalstab hat Esterhazy dadurch sagen wollen: Aengstige Dich nicht, wir wachen über Dich! Das geheime Dokument sollte für Esterhazy weniger eine Waffe als eine Herzstärkung sein. So wurde der ganze Prozeß geführt, zur systematischen Rechtfertigung der großen militärischen Chefs. Besonders empörend aber ist, daß man sich zu diesem Zweck der edelsten Worte bedient, der Worte Vaterland und Patriotismus, die man wahrlich nicht zu prostituieren berechtigt ist. Jaurss kommt alsdann auf die Mitteilung des geheimen Dokuments an das Dreyfus- Kriegsgericht zu sprechen, die er als gewiß bezeichnet. Ich habe darüber in der Kammer eine Frage gestellt, aber keine klare Antwort erhalten können. Mölme hat mir gesagt: „Ich kann Ihnen nicht antworten, ohne jene Calculs zu fördern." Also im Lande der Erklärung der Menschenrechte ist es jetzt ein „Calcul", wenn man von Recht und Freiheit spricht! Msline hat mir ferner gesagt: Man wird Ihnen anderswo antworten. Dies konnte nur das Schwurgericht bedeuten, aber auch im Schwurgericht hat man die Frage nicht zu beantworten gewagt. Es ist ungeheuerlich, daß ein Land, das sich frei glaubt, nicht erfahren kann, ob man das Gesetz respektiert hat. Weder im
mit Br«mmaterial angefüllt. Schon wollte man die „ganze Sache" in Flammen fetzen, als auf einmal eine Stimme aus dem Ofen heraus recht kräftig rief: „Um» Himmelsnn.. n, thuend mi doch au it verbrenne." Nicht wenig erschrocken, aus dem Ofen heraus eine Stimme zu vernehmen, zog man mit einem langen Feuerhaken das Holz wieder aus dem Ofen und förderte auf diese Weise auch einen Mann an das Tageslicht, der sich als unser Maurersepp entpuppte. Der gute Mann war als Maurer nicht aus der Art geschlagen, er war bei seiner Arbeit eingeschlafen und er hatte bis zum andern Tage geschlafen, an welchem er erst infolge des Geräusches, das die Bauersfrau im Ofen machte, wach wurde.
jj Für Abhaltung von Nationalfesten auf dem Niederwald bei Rüdesheim bewilligten die Stadtverordneten Wiesbadens eine jährliche Beisteuer von 4000 Mk.
* Berlin, 12. Febr. Man scheint innerhalb der Regierung ungeduldig zu werden, weil die Beratung des Flottengesetzes sich noch verzögert, obwohl die Session schon über zwei Monate dauert. Wir glauben, daß diese Versuche nunmehr gescheitert sind und daß die Eventualität einer Reichstagsauflösung näher ge- rückt ist, als man in letzter Zeit angenommen hat.
* (Die Getreideeinfuhr Deutschlands.) Es nt eine dankenswerte Maßnahme, daß auf Veranlassung des Staatssekretärs des Innern seit Herbst v. I. die amtliche Statistik über den Getreideverkehr mit dem Auslande halbmonatlich aufgestellt und im „Reichs-Anzeiger" veröffentlicht wird. Diese Statistik zeigt, daß die Einfuhr von ausländischem Brotgetreide nach Deutschland, nachdem sie jahrelang ununterbrochen in die Höhe gegangen war, seit vorigem Jahr in ganz überraschender Weise im Abnehmen begriffen ist. Die Rückwärtsbewegung hält auch, wie die Januarzahlen beweisen, im laufenden Jahre an. Von Jahr zu Jahr gerechnet, war der Einfuhrüberschuß gestiegen 1895 um '630146 und 1896 um 205 798 t. Im'Jahre 1897 zeigt sich zum erstenmal ein Rückgang, der dem Vorjahre gegenüber 504406 t beträgt. Zurückgegangen ist den Vorjahren gegenüber die Weizen- und Roggeneinsuhr, namentlich aus Rußland, Oesterreich-Ungarn, Rumänien, Bulgarien, der Türkei und insbesondere die Einfuhr von nordamerikanischem und argentinischem Weizen. Das Nachlassen der Einfuhr aus Rußland und den Donauländern mag ja zum Teil in den ungünstigen Ergebnissen der dortigen Ernten begründet sein. Wenn aber gleichzeitig auch die Einfuhr aus den Vereinigten Staaten einen starken Ausfall ausweist, trotzdem dort die Ernte in den beiden letzten Jahren ! glänzend ausgefallen ist und ungeheure Vorräte für den Export zur Verfügung stehen, so müssen für diesen Rückgang besondere Gründe maßgebend gewesen sein, und vielleicht nicht mit Unrecht ist vor kurzem im preußischen Abgeordnetenhause auf den Zusammenhang dieser Erscheinung mit dem Verbot des Getreidetermin-
Palaste, wo man das Gesetz macht, noch im Palaste, wo man das Gesetz anwendet, gibt es keine vierzig Deputierten die bezweifeln, daß jene Verletzung des Gesetzes begangen worden isi. Trotzdem, als rch sprach, stieß ich auf passives Schweigen. Nur wenige Freunde unterstützten mich. In den Couloirs aber, wo die parlamentarische Seele ihre natürliche Elastizität wiedcr- findet, stürzte man auf mich von allen Seiten zu und sagte: Sie haben recht, aber wie schade, daß diese Affaire wenige Monate vor den Wahlen ausgebrochen ist! Ich glaube, meine Kollegen täuschen sich. DaS Land liebt ebenso wie früher sein altes Ideal von der Wahrheit und Gerechtigkeit, Er werde das Amtsgeheimnis der anderen brechen. Er erzählt darauf die bereits gemeldeten Mitteilungen Dupuys und Delassös. Der General Mercier also, der ein dem Irrtum ausgesetzter Mensch ist, trotz seiner goldenen Tressen hat nicht einmal den Rat seiner Ministerkollegen eingeholt, hat es allein auf sich genommen, einen Angeklagten verurteilen zu lassen, indem er gegen ihn das geheime Dokument vorbrachte, ohne ihm Gelegenheit zu geben, sich dagegen zu verteidigen, was den elementarsten Rechtsgrundsätzen widerspricht. Wenn solche Sitten geduldet würden, dann wäre es um alle Freiheit und Gerechtigkeit in diesem Lande geschehen. Darum haben Bürger wie Zola sich durch ihren Protest Verdienst um uns alle erworben. Ich verstehe sehr wohl den Haß, mit dem man ihn heute verfolgt. Man verfolgt den Mann, der in „Lourdes" die Wunder vernunftgemäß und wissenschaftlich erklärt, der im „Germinal" das Andringen des Proletariats beschrieben und das Nahen einer neuen Gesellschaft verkündigt, der im „Döbacle" die militärischen Chefs denunziert hat, die in ihrem Dünkel und Unverstand das Unglück des Vaterlandes vorbereiten. Man mag nur gegen ihn Hetzen, wir neigen uns respektvoll vor ihm! (Große Bewegung.)